„Hmm, I finished it and – huh…“
hörte ich in der U-Bahn jemanden sagen und dachte – das trifft es 100%. Habe es auch erst noch ein paar Tage liegen lassen müssen, um mein „huh“ ein bisschen besser analysieren zu können, aber ganz schlüssig bin ich mir nicht, ob ich dem Buch 2 oder 5 Sterne geben würde.
Da waren ein paar sehr schöne Sätze und Gedanken drin, aber auch ne Menge wahnsinnig anstrengender furchtbar um Exzentrizität bemühter Hipster-Kram.
Cheryl Glickman, die Protagonistin aus Julys Debüt, ist eine ziemlich eigenartige Frau mit sehr sehr seltsamen Eigenschaften, die in einem Unternehmen tätig ist mit ziemlich eigenartigen Gewohnheiten und die – nicht wirklich überraschend – auch ziemlich eigenartige Macken hat, wenn es um ihren Wohnalltag geht. Cheryl hat sich im Laufe ihres Lebens eine ordentliche Portion Zwangsneurosen angelacht, ist mental jetzt nicht unbedingt die stabilste und – in meinen Augen – eine nicht wirklich überaus liebenswerte Person.
Daneben gibt es noch ein immer wiederkehrendes Baby, das Cheryl telephatische Nachrichten schickt, ein schürzenjagender sechzigjähriger Kollege, Philipp, der im Board ihres Unternehmens tätig ist und der auf sehr junge Mädchen steht und eine Therapeutin, die in einem Rollenspiel mit einem anderen Psychiater zweimal im Jahr eine Rezeptionistin spielt und zwischen ihren Therapiesitzungen in die leeren Kartons des chinesischen Takeaways pinkelt.
“Then I realized that we all think we might be terrible people. But we only reveal this before we ask someone to love us. It is a kind of undressing.”
Da wundert es einen dann wirklich nicht, dass sie sich irgendwann mit einem ebenfalls ziemlich bizarren Hausgast wiederfindet, mit der Cheryl dann im Laufe der Zeit ihre eigene, sexuell aufgeheizte weibliche Version eines zwei Personen Fight Clubs liefert. Clee ist die große blonde gutaussehende Tochter ihrer Chefs, die angeblich auf der Suche nach einem Job in Los Angeles ist. In Wahrheit campiert sie einfach nur 24h auf dem Sofa bei laufendem TV. Irgendwann beginnt Clee Cheryl physisch zu attackieren und die beiden hauen sich fortan in freudiger Regelmässigkeit und gegenseitigem Einvernehmen windelweich oder wie man in englisch so schön sagen würde „the bejesus out of each other“.
“When you live alone people are always thinking they can stay with you, when the opposite is true: who they should stay with is a person whose situation is already messed up by other people and so one more won’t matter.”
“We had fallen in love; that was still true. But given the right psychological conditions, a person could fall in love with anyone or anything. A wooden desk—always on all fours, always prone, always there for you. What was the lifespan of these improbable loves? An hour. A week. A few months at best. The end was a natural thing, like the seasons, like getting older, fruit turning. That was the saddest part—there was no one to blame and no way to reverse it.”
Mit der Zeit heizen sich ihre Spaßkämpfchen trotz Clees barbarisch stinkendem Fußpilz immer weiter sexuell auf… und im zweiten Teil des Buches geht es um etwas ernstere Themen. Darum, seine sexuelle Identität zu finden, die Veränderungen, die die Geburt eines Kindes mit sich bringen und die Frage, wann man in einer Beziehung ausharren und für sie kämpfen sollte und wann es das Richtige ist, doch zu gehen.
“If you were wise enough to know that this life would consist mostly of letting go of things you wanted, then why not get good at the letting go, rather than the trying to have?”
Das Buch ist in meinen Augen die deutliche Erklärung das es „normal“ nicht wirklich gibt. Das jeder von uns in seiner ganz eigenen Art einen an der Waffel hat und uns trotzdem glücklich schätzen können, in dieser wunderbaren durchgeknallten Welt zu existieren.
Stellenweise war mir das etwas zuviel kinky shit (und der stinkende Fußpilz – waaaah), auf jedenfall aber ein abwechslungsreiches, interessantes Buch mit Charakteren, die man so schnell nicht vergessen wird.
Hier noch eine weitere Rezension, die mir sehr gut gefallen hat.
Und hier noch ein sehr interessantes Interview mit Miranda July:
Auf deutsch erschien das Buch unter dem Titel „Der erste fiese Typ“ im Kiepenheuer & Witsch Verlag.
kinky shit 🙂 Klingt verlockend 🙂
Ja – könnte echt was für Dich sein. Total abgefahren 🙂
Würde es Dir gerne schicken, aber das ist bereits weg. Schade.
Deine Beschreibung trifft es echt gut. Alles sehr abgefahren und zum Teil auch echt ekelerregend.