Cornwall by the Book

Cornwall – wild, ungezähmt, und ehrlich gesagt hatten wir uns in Sachen Wetter auf so ziemlich alles eingestellt. Aber das, was dann kam, war so viel besser als erwartet: Bis auf einen Tag strahlender Sonnenschein! Doch selbst die wenigen Wolken konnten unsere Stimmung nicht trüben – was auch daran liegen könnte, dass wir uns in einer sehr hübschen Ferienwohnung in Penzance einquartiert hatten. Der perfekte Ausgangspunkt für unsere täglichen Erkundungstouren.

Penzance hat einen rustikalen Charme, und die an Piraten reiche Geschichte Cornwalls konnte man nur ein paar Häuser weiter von unserer Unterkunft im sehr urigen seit 1695 bestehenden Admiral Bentow Pub bestens erkunden. Unser kulinarisches Highlight der Reise erlebten wir allerdings im „Cork & Fork“, wo wir eine richtig gute Seezunge gegessen haben. Empfehlenswert!

Ein anderer schöner Ort war der „The Edge of the World Bookshop“. Allein der Name verspricht schon ein kleines Abenteuer. Und genau so fühlt es sich an, wenn man erstmal durch die Tür tritt. Gemütlich, einladend, und – Achtung – unglaublich schwer, ohne mindestens drei Bücher unter dem Arm wieder rauszugehen. Sogar der Duft der Seiten hatte etwas Magisches. Man möchte fast glauben, dass ein paar dieser Bücher direkt aus Narnia stammen.

Kleine Anekdote am Rande: In Penzance haben wir auch die Morrab Library entdeckt. Ein echter Geheimtipp! Die Bibliothek befindet sich in einem alten Landhaus, das aussieht, als sei es einem Jane-Austen-Roman entsprungen. Über 70.000 Bücher, und das Beste: Die werden alle noch mit Papier-Karteikarten verwaltet! Ich fühlte mich sofort in die öffentliche Bibliothek meiner Kindheit zurückversetzt – wir wurden mit einem Lächeln empfangen, wir durften jeden Räum erkunden und sie haben sogar ein Foto mit uns gemacht, weil sie sich sehr über internationale Besucher freuen 🙂

Im Treppenhaus hängt ein großes Porträt von John le Carré Er lebte lange in Cornwall und war ein großer Fan der Morrab Library und unterstütze sie auch großzügig. Le Carré, der eigentlich David Cornwell hieß, fand in Cornwall nicht nur ein Refugium, sondern auch Inspiration. Seine Liebe zur Region und ihre Verbindung zur Natur spiegeln sich in vielen seiner Werke wider. Es wird gesagt, dass er sich von den Küsten Cornwalls ebenso zu seinen Spionageromanen inspirieren ließ wie von den politischen Spannungen seiner Zeit. Ein Mann voller Widersprüche – einerseits mit der Welt der Geheimdienste vertraut, andererseits mit einem Rückzugsort, der idyllischer nicht sein könnte. Cornwall und le Carré – das ist eine Verbindung von Kontrast und Harmonie und ich muss endlich mal meinen Le Carré Roman aus dem Bücherregal vorholen und endlich lesen.

Es ist übrigens überhaupt kein Problem ohne Auto in Cornwall unterwegs zu sein. Wahrscheinlich ist es sogar die bequemere Variante, denn die Single Track Roads sind tückisch und bei unseren Busfahrten haben wir so manche Autofahrer*in rückwärts manövrierend fast im Graben landen. Das Busnetz ist gut ausgebaut und sehr günstig – 2 GBP pro Strecke, und für 7 GBP gab’s ein Tagesticket, mit dem man sich kreuz und quer durch die Landschaft bewegen konnte.


Einer unserer ersten Ausflüge führte uns zu einem Treffen mit Freundinnen ins schöne St Ives, die dort zufällig auch gerade urlaubten. St. Ives ist ein wirklich niedliches Fischerstädtchen berühmt für sein gutes Licht und daher seit Jahrhunderten Anziehungspunkt für eine Menge Maler*innen. Wir schlenderten durch die Gassen, aßen abends richtig guten Chowder – diese fabelhafte, cremige Fischsuppe, die man in Cornwall überall findet – und genossen am Nachmittag einen richtig guten Cornish Cream Tea. Scones, clotted cream und Marmelade – da der Tag in St. Ives auch gleichzeitig der kühlste und regnerischste unserer Reise war, waren heißer Tee und süße Scones die perfekte Antidote dafür.


Ein weiteres Highlight unserer Reise war Mousehole. Nein, das ist kein Tippfehler. Mousehole (ausgesprochen „Mauzl“) ist ein winziges Fischerdorf, das wirklich charmant und zauberhaft ist. Die Häuser kleben an den Klippen, und die Boote im kleinen Hafen schaukeln gemütlich in der Sonne. Kein Wunder, dass Dylan Thomas, der walisische Dichter, Mousehole als „das schönste Dorf Englands“ bezeichnet hat. Finde ich total nachvollziehbar. Nach einem guten Mittagessen mit Blick auf den Hafen, packten wir uns mit unseren Büchern an den kleinen Strand im Ort und ließen uns die Sonne auf den gut gefüllten Bauch brennen.


Dann war da noch Mount St. Michael – diese märchenhafte Inselburg, die bei Ebbe zu Fuß erreichbar ist. Allein die Überquerung über den trockengelegten Meeresboden fühlte sich an, als ob wir Teil eines Fantasy-Abenteuers wären. Ein bisschen wie „Der Herr der Ringe“, nur ohne Orks, dafür mit einer imposanten Burg. Besonders angetan hatte es uns der riesige Blumengarten, soooo schön und der Ausblick – mir fehlen wirklich ein bißchen die Worte. Man hatte an dem Tag definitiv das Gefühl irgendwo im Süden zu sein.

Natürlich stand auch ein Besuch bei Lands End, dem westlichsten Punkt Englands, auf dem Plan. Die Klippen dort sind der Hammer! Das tosende Meer, das gegen die Felsen schlägt, und der Wind, der einem die Haare zerzaust – Cornwall in seiner wildesten und schönsten Form. Ich hätte stundenlang da sitzen und einfach nur aufs Wasser starren können. Oder Rebecca lesen. Was mich jetzt auch langsam aber sicher zum „by the Book“-Teil der Reise bringt. Da ich zwar eine ganze Menge du Mauriers zu Hause habe, mir die alle aber zu schade waren im Rucksack durch die Gegend geschlörrt zu werden, entschied ich mich für ein Hörbuch und zwar die Biografie von Daphne du Maurier.

Ein bisschen wehmütig wurden wir jedoch, als uns klar wurde, dass wir Manderley nicht besuchen konnten. Warum? Weil es nur in unserer Fantasie existiert! Aber auch das echte Vorbild, Menabilly House, konnten wir nicht besichtigen, da es sich in Privatbesitz befindet. Via Hörbuch tauchte ich ein in ihr du Mauriers faszinierendes Leben und insbesondere ihre mehrwöchtigen Wanderungen zu dem nahezu verfallenen Menabilly House und wie sie die damaligen Besitzer dazu überreden konnte es ihr zu vermieten. Maurier verbrachte einen Großteil ihres Lebens in Cornwall, und viele ihrer Bücher sind von dieser dramatischen Landschaft geprägt. Mit ihren düsteren Geschichten und mysteriösen Figuren hat sie Cornwall auf die literarische Landkarte gesetzt. Jeder noch so kleine Buchladen und Souvenirshop hat ihr gesamtes Angebot stets in verschiedensten Ausgaben im Angebot. Bei unserem nächsten Besuch in Cornwall wollen wir unbedingt den Jamaica Inn Pub besuchen, den sie in ihrem Roman unsterblich gemacht hat.

Ein Filmtipp den ich noch unterbringen möchte ist der sehr atmosphärisch-verstörende Film „Enys Men“ der wunderschöne Bilder hat und am Rande auf die Bergwerks-Vergangenheit Cornwalls eingeht. Sehr sehenswert!


Cornwall war früher ein Hotspot für Schmuggler. Die zerklüfteten Küsten und versteckten Buchten waren ideal für den illegalen Handel mit Brandy, Tabak und anderen Schmuggelwaren. Parallel dazu war Cornwall auch ein Zentrum des Bergbaus, besonders für Zinn und Kupfer. Heute? Heute ist der Bergbau weitestgehend Geschichte, aber der Tourismus boomt, wobei es höchstens in St. Ives für meinen Geschmack ein wenig überlaufen war.

Cornwall ist eine wunderschöne Gegend, wir kommen wieder und dank des „The Edge of the World Bookshops“ bin ich jetzt auch mit einer langen Liste von spannenden Büchern ausgestattet die dort spielen und die mal nicht von Daphne du Maurier geschrieben wurden.

Es gibt jetzt noch einen finalen Stopp – dann kommt unsere literarische Englandreise aus dem Frühsommer dieses Jahres zu seinem Ende. Kommt ihr mit nach Oxford? Habt ihr eine Idee was ich dafür an Literatur im Gepäck hatte und wie hat euch mein Cornwall Bericht gefallen? Seid ihr schon dort gewesen? Mögt ihr Daphne du Maurier – ich freue mich sehr von euch zu hören.


#WomeninSciFi (23) Ein Tropfen Zeit – Daphne Du Maurier

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Daphne du Maurier, der Meisterin des dunklen Suspense und tiefer seelischer Abgründe, wird in dieser Ausgabe mit Illustrationen von Kristina Andres ein wundervolles Denkmal gesetzt. Hitchcocks „Die Vögel“, „Rebecca“ sowie Nicolas Roegs „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ gehen auf ihre Erzählungen zurück und auch „Ein Tropfen Zeit“ hätte durchaus Verfilmungs-Potential.

„Ein Tropfen Zeit“ erschien bereits 1969 und wurde jetzt von der Büchergilde Gutenberg neu aufgelegt. Der Protagonist Dick Young (von du Maurier als sehr unsympathischer Zeitgenosse angelegt – ein echter Dick, sorry for the pun) läßt sich von seinem alten Studienfreund Magnus, in dessen Cornwaller Strandhaus er seine Ferien verbringt, dazu überreden eine Zeitdroge zu testen, die dieser entwickelt hat.

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Natürlich hat diese Droge auch so ihre Nebenwirkungen. Er landet immer wieder im 14. Jahrhundert, stets in naher Umgebung des Strandhauses, in dem er für einige Zeit lebt. Er beobachtet die Geschehnisse, Intrigen, Geheimnisse um Isolda Carminowe, ihren heimlichen Liebhaber Otto Bodrugan, dessen böse Schwester Joanna und den Verwalter Roger Kylmerth. Allerdings kann er weder den genauen Zeitpunkt bestimmen, an den er transportiert wird, noch kann er die Geschehnisse in irgendeiner Weise beeinflussen. Berührungen, auch zufällige mit den Personen im 14. Jahrundert, haben heftige Nachwirkungen. Er wird sofort in seine Zeit zurückgeschleudert und Übelkeit, Desorientierung und zeitweilige Paralyse sind die unangenehmen Folgen.

Während er auf der Droge ist, bewegt er sich benommen durch die Gegend und ist für die äußeren Bedingungen des 20. Jahrhunderts nicht mehr zugänglich, was durch Züge, Autos etc. durchaus gefährlich werden kann. Zudem macht die Droge natürlich auch noch süchtig und Dick wird der Gegenwart und auch seiner Familie gegenüber immer gleichgültiger. Der nächste Zeitreisetrip ist alles, was ihn noch interessiert, und dass das alles nicht gut enden wird, wird einem ziemlich bald klar.

Die beiden Erzählstränge waren für mich jetzt keine absoluten „page-turner“. Ich habe nicht vor lauter Spannung und Atemlosigkeit ins Kopfkissen gebissen, aber die Atmosphäre und die Stimmung des Buches haben mich voll und ganz eingefangen.

Neben den in du Mauriers Werk immer wiederkehrenden Themen Wahnsinn, Manie, Besessenheit, Sucht und wissenschaftliche Experimente, spürt man auch den Einfluß Carl Jungs, den sie sehr schätzte, und der sich stark mit dem „kollektiven Unbewussten“ beschäftigt hat.

 

Man spürt in „Ein Tropfen Zeit“ du Mauriers große Liebe zu Cornwall, der Landschaft, der Geschichte und den Menschen dieser Region. Der Roman heißt im englischen „The House on the Strand“. Die Vorlage für Magnus‘ Haus „Kilmarth“ war ihr eigenes, in dem sie ihre letzten Lebensjahre verbrachte, nachdem sie gezwungen war, ihr geliebtes „Menabilly“ 1967 zu verlassen.

Diese Ausgabe ist bei der Büchergilde Gutenberg erschienen. Im englischen Original heißt das Buch: „The House on the Strand“.