EMA + Dubais @ Kranhalle, München, 2017-09-27

Das war ein unglaublich tolles Konzert – wunderbar zusammengefasst, könnte ich nicht besser, daher vielen Dank an Gerhard und ich freue mich schon auf unseren nächsten Konzert-Besuch.

KULTURFORUM

Großartige Ladies-Night am vergangenen Mittwochabend in der Münchner Feierwerk-Kranhalle. Dabei ließen im Vorfeld zur Einstimmung auf den Abend abgerufene Videos der im Support-Programm auftretenden „Arabfuturist/Lo-fi Bedroom Pop/Dark-Disco“-Performerin Nadia Buyse aka Dubais Schlimmes an belanglosem Elektro-Pop-Gedöns vermuten, Erinnerungen wurden wach an Konzertabend-Standards vor etlichen Dekaden, als es an der Tagesordnung war, dass erst das Horror-Programm im Vorfeld überstanden werden musste, bevor man zum angenehmen Teil der Veranstaltung vordrang – doch Gottlob in dem Fall weit gefehlt. Die extrovertiert offensiv aufs Publikum zugehende Musikerin, die kosmopolitisch ihre Heimathäfen mit Berlin, Portland und Antwerpen benennt, gab zum Einstieg ein paar simple wie zupackende Folk-Songs zur E-Gitarre zum Besten, ließ sich zwischenzeitlich von EMA-Drummerin Susan begleiten und bestritt den Großteil des bizarren Auftritts dann Laptop-gestützt mit eingespieltem, groovendem Synthie-Pop-Playback formvollendet und Rampen-sauend als stimmlich groß auftrumpfende Disco-Soul-Queen, eine das Grinsen ins Gesicht treibende Aufführung so schräg wie unterhaltend, in der Form sowohl in den…

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Arundhati Roy @International Literature Festival Berlin

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Fotos: A Kuscu

„India has always lived in several centuries simultaniously“

Arundhati Roy war vermutlich der Star des Internationale Literatur Festivals in Berlin. Meterlange Schlangen warteten auf Einlass zur Podiumsdiskussion mit ihr aus Anlass der Veröffentlichung ihres ersten Romans seit zwanzig Jahren „The Ministry of Utmost Ministry“.

Das muss man ihr natürlich auch erst einmal nachmachen. Gleich mit dem Erstlingswerk „The God of Small Things“ 1997 den Booker Prize gewinnen, dann zwanzig Jahre lang auf den nächsten Roman warten lassen und peng – dann gleich wieder auf der renommierten Shortlist des Booker Prizes zu landen.

Arundthai Roy ist die Grande Dame der indischen Literaturszene und hat in der Zwischenzeit alles andere als faul in der Hängematte gelegen. Sie hat ihre Bekanntheit nach dem Gewinn des Bookerprizes 1997 dazu genutzt, sich als Aktivistin um drängende politische Themen in Indien, aber auch außerhalb, zu kümmern. Sie hat sich für umweltschützende Maßnahmen wie z. B.  gegen den Bau von Dämmen in Indien engagiert, sich für die Unabhängigkeit Kashmirs und gegen Hindu-Nationalismus ausgesprochen, sich mit den Klagen auf Volksverhetzung der indischen Regierung auseinandergesetzt und jede Menge Essays und Non-Fiction Bücher produziert.

Ihr Werk umfasst dabei Bücher zum Thema Globalisierung, Kapitalismus, Demokratie und hat sie als politische Philosophin und Aktivistin auf die politisch-literarische Weltbühne katapultiert.

Ihre Essays haben sie oft genug in Teufels Küche gebracht und ihr viel Ärger und Abneigung eingehandelt. Fast jedes Mal nahm sie sich vor, aufzuhören, den Finger in die Wunde zu legen und Ärger zu machen, bis sie es nicht mehr aushielt und sie sich doch wieder zu Wort melden musste.

Immer wieder bekundet sie auch, dass es eigentlich das belletristische Schreiben ist, dem ihr Herz gehört „“To me, there is nothing higher than fiction. Nothing. It is fundamentally who I am. I am a teller of stories. For me, that’s the only way I can make sense of the world, with all the dance that it involves.”

 

 

In Berlin diskutierte sie ihren Roman mit Gabriele von Arnim und las daraus einige Passagen.

„Das Ministerium des äußersten Glücks“ beginnt mit Anjum, die aus Gründen, die später erläutert werden, auf einem Friedhof lebt. Anjum ist eine „Hijra“, ein hinduistischer Begriff, der sich frei mit Hermaphrodite, Eunuch, drittes Geschlecht oder Transgender übersetzen lässt. Seit ihrer Jugend lebt Anjum im Khwabgah, was soviel wie Schlafquartier, Haus oder Palast der Träume bedeutet und für sie ein Ort der Freiheit und der Selbstentfaltung ist. Zusammen mit den anderen Hijras bildet sie so etwas wie eine Familie.

Beim Besuch in einem Gujarati Schrein erlebt Anjum das Massaker an Hindu-Pilgern und die darauf folgende Vergeltung der Regierung gegen Muslime und zieht sich auf den Friedhof zurück. Sie legt ihre farbenfrohe weibliche Kleidung ab und kleidet sich in einen maskulinen Pathan Anzug und baut über den Gräbern einen Zufluchtsort, eine Art Schutzraum für Menschen, Tiere und Exzentrikern aller Art wie Obdachlose, Aussteiger, Unberührbare etc. Eine Republik der Verlorenen gegen die brutale Realität des zeitgenössischen Indiens.

Die Geschichte bringt uns von Dehli nach Kaschmir, wo Indien und Pakistan um die Kontrolle ringen und die Einwohner des vielleicht schönsten Tals der Erde sich in Flüchtlinge, Märthyrer, Freiheitskämpfer und Spione verwandeln.

Arundhati Roys Buch gleicht einem farbenfrohen Patchwork Teppich aus einzelnen Erzählsträngen. Schmerzhaft, lustig, sexy, realistisch, magisch und ausschweifend. Ich war mit dem riesigen Aufgebot an Personen überfordert. Mir fehlte die Dynamik in der Geschichte, viele Hauptpersonen verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Ich habe mich mit Arundthai Roys Buch sehr, sehr schwer getan.

Es ist definitiv ein Abbild des chaotischen, uneinigen Indiens mit dem Crescendo unterschiedlicher Stimmen und Stimmungen, aber es hat mich lange nicht so gepackt wie „The God of Small Things“.

Wir lesen den Roman auch noch gemeinsam im Bookclub und vielleicht werde ich durch die erneute Lektüre einige Zusammenhänge besser verstehen, momentan fühle ich mich etwas verloren.

Der Abend in Berlin hat mir Lust gemacht, mich mit ihren Essays zu beschäftigen, insbesondere die Serie „Things that can and cannot be Said“ über ihren Besuch mit John Cusack bei Edward Snowden klingt ausgesprochen spannend. Hier ein Artikel im Guardian darüber:

https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2015/nov/28/conversation-edward-snowden-arundhati-roy-john-cusack-interview

Ich danke dem Fischer Verlag für das Rezensionsexmplar „Das Ministerium des äußersten Glücks“

Meine Woche

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Foto: V Ketel

Gesehen: „Metalhead“ (2013) von Ragnar Bragason. Coming-of-Age Film eines isländischen Teenagers, die den Verlust ihres Bruders durch Death Metal zu verarbeiten sucht. Melancholisch mit tollem Soundtrack und wunderschönen Bildern.

Memento“ (2000) von Christopher Nolan mit Guy Pierce und Cary-Anne Moss. Noir Thriller um einen Mann der keine Kurzzeit Erinnerungen aufbauen kann. Immer noch gut.

Gehört: „Treefingers“ – Radiohead, „Something in the Air“ – David Bowie, „What will never be“ – Andrew Liles, „Primer“ – Miles, „The Gate“ – Björk, „Svarthamar“ – Pétur Ben, „Undoing a Luciferian Towers“ – Godspeed You! Black Emperor

Gelesen: diesen Artikel in der Vogue über Joan Didion, warum von zu Hause arbeiten Standard sein sollte, Noah Yuval Harari über die drohende AI Apokalpyse, Klimawandel – wir schweigen uns zu Tode, diesen Artikel im New Yorker über Margaret Atwood, Isaac Asimovs Empfehlungen wie man nie mehr ideenlos ist

Getan: Gewählt, so so viele Meetings und Interviews, einen Workshop vorbereitet, mit einer Freundin auf ein Glas Wein getroffen und nach einer Tasche gesucht

Geplant: einen richtig guten Workshop durchführen

Gegessen: ein excellentes Dinner zum bestandenen Examen der Bingereader-Gattin im Hunsinger

Getrunken: Hemingways Mojito und Sancerre

Gelacht: die AFD Wähler sollen doch ein Hakenkreuz statt eines Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen, ist gleich besser erkennbar … und über Margaret Atwoods „The Handbags Tale“

Geärgert: das über die eigentlich wichtigen Themen Klimawandel und AI kaum jemand spricht und es im Wahlkampf fast keine Rolle spielt

Gefreut: über den wunderbaren Besuch aus Seattle

Gewünscht: diesen Johnnie Walker Black Label, dieses Geschirr, diesen Print

Geklickt: auf diesen Talk von Admiral William McRaven „Change the world by making your bed“

Gekauft: diese Tasche und ein paar Schuhe

Gefunden: die Biografie von Katharine Graham im offenen Bücherschrank

Gewundert: Lisa Simpson hat ihren eigenen Bookclub 🙂

Having a „Fiesta“ with Hemingway’s Mojito

Wer natürlich nicht fehlen darf in dieser illustren Runde ist der Drinks-Spezialist himself, Mr. Ernest Hemingway. „Fiesta“ oder auch unter dem Titel „The Sun also Rises“ las ich als Teenager zum ersten Mal und habe mich kopfüber in das Buch verliebt. Paris, spannende Menschen, Literatur und unglaublich viele Getränke die es für mich zu entdecken gab. Die erste Hälfte des Buches spielt ganz in er Nähe des Boulevard du Montparnasse, eine Ecke in der ich letztes Jahr in Paris auch einen „Hemingway Literary Walk“ mitmachte. Kann ich sehr empfehlen.

Was bei dem Buch wirklich auffällt ist, dass die Protagonisten nicht trinken wie ein Fisch, sondern fast schon wie ein Wal. Wow, die haben einen ganzen Ozean an Alkohol durchschwommen und haben dabei noch immer ganz passabel-interessante Gespräche geführt, wir wären wohl bei der Hälfte der Getränke, die da pro Kapitel vernichtet wurden schon klinisch tot.

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Vielleicht hätte zu dem Buch ein französischerer Cocktail gepasst, aber der Mojito ist nun einmal einer der „Signature Drinks“, passt perfekt zu Hemingway und wir hatten große Lust auf einen.

Den perfekten Hemingway Mojito macht man so:

Zutaten

  • 6 Zweige Minze
  • 1 Limette
  • 1 Teelöffel Rohrzucker (weiß und möglichst fein)
  • 6 cl Rum (weiß)
  • Gecrushtes Eis Wasser (Soda) – wobei Hemingway statt Soda oder Eiswasser Champagner bevorzugt hat 😉

 

Elif Shafak @International Literature Festival Berlin (english version)

“THERE IS NO SUCH THING AS A WELL-MEANING DICTATORSHIP. NOR IS THERE ANY SUCH THING AS AN UNDEMOCRATIC NATION THAT IS STABLE.”

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Fotos: Aslihan Kuscu

I had a lot of people asking me for an english version of this text, so Eibleen ní Riaín was kind enough to translate the text – thanks a lot!

The Turkish author Elif Shafak opened the 17th International Literature Festival on September 6th, 2017. In her opening speech she discussed the crisis that democracy is experiencing worldwide and encouraged her fellow authors to take a stand for the preservation and development of democracy.

Shafak is the most famous female Turkish author and constantly struggles with death threats, verbal assaults and other repressive measures there. She grew up with her mother and grandmother, two women who had a huge influence on her and her writing. Her mother worked as a diplomat for many years and due to this Elif Shafak has a very cosmopolitan background. She has divided her place of residence between London and Istanbul for many years, a traveller between two worlds.

Her grandmother stands for belief and tradition and her mother for modernity and secularity, and London and Istanbul reflect these two poles she moves between.

Democracy is going downhill in Turkey, but not only there. If we take a look around we can see how fragile this model has become in many countries, how we have taken democracy for granted and how we are only waking up now as more and more autocrats who are undermining the system become increasingly powerful.

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The government in Turkey has been in power for 14 years and one can only look on helplessly as freedom of speech and the press are being eliminated, violence against women is growing, Islamism and attacks on intellectuals increasing. By now there are more journalists and writers in prison in Turkey than in China.

For many years Turkey saw itself as part of Europe. English, French and Italian literature was read and translated. Literature from the Middle East has only begun to be translated in the past few years, something which definitely should have happened earlier, but which distinctly demonstrates Turkey’s earlier leanings towards Europe and the swing towards a closer proximity to the Middle East.

Society is becoming more and more polarised in Turkey, just as in many other countries. People are being split up into „them“ and „us“. Believers against unbelievers, city dwellers against country folk, compromises are becoming increasingly impossible. And we shouldn‘t just lean back and describe this as typical „Muddle East“ behaviour. These schisms exist equally in the western European world and the rifts are constantly deepening. This is a dangerous development and the tight results of the elections in France, Austria and the Netherlands are just a brief respite.

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More and more people are questioning democracy, which they don‘t perceive as a model for the future. They want to persuade people that one has to decide between stability and democracy. However there cannot be any long-term stability in countries without democracy. Countries without democracy are unhappy countries and this leads sooner or later to massive problems.

A yearning for a „strong leader“ is widespread all over the world right now like never before. Progressive liberalism is under attack, is being intimidated and eroded. People long for the supposed good old times and the despots’ favourite phrase is „make Turkey/Hungary/Poland/Russia/US … great again“

Unfortunately I couldn’t find Elif Shafak’s talk at the Literature Festival in Berlin online, but I found a pretty similar one which she gave at the Oslo Peace Forum:

„We all need to become activists. We need to become activists for empathy, for diversity, for pluralistic democracy, and very importantly, for a global solidarity“

The Erdogan critic is very possibly in danger in her home country. She says „I was used to being one of the more dark and depressive speakers at international conferences. And I believe that there are a lot of Turkish authors who are pretty depressed and demoralised. But then again there were also authors from other countries, countries like Pakistan, Egypt, Venezuela, Nigeria or the Philippines who were also depressed. We listened to each other, smiled at each other, but emotionally there was always a clear difference between those of us who came from weak or wounded democracies and those who came from stable democracies.

This has changed over the past year, more and more authors are joining the team of the depressed and these authors now come from Europe: from Hungary, Poland, even from Austria, Holland and France. And even authors from the UK, where I live – suddenly there were more and more of us, all worried about the fate of their country and that of the world,“ says Shafak.

We were supposed to do a personal interview with Elif Shafak but unfortunately her flight had a two-hour delay and it didn‘t work out. I flew to Berlin with my friend Aslihan, who is probably the biggest Elif Shafak in the world and who took all the wonderful photos you can see here.

After her speech Elif Shafak took an incredible amount of time for all the people who wanted one (or more) of her books signed or wanted to have their photo taken with her. The queue was unbelievably long, there were so many young Turkish people, who absolutely adore Elif Shafak.

We got the opportunity to speak to Elif Shafak for a short while and – although I already felt a certain emotional connection with this incredibly intelligent and interesting author – after her talk and our brief meeting I am an even bigger fan.

Her latest novel “Three Daughters of Eve” is about three women who are studying in Oxford and become friends. Shirin, Mona and Peri: The sinner, the believer and the confused.

The book describes the current deep rift within Turkish society. When different groups are totally convinced of the absolute correctness of their own opinion conflict is inevitable. Religion continues to be the centre of most of these debates. In her novel Elif Shafak creates the figure of Azur, a controversial Oxford professor, who encourages his students to debate different belief systems in order to put a check on the deplorable custom „The Malady of Certainty“. You can’t just register for his seminar; you have to be chosen by him and be invited to discuss the philosophical relevance of God.

The central character Peri has grown up with a secular Kemalist father and a deeply religious mother which has left her rather confused about God. She is joined by the politically active and devout Muslima Mona and the liberal bi-sexual atheist Shirin, who comes from Iran.

Teile des Buches spielen im heutigen Istanbul und insbesondere während der Dinnerparty gibt es wahnsinnig gute Passagen und ich kam aus dem Unterstreichen kaum heraus.

Parts of the book are set in modern-day Istanbul and there are some amazing passages, particulary during the dinner party. I just couldn’t stop underlining!

„Frankly, I don’t believe in democracy“, said an architect with a crew cut and perfectly groomed goatee… Take Singapore, success without democracy. China. Same. It’s a fast-moving world. Decisions must be implemented like lightning. Europe wastes time with petty debates while Singapore gallops ahead. Why? Because they are focused. Democracy is a loss of time and money“.

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I really enjoyed parts of the book but found other parts too contrived and for someone (me) who is a little too convinced that she knows exactly what she believes the constant confrontation with religion was a bit much.

Before the opening speech there was a performance by the actress Zoran Volantes. Sitting in a cage she read out texts by the imprisoned author Aslihan Erdogan and other imprisoned or endangered authors.

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The meeting with Elif Shafak left me deeply impressed and her talk moved me immensely. I realized yet again how fragile democracy is at present and how important it is not to take it for granted but to fight for it and declare one’s solidarity with all progressive liberal people worldwide, no matter where they be.

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Elif Shafak @International Literature Festival Berlin

“There is no such thing as a well-meaning dictatorship. Nor is there any such thing as an undemocratic nation that is stable.”

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Fotos: Aslihan Kuscu

Die türkische Autorin Elif Shafak eröffnete am 06.09.17 das 17. Internationale Literaturfestival. Ihre Eröffnungsrede beschäftigt sich mit der Krise, in der sich die Demokratie weltweit befindet und ermuntert insbesondere ihre Schrifsteller-Kollegen, sich stärker für den Erhalt und Ausbau der Demokratie einzusetzen.

Shafak ist die bekannteste Schriftstellerin der Türkei und hat dort immer wieder aufgrund ihrer politischen Äußerungen mit Morddrohungen, Beschimpfungen und anderen Repressalien zu kämpfen. Sie wuchs bei ihrer Mutter und ihrer Großmutter auf, zwei Frauen, die sie und ihr Schreiben weitgehend beeinflussen. Ihre Mutter war lange Jahre als Diplomatin tätig und Elif Shafak hat daher einen ausgesprochen kosmopolitischen Hintergrund. Ihren Wohnsitz hatte sie lange Jahre sowohl in London als auch in Istanbul, eine Pendlerin zwischen den Welten.

So wie ihre Großmutter für Glaube und Tradition und ihre Mutter für Moderne und Säkularität steht, so spiegeln auch London und Istanbul die zwei Pole wider, zwischen denen sie sich bewegt.

Die Demokratie ist nicht nur in der Türkei den Bach runtergegangen, wenn wir uns umschauen, müssen wir mit Schrecken feststellen, wie brüchig dieses Modell in vielen anderen Ländern ist, wie selbstverständlich wir die Demokratie genommen haben und erst jetzt, wo mehr und mehr Autokraten sie unterwandern, wachen wir langsam auf.

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Die Regierung in der Türkei ist seit über 14 Jahren an der Macht und fassungslos muss man beobachten, wie Meinungsfreiheit und Pressefreiheit eliminiert werden, Gewalt gegen Frauen wächst, Islamismus und Angriffe auf Intellektuelle um sich greifen. Mittlerweile sitzen mehr Journalisten und Schriftsteller in der Türkei im Gefängnis als in China.

Viele Jahre lang hat sich die Türkei Europa zugehörig gefühlt. Es wurde englische, französische, italienische Literatur gelesen und übersetzt. Erst in den letzten Jahren wurden Autoren aus dem mittleren Osten übersetzt, eine Tatsache die sicherlich schon früher hätte geschehen sollen, die aber zeigt, wie sehr die türkische Gesellschaft Europa zugewandt war und wie sehr sie jetzt die Nähe zum Mittleren Osten sucht.

In der Türkei wie auch in anderen Ländern polarisiert sich die Gesellschaft immer mehr. Die Menschen werden gespalten in „die“ und „wir“. Gläubige gegen Ungläubige, Stadtbewohner gegen Landbewohner, Kompromisse sind immer seltener möglich. Und wir sollten uns auf keinen Fall entspannt zurücklehnen und das ganze als typisches „Muddle East“ Verhalten einordnen. Diese Spaltungen gibt es genauso in der westeuropäischen Welt und die Gräben werden immer tiefer. Eine gefährliche Entwicklung, die knappen Wahlerfolge in Frankreich, Österreich und den Niederlanden sind nur ein kurzes Aufatmen.

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Es gibt mehr und mehr Menschen, die die Demokratie in Frage stellen, die sie definitiv nicht für ein zukunftsfähiges Modell halten. Die den Menschen einreden wollen, man müsse sich zwischen Stabilität und Demokratie entscheiden. Es gibt aber keine langfristige Stabilität in nicht-demokratischen Ländern. Länder ohne Demokratie sind unglückliche Länder und das führt kurz oder lang zu Problemen.

Die Sehnsucht nach dem „starken Führer“ ist momentan in der Welt verbreitet wie noch nie. Progressiver Liberalismus wird angegriffen, eingeschüchtert und aufgeweicht. Man sehnt sich nach vermeintlich goldenen alten Zeiten und der Lieblingsspruch der Despoten ist „make Turkey/Hungary/Poland/Russia/US … great again“

Leider konnte ich den Vortrag von Elif Shafak auf dem Literaturfestival in Berlin nicht online finden, allerdings habe ich einen recht ähnlichen gefunden, den sie auf dem Oslo Friedens Forum gehalten hat:

„We all need to become activists. We need to become activists for empathy, for diversity, for pluralistic democracy, and very importantly, for a global solidarity“

In ihrem Heimatland ist die Erdogan-Kritikerin sehr wahrscheinlich gefährdet. Sie sagt „Ich war es gewöhnt, bei internationalen Konferenzen zu den eher düsteren, deprimiert Vortragenden zu gehören. Und ich glaube, dass es viele türkische Autoren gibt, die ziemlich deprimiert und demoralisiert sind. Aber dann waren da gewöhnlich auch Autoren aus anderen Ländern, aus Ländern wie Pakistan, Ägypten, Venezuela, Nigeria, den Philippinen, die auch deprimiert waren. Wir hörten uns gegenseitig zu, lächelten uns an, aber gefühlsmäßig gab es da immer noch ein Unterschied zwischen denen von uns, die aus wackeligen oder verwundeten Demokratien, und denen, die aus stabilen Demokratien kamen.

Im letzten Jahr habe sich das geändert, immer mehr Autoren treten dem Team der Deprimierten bei und diese kommen jetzt Europa: aus Ungarn, Polen, selbst aus Österreich, Holland und Frankreich. Und sogar Schriftsteller aus dem Vereinigten Königreich, wo ich lebe – plötzlich waren da immer mehr von uns, die sich um das Schicksal ihrer Länder und das der Welt Sorgen machten“, sagt Shafak.

Eigentlich hätten wir die Gelegenheit haben sollen, ein persönliches Interview mit Elif Shafak zu führen, doch leider hatte ihr Flug zwei Stunden Verspätung und daher hat es leider nicht geklappt. Ich bin mit meiner Freundin Aslihan nach Berlin geflogen, die der vermutlich weltgrößte Fan von Elif Shafak ist und die auch die ganzen wunderbaren Fotos hier aufgenommen hat.

Elif Shafak hat nach sich Abschluss ihrer Rede wahnsinnig viel Zeit für all die Menschen genommen, die sich ein (oder mehrere) ihrer Bücher signieren oder ein Foto mit ihr machen lassen wollten. Die Schlange war ewig lang, sehr sehr viele junge Türkinnen und Türken, die Elif Shafak aufs Höchste verehren.

Ein kurzer Austausch war uns möglich mit Elif Shafak und auch wenn ich vorher schon Symphatien hatte für diese unglaublich kluge und interessante Autorin, nach dieser Rede und dem kurzen Kennenlernen bin ich noch einmal mehr Fan.

In ihrem neuesten Roman „Three Daughters of Eve“ geht es um drei Frauen, die in Oxford studieren und sich anfreunden. Shirin, Mona und Peri : The sinner, the believer and the confused.

Der Roman nimmt Bezug auf die aktuelle tiefe Zerrissenheit der türkischen Gesellschaft. Wenn unterschiedliche Gruppen von der absoluten Richtigkeit ihrer Meinungen überzeugt sind, ist Konflikt unausweichlich. Religion ist auch weiterhin im Zentrum der meisten dieser Debatten. Elif Shafak erschafft in ihrem Roman die Figur von Azur, einem kontroversen Oxforder Professor, der seine Studenten ermuntert, in seinem Seminar über unterschiedliche Glaubenssysteme zu debatieren, um der Unsitte der „Malady of Certainty“ Einhalt zu gebieten. Zu seinem Seminar kann man sich nicht einfach anmelden, man wird von ihm eingeladen und ausgewählt, die philosophische Bedeutung Gottes zu diskutieren.

Neben der Protagonistin Peri, die mit einem sekulären Kemalisten als Vater und einer tiefgläubigen Mutter aufwächst und mit Bezug auf Gott eher verwirrt ist, nimmt ihre politisch aktive und gläubige Muslimin Mona und die freizügige, bisexuelle atheistische Shirin teil, eine Iranerin.

Teile des Buches spielen im heutigen Istanbul und insbesondere während der Dinnerparty gibt es wahnsinnig gute Passagen und ich kam aus dem Unterstreichen kaum heraus.

„Frankly, I don’t believe in democracy“, said an architect with a crew cut and perfectly groomed goatee… Take Singapore, success without democracy. China. Same. It’s a fast-moving world. Decisions must be implemented like lightning. Europe wastes time with petty debates while Singapore gallops ahead. Why? Because they are focused. Democracy is a loss of time and money“.

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Teile des Buches haben mir sehr gefallen, andere fand ich ein wenig zu konstruiert und für eine, die auch ein bisschen zu sehr davon überzeugt ist, zu wissen was sie glaubt, war die pausenlose Auseinandersetzung mit Religion ein bisschen viel.

Vor der Eröffnungsrede gab es im Foyer der Berliner Festspiele eine Inszenierung in der die Darstellerin Zoran Volantes im Käfig sitzend, Texte der inhaftierten Autorin Aslihan Erdogan und anderen inhaftierten oder gefährdeten türkischen Autoren vorlesend.

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Mich hat das Treffen mit Elif Shafak sehr beeindruckt und ihre Rede hat mich sehr bewegt. Wie fragil die Demokratie momentan ist, ist mir danach noch einmal mehr bewusst geworden und wie wichtig es ist, sie nicht als etwas selbstverständliches zu sehen, sondern um sie zu kämpfen und sich mit den progressiven liberalen Menschen weltweit noch viel stärker zu solidarisieren.

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Elif Shafaks TED Talk „The revolutionary power of diverse thought“:

„Three Daughters of Eve“ erschien auf deutsch unter dem Titel „Der Geruch des Paradieses“ im Kein & Aber Verlag.

Meine Woche

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Gesehen: „Le passé devant nous“ (2016) von Nathalie Teirlinck mit der wunderbaren Evelyne Brochu. Wunderschöner, melancholischer Film um eine schwierige Mutter-Sohn-Beziehung.

Manchester by the Sea“ (2016) von Kenneth Lonergan. Keine Ahnung warum ich mich gegen den Film so gewehrt habe. Ist tatsächlich richtig gut und der Soundtrack hat mir auch sehr gefallen.

XX (2017) Horror-Anthologie der Regisseurinnen Jovanka Vuckovic, Karyn Kusama, St. Vincent und Roxanne Benjamin. Die 4 Geschichten haben mir nicht alle gleich gut gefallen, aber manche gehen mir noch ganz schön nach. Puh grusel 😉

Gehört: „The Birthday Party“ – St. Vincent, „The Bucket“ – Lali Puna, „We know where you fucking live“ – Marilyn Manson, „Anthology Resource“ – Dean Hurley, „Live at Dockside“ – Noveller, „Totality“ – Motion Sickness of Time Travel

Gelesen: dieses Interview mit der Autorin Han Kang, über die verstorbene LGBT Aktivistin Edie Windsor, Kluges Interview mit Katharina Borchert warum sich die deutsche Firmenkultur ändern muss, über die langjährige Kritikerin der NY Times Michiko Kakutani die jetzt in Rente geht, über diese libanesische Wissenschaftlerin die Haie rettet und diesen Artikel im Guardian über die Nabelschau der deutschen Politik

Getan: Workshops vorbereitet, Interviews geführt und viel aufgeräumt, einen Vortrag zu „Freedom to Grow“ auf der Sticks’n’Stones gehalten, einen interessanten Abend mit einer guten Freundin verbracht und eine heftige Migräne-Attacke bekämpft

Geplant: Leadership Workshop Konzept überarbeiten und einiges an Rezensionen abarbeiten

Gegessen: leckere israelische Mezze beim Kochkurs

Getrunken: Dark & Stormy

Gelacht: If you can’t convince them, confuse them

Geärgert: über mein fehlendes Talent beim Lampen aufhängen, da hängen jetzt 1000m Kabel rum

Gefreut: über die bestandene Bachelor-Arbeit der Bingereader-Gattin

Gewünscht: eine schwarze Messenger-Bag aus Leder so oder ähnlich (Vorschläge?), diese Lese-Lampe

Geklickt: auf die Chanel Werbung mit Kristen Stewart, diesen TED Talk von Cathy O’Neil die uns auffordert Big Data und Algorithmen gegenüber skeptisch zu sein

Gekauft: nix

Gefunden: nix

Gewundert: über diese cleveren Oktopoden (Oktopussis?)

Hirngymnastik Psychologie

Es wird Zeit für die nächste Hirngymnastik! Mit der Psychologie habe ich mich jetzt eine ganze Weile beschäftigt, denn da kam immer wieder Neues und Spannendes dazu und die Liste an zu rezensierenden Büchern für diese Ausgabe wuchs und wuchs. Jetzt mache ich einfach mal Halt, auch wenn ich noch ewig weiter spannende Bücher aus dem Bereich Psychologie/Hirnforschung finden und lesen könnte.

Begonnen habe ich mit einem Fast-Lehrbuch, das mir eine Freundin aus meinem Bookclub ausgeliehen hatte, die es während ihres Psychologie-Studiums in den USA nutzte und es mir als Standard-Einstiegswerk ans Herz legte. Hierbei handelt es sich um „Psychology – An Introduction“ von Charles G. Morris und Albert A. Maisto.

Psychologie entstand als eigenständige Disziplin 1879 als Wilhelm Wundt, ein deutscher Arzt in Leipzig, das erste Labor einrichtete, das sich ausschließlich mit psychologischen Studien, Experimenten und Forschung beschäftigen sollte. Wundt war auch der erste, der sich selbst als Psychologe bezeichnete. Die frühen Väter der Psychologie (ja alles Männer), sind beispielsweise Hermann Ebbinghaus, ein Pionier in der Erforschung des Gedächtnisses, William James, der amerikanische Gründer des Pragmatismus und Ivan Pavlov, der sich mit klassischer Konditionierung beschäftigte.

Kurz nach der Entwicklung der experimentellen Psychologie entstanden unterschiedlichste Zweige der angewandten Psychologie. Stanley Hall und John Dewey brachten die wissenschaftliche Pädagogik zwischen 1880 und 1890 von Deutschland in die USA und Hugo Münsterberg begann, über die Anwendung der Psychologie in der Industrie, Gesetzgebung und anderen Feldern zu forschen.

Die erste psychologische Klinik wurde ebenfalls in den 1890er Jahren von Ligthner Witmer eröffnet. Währenddessen entwickelte Sigmund Freud in Wien einen ganz eigenen Zugang zur Erforschung des menschlichen Geistes, den er Psychoanalyse nannte und der überaus einflussreich war.

Die Kritik auf Wundts Empirismus führte zur Entwicklung des Behaviorismus, der insbesondere durch B. F. Skinner berühmt wurde. Der Behaviorismus legte Wert auf die Studie von offensichtlichen Verhaltensweisen, da diese quantifiziert werden konnten und einfach messbar waren.

Zum Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Kognitionswissenschaften ganz groß, eine interdisziplinäre Wissenschaft zur Erforschung bewusster und potentiell bewusster Vorgänge.

„Psychology – An Introduction“ unterteilt sich in folgende Kapitel:

  • The Science of Psychology
  • The Biological Basis of Behavior
  • Sensation and Perception
  • States of Consciousness
  • Learning
  • Memory
  • Cognition and Language
  • Intelligence and Mental Abilities
  • Motivation and Emotion
  • Life Span Development
  • Personality
  • Stress and Health Psychology
  • Psychological Disorders
  • Therapies
  • Social Psychology

Das Buch gibt einen soliden Überblick, ist gut lesbar und stellenweise richtig spannend. Bin fast ein bisschen traurig, dass ich es zurückgeben muss, eventuell werde ich es mir doch kaufen, auch wenn es mit über 50,- € für eine gebrauchte Ausgabe nicht gerade günstig ist.

Nachdem der Einstieg gemacht war, beschäftigte ich mich mit „Welcome to your Brain“ von Sandra Aamodt, deren TED Talk mich damals zum Kauf ihres Buches animierte.

 

 

Der respektlose Führer durch die Welt unseres Gehirns von Samuel Wang und Sandra Aamodt gibt einen guten Überblick über unser Gehirn und seine Funktionen. Es geht nicht sonderlich in die Tiefe, ist aber gut geschrieben, leicht lesbar und somit ein empfehlenswerter Einstieg in die Neurowissenschaften.

Den Autoren sind hartgewonne Fakten und sorgfältig durchgeführte Studien wichtig und wollen den Leser dazu animieren, weniger auf Emotion und verbreitete Mythen über das Gehirn zu hören, als kritischer nachzufragen und zu recherchieren. Sie räumen im Buch mit einigen der Mythen auf, beispielsweise mit den sagenumwobenen 10% des Hirns, die wir angeblich nur nutzen, das Mozart hören Babys klüger macht oder das Impfstoffe Autismus auslösen.

Daneben geben sie praktische Tipps wie man z. B. mit Videospielen sein Gehirn schulen kann oder wie man das Hirn am besten überlistet, wenn man abnehmen will.

 

 

 

 

Für Film-Freaks vielleicht besonders interessant ist die Liste an Filmen, die neurologische Krankheitsbilder besonders gut beschrieben haben, (zB Memento, A Beautiful Mind und Awakenings) oder auch eher ungenau wie z. B. Total Recall und 50 First Dates.

Von den Beschreibungen psychologischer Störungen in Filmen geht es jetzt weiter mit folgendem Buch, das ebenfalls aus der Bibliothek meiner Bookclub-Freundin stammt.

„The Abnormal Personality through Literature“ von Alan und Sue Stone.

 

 

Ich fand das Konzept spannend, Auszüge aus Büchern der Weltliteratur zu nehmen und diese mit der korrespondierenden psychischen Erkrankung/Persönlichkeitsstörung zu matchen. Nicht alle Auszüge waren gleichermassen spannend und man merkt dem Buch den Zahn der Zeit an, denn „Homosexualität“ findet sich unter dem Kapitel „Perversions“.

Aufgeteilt ist es in folgende Kapitel:

  1. The Three Major Types of Abnormality (Texte von Anton Chekhov, Jean Stafford, Nicolai Gogol)
  2. The Struggle with Impulse (Texte von Victor Hugo, Thomas Mann und James T Farrell)
  3. Psychosis: The Break with Reality (Texte von Balzac, Shakespeare, Gogol, Fitzgerald, Sartre, Flaubert, Alphonse Daudet, Luise Rinser, Dostojewski, Maxim Gorky und Theodore Dreiser)
  4. Psychotic Synotoms (Texte von Edgar Allan Poe, Chekhov, Rilke, Eduardo Mallea, Conrad Aiken, Steinbeck)
  5. The Neuroses: Anxiety and Its Manifestations (Texte von Rudolf Besier, Nabokov, Graham Greene, Collette, Somerset Maugham)
  6. Neurotic Symptoms (Texte von Updike, Rilke, Melville, Hawthorne, Emily Dickinson, Thomas Mann, George Eliot, Luigi Pirandello, James Joyce, Marcel Proust, Chekhov, John Cheever)
  7. Character Disorders (Texte von Ivan Gonchorov, Willa Cather, Nikolai Leskov, Edmund Wilson, Pio Baroja, Thomas Mann, Chekhov)
  8. The Problem of Identity: An Approach to the Study of Social Adaptation (Texte von Richard Hughes, Sherwood Anderson, Alberto Moravio, August Strindberg, M. Saltykov-Schedrin, Leo Tolstoi)
  9. Perversions: The Deviations of Sexual Thought and Behavior (Texte von D. H. Lawrence, Thomas Mann, James Joyce, Lawrence Durell, Dostojewski, Bernard Malamud, Jean-Jacques Rousseau, Dorothy Parker, Andre Malraux, Nelson Algren)
  10. The Psychotherapeutic Process (Texte von Chekhov, Ivan Goncharov, T. C. Worsley)
  11. The Abnormal Personality in Childhood (Texte von William Carlos Williams, Katherine Ann Porter, Elizabeth Bowen, Isaac Babel)
  12. Psychiatry and the Law (Text von Shiga Naoya)

Die meisten Texte waren passend, haben einen guten ersten Einblick ins jeweilige Krankheitsbild gegeben und ich habe ein paar interessante Autoren besser oder überhaupt erst kennengelernt.

Den Abschluss meiner Psychologie-Gymnastik bilden zwei Bücher des von mir sehr geschätzten Psychologen und Philosophen Erich Fromm.

 

„Authentisch leben“ ist eine Sammlung verschiedener Essays, die Rainer Funk für diesen Band zusammengefasst und mit einem Vorwort versehen hat. Es geht darum, was unter Authentizität zu verstehen ist, wie häufig wir Worte gebrauchen, deren Sinn über die Zeit verändert wurde und deren Ursprung uns häufig nicht mehr klar ist. Fromm räumt da auf, er definiert, schafft Klarheit und belegt dann, dass es nur möglich ist wirklich authentisch zu leben, wenn man sowohl mit sich als auch mit seiner Umwelt in echten Beziehungen steht, nicht nur oberflächlich vor sich hin lebt.

Er weist auf die Hürden hin, die auf dem Weg zu einer solchen Authentizität liegen, die zu falscher Freiheit führen können. Er warnt vor überzogenem Invidiualismus und irrationalen Autoritäten. Ich bin beim Lesen gar nicht mehr aus dem Unterstreichen herausgekommen. Fromm ist jemand, der es immer wieder schafft, meine unklaren Gedanken zu sortieren und präzise in wunderbare Sätze zu packen:

„In eben diesem Sinne ist Freiheit … die Offenbarung der menschlichen Würde oder – anders gesagt – das Wesen des Menschen selbst, also das, was er ist und was er trotz aller durch seine Endlichkeit bedingten Schranken, Hindernisse und Grenzen zu sein vermag.“

„Selbsterkenntnis besagte von jeher, seine Grenzen zu überschreiten und zur Reife zu gelangen – bedeutete also, der zu werden, der wir potentiell sind.

„… es gibt nichts, dessen wir uns mehr schämen, als nicht wir selbst zu sein, und es gibt nichts, was uns stolzer und glücklicher macht, als das zu denken, zu fühlen und zu sagen, was wirklich unser Eigentum ist.“

„Die Furcht vor der Freiheit“ erschien 1941 unter dem Eindruck des herrschenden Faschismus und ist meines Erachtens dennoch aktuell wie eh und je. Er nähert sich dem Thema Freiheit aus verschiedenen Perspektiven und seine Einsichten beziehen sich auf historische Ereignisse, religiöse Dogmen, soziologische und anthropologische Beziehungen und psychologische Phänomene im Versuch zu verstehen, was der Preis ist, den wir für unsere Suche nach Freiheit und Individualität zahlen.

Denken wurde schon seit dem Anbeginn der Zeit als Sünde betrachtet, als Adam und Eva aus dem Paradies flogen, als sie sich für das Wissen und die Fähigkeit zum Denken entschieden und auch heute noch ist Bildung viel zu häufig gleichgesetzt mit dem Instandhalten der Kapitalismusmaschine und legt wenig Betonung auf Individualität und kritisches Denken.

Fromm warnt davor, unser ganzes Leben darauf zu konzentrieren, dem hinterherzulaufen, um zu bekommen was wir wollen, ohne wirklich zu wissen, wer wir eigentlich sind. Also nicht nach oben buckeln und nach unten treten, sich von falschen Autoritäten befreien und sein eigenes Denken stets hinterfragen.

„Das Recht der Gedankenfreiheit bedeutet jedoch nur dann etwas, wenn wir auch fähig sind, eigene Gedanken zu haben.“

Spaß hat mir auch der Crash Kurs „Psychologie“ der Brüder John & Hank Green gefallen:

Danke an alle, die bis hierher durchgehalten haben. Ich hoffe die Hirngymnastik Psychologie hat Euch Spaß gemacht, die nächte Hirngymnastik wird sich mit dem Thema „Meeresbiologie“ beschäftigen, ich hoffe ihr freut euch drauf.

Hier die Übersicht der Büche mit Link zur deutschen Ausgabe (wenn erhältlich):

Sandra Aamodt – Welcome to your brain
Alan & Sue Stone – The Abnormal Personality through Literature
Erich Fromm – Authentisch Leben
Erich Fromm – Die Furcht vor der Freiheit

Meine Woche

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Gesehen: „I am not Your Negro“ (2016) von Raoul Peck. Faszinierendes wichtiges Biopic über James Baldwin. Unbedingt anschauen.

Personal Shopper“ (2016) von Olivier Assayas mit Kristen Stewart. Auch beim zweiten Schauen immer noch richtig gut. Tolle Atmosphäre, spannend und ein wunderschöner Soundtrack.

Doctor Strange“ (2016) von Scott Derrickson mit Benedict Cumberbatch. Intelligente Marvel-Verfilmung mit Humor.

Peggy Guggenheim: Art Addict“ (2015) von Lisa Immordino Vreeland. Biopic über die exzentrische Kunstsammlerin. Interessante aber teilweise etwas dröge Dokumentation.

Gehört: „Track of Time“ – Anna von Hausswolff, „Hiding Rivers“ – Diary of Dreams, „Music from before the Storm“ – Daughter, „Snow Wolf“ – Nick Cave & Warren Ellis, „Histós Lusis – Toàn,

Gelesen: über die geheimnisvolle Malerin des Okkulten Hilma af Klint, the Four Burners Theory, Productivity hacks to rule kindergarden like a Silicon Valley Boss ;), der Heiratsmarkt zahlt Frauen besser als der Arbeitsmarkt, Virginia Woolfs Essay „The Decay of Essay Writing“, diesen Artikel über Gertrude Stein

Getan: eine Arbeitswoche in zwei Tage gepresst mit vielen Meetings und Diskussionen, nach Berlin zum Internationalen Literaturfestival gereist und die wunderbare Elif Shafak und Arundhati Roy getroffen, Berlin unsicher gemacht und in der Alten Nationalgalerie die Bilder von Caspar David Friedrich bewundert.

Geplant: meinen Vortrag auf der Sticks’n’Stones nächste Woche vorbereiten und einen Leadership Workshop

Gegessen: Süsskartoffelsuppe mit Limetten und Erdnüssen

Getrunken: Himbeer-Gin Sprizzer

Gelacht: Told you so. Sincerely, Your Intuition

Geärgert: über das mögliche Ende von DACA

Gefreut: wieder zu Hause zu sein

Gewünscht: diese Körbe oder diesen Sack für die Schmutzwäsche, diese Stühle und diesen Tisch

Geklickt: auf den Kurzfilm „Chase“ von Páraic Mc Gloughlin und auf diesen TED Talk von Tomas Saraceno „Would you live in a floating bubble in the sky?“

Gekauft: diese Cupcakes, Berliner Brandstifter und Bücher

Gefunden: dieses Korkmännchen in Berlin

Gewundert: dass mittlerweile mehr Schriftsteller und Journalisten in der Türkei inhaftiert sind als in China 😦

Books & Booze

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Vielleicht nicht das Buch, das einem zu aller erst in den Kopf kommt, wenn man an sorgenloses Cocktailtrinken und Wochenendendspannung denkt. In Sylvia Plaths „Die Glasglocke“ trifft die junge Collegestudentin Esther Greenwood im Sommer 1953 aus der ländlichen Provinz in New York ein, nachdem sie einen Schreibwettbewerb bei einer Modezeitschrift gewonnen hat. Zusammen mit 11 anderen jungen Mädchen hat sie einen Monat lang Gelegenheit, in der Redaktion als Trainee zu arbeiten. Der Anfang – und der ist es sicherlich, der uns bei diesem Cocktail an das Buch denken lässt – liest sich wie der Vorläufer einer Sex and the City Episode. Es geht um Männer, Drinks, Mode und Sex. Doch Esther kann in dieser Glitzerwelt nicht bestehen und rutscht sukzessive in eine existentielle Depression. Es ist die Entzauberung eines Mythos und das Buch packt, ist zornig, tieftraurig und doch empfehle ich es immer, immer wieder und insbesondere mit einem tröstenden Cocktail in der Hand.

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Begebt Euch mit dem Himbeer-Gin Sprizzer auf eine Coktailparty im New York der 50er Jahre, doch vorsicht, was heiter beginnt, geht heftig weiter und zum Ende hin möchte man das Buch vielleicht eher mit einem starken Whisky in der Hand beenden. Hier die heutige Cocktailempfehlung der Münchner Küchenexperimente:

Für den Cocktail braucht ihr pro Glas:

4 cl Gin – wir haben Siegfried genommen

2 cl Himbeersirup

Soda

ein paar Himbeeren

Eiswürfel

Die Himbeeren etwas anstoßen, mit den übrigen Zutaten vermengen und shaken. Wenn man nicht die Hälfte gleich beim Öffnen des Shakers über den Boden verschüttet, bekommt man auch ein volles Glas raus.

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