Ganz plötzlich tritt das Phänomen auf: Rund um die Welt beginnen physische Schmerzen und Wunden zu leuchten, Leiden wird somit sichtbar. Die Idee finde ich faszinierend, die Umsetzung hatte so seine Haken. Die Geschichte folgt 6 Protagonisten, die durch ein Tagebuch miteinander in Verbindung gebracht werden. Die ersten 2-3 Geschichten fand ich noch wirklich interessant, Brockmeier kann wirklich schreiben, daher ist es vielleicht um so enttäuschender, das es am Ende ein Flickwerk ist, das einfach nicht wirklich zusammen passen will.
In der ersten Geschichte treffen wir auf eine Datenanalystin die sich beim Öffnen eines Paketes ihres verbitterten Ex-Mannes in den Finger schneidet. Sie kommt ins Krankenhaus und sie ist die erste, bei der das Leucht-Phänomen auftritt. Während ihres Aufenthaltes dort trifft sie eine Frau, die in einen schweren Autounfall verwickelt war. Sie gibt ihr ein Tagebuch, in das sie die täglichen Liebesbotschaften ihres Mannes hineingeschrieben hatte. Dieses Tagebuch wird der rote Faden, der die Protagonisten miteinander verbindet. Das alles wirkt aber ziemlich hölzern und konstruiert.
Wenn die Menschen ihren Schmerz nicht mehr verhüllen können, dann entwickelt das seine ganz eigene Dynamik. Wenn man sieht, dass der Dozent vorne starke Zahnschmerzen hat, denn sein Backenzahn strahlt wahnsinnig hell, oder die Fersen von Frauen leuchten, die in zu engen unbequemen Stöckelschuhen durch die Gegend laufen. Er spielt mit der Idee, dass Schmerz auch seine eigene Schönheit haben kann.
“Occasionally, the light seemed to arrive from a distinct direction, like the sun slanting through a gap in a curtain, but often it simply infused whatever aches or traumas afflicted people. At such times, it had the appearance of a strange luminescent paint layered directly over their skin. They might have been angels in an El Greco painting.”
Brockmeier schreibt seitenweise wunderschöne Sätze, aber irgendwie ist es die gleiche Geschichte, wieder und wieder erzählt nur in leicht veränderter Umsetzung von sechs unterschiedlichen Charakteren.
Was für ein seltsames Buch. Ich kann mich nicht erinnern, so gefesselt von einem Buch gewesen zu sein, es anfangs auch wirklich gemocht zu haben und ganz plötzlich, etwa in der Hälfte, war die Luft raus und es hat nur noch genervt. Kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt von „interessant, wow“ zu „holy crap was für ein Mist“ in so kurzer Zeit geraten bin.
Ich kann es daher nicht wirklich weiter empfehlen, sollte ich dennoch Interesse geweckt haben einfach, ich schicke es euch gerne zu. Dazu einfach per Kommentar mitteilen, bei welchem Buch Euch das zuletzt so erging. Ich bin gespannt …
Ab der Hälfte hätte ich vor Schmerz wohl leuchten müssen wie ein Glühwürmchen 😉
Mir ging es zuletzt so mit Planet Magnon von Leif Randt. Frage mich seitdem immer noch, ob CobyCounty vielleicht nur durch das Lektorat so gut war und Randt eigentlich lieber Welten aufbaut ohne etwas sagen zu wollen?
Würde mich über das Buch freuen, aus Neugierde, weil Deine Besprechung rätselhaft klingt. LG.
Hallo Anke, das Buch gehört dir 🙂 Schick mir doch bitte Deine Adresse, dann macht es sich gleich auf den Weg zu Dir. Schönes Wochenende.
Auf die Gefahr hin mich unbeliebt zu machen gebe ich zu, dass es mir mit den Bänden 4 und 5 von Karl Ove Kanusgard so ging, einerseits immer noch faszinierende Gedankenketten, andererseits gähnende Langeweile und die Frage: will ich das überhaupt so genau wissen? Und doch werde ich auch Band 6 lesen, wenn er erscheint und dann ist es ja eh rum mit seinem Kampf…
herzlichst
Ulli
Ich habe den ersten Band von Herrn Knausgard noch hier liegen, bin da ein Spätzünder. Momentan kann ich mir noch gar nicht vorstellen, überhaupt über Band 1 hinauszukommen. Aber weil so viele Menschen, deren Meinung ich schätze so schwärmten will ich dann auch mal wissen 😉
Ich fing mit Band 2 an und weil ich den so gut fand, las ich Band 1, der schmerzte, Band 3 dann wieder mit Freude, aber dann… bin gespannt was du zu berichten hast, wenn … überhaupt … ich weiss auch, dass ich nicht den Mainstream vertrete, aber das kenne ich schon 🙂