April by the Book

Willkommen zu meinem Lesemonat April! Der war wirklich spannend, vor allem wegen meiner Reise nach Neapel und Pompeji. Aber auch im Kopf ging’s rund: Nele Pollatschek hat mich nach Oxbridge entführt, ich hab Zeit in Timor Kaleyas Sanatorium verbracht und eine Menge Einblicke in das Kastensystem der USA gelernt. Ich ließ mich von der poetischen Sprache Marie-Luise Kaschnitz‘ verzaubern habe über die die Sternstunden der Menschheit nachgedacht. Hier wieder ein kurzer Abriss meines Lesemonats in alphabetischer Reihenfolge:

Pompeii – Mary Beard auf deutsch unter dem gleichen Titel im Fischer Verlag erschienen, übersetzt von Ursula Blank-Sangmeister

Mary Beards Buch „Pompeii: The Life of a roman town“ ist ein faszinierender und humorvoller Streifzug durch die Stadt und die Geschichte. Sie liebt es gängige Annahmen über Pompeij zu widerlegen und kann dabei im Text ordentlich austeilen anderen Kolleg*innen gegenüber.

Beard betont immer wieder die Grenzen unseres Wissens und die Unbeständigkeit unserer Konstrukte. Sie widerlegt die Vorstellung, dass Pompeji eine „eingefrorene Stadt in der Zeit“ sei, wie es oft behauptet wird. Vielmehr zeigt sie auf, dass Pompeji von verschiedenen historischen Ereignissen geprägt wurde, angefangen von einem verheerenden Erdbeben bis hin zu Plünderungen und Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg.

Das Buch bietet einen überraschenden Blick hinter die Kulissen von Pompeji und beleuchtet das tägliche Leben der Menschen, ihre Häuser, ihre Bäder und sogar ihre Bordelle. Beard führt uns durch die Straßen, in die Häuser und öffentlichen Gebäude und lässt uns die Stadt mit all ihren Gerüchen und Geräuschen erleben.

In fact, a marriage was normally contracted, as the Romans put it, ‘by practice’: that is, in our terms, ‘by cohabitation’. If you lived together for a year, you were married.

Besonders bemerkenswert ist Beards Fähigkeit, komplexe Themen auf eine zugängliche und unterhaltsame Weise zu präsentieren. Man kann förmlich spüren, wie sie durch die Ruinen von Pompeji spaziert und uns dabei mit ihrem Wissen und ihrer Begeisterung mitreißt.

Lästige Liebe – Elena Ferrante erschienen im Suhrkamp Verlag, übersetzt von Karin Krieger

„Elena Ferrante“ ist das Pseudonym einer italienischen Schriftstellerin, deren wahre Identität bis heute ein gut gehütetes Geheimnis ist. Ihre Romane setzen sich häufig mit Themen wie weiblicher Freundschaft, Familienbeziehungen und dem Leben im südlichen Italien auseinander.

Ihr Debütroman „Lästige Liebe“ (Originaltitel: „L’amore molesto“), veröffentlicht im Jahr 1992, ist eine eindringliche, ziemlich beklemmende Geschichte über eine Frau namens Delia, die nach dem mysteriösen Tod ihrer Mutter Amalia deren Tagebuch entdeckt. Während Delia versucht, die Wahrheit über den Tod ihrer Mutter aufzudecken, taucht sie immer tiefer in deren geheimnisvolle Vergangenheit ein.

Betritt man die Wohnung eines vor kurzem verstorbenen Menschen, fällt es schwer, sie für unbewohnt zu halten.

„Lästige Liebe“ ist ein Roman, der mich mit seiner düsteren Atmosphäre und den komplexen Charakteren stellenweise durchaus in seinen Bann ziehen konnte, bin aber nicht wirklich warm geworden mit den Figuren und ich war bei der Lektüre eigentlich abwechseln verwirrt oder ein bißchen verstört. Durchaus ein gelungener Debütroman, Frau Ferrante kann wirklich schreiben – aber ich kann nicht sagen, dass ich unbändige Lust bekommen habe noch weitere Romane von ihr zu lesen.

Pompeij – Robert Harris im Heyne Verlag erschienen, übersetzt von Christel Wiemken

Robert Harris‘ Pompeij ist ein faszinierender historischer Roman, der des verheerenden Ausbruchs des Vesuvs und der Zerstörung der Stadt erzählt. Mit einer Mischung aus akribischer historischer Recherche und fesselnder Erzählung entführt Harris die Leser in die Welt des antiken Roms und verwebt geschickt Fakten mit Fiktion.

Die Geschichte folgt dem jungen Ingenieur Marcus Attilius Primus, der nach Pompeji kommt, um die Wasserleitungen der Stadt zu reparieren. Doch bald entdeckt er Anzeichen für ungewöhnliche Aktivitäten des Vesuvs und wird in ein Netz aus Intrigen, Machtspielen und persönlichen Dramen verstrickt. Während Attilius verzweifelt versucht, die Bewohner vor der bevorstehenden Katastrophe zu warnen, bahnt sich das Unheil unaufhaltsam an.

What is leadership, after all, but the blind choice of one route over another and the confident pretense that the decision was based on reason

Harris gelingt es richtig gut, die Atmosphäre und das Leben im antiken Pompeji zum Leben zu erwecken. Durch seine detaillierte Darstellung der Stadt, ihrer Bewohner und ihrer Bräuche entsteht ein lebendiges Bild dieser Tage und es hat was sehr beklemmendes wenn man schon von der ersten Seite an weiß, dass sehr bald unweigerlich eine Katastrophe passieren wird.

Man spürt die intensive Recherche, die in den Roman eingeflossen ist, und die Liebe zum Detail, mit der Harris die Welt von Pompeji zum Leben erweckt.

„Pompeji“ ist ein packender historischer Roman, der nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Er wirft Fragen nach der Natur der Macht, dem Verhalten in Krisensituationen und der Fragilität menschlicher Existenz auf.

Heilung – Timon Karl Kaleyta erschienen im Piper Verlag

Ein Sanatoriumsroman kann wie eine Reise in eine unbekannte Welt sein, eine Welt, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen und der Leser selbst zum Mitreisenden wird. Timon Karl Kaleytas Roman „Heilung“ ist eine solche Reise, die den Leser in die verschneiten Berge des San Vita entführt, einem Ort, der mehr Geheimnisse birgt, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

Die Geschichte dreht sich um einen namenlosen Protagonisten, der plötzlich von Schlaflosigkeit geplagt wird und sich auf eine Reise der Selbstfindung begibt. Seine Frau schickt ihn in das exklusive San Vita, nicht um eine Krankheit zu heilen, sondern um ein diffuses Unbehagen zu vertreiben. Unter der Leitung von Professor Trinkl durchläuft er unkonventionelle Behandlungsmethoden, die eher an ein Abenteuer als an eine medizinische Therapie erinnern. Doch bald schon bricht er aus dem engen Korsett des Sanatoriums aus und findet sich auf dem Bauernhof seines Jugendfreundes Jesper wieder, wo er eine ganz andere Art der Heilung erfährt.

Was diesen Roman so faszinierend macht, ist die Atmosphäre der Ambiguität, die er schafft. Kaleytas Erzählstil lässt bewusst viele Fragen offen, und genau das macht den Reiz des Romans aus. Man wird als Leser dazu eingeladen, selbst zu interpretieren und zu reflektieren, anstatt alle Antworten serviert zu bekommen.

Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie Kaleytas die Themen Männlichkeit und Selbstfindung behandelt. Anders als viele zeitgenössische Autoren, die sich in autofiktionalen Werken in endlosen Selbstreflexionen verlieren, schlägt Kaleytas einen erfrischend anderen Weg ein. Sein Protagonist ist kein klassischer Held, sondern ein Durchschnittsmensch, der sich in einer Welt voller Widersprüche und Ambivalenzen verliert. Es ist diese Alltäglichkeit, die den Roman so zugänglich und gleichzeitig so tiefgründig macht.

Auch die Settings, sei es das exklusive Sanatorium oder der idyllische Bauernhof, sind meisterhaft inszeniert und tragen zur Atmosphäre des Romans bei. Man fühlt sich geradezu, als würde man selbst durch die verschneiten Berge streifen oder den Morgentau auf den Feldern spüren.

Ins San Vita kommen Menschen, die wissen, dass sie gesund sind. Sie haben bereits die besten Ärzte der Welt aufgesucht. Und nun wollen sie von uns bestätigt bekommen, dass auch darüber hinaus alles in Ordnung ist. Sie wollen, wie soll ich sagen, von einem unguten Gefühl befreit werden, von einem Unbehagen, dass sie belastet.

Natürlich hat der Roman auch seine Schwächen. Einige Passagen wirken etwas überkonstruiert, und der manierierte Erzählstil mag nicht jedermanns Geschmack treffen. Doch gerade diese Unvollkommenheiten verleihen dem Roman eine gewisse Authentizität und machen ihn zu einem echten Erlebnis.

Insgesamt hat mir „Heilung“ von Timon Karl Kaleytas außerordentlich gut gefallen. Die unkonventionelle Erzählweise, die fesselnde Atmosphäre und die tiefgründigen Themen haben mich von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann gezogen. Wer gerne auf literarische Entdeckungsreise geht und sich von einem Roman überraschen lassen möchte, dem kann ich „Heilung“ nur wärmstens empfehlen.

Orte / Gedichte – Marie-Luise Kaschnitz erschienen im Insel bzw Suhrkamp Verlag

Ich bin so so glücklich diese wundervolle Autorin für mich entdeckt zu haben. Ein absoluter Zufallsfund aus dem Bücherschrank, den ich nach einem Gedicht gesehen bei @buddenbohm aufschlug und nicht mehr weglegen konnte.

In Marie-Luise Kaschnitz‘ Werk „Orte“ begeben sich Leser auf eine faszinierende Reise durch die Landschaften der menschlichen Seele. Kaschnitz, eine der bedeutendsten deutschen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts, verwebt in diesem Werk auf meisterhafte Weise poetische Sprache mit tiefgründigen Einblicken in die menschliche Existenz.

Marie-Luise Kaschnitz wurde am 31. Januar 1901 in Karlsruhe, Deutschland, geboren. Sie entstammte einer wohlhabenden Familie und erhielt eine umfassende Bildung, die ihre Liebe zur Literatur und zum Schreiben förderte. Ihr Schaffen umfasst eine Vielzahl von Gedichten, Erzählungen, Essays und Romanen. Kaschnitz‘ Werke zeichnen sich durch eine klare, prägnante Sprache aus, die oft existenzielle Themen wie Vergänglichkeit, Einsamkeit und die Suche nach Identität behandelt.

Ihr literarisches Schaffen erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte, in denen sie eine Vielzahl von Preisen und Auszeichnungen erhielt, darunter den Georg-Büchner-Preis im Jahr 1955. Marie-Luise Kaschnitz verstarb am 10. Oktober 1974 in Rom, hinterließ jedoch ein bedeutendes Erbe in der deutschen Literaturgeschichte.

Paris 1939, und wie töricht und glücklich wir dort sind. Wie wir die in den Buchhandlungen ausliegenden pazifistischen Bücher, die Späße der Goliarden auf den Straßen für ein Zeichen der Überlegenheit nehmen, wie wir selbst, aus der Kaserne Deutschland für kurze Zeit entlassen, gelöst umhergehen, fast tanzend in unserem lateinischen Viertel, im Jardin du Luxembourg und die Seine entlang.

„Orte“ ist eine Sammlung von Texten, die die Vielschichtigkeit menschlicher Erfahrungen und Emotionen erkunden. Kaschnitz führt die Leser durch metaphorische Landschaften, in denen sie die Untiefen des menschlichen Geistes erkunden. Jeder Ort, den sie beschreibt, ist nicht nur ein geografischer Ort, sondern auch ein Zustand des Bewusstseins.

Die Erzählungen in „Orte“ sind oft fragmentarisch und lassen Raum für Interpretation. Kaschnitz spielt mit Symbolen und Bildern, um tiefe emotionale Resonanzen zu erzeugen. Sie beschreibt verlassene Orte, einsame Landschaften und verträumte Szenerien, die eine Reflexion des inneren Zustands der Protagonist*innen sind.
Kaschnitz‘ Sprache ist von einer tiefen Melancholie und einer unbestreitbaren Schönheit geprägt. Jedes Wort ist sorgfältig gewählt, jede Beschreibung ist kunstvoll ausgearbeitet.

Die Gedichte von Marie-Luise Kaschnitz sind oft von einer tiefen, introspektiven und existenziellen Stimmung geprägt. Ihre Poesie zeichnet sich durch eine präzise und zugleich poetische Sprache aus, die komplexe emotionale Zustände und philosophische Themen erforscht. Kaschnitz‘ Werke reflektieren häufig Themen wie Vergänglichkeit, Einsamkeit, Verlust und die Suche nach Sinn.

Dear Oxbridge – Nele Pollatschek erschienen im Galiani Verlag

Nele Pollatscheks „Dear Oxbridge“ bietet einen faszinierenden Einblick in die Welt der britischen Elite-Universitäten Oxford und Cambridge. Als langjährige Studentin dieser renommierten Institutionen beleuchtet Pollatschek nicht nur das akademische Leben, sondern wirft auch einen Blick hinter die Kulissen der britischen politischen Elite, die maßgeblich den Brexit beeinflusst hat.

Das Buch beginnt mit einer tragikomischen Pointe, als Pollatschek am Morgen des Brexit-Votums ihre Studienschulden begleichen kann, jedoch nicht aus Freude über den Ausgang der Abstimmung, sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Von diesem Ausgangspunkt aus reflektiert sie über die Entstehung des Brexit und die Rolle der politischen Klasse, die von den Eliteuniversitäten geformt wird.

Pollatschek beschreibt Oxbridge als Symbol für Reichtum, Elite und Macht. Sie zeigt auf, wie diese Institutionen ein Milieu schaffen, das von seinen eigenen Privilegien überzeugt ist und diese über Generationen hinweg weitergibt. Dabei deckt sie auch die dunklen Seiten dieser Welt auf, wie die elitären Clubs und die Kultur der Abgeschlossenheit und menschenverachtenden Praktiken.

Trotz dieser kritischen Betrachtung ist Pollatschek jedoch nicht verbittert. Sie zeigt eine tiefe Zuneigung zu Großbritannien und seinen Universitäten, insbesondere zu der Leidenschaft für Wissen und Lehre, die dort herrscht. „Dear Oxbridge“ kann daher auch als eine Art universitärer Coming-of-Age-Text betrachtet werden, der neben dem Brexit vor allem Pollatscheks eigene intellektuelle Reifung thematisiert.

Der Politikertyp, der aus Oxbridge kommt, der vorher natürlich schon in Eton war, also Menschen wie David Cameron und Boris Johnson, das ist jemand, der immer schon alle Privilegien hatte, der immer schon etwas Besseres war, und der gleichzeitig gar nicht weiß, dass er sich das nicht erarbeitet hat, sondern dass das einfach ein Privileg ist, dass das einfach von Geburt an da ist. Und weil die vermehrt denken: Boah, das habe ich mir alles erarbeitet, das verdiene ich, kommt daraus eine Gnadenlosigkeit, also der Gedanke, dass diejenigen, die das nicht haben, was man selber hat, es auch nicht verdienen.

Das Buch besteht aus einer Reihe locker verbundener Essays, die humorvoll und pointiert geschrieben sind. Es offenbart Risse und Widersprüche in der britischen Gesellschaft und bietet gleichzeitig ein warmes Plädoyer dafür, immer wieder zuzuhören und die Menschlichkeit in den Diskussionen zu bewahren.

Ein großartiges Buch das ich sehr gerne gelesen habe und das nicht nur Einblicke in die Welt der Eliteuniversitäten bietet, sondern auch wichtige Fragen zur gesellschaftlichen und politischen Entwicklung Großbritanniens aufwirft. Wer verstehen möchte, was hinter den Türen von Oxbridge passiert und warum Großbritannien weiterhin von Bedeutung ist, sollte dieses Buch lesen.

Caste – The Origins of our Discontents – Isabel Wilkerson auf deutsch unter dem Titel „Kaste – Die Ursprünge unseres Unbehagens“ im Kjona Verlag erschienen, übersetzt von Jan Wilm

Isabel Wilkinsons „Kaste – Die Ursprünge unseres Unbehagens“ war mein Hörbuch im April, es wird von der New York Times als das bisher wichtigste Sachbuch des 21. Jahrhunderts gelobt. In ihrer Analyse betrachtet Wilkerson das System der Kaste als eine universelle Grammatik der Unterdrückung, die düstere Kontinuitäten wie Polizeigewalt, Wahlunterdrückung und Bildungsungleichheiten aufdeckt. Sie sieht wenig Platz für hoffnungsvolle Zukunftsszenarien, insbesondere in einer Welt nach Trump, in der die Frage „Weißsein oder Demokratie?“ im Mittelpunkt steht.

Radical empathy, on the other hand, means putting in the work to educate oneself and to listen with a humble heart to understand another’s experience from their perspective, not as we imagine we would feel. Radical empathy is not about you and what you think you would do in a situation you have never been in and perhaps never will. It is the kindred connection from a place of deep knowing that opens your spirit to the pain of another as they perceive it.

Empathy is no substitute for the experience itself. We don’t get to tell a person with a broken leg or a bullet wound that they are not in pain. And people who have hit the caste lottery are not in a position to tell a person who has suffered under the tyranny of caste what is offensive or hurtful or demeaning to those at the bottom. The price of privilege is the moral duty to act when one sees another person treated unfairly. And the least that a person in the dominant caste can do is not make the pain any worse.

Obwohl Wilkerson das Konzept der Kaste auf das gesamte gesellschaftliche Gefüge der USA anwendet, zeigt sich, dass dieses Konzept manchmal zu starr ist und den realen Fortschritten der Bürgerrechtsbewegung sowie einem langsamen, aber stetigen gesellschaftlichen Wandel entgegensteht.

Trotzdem präsentiert Wilkerson am Ende ihres Buches ein hoffnungsvolles Konzept der radikalen Empathie. Durch ein konsequentes Denken an der Stelle des Anderen hält sie eine Welt ohne Kaste grundsätzlich für möglich. Dieser Ansatz lässt Raum für Hoffnung und zeigt einen Weg auf, wie eine gerechtere und empathischere Gesellschaft erreicht werden könnte.

Vom Zauber des Untergangs – Gabriel Zuchtriegel erschienen im Propyläen Verlag

Gabriel Zuchtriegels Buch „Vom Zauber des Untergangs war die perfekte vorbereitende Reiselektüre auf meinen Besuch in Pompeij letzte Woche. Das Buch bietet nicht nur einen faszinierenden Einblick in die archäologischen Schätze Pompejis, sondern spannt auch einen Bogen von der Antike bis in die Gegenwart.

Gabriel Zuchtriegel, ein 42-jähriger Archäologe leitet seit 2021 den Archäologiepark Pompeji in Italien. Sein Buch reflektiert nicht nur die Geschichte der antiken Stadt, sondern wirft auch einen neuen Blick auf ihre Bedeutung für unsere heutige Zeit. Als ich durch die gut erhaltenen Überreste von Garküchen, Sklavenzimmern und Tempeln wanderte, wurde mir klar, dass diese vergangenen Zivilisationen mehr mit unserer Gegenwart zu tun haben, als wir oft glauben.

Zuchtriegel beschreibt in seinem Buch nicht nur die archäologischen Ausgrabungen und Restaurierungen, sondern auch die neuen Forschungsergebnisse, die ständig ans Licht kommen. Dabei schlägt er immer wieder eine Brücke zwischen der antiken Welt und unserer modernen Gesellschaft. Er stellt Fragen nach dem Wandel der Gesellschaft und der Bedeutung von Kultur und Erbe für unsere Identität.

Während man die beeindruckenden Überreste der antiken Villen und Theater bewundert, kommt man nicht umhin, darüber nachzudenken, wie sich das Leben in Pompeji vor dem verheerenden Ausbruch des Vesuvs abspielte. Doch Zuchtriegel erinnert uns daran, dass Pompeji nicht nur eine historische Stätte ist, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion für unsere heutige Zeit.

Zuchtriegels Buch ist nicht nur eine Sammlung von Fakten und Daten über Pompeji, sondern auch eine persönliche Reise durch die Geschichte und Kultur einer vergangenen Zivilisation. Seine Leidenschaft für die Archäologie und sein Engagement für den Schutz und die Bewahrung des kulturellen Erbes sind in jedem Wort spürbar und ansteckend.

Gibt es auch heute Sachverhalte, von denen zukünftige Generationen sagen werden, dass uns dafür die Begriffe fehlten? Und welche könnten das sein?

Pompeji ist nicht nur eine historische Stätte, sondern auch ein Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens und die Notwendigkeit, unser kulturelles Erbe zu schützen und zu bewahren.

Gabriel Zuchtriegel lädt uns ein, Pompeji mit neuen Augen zu sehen und die versteckten Geschichten und Geheimnisse dieser faszinierenden antiken Stadt zu entdecken. Eine Lektüre, die nicht nur für Archäologen und Geschichtsinteressierte, sondern für alle, die sich für die menschliche Geschichte und Kultur interessieren, von Interesse ist.

Sternstunden der Menschheit – Stefan Zweig erschienen im S. Fischer Verlag

Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“ ist ein zeitloses Meisterwerk, das die Leser auf eine faszinierende Reise durch die Geschichte menschlicher Errungenschaften führt. Mit seiner unvergleichlichen Erzählkunst fängt Zweig vierzehn historische Momente ein, die als Sternstunden der Menschheit gelten können.

Von bedeutenden Persönlichkeiten wie Napoleon und Dostojewski bis hin zu wagemutigen Entdeckern und begabten Künstlern erzählt Zweig von den wegweisenden Ereignissen, die die Geschichte maßgeblich geprägt haben. Jeder dieser Augenblicke wird von Zweig mit einer novellistischen Intensität und einem tiefen Verständnis für die menschliche Natur dargestellt.

Immer sind Millionen Menschen innerhalb eines Volkes nötig, damit ein Genius entsteht, immer müssen Millionen müßige Weltstunden verrinnen, ehe eine wahrhaft historische, eine Sternstunde der Menschheit in Erscheinung tritt.

Durch Zweigs meisterhafte Erzählungen werden die Leser in die Atmosphäre und die Bedeutung dieser historischen Momente hineingezogen. Man spürt die Spannung von Napoleons Niederlage in Waterloo, erlebt die Aufregung der Entdeckung Kaliforniens und fühlt die Erleichterung von Dostojewskis Begnadigung.

„Sternstunden der Menschheit“ ist mehr als nur eine Sammlung von Geschichten – es ist eine Hommage an die Menschheit und ihre Fähigkeit, in entscheidenden Momenten über sich hinauszuwachsen. Stefan Zweigs Werk bleibt auch nach 125 Jahren ein unverzichtbarer Bestandteil der Weltliteratur und fasziniert weiterhin Leser auf der ganzen Welt.

Das war insgesamt ein richtig guter Lesemonat. Fast durchweg Bücher, denen ich 4-5 Sterne gegeben habe, bis auf Elena Ferrante auch alles Autor*innen die ich definitiv wieder lesen würde.

Was waren Eure Highlights im April und konnte ich euch auf das eine oder andere Buch hier Lust machen? Freu mich von Euch zu hören.

Meine Woche

Gesehen: Ripley (2024) von Steven Zaillian basierend auf Patricia Highsmith‘ „The Talented Mr. Ripley“ mit Andrew Scott, Dakota Fanning und Johnny Flynn. So schön und stylish, man möchte permanent das Bild stoppen, ausdrucken, an die Wand hängen und dann eine Reise an die Amalfi Küste buchen.

Summerland (2020) von Jessica Swale mit Gemma Arterton, Gugu Mbatha-Raw und Lucas Bond. Wunderschöner Film um eine Autorin die unfreiwillig einen evakuierten Jungen während des 2. Weltkriegs aufnimmt. Hat mich an Benjamin Myers‘ „The Offing“ erinnert.

Gehört: Whispers in the echo chamber – Chelsea Wolfe, Les estampes – thisquietarmy, I was riding my bike to work when I realized I had no job – The Ills, Knife Edge – Thom Yorke

Gelesen: Dieses letzte Interview mit Paul Auster sowie den Nachruf auf ihn, A Martini tour of New York City, The true cause of dread and anxiety, dieses Interview mit Brittney Griner, in ganz Europa werden Puschkin Ausgaben aus Bibliotheken gestohlen

Getan: sehr lecker mit lieben Freundinnen gefrühstückt, mit der lieben Schwiergermama geshoppt, Prima Facie im Theater geschaut und am Starnberger See gewandert

Gefreut: über die Sonne und die Feiertage im Mai

Geweint: um Paul Auster – RIP

Gelacht: über meinen Ritt auf dem Löwen

Geärgert: nö

Gegessen: Steckerlfisch

Getrunken: alkoholfreies Weißbier

Geklickt: auf die Skulpturen von Lauren Fensterstock, Radfahren in Utrecht,

Gestaunt: Teile der Herculaneum-Papyri sind entziffert

Gewünscht: diese Schuhe, diese Töpfe, diese Lampe

Geplant: körperliche Ertüchtigung

Gefunden: nix

Gekauft: Leinenhosen, einen Leinenblazer und ein Tshirt

Gedacht: „Mein Geist ist erschöpft von den Bemühungen, mir eine Meinung zu den öffentlichen Angelegenheiten zu bilden.“ //Mary Wollstonecraft

Neapel by the Book

Neapel ist eine Stadt voller Kontraste und Eindrücke, die uns auf verschiedenste Weise überrascht hat. Die Geschichte Neapels reicht zurück bis in die Antike, als die Stadt als wichtiger Hafen und Handelszentrum des Römischen Reiches florierte. Später, im Mittelalter, wurde Neapel zu einem bedeutenden Zentrum des byzantinischen und normannischen Königreichs, was seine reiche kulturelle Vielfalt erklärt.

Wir wohnten in einem Apartment nahe des Hafens, in einem imposanten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Der Zugang zu unserem Apartment gestaltete sich durch zwei antiquierte käfigartige, recht enge Aufzüge die ich bislang überwiegend aus alten Filmen kannte.

Während unseres Aufenthalts waren die phlegräischen Felder wieder recht aktiv, und ich muss zugeben, dass mir bei dem Gedanken, im siebten Stock oder höher während eines Vulkanausbruchs, Erdbebens oder Tsunamis zu sein, ein wenig mulmig wurde. Man fragt sich, ob diese Gedanken auch bei den rund 300.000 Menschen in der Gefahrenzone gelegentlich Ängste auslösen oder ob sie diese komplett ausblenden.

Nach unserem Besuch in Pompeij und Sorrento stand am Sonntag dann endlich eine ausführliche Neapel Tour auf dem Programm. Unser Highlight war die Gegend um das Archäologische Museum, insbesondere das Literaturcafe am Bellini-Platz. Den Bohemian-Flair und die entspannte Atmosphäre dort haben wir bei einem Aperol in der Sonne sehr genossen . Das Archäologische Museum selbst beherbergt eine beeindruckende Sammlung antiker Artefakte aus den nahegelegenen Ausgrabungsstätten Pompeji und Herculaneum, die einen faszinierenden Einblick in das Leben der antiken Bewohner bieten.

Ein paar Straßen weiter in der Altstadt erlebten wir das pulsierende Leben Neapels. Besonders an einem sonnigen Sonntagnachmittag fühlte es sich an, als ob die ganze Stadt auf den Beinen wäre. Überall Menschen, Stände mit leckerem Essen und Trinken – ein bunter Mix aus Touristen und Einheimischen, die das Leben in vollen Zügen genießen. Die engen Gassen der Altstadt sind gesäumt von historischen Gebäuden, traditionellen Handwerksläden und kleinen Trattorien. Unter anderem kann man hier die prächtige Kathedrale von Neapel bewundern, ein beeindruckendes Beispiel der neapolitanischen Barockarchitektur, sowie die prunkvolle Kapelle Sansevero.

Beeindruckend fand ich auch die Street Art, die überall in der Altstadt zu finden war und einen faszinierenden Einblick in die kreative Szene Neapels bietet.

An Diego Maradona und die hellblauen Vereinsfarben des SSC Neapel kommt man nicht vorbei. Die Fußballbegeisterung ist in der Stadt ist überall zu sehen und zu spüren. Ich bin nicht sicher, ob ich mehr Madonnen oder Maradonna Bildnisse in der Stadt gesehen habe, es dürfte sich die Waage gehalten haben.

Was uns allerdings wirklich wunderte, waren die nächtlichen Feuerwerke in unserer Straße. Jeden Abend gab es laute Auto-Corsos und eben Feuerwerke – ein Phänomen, das ich gerne ergründet hätte. Zumal die Neapolitaner immer genau den Moment abwarteten an dem ich am Einschlafen war, um genau dann das erste von teilweise 2-3 Feuerwerken pro Nacht zu starten 😉

Krass fand ich den Gegensatz von auf der einen Seite überwiegend elegant gekleideten Menschen, dem überdurchschnittlich guten Essen (und Kaffee!) und den prächtigen Gebäuden und auf der anderen Seite konnte ich nicht umhin, das unfassbare Müllproblem zu bemerken, mit dem die Stadt zu kämpfen hat.

Unsere Tour durch Neapel fand ihren Abschluss im spanischen Viertel, das sich, wenn das überhaupt möglich ist, als noch belebter, lauter und verwinkelter erwies als die engen Gassen der Altstadt rund um den Bellini-Platz. In einem Gedränge, das mich stark ans Oktoberfest erinnerte, wurden wir durch die Straßen geschoben. Schließlich waren wir erschöpft von der Masse an Menschen und dem Trubel, also suchten wir Zuflucht in der erstbesten Pizzeria, die uns mit ihren Plastikblumen auf den ersten Blick nicht sonderlich beeindruckte.

Ursprünglich hatten wir nur geplant, ein Glas zu trinken, uns auszuruhen und in Ruhe nach einem Restaurant für den Abend zu suchen. Doch allmählich füllten sich die Tische um uns herum, und die Gerichte, die serviert wurden, sahen so köstlich aus, dass wir spontan beschlossen, ebenfalls dort zu essen. Und es stellte sich heraus, dass es eine ausgezeichnete Entscheidung war. Als wir das Lokal später gut gesättigt verließen, staunten wir nicht schlecht, als wir eine unglaublich lange Schlange vor dem Restaurant sahen, die sich gebildet hatte.Egal wo und was wir in Neapel gegessen haben, es war stets von überdurchschnittlicher Qualität und dennoch erschwinglich.

Und welche Autorin darf natürlich nicht fehlen, wenn man Reiselektüre nach Neapel einpackt? Richtig – Elena Ferrante. An den 5-bändigen Zyklus habe ich mich nicht gewagt (habe Committment issues bei solchen Reihen) – aber ihr Debüt „Lästige Liebe“ eingepackt und vor Ort gelesen.

„Elena Ferrante“ ist das Pseudonym einer italienischen Schriftstellerin, deren wahre Identität bis heute ein gut gehütetes Geheimnis ist. Ihre Romane setzen sich häufig mit Themen wie weiblicher Freundschaft, Familienbeziehungen und dem Leben im südlichen Italien auseinander.

Ihr Debütroman „Lästige Liebe“ (Originaltitel: „L’amore molesto“), veröffentlicht im Jahr 1992, ist eine eindringliche, ziemlich beklemmende Geschichte über eine Frau namens Delia, die nach dem mysteriösen Tod ihrer Mutter Amalia deren Tagebuch entdeckt. Während Delia versucht, die Wahrheit über den Tod ihrer Mutter aufzudecken, taucht sie immer tiefer in deren geheimnisvolle Vergangenheit ein.

„Lästige Liebe“ ist ein Roman, der mich mit seiner düsteren Atmosphäre und den komplexen Charakteren stellenweise durchaus in seinen Bann ziehen konnte, bin aber nicht wirklich warm geworden mit den Figuren und ich war bei der Lektüre eigentlich abwechseln verwirrt oder ein bißchen verstört. Durchaus ein gelungener Debütroman, Frau Ferrante kann wirklich schreiben – aber ich kann nicht sagen, dass ich unbändige Lust bekommen habe noch weitere Romane von ihr zu lesen.

Neapel ist laut, leidenschaftlich, chaotisch und ein bisserl abgeranzt hat aber immens viel Charme, liebenswerte Menschen und unfassbar leckeres Essen.

Kennt und mögt ihr Neapel? Was haben wir verpasst? Konnte ich euch Lust auf die Stadt machen?

Meine Woche

Gesehen: Love lies bleeding (2024) von Rose Glass mit Kristen Stewart und Katy O’Brien. Romantischer Thriller mit vielen Leichen, tollem Soundtrack und witziger Story. Absolut sehenswert!

My roots – Wer sind meine Eltern (2024) Was bedeutet es, wenn die Suche nach der eigenen Identität ein offenes Kapitel bleibt – vielleicht für immer? In der vierteiligen Dokuserie stellen sich vier Menschen ihrer eigenen Familiengeschichte und suchen nach ihren unbekannten Vätern und Müttern. Puh das hat mich ordentlich aufgewühlt.

Gehört: Reaching out – Beth Gibbons, Miss Flower – Emiliana Torrini, New London Boy – The Pet Shop Boys, Dream of You – Lionlimb ft Angel Olsen

Gelesen: From London to New York: Can quitting cars be popular?, Colin Farrell and Emma Thompson on Loneliness and Legacy und How to die in good health und über kommunikativen Kontrollverlust

Getan: eine Lesung mit Dana von Suffrin im Literaturhaus besucht, das Fantasy Filmfest besucht, mit lieben Freund*innen gegessen, eine etwas größere Runde gelaufen, eine schöne Wanderung zur Ilkahöhe gemacht und meinen Ehering reparieren lassen

Gefreut: endlich Frühling!

Geweint: nein

Gelacht: über diesen SciFi Kurzfilm – sooo clever!

Geärgert: nö

Gegessen: sehr lecker im Gudrun 3

Getrunken: Espresso Martini

Geklickt: auf dieses Video von Marina Weisband, Frauen in der Wissenschaft sichtbar machen: Das ist das Ziel des Ausstellungsprojekts „Versäumte Bilder“

Gestaunt: über die Bilder des Vulkanausbruchs in Indonesien

Gewünscht: diese Hose, diese Bettwäsche, diesen Pool

Geplant: den Besuch von der lieben Schwiegermama

Gefunden: nix

Gekauft: Leinenhemden und ein gestreiftes Tshirt

Gedacht: Ich werde aufgrund meines Alters oft fälschlicherweise für einen Erwachsenen gehalten

Pompeij by the book

Es ist eine wirklich außergewöhnliche Erfahrung, Pompeji zu erkunden, wo die Zeit vor fast zweitausend Jahren plötzlich stillzustehen schien. Begleitet von mindestens genauso Archäologie-verrückten Bookclub Freundin aus dem Bookclub, begaben wir uns auf die Spuren von Mary Beard und Gabriel Zuchtriegel, dem Direktor des Archäologischen Parks von Pompeji, die uns zur Reise inspirierten und deren Bücher wir als Lotsen durch die Stadt nutzten.

Unsere Reise begann früh morgens von unserer Unterkunft nahe dem Hafen von Neapel aus. Bereits am Bahnhof von Neapel stiegen unzählige Reisende zu, und wir konnten erahnen, wie überfüllt (und heiß!) es erst im Sommer sein muss, wenn die Touristenzahlen ihren Höhepunkt erreichen.

Die Ankunft am Bahnhof Pompeji führte uns erst einmal unbewußt in die Schlange für eine geführte Tour, was sich jedoch als ganz gute Entscheidung herausstellte. Mit der Tour konnten wir die lange Warteschlange am Eingang umgehen und erhielten gleichzeitig einen ersten faszinierenden Einblick und Überblick auf das Gelände. Bis zum Forum hin war es dicht gedrängt, doch dann öffneten sich die Straßen, und wir waren oft allein unter in den Straßen, den Garküchen oder im Schatten alter Gebäude. Ein seltsames Gefühl der Einsamkeit hab ich oft empfunden inmitten einer Stadt, die einst pulsierendes Leben beherbergte.

Pompeji, eine blühende Stadt im antiken Rom, war einst ein wichtiges Zentrum für Handel und Kultur am Golf von Neapel. Gegründet im 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr. von den Oskern, wurde es später von den Römern erobert und zu einem florierenden Handelszentrum ausgebaut. Durch seine Lage am Fuße des Vesuvs profitierte Pompeji von seiner Nähe zum Meer und den Handelsrouten, die durch die Stadt verliefen.

Im Jahr 79 n. Chr. wurde Pompeji von einer der verheerendsten Naturkatastrophen der Geschichte heimgesucht. Der Vesuv aus und schleuderte Asche, Gestein und glühende Lava in die Luft. Die Eruption war so gewaltig, dass sie die Umgebung in Dunkelheit hüllte und Pompeji innerhalb weniger Stunden unter einer meterdicken Schicht aus vulkanischer Asche und Gestein begrub.

Die Bewohner von Pompeji hatten nur wenig Zeit, um zu fliehen. Viele wurden von den herabstürzenden Gesteinsbrocken erschlagen oder von der Asche erstickt, während andere versuchten, sich in ihren Häusern zu verstecken oder zu fliehen. Die Stadt wurde von der Katastrophe komplett verschüttet und blieb für fast 1.700 Jahre unter der Ascheschicht verborgen. Es ist bis heute nicht ganz klar wie viele Einwohner die Stadt zum Zeitpunkt des Ausbruches tatsächlich hatte. Die Zahlen schwanken gewaltig, da nicht klar ist, wie beengt oder nicht die Menschen dort lebten. Bis heute hat man ca 2000 Tote gefunden, es wird angenommen, dass viele schon Tage vorher flohen, da die Stadt vermutlich schon Tage vor dem Ausbruch von Erdbeben erschüttert wurde.

Etwa 17 Jahre zuvor, im Jahr 62 n. Chr. gab es bereits ein großes Erdbeben in der Stadt. Es war ein verheerendes Ereignis, das große Schäden in der Stadt verursachte und zahlreiche Gebäude zerstörte oder beschädigte. Dieses Erdbeben war ein wichtiger Vorläufer des späteren Ausbruchs des Vesuvs und wird oft als Teil der Vorzeichen für die Katastrophe betrachtet, die Pompeji ereilte. Während des Vulkanausbruchs war die Stadt noch immer dabei die Schäden des Erdbebens zu beheben und es wurden viele Baugerüste gefunden, die man für Reparaturarbeiten nutzte.

Erst im 18. Jahrhundert wurden die Überreste von Pompeji wiederentdeckt, als Bauarbeiten in der Gegend durchgeführt wurden. Archäologen begannen mit der systematischen Freilegung der antiken Stadt, und im Laufe der Zeit wurden zahlreiche gut erhaltene Gebäude, Straßen, Mosaike und Kunstwerke ans Tageslicht gebracht.

Wir durchstreiften die antiken Villen, Thermopolien (Garküchen), Gärten, Geschäfte und Bordelle, und es fällt mir schwer, die Überwältigung in Worte zu fassen, die einen überkommt, wenn man sich vor Ort befindet. Vieles kannte man aus Büchern und Dokumentationen, doch die Präsenz vor Ort ist von einer überwältigenden Kraft. Die Straßen, ausgestattet mit reflektierenden Steinen für nächtliche Orientierung, und die geniale Planung der Stadt, die mit einer anderen Breite innerhalb und außerhalb der Stadtmauern eine kluge Verkehrsführung ermöglichte, hinterließen einen bleibenden Eindruck.

Das Archäologische Museum in Neapel, in dem die Schätze von Pompeji aufbewahrt werden, beeindruckte uns zutiefst. Hier fanden wir nicht nur eine Vielzahl von „Pompenissen“, wie meine liebe Freundin es treffend nannte, sondern auch eine Fülle von Kunstwerken, die die tabulosen Sitten der antiken Welt zeigen. Von Statuen bis hin zu Bildern von Geschlechtsakten in allen erdenklichen Positionen, es war eine Offenbarung der menschlichen Natur.

Die Fahrrillen in den Straßen, die Schuhsohlen und das erhaltene Brot aus einem der Backöfen haben mich vermutlich am meisten berührt und natürlich die vielen menschlichen Überreste, von Asche umhüllt und in ihren letzten Momenten erstarrt.

Plinius der Ältere war ein römischer Autor, Naturforscher und Militärbefehlshaber, der den Vulkanausbruch in Pompeij als Zeitzeuge beschrieb. Als hochrangiger Beamter der römischen Marine wurde er zu Hilfe gerufen, um die Menschen in der Region zu evakuieren. Plinius begab sich mutig in die Gefahrenzone, um den Ausbruch zu beobachten und Hilfe zu leisten. Dabei wurde er jedoch von den giftigen Gasen und Aschewolken überrascht und erstickte schließlich an den Dämpfen. Sein Tod wurde von seinem Neffen Plinius dem Jüngeren in einem berühmten Brief an den Historiker Tacitus beschrieben, der zu einer wichtigen Quelle für das Verständnis des Vulkanausbruchs und seiner Auswirkungen wurde. Plinius der Ältere starb als Held, der sein Leben riskierte, um anderen zu helfen, und sein Vermächtnis lebt bis heute in seinen Schriften und seinem mutigen Einsatz weiter.

Jetzt kommen wir aber endlich mal zu den bereits eingangs erwähnten Büchern, auf die ich euch unbedingt Lust machen möchte.

Gabriel Zuchtriegels Buch „Vom Zauber des Untergangs war die perfekte vorbereitende Reiselektüre auf meinen Besuch in Pompeij letzte Woche. Das Buch bietet nicht nur einen faszinierenden Einblick in die archäologischen Schätze Pompejis, sondern spannt auch einen Bogen von der Antike bis in die Gegenwart.

Er leitet seit 2021 den Archäologiepark Pompeji in Italien. Sein Buch reflektiert nicht nur die Geschichte der antiken Stadt, sondern wirft auch einen neuen Blick auf ihre Bedeutung für unsere heutige Zeit. Als ich durch die gut erhaltenen Überreste von Garküchen, Sklavenzimmern und Tempeln wanderte, wurde mir klar, dass diese vergangenen Zivilisationen mehr mit unserer Gegenwart zu tun haben, als wir oft glauben.

Zuchtriegel beschreibt in seinem Buch nicht nur die archäologischen Ausgrabungen und Restaurierungen, sondern auch die neuen Forschungsergebnisse, die ständig ans Licht kommen. Dabei schlägt er immer wieder eine Brücke zwischen der antiken Welt und unserer modernen Gesellschaft. Er stellt Fragen nach dem Wandel der Gesellschaft und der Bedeutung von Kultur und Erbe für unsere Identität.

Während man die beeindruckenden Überreste der antiken Villen und Theater bewundert, kommt man nicht umhin, darüber nachzudenken, wie sich das Leben in Pompeji vor dem verheerenden Ausbruch des Vesuvs abspielte. Doch Zuchtriegel erinnert uns daran, dass Pompeji nicht nur eine historische Stätte ist, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion für unsere heutige Zeit.

Zuchtriegels Buch ist nicht nur eine Sammlung von Fakten und Daten über Pompeji, sondern auch eine persönliche Reise durch die Geschichte und Kultur einer vergangenen Zivilisation. Seine Leidenschaft für die Archäologie und sein Engagement für den Schutz und die Bewahrung des kulturellen Erbes sind in jedem Wort spürbar und ansteckend.

Pompeji ist nicht nur eine historische Stätte, sondern auch ein Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens und die Notwendigkeit, unser kulturelles Erbe zu schützen und zu bewahren.

Gabriel Zuchtriegel lädt uns ein, Pompeji mit neuen Augen zu sehen und die versteckten Geschichten und Geheimnisse dieser faszinierenden antiken Stadt zu entdecken. Eine Lektüre, die nicht nur für Archäologen und Geschichtsinteressierte, sondern für alle, die sich für die menschliche Geschichte und Kultur interessieren, von Interesse ist. Ganz große Empfehlung – unbedingt lesen 🙂

Natürlich darf die Grand Dame der Altertumswissenschaften, Mary Beard, hier nicht fehlen:

Mary Beards Buch „Pompeii: The Life of a roman town“ ist ein faszinierender und humorvoller Streifzug durch die Stadt und die Geschichte. Sie liebt es gängige Annahmen über Pompeij zu widerlegen und kann dabei im Text ordentlich austeilen anderen Kolleg*innen gegenüber.

Beard betont immer wieder die Grenzen unseres Wissens und die Unbeständigkeit unserer Konstrukte. Sie widerlegt die Vorstellung, dass Pompeji eine „eingefrorene Stadt in der Zeit“ sei, wie es oft behauptet wird. Vielmehr zeigt sie auf, dass Pompeji von verschiedenen historischen Ereignissen geprägt wurde, angefangen von einem verheerenden Erdbeben bis hin zu Plünderungen und Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg.

Das Buch bietet einen überraschenden Blick hinter die Kulissen von Pompeji und beleuchtet das tägliche Leben der Menschen, ihre Häuser, ihre Bäder und sogar ihre Bordelle. Beard führt uns durch die Straßen, in die Häuser und öffentlichen Gebäude und lässt uns die Stadt mit all ihren Gerüchen und Geräuschen erleben.

Besonders bemerkenswert ist Beards Fähigkeit, komplexe Themen auf eine zugängliche und unterhaltsame Weise zu präsentieren. Man kann förmlich spüren, wie sie durch die Ruinen von Pompeji spaziert und uns dabei mit ihrem Wissen und ihrer Begeisterung mitreißt.

Pompeij bleibt es ein faszinierendes Zeugnis der römischen Geschichte und Kultur und wird auch noch Generationen künftiger Besucher*innen begeistern, falls der Vesuv nicht – wie befürchtet wird – in nicht allzu ferner Zukunft wieder einmal ausbricht und ggf die Stadt wieder unter sich begräbt. Während wir in Neapel waren hat es in der Gegend tagelang wieder ganz schön gebebt und ich möchte mir gar nicht ausmalen was in dem Fall eines Ausbruchs in der Region in der 300.000 Menschen in der Gefahrenzone leben passieren würde. Ich hoffe der Krug geht noch lange an der Region vorbei.

Ich hoffe ihr hattet Spaß an diesem Ausflug in die Vergangenheit und ich konnte Euch Lust auf eine Reise nach Pompeij machen oder zumindest auf eines oder beide Bücher, die definitiv einen sehr guten Einstieg bieten oder notfalls als Ersatzdroge dienen können für all die, die nicht selbst in die Stadt reisen können oder wollen.

Neben den beiden Sachbüchern war aber auch noch Platz für Robert Harris‘ Pompeij, ein faszinierender historischer Roman, der des verheerenden Ausbruchs des Vesuvs und der Zerstörung der Stadt erzählt. Mit einer Mischung aus akribischer historischer Recherche und fesselnder Erzählung entführt Harris die Leser in die Welt des antiken Roms und verwebt geschickt Fakten mit Fiktion.

Die Geschichte folgt dem jungen Ingenieur Marcus Attilius Primus, der nach Pompeji kommt, um die Wasserleitungen der Stadt zu reparieren. Doch bald entdeckt er Anzeichen für ungewöhnliche Aktivitäten des Vesuvs und wird in ein Netz aus Intrigen, Machtspielen und persönlichen Dramen verstrickt. Während Attilius verzweifelt versucht, die Bewohner vor der bevorstehenden Katastrophe zu warnen, bahnt sich das Unheil unaufhaltsam an.

Harris gelingt es richtig gut, die Atmosphäre und das Leben im antiken Pompeji zum Leben zu erwecken. Durch seine detaillierte Darstellung der Stadt, ihrer Bewohner und ihrer Bräuche entsteht ein lebendiges Bild dieser Tage und es hat was sehr beklemmendes wenn man schon von der ersten Seite an weiß, dass sehr bald unweigerlich eine Katastrophe passieren wird.

Man spürt die intensive Recherche, die in den Roman eingeflossen ist, und die Liebe zum Detail, mit der Harris die Welt von Pompeji zum Leben erweckt.

„Pompeji“ ist ein packender historischer Roman, der nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Er wirft Fragen nach der Natur der Macht, dem Verhalten in Krisensituationen und der Fragilität menschlicher Existenz auf.

Das war jetzt aber wirklich die gesamte Lektüre die ich mitgeschleppt hatte – danke an Barbara aka Kulturbowle, die mich mit ihrem Kommentar daran erinnerte, dass ich komplett vergessen hatte mein drittes Buch der Reise zu erwähnen 😉

Seid ihr schon mal dort gewesen? Was hat euch am meisten beeindruckt?

Habt ihr Lust in ein paar Tagen noch mit mir nach Neapel zu reisen?

Meine Woche

Gesehen: What Was Everyday Life Like In Pompeii? Mary Beard präsentiert interessante Einblicke in das Leben der Menschen die in Pompeii lebten und starben.

Nope (2022) von Jordan Peele mit Daniel Kaluuya, Keke Palmer und Brandon Perea. Nope ist ein Mystery-Horrorfilm, der sich um die Bewohner einer Farm dreht, auf der unerklärliche Ereignisse auftreten. Abgefahren.

Gehört: Reaching Out – Beth Gibbons, The Valley – Diary of Dreams, Creep – Pub Choir, 22 – Hana Vu, Doug & Florence – Kettcar

Gelesen: Hedwig Richter über die zögerliche deutsche Politik, dieses Interview mit der Enkelin von Robert Lemke, Why the world cannot afford the rich, dieses Interview mit Mai Thi Nguyen-Kim, Goths are back

Getan: wahrscheinlich fast jede Villa, Garten, Garküche, Bäckerei und Bordell in Pompeij erkundet, Sorrento und Neapel unsicher gemacht – vor allem das Archäologische Museum, viel gelaufen, mich körperlich ertüchtigt, einen Bookclub Geburtstag gefeiert und im Theater „Doktormutter Faust“ in der Bearbeitung von Fatma Aydemir angesehen

Gefreut: über die Erfüllung meines Kindheitstraumes und dass ich jetzt eine offizielle Bücherschrank-Patin bin

Geweint: nein

Gelacht: über eine finale, finale jetzt aber wirklich finale Version – äähhh doch noch nicht 😉

Geärgert: nö – aber die 3-4 Feuerwerke jede Nacht in Neapel begleitet von Dauer-Hupkonzerten haben einen Hauch an meinem Nervenkostüm gezerrt

Gegessen: Pizza Napoli, Pasta Napoli und wieder von vorne

Getrunken: Vino

Geklickt: die 2023 am häufigsten verbotenen Bücher in den USA

Gestaunt: über die vielen Pompenisse, Spectacular’ Frescoes of Helen of Troy, Apollo and Zeus Unearthed Among the Ruins of Pompeii, The Best Total Solar Eclipse Photos und die Rekordkür von Ilia Malinin

Gewünscht: dieses Tshirt, diesen Blazer, diese Villa

Geplant: endlich das Schottland Fotobuch zu basteln

Gefunden: nix

Gekauft: ein Sommerpulli und ein Armband, eine Kette als Mitbringsel in Neapel

Gedacht: Ich habe kein literarisches Interesse, sondern bestehe aus Literatur //Franz Kafka

März by the Book

Willkommen zum Rückblick auf meinen Lesemonat März. Es war ein echtes Lesefest mit neun Büchern! Ich habe literarische Reisen durch Deutschland, Nordmazedonien, die USA, Japan und Israel unternommen, manchmal verbunden mit einer tatsächlichen Reise aber meist ohne meine gemütliche Leseecke zu verlassen.

Ich habe mich durch die Straßen von Athen, Konstantinopel, Paris, Leipzig und London bewegt, auf der Suche nach alten Manuskripten aus der Antike, habe ich eine dystopische Welt entdeckt, in der die Menschheit möglicherweise (oder auch nicht) durch einen Roboter gerettet wird und eine ganze Menge Postkarten gelesen.

Ich stelle euch die Bücher wieder in alphabetischer Reihenfolge vor und hoffe, ich kann euch auf das eine oder andere Buch neugierig machen.

Am Strand von Bochum ist allerhand los – Jurek Becker erschienen im Suhrkamp Verlag

„Am Strand von Bochum ist allerhand los“ ist eine Sammlung von Postkarten, die Jurek Becker im Laufe seines Lebens an Freunde und Verwandte geschickt hat. In diesen Postkarten teilt Becker seine Gedanken, Erlebnisse und Beobachtungen auf humorvolle und oft ironische Weise. Die Postkarten bieten einen Einblick in Beckers persönliche Welt und sein literarisches Schaffen und sind ein faszinierendes Dokument seines Lebens.

Wollte eigentlich nur kurz ins Buch reinlesen und zack komplett hängengeblieben. Das hat riesigen Spaß gemacht, seine lustigen, verrückten ganz bezaubernden Karten zu lesen und ihm durch die Welt und sein Leben zu folgen.

Jurek Becker wurde 1937 in Łódź, Polen, und verstorben am 14. März 1997 in Sieseby, Deutschland. Becker emigrierte 1945 nach Ost-Berlin und studierte dort Philosophie und Literaturwissenschaft. Seine literarische Karriere begann er in den 1960er Jahren mit Kurzgeschichten und Theaterstücken. Bekannt wurde er vor allem durch seinen Roman „Jakob der Lügner“, der auch verfilmt wurde. Beckers Werke zeichnen sich durch ihre einfühlsame Darstellung des menschlichen Lebens und ihre subtile Ironie aus.

Seine Kindheit und Jugend fielen in eine Zeit großer Unsicherheit und Gefahr für Juden in Europa während des Zweiten Weltkriegs. Als Jude musste Becker zusammen mit seiner Familie die Schrecken des Holocausts und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten erleben.

Während des Krieges und der deutschen Besatzung Polens musste die Familie Becker zahlreiche Entbehrungen und Gefahren durchstehen. Sie wurden in das Ghetto von Łódź deportiert, das zu den am dichtesten bevölkerten Ghettos im von Deutschland besetzten Polen gehörte. Dort herrschten extreme Bedingungen, darunter Armut, Hunger und Krankheiten.

Becker verlor während des Krieges viele Angehörige und Freunde durch die Gräueltaten des Holocausts. Seine Erfahrungen als Jude während dieser dunklen Zeit prägten sein späteres Leben und sein literarisches Schaffen tiefgreifend. Sie beeinflussten seine Sichtweise auf die Welt und sein Verständnis für die menschliche Natur.

Nach dem Krieg emigrierte Becker mit seiner Familie nach Ost-Berlin, wo er aufwuchs und seine Ausbildung absolvierte. Seine Erlebnisse während des Krieges und seine jüdische Identität hatten einen nachhaltigen Einfluss auf sein Schreiben und fanden in vielen seiner Werke ihren Niederschlag. Beckers literarisches Werk zeugt von einem tiefen Verständnis für die menschliche Tragödie und die Suche nach Identität in einer von Konflikten geprägten Welt.

„Am Strand von Bochum ist allerhand los“ ist ein wunderbares Buch, das riesige Lust macht mal wieder Postkarten zu schreiben und vor allen Dingen auch welche zu bekommen. Also schreibt mir bitte Postkarten – ich verspreche, ich antworte auch!

North Woods – Daniel Mason auf deutsch unter dem Titel „Oben in den Wäldern“ im C. H. Beck Verlag erschienen, übersetzt von Cornelius Hartz

Daniel Masons „North Woods“ ist eine faszinierende fragmentarische Geschichte die sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt, beginnend in den 1760er Jahren bis in eine undatierte Zukunft. Das Zentrum des Romans bildet ein entlegener Ort in den Wäldern von Massachusetts und ein gelbes Haus, das durch die Jahrhunderte hinweg verschiedenste Bewohner beherbergt. Mason wählt eine ungewöhnliche Erzählstruktur in der er durch Textfragmente, Briefe, Gedichte und andere Textformen eine reiche, facettenreiche Welt erschafft.

Die Natur, in Form von Wald, Flora und Fauna, ist nicht nur Kulisse, sondern integraler Bestandteil der Geschichten. Der Roman zeigt, wie menschliches Schicksal und natürliche Prozesse miteinander verwoben sind, wodurch eine tiefe Verbindung zwischen den Charakteren und ihrer Umgebung entsteht.

Die Erzählungen verfolgen das Leben verschiedener Charaktere, angefangen bei einem jungen Paar, das einer puritanischen Kolonie entflieht, bis zu einem schizophrener Mann namens Robert, der die Natur akribisch dokumentiert und glaubt, sie durch sein Gehen „reparieren“ zu können.

“The only way to understand the world as something other than a tale of loss is to see it as a tale of change.”

Die Verwendung von unterschiedlichen Textformen und Bildern war anfangs herausfordernd, doch das kreative Risiko zahlt sich aus. Auch wenn nicht mir einige Kapitel/Kurgeschichten besser als andere gefallen haben. Mason schafft eine literarische Welt, in der die Grenzen des Romans erweitert werden. Der Leser erlebt nicht nur die individuellen Geschichten der Charaktere, sondern auch die sich verändernde Landschaft und die Auswirkungen der Zeit auf Natur und Mensch.

„North Woods“ ist nicht nur ein historischer Roman, sondern auch eine Meditation über das Wesen der Zeit, über Veränderung und das unaufhörliche Spiel von Leben und Tod.

Insgesamt ist „North Woods“ ein kühner und origineller Roman, der seine eigene Form findet und den Leser dazu anregt, die Welt und ihre Geschichten auf neue Weise zu betrachten.

Ein spannendes literarisches Abenteuer, die Figuren im Roman sind aber distanziert geblieben, daher gute 3 Sterne für mich.

The Cat who saved books – Sōsuke Natsukawa auf deutsch unter dem Titel „Die Katze die von Büchern träumte“ im C. Bertelsmann Verlag erschienen, übersetzt von Sabine Mangold

Ein kleiner Buchladen in Japan, hohe Holzregale mit seltenen Erstausgaben, eine Tasse Tee, zubereitet nach traditioneller Zeremonie: Das ist das Reich von Rintaro und seinem Großvater. Als der alte Herr stirbt, ist der stille Schüler auf sich allein gestellt. Was soll er mit dem Laden anfangen, der schon lange keinen Gewinn mehr abwirft? Was mit sich selbst, mit seinem Leben ohne den Großvater und dessen Ruhe und Lebensweisheit? Rintaro versteckt sich vor der Welt, verkriecht sich zwischen den fast vergessenen Buchschätzen. Auch seine Klassenkameradin Sayo, die sich Sorgen macht, vermag es nicht, ihn aus seinem Schneckenhaus herauszulocken. Bis eines Tages eine Katze im Buchladen auftaucht – eine sprechende Katze, die Rintaro eindringlich um Hilfe bittet: Die Bücher sind in Gefahr – und nur ein wahrer Buchliebhaber wie er, der die Liebe zum gedruckten Wort von seinem Großvater verinnerlicht hat, kann sie retten …

Großvater sagte immer: »Bücher besitzen eine besondere Macht. Wenn du sie liest, wirst du immer einen Freund zur Seite haben.

Eine zauberhafte Hommage an die Macht der Literatur und der Fantasie – ein Buch das mir wirklich gut gefallen hat und dass zum Glück ein ganzes Stück weniger schmalzig war, als ich es befürchtet hatte.

Die Odyssee des Fälschers – Rüdiger Schaper erschienen im Siedler Verlag

Die Odyssee des Fälschers“ von Rüdiger Schaper ist ein Roman, der die faszinierende Geschichte von Konstantinos Simonides erzählt, einer realen historischen Figur des 19. Jahrhunderts. Simonides war ein griechischer Schriftsteller und Fälscher, der für seine geschickte Manipulation von antiken Texten bekannt war.

Der Roman folgt Simonides auf seiner Reise durch verschiedene Städte und Zeiten, während er antike Manuskripte sucht und reproduziert. Seine Abenteuer führen ihn von Athen über Konstantinopel nach Paris, Leipzig und London, wo er auf historische Persönlichkeiten trifft und in mysteriöse Situationen gerät.

Durch die Darstellung von Simonides‘ Leben und seinen Fähigkeiten als Fälscher wirft der Roman wichtige Fragen nach Authentizität, Wahrheit und Identität auf. Simonides steht im Zentrum eines Netzwerks von Intrigen, Geheimnissen und unerwarteten Wendungen, die die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen lassen.

In gewisser Weise hat er dem jungen Griechenland gegeben, wonach es dürstete: eine zugleich antike und moderne Identität. Aus einem ähnlichen Impetus schafft zur gleichen Zeit Richard Wagner im „Ring des Nibelungen“ für die Deutschen einen synthetisch-mythologischen Götterkosmos. Eine seltsame Koinzidenz: Wie Griechenland mit seinem bayrischen König ist auch Deutschland eine späte Nation. Dafür braucht es zurückeilende Erfindung und Phantasie.

„Die Odyssee des Fälschers“ bietet eine faszinierende Mischung aus historischen Fakten und literarischer Fantasie. Durch die Darstellung von Konstantinos Simonides‘ Abenteuern wird der Leser auf eine spannende Reise durch die Geschichte der antiken Manuskripte mitgenommen, die sowohl unterhaltsam als auch erhellend ist.

Das Liebespaar des Jahrhunderts – Julia Schoch erschienen im dtv Verlag

In einer Welt, die sich im raschen Wandel befindet, scheint die Liebe oft wie ein ferner Traum aus vergangenen Zeiten. Julia Schoch, eine etablierte Stimme in der deutschsprachigen Literatur, führt uns in ihrem jüngsten Werk „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ durch die Wirren einer Beziehung, die mit Leidenschaft begann und im alltäglichen Trott zu erkalten droht.

Der Roman erzählt die Geschichte eines Paares, das sich kurz nach dem Zusammenbruch der DDR kennenlernt. In einer kleinen Plattenbauwohnung in Potsdam erlebt ihre Liebe ihre erste Blüte, bevor sie sich auf spannende Reisen und Auslandsaufenthalten in Paris und Bukarest begeben. Doch selbst inmitten der Intensität und des Glücks scheint das Schicksal der Trennung ständig über ihnen zu schweben.

Schochs Prosa ist klarsichtig und von einer enormen Dringlichkeit durchdrungen. Sie stellt die Frage nach der Funktionalität der Liebe, während sie uns durch die Höhen und Tiefen einer langjährigen Beziehung führt. Die Ich-Erzählerin offenbart ihre Gedanken und Emotionen auf eine Weise, die den Leser*in unweigerlich mitnimmt. Man fühlt sich fast wie ein stiller Beobachter im innersten Zirkel dieser Beziehung.

Die Geschichte entfaltet sich nicht linear, sondern springt zwischen verschiedenen Zeitpunkten und Erinnerungen hin und her. Dadurch entsteht das lebendige Bild einer Liebe, die sich im Laufe der Zeit wandelt und transformiert. Von den bescheidenen Anfängen auf einem sonnigen Balkon bis hin zu den belastenden Verpflichtungen des Familienlebens – Schoch zeigt uns die verschiedenen Facetten der Liebe, die sowohl euphorisch als auch erschütternd sein können.

Besonders faszinierend ist die Art und Weise, wie die Autorin die Stagnation und Entfremdung in der Beziehung darstellt. Die zunehmende Distanz zwischen den Partnern wird mit jeder Seite spürbar, während die Ich-Erzählerin sich in einem Strudel aus ungesagten Worten und unausgesprochenen Sehnsüchten verfängt. Es ist ein leises Drama, das sich vor unseren Augen entfaltet, und doch so fesselnd in seiner Einfachheit.

Durch geschickte Beobachtungen und trockenen Humor gelingt es Schoch, die Alltäglichkeit des Lebens mit all ihren Höhen und Tiefen einzufangen. Von den kleinen Freuden des Elternseins bis hin zu den bitteren Momenten der Einsamkeit – nichts bleibt ungesagt in diesem Buch.

Doch trotz aller Tragik und Melancholie, die in den Seiten dieses Romans mitschwingen, gibt es auch einen Funken Hoffnung. Die Erzählerin erkennt schließlich die Muster ihres Unglücks und findet den Mut, einen neuen Weg einzuschlagen. Es ist ein Akt der Befreiung, der zeigt, dass es nie zu spät ist, sich selbst zu finden und sein eigenes Glück zu verfolgen.

Glauben sie ernsthaft, Trennung ist eine Lösung? Sich dauernd zu trennen und wieder zu verlieben ist, als sähe man Hunderte Filmanfänge, aber keinen Film zu Ende

„Das Liebespaar des Jahrhunderts“ ist ein Buch, das die Tiefen der menschlichen Seele erkundet und dabei die universelle Frage nach Liebe und Verlust aufwirft. Es ist eine Geschichte, die uns daran erinnert, dass die Liebe zwar kompliziert sein mag, aber immer noch die Kraft hat, uns zu transformieren und zu erneuern. Julia Schoch hat mit diesem Roman ein Meisterwerk geschaffen, das noch lange nach dem Lesen in unseren Gedanken nachhallt.

Ich sag es immer wieder: 2023 ist ein unfassbar gutes Lesejahr. Wieder 5/5 Punkten – wie ihr auf dem Bild seht, kam ich aus dem Markieren gar nicht mehr raus. Ganz großes Lesevergnügen. Ich möchte unbedingt noch viel mehr von Frau Schoch lesen!

Zeit der Ziegen – Luan Starova erschienen im Unionsverlag, übersetzt aus dem Makedonischen von Robert Mantovani

„Zeit der Ziegen“ ist ein Roman von Luan Starova, übersetzt von Roberto Mantovani, erschienen im Unionsverlag, der die Geschichte einer albanischen Familie im ehemaligen Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs und der kommunistischen Ära erzählt. Der Roman konzentriert sich auf das Leben der Familie Gjonbalaj, die sich mit den Herausforderungen und Veränderungen in ihrem Land während dieser turbulenten Zeiten auseinandersetzen muss. Dabei werden Themen wie Identität, politische Unterdrückung und die Suche nach Freiheit behandelt. „Zeit der Ziegen“ ist ein berührender und fesselnder Roman, der die Leser*innen durch die historischen Ereignisse und persönlichen Geschichten einer Familie führt, die um ihr Überleben und ihre Selbstbestimmung kämpft. Der Roman hat mir richtig gut gefallen, würde auf jeden Fall auch noch weitere Romane von Starova lesen.

Aber außer den wenigen ehern überzeugten Parteikadern versorgten sich alle anderen, einschließlich der höheren und untergeordneten Beamten, heimlich, wenn es niemand sah, mit Ziegenmilch und Milchprodukten. Einige der weniger hohen Kader bezahlten, bei den höheren drückte man ein Auge zu. An Feiertagen schickte Tschanga dem Parteisekretär und dem Bürgermeister je einen Bottich hochwertigen Ziegenkäse. Und so schwiegen alle in der Hauptstadt der südlichen Republik, gefangen in den Netzen der „Ziegenmafia“, so brummten zumindest die rechtgläubigen Parteiideologen still vor sich hin.

Wer Lust hat mehr über meine Reise nach Skopje zu lesen: bitte hier entlang.

Mockingbird – Walter Tevis auf deutsch unter dem Titel „Die letzten der Menschheit“ im Moewig Verlag erschienen

Wenn es um zeitlose Sci-Fi-Klassiker geht, ist Walter Tevis Mockingbird definitiv ein Juwel. Dieses meisterhafte Werk entführt den Leser in eine düstere Zukunft, in der die Menschheit an den Rand des Untergangs gedrängt wurde. Tevis schafft es, eine Welt zu entwerfen, die gleichzeitig faszinierend und erschreckend realistisch ist, eine Welt, die einen nicht mehr so schnell loslässt.

In „Mockingbird“ präsentiert uns Tevis eine dystopische Gesellschaft, die von einem mechanisierten System regiert wird. Eine Welt, in der die Menschen zu Sklaven ihrer eigenen Technologie geworden sind, in der die Kunst des Denkens und Fühlens verloren gegangen ist. Die Protagonisten sind gebrochene Seelen, die in einer Welt voller Leere und Entfremdung gefangen sind. Doch inmitten dieser Trostlosigkeit findet sich ein Funken Hoffnung, der durch die Seiten des Romans glimmt und den Leser auf eine Reise der Selbstfindung und Erlösung mitnimmt.

Die Charaktere in „Mockingbird“ sind so tiefgründig und facettenreich, dass man sie noch lange nach dem Lesen des Buches nicht vergessen kann. Der Bibliothekar Bentley, der in seiner Einsamkeit und Verlorenheit nach Bedeutung sucht; die junge Frau Mary Lou, die in einer Welt der Maschinen ihre Menschlichkeit bewahrt; und der Roboter Spofforth, der nach Liebe und Verständnis strebt – sie alle hinterlassen einen bleibenden Eindruck und machen „Mockingbird“ zu einer unvergesslichen Lektüre.

When literacy died, so had history.

Tevis‘ Schreibstil ist zugleich poetisch und nüchtern, voller tiefer Emotionen und existenzieller Fragen. Mit jeder Seite zieht er den Leser tiefer in die Welt von „Mockingbird“ hinein, bis man das Gefühl hat, selbst ein Teil dieser beklemmenden Zukunft zu sein. Tevis‘ Fähigkeit, eine so komplexe und faszinierende Welt zu erschaffen, zeugt von seinem außergewöhnlichen Talent als Autor.

Tevis ist ein spannender Autor, der zwar nur 5 Romane schrieb, die aber sehr erfolgreich waren und fast alle verfilmt wurden. Kürzlich erst der riesige Netflix Erfolg „The Queens Gamit“ oder das Juwel „The Man who fell to earth“ mit David Bowie in der Hauptrolle.
Geboren 1928 war sein Leben geprägt von persönlichen Herausforderungen und Kämpfen.

Gewässer im Ziplock – Dana Vowinckel erschienen im Suhrkamp Verlag

Gewässer im Ziplock“ von Dana Vowinckel ist ein einfühlsamer Debütroman, der die Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie erzählt, die durch ihre jüdische Herkunft verbunden ist, aber von inneren Konflikten zerrissen wird. Die fünfzehnjährige Margarita verbringt ihre Ferien bei den Großeltern in den USA, sehnt sich jedoch nach Deutschland, wo ihr Vater als Kantor arbeitet. Als sie nach Israel geschickt wird, um ihre Mutter kennenzulernen, werden alte und neue Wunden aufgerissen, und Konflikte eskalieren während einer gemeinsamen Reise durch das Heilige Land. Zurück in Chicago muss Margarita am Krankenbett ihrer Großmutter eine folgenreiche Entscheidung treffen.

Der Roman wird für seine Aktualität und tiefgründige Darstellung der familiären Dynamik gelobt. Die „Stakkato“-Sätzen verdeutlichten stark die Spannungen innerhalb der Familie, die Charaktere entwickeln sich und bleiben nicht starr.

Ich konnte kaum glauben, dass ich es hier mit einem Debütroman zu tun habe. Wirklich großartig was die Autorin hier abliefert. Das Glossar am Ende mit jüdischen Begriffen fand ich sehr hilfreich, habe viel gelernt!

Insgesamt für mich eine sehr gelungene Darstellung des jüdischen Lebens in Deutschland (soweit ich das überhaupt beurteilen kann)

Die Differenz zwischen dem stark religiösen Vater und der pubertären Tochter habe ich als sehr reizvoll empfunden, ebenso wie die verschiedenen Perspektiven, aus denen die Geschichte erzählt wird.

Ich war von meinem hohen Lesevergnügen selbst überrascht, denn als wenig spirituelle Person, geht mir zuviel Religion und Esoterik schnell auf den Keks.

Auch Margarita würde gehen. Ihm das klägliche Herz brechen. Wenn man nur sich selbst verlassen könnte, dachte er, er täte es.

Insgesamt ist „Gewässer im Ziplock“ ein einfühlsamer Roman, der wichtige Themen wie Familienbeziehungen, Identität und kulturelle Zugehörigkeit auf sensible Weise behandelt. Gelegentlich waren mir etwas zu viele Körperflüssigkeiten im Spiel 😉

Große Leseempfehlung und ich habe mich sehr gefreut, dass Dana Vowinckel kürzlich im Literaturhaus München aus ihrem Roman vorgelesen hat und ich die Gelegenheit hatte mir das Buch signieren zu lassen.

Tolles Debut, spannendes Thema – unbedingt lesen!

So, geschafft! Jetzt ihr wieder: worauf konnte ich euch Lust machen? Welche Bücher kennt ihr? Wie war euer Lesemonat – ich möchte von euch hören 🙂

Meine Woche

Gesehen: Prima Facie von Suzie Miller (übersetzt von Anne Rabe) im Residenztheater mit Lea Ruckpaul. Großartiges Stück – wir kamen aus dem diskutieren gar nicht mehr raus. Unbedingt ansehen.

Stefan Zweig – Ein Europäer von Welt (2013) von Jean-Pierre Devillers und François Busnel. Interessante Doku über einen meiner absoluten Lieblings-Autoren. Empfehlenswert.

Gehört: Dead flowers for her – Skywatchers, Doug & Florence – Kettcar, Dancing Star – Pet Shop Boys, Time – Eels, Underneath – Warpaint

Gelesen: Toni Morrisons Rejection Letters, Does Science Fiction shape the future?, AFD im Europaparlament – radikaler als die Radikalen, Top 5 regrets of people dying

Getan: ins Theater gegangen, in Aschau gewandert, mit lieben Freundinnen lecker gegessen und den Balkon für den Frühling fit gemacht

Gefreut: über die wunderschöne Wanderung

Geweint: nein

Gelacht: über mich

Geärgert: nö

Gegessen: ein Schnitzel nach der Wanderung

Getrunken: alkoholfreies Augustiner

Geklickt: A traveling exhibit will focus on the work of three Japanese American women artists, Hisako Hibi, Miki Hayakawa and Miné Okubo.

Gestaunt: über die kleine Blindschleiche die wir beim Wandern gesehen haben, aber noch viel mehr über die riesige Schlange die eine Freundin heute am Hinterbrühler See fotografiert hat (Ringelnatter?)

Gewünscht: diesen Pyjama, dieses schwimmende Haus, einen Besuch bei den Händel-Festspielen

Geplant: Pompeij

Gefunden: nix

Gekauft: Wanderschuhe

Gedacht: Mir persönlich macht es mehr Freude, Menschen zu verstehen, als sie zu richten. //Stefan Zweig

Skopje by the book – Kultur, Denkmäler und Kaffeekunst

Dieses Jahr fand unser jährliches People & Culture Europe Lead Meeting in Skopje statt, und ich habe mich sehr auf die Reise in die Hauptstadt Mazedoniens gefreut. Ich freute mich liebe Kolleg*innen wieder zu treffen und auf die Gelegenheit, eine Stadt und Literatur zu erkunden, von der ich bisher nur wenig wusste.

Skopje, eine Stadt, die nicht nur durch ihre Geschichte und Kultur fasziniert, sondern auch durch die starken Kontraste, die sich in ihren Straßen und ihrer Architektur widerspiegeln. Mazedonien ist ein Land, das mit finanziellen Herausforderungen kämpft, wie der Durchschnittslohn von etwa 600 Euro pro Monat zeigt. Doch trotz dieser wirtschaftlichen Schwierigkeiten strahlt Skopje eine besondere Energie aus.

Alexander wurde um 356 v. Chr. in Pella, der antiken Hauptstadt Makedoniens, geboren, die sich in der Nähe des heutigen Skopje befand. Sein Vater, König Philipp II. von Makedonien, hatte große Ambitionen für sein Reich, und Alexander setzte diese Ambitionen fort, als er nach dem Tod seines Vaters den Thron bestieg.

Alexander der Große war bekannt für seine militärischen Eroberungen, die das makedonische Reich zu einem der größten Imperien der antiken Welt machten. Seine Feldzüge erstreckten sich von Griechenland über den Nahen Osten bis nach Indien und hatten einen tiefgreifenden Einfluss auf die Geschichte und Kultur der Regionen, die er eroberte.

In Bezug auf Skopje und Nordmazedonien bleibt Alexander der Große eine wichtige historische Figur, die die Identität und das kulturelle Erbe der Region prägt. Sein Erbe wird oft durch Denkmäler und Gedenkstätten in der Stadt gewürdigt, und sein Vermächtnis dient als Inspirationsquelle für die Bewohner und Besucher von Skopje.

Der Konflikt um den Namen „Mazedonien“ zwischen Griechenland und Nordmazedonien ist ein langjähriges und komplexes politisches Thema. Griechenland hat lange Zeit Einwände gegen die Verwendung des Namens „Mazedonien“ durch das ehemalige Jugoslawien und später durch die unabhängige Republik Mazedonien erhoben. Der Hauptstreitpunkt lag in der Befürchtung Griechenlands, dass die Verwendung dieses Namens durch einen Nachbarstaat implizieren könnte, dass dieses Gebiet historische Ansprüche auf die griechische Region Mazedonien erhebt.

Für Griechenland hat die Region Mazedonien eine tiefe historische Bedeutung, da sie die Heimat des antiken Königreichs Makedonien war, das von Alexander dem Großen regiert wurde. Griechenland befürchtete, dass die Verwendung des Namens „Mazedonien“ durch das Nachbarland Nordmazedonien territoriale Ansprüche oder revisionistische Bestrebungen signalisieren könnte.

Der Konflikt hat sich über Jahrzehnte hingezogen und hat zu diplomatischen Spannungen und politischen Hindernissen geführt. Erst 2018 wurde eine Einigung erzielt, als sich Nordmazedonien bereit erklärte, seinen Namen in „Republik Nordmazedonien“ zu ändern. Diese Vereinbarung öffnete den Weg für eine Annäherung zwischen den beiden Ländern und für Nordmazedonien, seine Beziehungen zur Europäischen Union und zur NATO zu stärken.

Trotz dieser Einigung bleibt der Konflikt um den Namen Mazedonien ein Beispiel für die komplexen politischen und historischen Dynamiken in der Region und verdeutlicht die Bedeutung von Diplomatie und Kompromissbereitschaft bei der Lösung solcher Streitigkeiten.

Unser Hotel lag direkt am Fluss – an der Vardar, der die Stadt in zwei Hälften teilt. Auf der linken Seite erstreckt sich die islamische Seite, wo während des Ramadans der Muezzin zum Gebet ruft und mit zunehmender Lautstärke zu provozieren versucht und wo gläubige Männer überall auf Gebetsteppischen auf den Straßen im Basar beten. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich die mazedonisch-orthodoxe Seite, die mit überdimensionalen Kreuzen provoziert. Diese religiösen Spannungen erinnern an ein Pulverfass, das jederzeit explodieren könnte.

Beim Kaffee trinken in der Altstadt habe ich zufällig einen jungen Mann getroffen, der ursprünglich aus Skopje kommt, alle 2-3 Jahre wieder hinfährt um seine alten Freunde und Familie zu besuchen und der seit einigen Jahren in München lebt. Er war selbst komplett überrascht von der immer prominenteren Ausübung der Religion, was wohl vor Jahren noch eher selten war. Auch sind überall in der Altstadt riesige Plakate von Erdogan zu sehen.

Skopje ist auch bekannt für seine regelmäßigen Erdbeben, und das letzte große Beben ereignete sich 1963, das 90% der Stadt zerstörte. Die Stadt wurde danach schnell wieder aufgebaut, jedoch nicht ohne Kritik. Korrupte Politiker nutzten die Gelegenheit, um eine Art Kaufhauskatalog für den Wiederaufbau zu verwenden. Sie bestellten Brücken aus Prag, Nachbildungen des Arc de Triomphe aus Paris und sogar eine Miniaturausgabe des Weißen Hauses. Das Ergebnis ist eine Stadt, die von Denkmälern übersät ist, man könnte den Eindruck haben, es gibt mehr Denkmäler als Einwohner.

Doch trotz dieser Herausforderungen ist Skopje eine Stadt voller Leben und Energie. Die Menschen sind herzlich und einladend, und das Essen ist richtig lecker. Die mazedonische Küche ist reich an Geschmack und Vielfalt, und ich hatte das Glück, ein paar sehr feine Gerichte zu probieren. Überrascht war ich, dass in allen Restaurants stark geraucht wurde, meine Kolleginnen aus Skopje meinten, das das wieder der Fall sein. Einige Jahre lang wurde das Rauchverbot in Innenräumen beachtet und auch stark kontrolliert, aber seit einer Weile scheine sich niemand mehr um das Verbot zu kümmern.

Wer einem übrigens auch an jeder Ecke begegnet ist die wohl berühmteste Tochter der Stadt: Mutter Theresa. Ich hätte mich von Kopf bis Fuß mit ihrem Konterfei schmücken können 😉

Und dann ist da noch der Kaffee, der auf heißem Sand gekocht wird, eine Tradition, die mich wirklich faszinierte. Der türkische Kaffee wird traditionell in einer speziellen Kaffeekanne namens „Cezve“ oder „Ibrik“ zubereitet. Zuerst wird feiner Sand in einem speziellen Behälter erhitzt. In die Cezve werden gemahlene Kaffeebohnen, Wasser und gegebenenfalls Zucker oder Gewürze gegeben. Die Cezve wird dann in den heißen Sand gestellt, wodurch der Kaffee langsam erhitzt wird. Der Kaffee beginnt zu schäumen und aufzusteigen. Sobald er kurz vor dem Kochen steht, wird er vom Sand genommen und in kleine Tassen oder Gläser gegossen. Die langsame Zubereitung über dem heißen Sand verleiht dem Kaffee einen intensiven Geschmack und ein reiches Aroma.

Die Literatur durfte natürlich auch nicht zu kurz kommen: Nordmazedonien, insbesondere die Hauptstadt Skopje, hat eine reiche literarische Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. Ich habe ein paar sehr schöne Buchläden entdeckt und fliegende Händler die auf der Straße und auf Märkten mit Büchern handeln. Es war gar nicht so einfach ein Buch eines nordmazedonischen Autors zu finden, aber ich hatte dann doch Glück und habe ein wirklich interessantes und spannendes Buch von Luan Starova gelesen. Er ist ein bedeutender albanisch-mazedonischer Autor, der für seine literarischen Werke bekannt ist, die sich mit Themen Identität, Kultur und Geschichte auseinandersetzen. Seine Arbeiten, darunter Romane wie „Die Sterne in Bunker Nr. 3“ und „Die Reise nach Amerika“ oder auch das von mir gelesene „Zeit der Ziegen“ haben ihm sowohl national als auch international Anerkennung eingebracht. Starova hat sich als wichtige Stimme in der albanischen und mazedonischen Literatur etabliert und sein Werk trägt zur Förderung des kulturellen Verständnisses und des Dialogs bei.

Spannend fand ich auch das jährlich stattfindende Internationale Literaturfestival – eine bedeutende kulturelle Veranstaltung in Skopje, die Autor*innenn und Literaturliebhaber*innen aus der ganzen Welt zusammenbringt. In der Vergangenheit haben namhafte Teilnehmer*innen wie Orhan Pamuk, Herta Müller, Mario Vargas Llosa oder auch Salman Rushdie an diesem Festival teilgenommen. Es bietet eine Plattform für den interkulturellen Austausch, literarische Diskussionen und Lesungen und trägt zur Förderung der internationalen Literatur und des kulturellen Dialogs bei. Irgendwann würde ich da wirklich gerne mal dabei sein.

„Zeit der Ziegen“ ist ein Roman von Luan Starova, übersetzt von Roberto Mantovani, erschienen im Unionsverlag, der die Geschichte einer albanischen Familie im ehemaligen Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs und der kommunistischen Ära erzählt. Der Roman konzentriert sich auf das Leben der Familie Gjonbalaj, die sich mit den Herausforderungen und Veränderungen in ihrem Land während dieser turbulenten Zeiten auseinandersetzen muss. Dabei werden Themen wie Identität, politische Unterdrückung und die Suche nach Freiheit behandelt. „Zeit der Ziegen“ ist ein berührender und fesselnder Roman, der die Leser*innen durch die historischen Ereignisse und persönlichen Geschichten einer Familie führt, die um ihr Überleben und ihre Selbstbestimmung kämpft. Der Roman hat mir richtig gut gefallen, würde auf jeden Fall auch noch weitere Romane von Starova lesen.

Leider hatte ich keine Gelegenheit die Landschaft und die Natur in Nordmazedonien kennenzulernen. Außerhalb der Saison fahren wenige Busse und man hatte mich auch ein bißchen gewarnt alleine in die Wälder und zu den Seen zu fahren. Ich muss also auf jeden Fall noch mal hin irgendwann.
Seid ihr schon mal in Skopje oder Nordmazedonien gewesen, oder habt noch weitere Literaturempfehlungen für mich?

Meine Woche

Gesehen: Godzilla King of the Monsters (2019) von Michael Dougherty mit Kyle Chandler, Vera Farmiga und Millie Bobby Brown. Yep Godzilla – ich bin und bleibe einfach ein großer Godzilla Fan. Den Film fand ich sehr unterhaltsam.

The Black Phone (2021) von Scott Derrickson mit Ethan Hawke und Mason Thames. Serienkiller-Grusel um eine Reihe verschwundener Jungen in den 70er Jahren. Gruselig.

Gehört: Flea – St. Vincent, After Five – Christina Vantzou, Before we Drown (Remix) – Depeche Mode, This generation ends – Solar Fake

Gelesen: Brigitte Höss on living at Auschwitz, dieses Interview mit Isabelle Huppert, What Have Fourteen Years of Conservative Rule Done to Britain?

Getan: den Tech Stammtisch besucht, liebe Freund*innen zum Dinner getroffen, von Wolfratshausen zum Kloster Schäftlarn gewandert, in Garmisch geschwommen, sauniert und gelesen

Gefreut: wie gut die Laufrunde geklappt hat

Geweint: nein

Gelacht: wir gendern weiter

Geärgert: Söder hat wieder Lack gesoffen

Gegessen: viel zu viel beim Oster Brunch in der Werdenfelserei

Getrunken: Crémant

Geklickt: Local Lens: A brothers’ guide to Scotland with Colin and Ewan McGregor

Gestaunt: Fish along the Florida Keys are spinning in circles until they die—and no one knows why

Gewünscht: dieses Tshirt

Geplant: meinen Ring reparieren lassen

Gefunden: tolle Bücher im Bücherschrank

Gekauft: Schuhe

Gedacht: Is that assumed or confirmed //Jeanne Torre