Mit Naguib Mahfouz hatte ich im Oktober schon den zweiten Literaturnobelpreisträger am Start. Das war reiner Zufall und die beiden Herren Saramago und Mahfouz könnten auch kaum unterschiedlicher sein. Das Oktober-Bookclub-Buch ist eine dünne Novelle, die Mahfouz kurz nach dem Sechstage-Krieg 1967 schrieb und die vom Krieg geprägt ist und allem, was damit in Ägypten zusammenhing.
Der Erzähler kommt mehr oder weniger zufällig ins Karnak Cafe und fühlt sich dort augenblicklich wohl, nicht zuletzt aufgrund der warmherzigen und gutaussehenden Besitzerin, einer ehemaligen berühmten Bauchtänzerin. Für ihn eine kleine Oase inmitten der hektischen Stadt.
„Here you get to sense past and present in a warm embrace, the sweet past and glorious present.“
Das Cafe wird von einer Reihe Besuchern regelmäßig frequentiert, neben älteren Stammgästen auch ein paar junge idealistische Studenten. Eines Tages inmitten einer Verhaftungswelle sind diese verschwunden und die Atmosphäre im Cafe verändert sich. Die Gäste fürchten, jemand habe die Studenten verpfiffen, die recht offen die politische Lage diskutiert hatten. Obwohl die jungen Leute nach einer Weile wiederkommen, bleibt die Atmosphäre steif und die sorglose Stimmung ist verschwunden. Keiner traut dem anderen, insbesondere nachdem die Studenten ein zweites Mal verschwinden. Sie kehren fast vollzählig zurück, allerdings gebrochen und misshandelt, einer der jungen Männer bleibt verschwunden.
„True love will always give a relationship a legitimacy that is hard to fault.“
Erst Jahre später gelingt es dem Erzähler, das Schicksal der jungen Leute vollständig aufzudecken und er entdeckt, wie barbarisch der Staat die jungen Leute gegeneinander ausgespielt hatte. Im letzten Kapitel sitzt der staatliche Folterer persönlich im Cafe, inmitten seiner früheren Opfer und nimmt für sich das Recht in Anspruch, einer von ihnen zu sein….
Ich will nicht zuviel von der Geschichte verraten, mich hat das Büchlein seltsam kalt gelassen. Vielleicht, weil Mahfouz im Gegensatz zu seinen sonstigen Romanen die Charaktere seltsam eindimensional belassen hat. Ich kam nicht wirklich rein in die Geschichte und habe es überaus bedauert, dass es dem Leser überlassen blieb, den Kontext zu suchen, in dem das Buch spielt.
Foto: amnesty-electric-picnic
Hätten wir das Buch nicht im Bookclub diskutiert, ich hätte es wohl umgehend vergessen und es auch nicht wirklich weiterempfohlen. Beschäftigt man sich dann aber mit dem Kontext in dem es spielt, dem Sechstagekrieg, der Situation im nahen Osten Ende der Sechziger Jahre, wird vieles deutlicher.
Mahfouz zeigt den nahezu blinden Nationalstolz der Ägypter, die nach dem Sturz von König Farouk und seiner pro-britischen Monarchie die Gründung der Republik unterstützen. Ägypten war damals das große Vorbild für andere Staaten im mittleren Osten und Nordafrika, die ihre Unabhängigkeit erlangen wollten. Als Nasser 1954 Präsident wird in Ägypten, steigen die Hoffnungen der Leute ins Unermessliche.
1967 greift Ägypten Israel an, um ihr verlorenes Gebiet zurückzuerobern. Die Ägypter sind komplett überzeugt von ihrer Überlegenheit und vom bevorstehenden Sieg gegen Israel. Doch schockiert müssen sie nach nur 6 Tagen die komplette Niederlage hinnehmen.
Es wird wenig hinterfragt in Mahfouz‘ Welt. Alles ist Schicksal und von Gott gewollt, da lohnt sich kein Auflehnen, er zeichnet das Bild einer Gesellschaft mit totalem kollektiven Gedächtnisverlust. Das ist uns in Deutschland ja auch nicht unbekannt.
Solche Schicksalsgläubigkeit ist für mich nur schwer erträglich, ich meide solche Bücher mittlerweile gerne, bin dennoch froh, „Karnak Cafe“ gelesen zu haben.
Vor vielen Jahren habe ich die Kairoer Trilogie gelesen, die würde ich als Einstieg für Nagib Mahfouz-Neulinge wohl eher empfehlen.
Das Buch auf deutsch unter dem gleichen Titel im Unionsverlag erschienen.