Meine Woche

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Gesehen: „Advantageous“ von Jennifer Phang – großartiger intelligenter und sozialkritischer Sci-Fi Film. Wunderschöne Atmosphäre.

Naked Lunch” von David Cronenberg mit Peter Weller. Abgefahrene Verfilmung von William S Burroughs gleichnamigen Kultroman. Hat mir gefallen, nur die Musik war ätzend.

Jessica Jones“ mit Krysten Ritter. Staffel 1 fertig geschaut. Klasse, freue mich schon auf Staffel 2.

Gehört: Soap & Skin „Mawal Jamar„, Maximilian Hecker „Love Hotel Hill„, Beak> „Broken Window„, Lena Platonos „Markos„,  The Haywains „Let’s twist the knife in my heart„, The Libertines „You’re my Waterloo„, Sam Cooke „Bring it Home to me

Gelesen: über diese 10 Frauen die die Science-Fiction Welt veränderten, warum unser Leben eher wie Tetris als Schach ist, dieses Interview mit Miranda July und diesen sehr amüsanten Artikel zu Detox und unser neues Pastell-Biedermeier

Getan: einen neuen Blog gestartet „Working Future Working„, die Januar Challenge „Celebrating Alcohol by not drinking it“ erfolgreich gemeistert und gespendet habe ich an „Room to Read„, auf Umwegen zur Arbeit gelaufen und dabei spannende Dinge in der Nachbarschaft entdeckt und ziemlich viel aufgeräumt und mal wieder mit einer guten Freundin in Paris telefoniert

Gegessen: Pho im Charlie und ich habe eine ganz leckere Zucchini-Lasagne gebastelt

Getrunken: Tee aus frischer Minze und Ingwer

Gefreut: alles verheilt

Geärgert: nö

Gelacht: Sometimes I think the surest sign that intelligent life exists elsewhere in the universe is that none of it has tried to contact us

und über diesen kleinen Fuchs

Geplant: Buchclub im Literaturhaus besuchen und eine Cocktailparty mit Freunden

Gewünscht: diese Lampe, diesen Fitness-Raum, dieses Outfit

Gekauft: Comics

Gefunden: einen wunderen Glitzer-Elch

Geklickt: auf diese Dokumentation über Karen Blixen – very gothic, dieses Video der London School of Life zum Thema „One Reason why Homes cost so much“, auf diesen TED-Talk über leuchtende Haie, auf diesen Comic zum Thema Privilegien, dieses Interview mit Orphan Black Star Tatiana Maslany

Gewundert: warum ich eigentlich so viel lieber auf englisch als auf deutsch schreibe und lese …

Carmilla – Joseph Sheridan Le Fanu

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Le Fanu hat mit seiner Vampirin „Carmilla“ nicht nur Stoker zum wohl berühmtesten Vampir der Welt „Dracula“ animiert, in vielerlei Hinsicht hat er mit Carmilla auch das absolute Gegenstück zum heterosexuellen, adretten Grafen erschaffen.

„Carmilla“ ist eine von Frauen dominierte Geschichte, sie ist homoerotisch, mehrdeutig, vielschichtig und rätselhaft. Bei Le Fanu ist der Vampir nicht das absolut böse, verblühte Etwas, sondern eine wunderschöne, geheimnisvolle Fremde, die überall gerne nach Hause eingeladen wird und die Herzen ihrer Gastgeber gewinnt.

Carmilla wird ähnlich wie in Mulholland Drive ein Spiegelbild der jungen Laura, die sich mehr und mehr zu Carmilla hingezogen fühlt, wodurch eine ganz andere Art von Horror entsteht, wenn es eben nicht um die Zerstörung eines abgrundtief bösen verwelkten Monsters geht, sondern jemanden, den man irgendwie auch liebt.

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Foto: Rawgraff

Die letzten Jahre haben uns mit Vampirgeschichten ziemlich überrollt. Von Buffy über Twilight zur wundervollen Jim Jarmusch Verfilmung „Only Lovers left alive“ und daher erscheint einem vieles schnell als Cliché. Eine junge Frau wird Tag für Tag schwächer, sie schläft schlecht, ist nervös – klar, da muß ein Vampir in der Nähe sein. Daher musste ich mich gelegentlich daran erinnern, dass all das für Le Fanus Leser absolut neu war und nichts mit Cliché zu tun hatte.

“But to die as lovers may – to die together, so that they may live together.”

Überrascht hat mich, dass es durchaus richtig gruselig zugeht in dem Buch. Da waren ein paar Absätze, die fand ich wirklich unheimlich. Nicht das ich Autoren des 19. Jahrhunderts das nicht zutraue, aber einige Szenen hatte ich so nicht erwartet. Die Szenen wenn Carmilla Blut saugt, waren gleichzeitig erotisch, aber auch verdammt krass.

Was mich aber vielleicht am meisten überrascht hat war die, wenn überhaupt nur äußerst knapp verstecke, homoerotische Sexualität. Das muß beim Erscheinen des Buches für ziemliches Aufsehen gesorgt haben. Le Fanu gehört ja doch eher zu den englischsprachigen Mainstream Autoren und bei Sätzen wie hier

… my strange and beautiful companion would take my hand and hold it with a fond pressure, renewed again and again; blushing softly, gazing in my face with languid and burning eyes, and breathing so fast that her dress rose and fell with the tumultuous respiration. It was like the ardour of a lover; it embarrassed me; it was hateful and yet overpowering; and with gloating eyes she drew me to her, and her hot lips travelled along my cheek in kisses; and she would whisper, almost in sobs, „You are mine, you shall be mine, and you and I are one for ever“

dachte ich einfach nur – Wow. Hätte nicht erwartet, dass ich in dem Buch die Jagd- und Verführungstechniken weiblicher Vampire von jungen Frauen präsentiert zu bekommen. Oder Le Fanus Erklärung, dass, wie bei dieser Art von Liebe und Lust nicht anders zu erwarten sei, der Vampir nicht allein nach dem Blut, sondern auch nach Körperlichkeiten hungert. Noch mal wow.

Jetzt aber auch nicht falsch verstehen, anzüglicher als in dem Zitat oben wird es nicht, aber für die Zeit denke ich trotzdem eine kleine Sensation.

„Carmilla“ ist eine wundervolle unheimliche, verführerische kleine Novelle, die sich meines Erachtens hinter Bram Stoker’s Dracula nicht verstecken muß. Mir tat Carmilla ein wenig leid. Aber gut, man kann wohl nicht unbegrenzt junge Edeldamen aussaugen, auch wenn die noch so abgelegen leben, ohne das irgendwann das Gerede anfängt …

„Carmilla“ ist mehrfach verfilmt worden. Die vielleicht beste Verfilmung dürfte die von Roger Vadim aus dem Jahr 1961 sein:

Carmilla ist im Zarglossus Verlag erschienen.

Things Fall Apart – Chinua Achebe

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„Turning and turning in the widening gyre
The falcon cannot hear the falconer,
Things fall apart; the center cannot hold
Mere anarchy is loosed upon the world.

– W. B. Yeats, „The Second Coming“

Chinua Achebe’s „Things Fall Apart“, ein Buch das fast jeder kennt, aber das in meinem Bekanntenkreis zumindest noch niemand gelesen hatte, war die Januarlektüre des Buchclubs.

„Things Fall Apart“ erzählt die Geschichte von Okonkwo. Ein junger Mann, der ziemliche Probleme mit seinem Vater hat, den er schwach und ambitionslos findet. Auf keinen Fall will er einmal so werden wie er. Daher gilt es, um jeden Preis jedes Anzeichen von Schwäche und Herzlichkeit im Keim zu ersticken.

Okonkwo ist ein ziemlicher Tyrann, der seine Ehefrauen und Kinder über das seiner Kultur und Zeit übliche Mass traktiert. Er ist erfolgreich und angesehen, doch das Blatt scheint sich für ihn zu wenden, als er sich mit der geplanten Ermordnung eines Jungen konfrontiert sieht, der wie ein Sohn seit ein paar Jahren in seiner Familie lebt.

Die britische Kolonialisierung und insbesondere die Missionare bringen immer größere Veränderungen mit sich. Achebe macht diesen Effekt sehr deutlich, ohne je in Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen. Denn es gibt niemals nur Verlierer durch Veränderungen. In einer Gesellschaft, in der Stärke irgendwann nicht mehr das Einzige ist, das zählt, haben auch Frauen irgendwann die Möglichkeit, sich durch mehr auszuzeichnen als durch Schönheit und Gehorsam. Auch Zwillinge wären in der Kultur der Igbo irgendwann nicht mehr automatisch zum Tode verurteilt.

“The white man is very clever. He came quietly and peaceably with his religion. We were amused at his foolishness and allowed him to stay. Now he has won our brothers, and our clan can no longer act like one. He has put a knife on the things that held us together and we have fallen apart.”

Ich fand das Buch interessant, aber mehr wie beim Lesen eines Artikels im National Geographic, wirklich gefesselt hat es mich nicht. Der Roman enthält relativ viele unübersetzte Igbo-Worte, was sicherlich zur Authentizität der Geschichte beigetragen hat, für mich hat es den Fluß der Geschichte allerdings wieder und wieder unterbrochen.

„The world has no end, and what is good among one people is an abomination with others.”

Ich bin den Protagonisten nicht wirklich näher gekommen, das liegt aber vielleicht mehr an mir als an Achebe.

Passend zum Buch wurde beim Bookclub-Dinner Yam serviert – schmeckt interessant. Hier ein Bild vom Rest der Wurzel, vor der Zubereitung:

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Bin über die Crash Course Videos auf YouTube (die ich nur empfehlen kann) auf das „Things Fall Apart“-Video von John Green gestolpert, das ich sehr sehenswert fand:

Auf deutsch ist es unter dem Titel „Alles Zerfällt“ bei Fischer Klassik erschienen.

Robert Burns Night

Burns by Iain McIntosh

Foto: Ian McIntosh

Yes Ladies and Gentlemen, tonight is the Night. It’s Burns Night and I wonder why I haven’t relived the tradition of Burns Night for so long. When I lived in Scotland there was no way to not celebrate Burns Night and maybe my months of „Celebrating Alcohol by not drinking it“ made me think about it again.

Traditionally the Burns Night is celebrated on January 25th not just in Scotland but wherever there was a high population of Scottish Migrants. You meet for supper and have Haggis with Neeps and Tatties (Kartoffeln und Steckrüben) and wash that down with generous amounts of Whisky.

Burns is probably best known outside of Scotland for his song „Auld Lang Syne„.

My favourite Burns Night happened in Dundee actually, one of the most unattractive areas of Scotland also called the armpit of Scotland. Working for United Distillers in Perth served me with a constant supply of alcohol which might have helped expanding my circle of friends. Dundee has a university and I had met some Spanish guys there who I was giving English lessons to. Their accent was terrible, they could hardly be understood for the life of it. Beard, Bird, Birth – it all sounded the same. So once a week I would take the bus from Perth to Dundee and we worked on their pronunciation and they were pretty unsuccessfully trying to install some Economics into my brain. We usually ended the tuition with wonderful Spanish food and complicated European art movies.

On this Burns Night my backpack was full with little Whisky Bottles, that my boss allowed me to take. They were „old stock“ meaning the labels were damaged or something and could not be used any more. I remember it was a year of heavy snow for Scotland, I stumbled through the snowy armpit and was welcomed by my Spaniards with the Traditional Haggis Supper. I love Haggis. When you forget what it is made of it’s totally fine. I had prepared a Burns Poem for each of them and we were in the middle of the merry Haggis&Whisky Supper when suddenly the electricity went out.

Not for the first time nobody had remembered to get coins for the coin operated meter so we had plenty of candles. It was such a romantic night somehow. Snowing outside, inside we were sitting in the kitchen in candlelight drinking gallons of Whisky reciting Burns poems in terrible Scots and had a great time.

A Red, Red Rose

Unfortunately no great time the next morning. Of course I had missed the last bus, had cuddled up on the Sofa in the kitchen with a blanket. No electricity also meant no heating and I had frozen stiff during the night. And then the walk of shame to work the next day but hey it was worth it and Scottish Employers especially in the Alcohol business are pretty understanding towards young girls late and hangover for work. I mean it was Burns Night after all 😉

So – the plan is: Next Year I will be organizing a Burns Night with my friends. Because of my no alcohol in January Resolution no Burns Dinner tonight but next year.

I make sure there will be Poems, Haggis, candles, no heating, hopefully some snow and definitely gallons of Whisky. Will you join ? 🙂

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Meine Woche

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Gesehen: „Blade Runner“ von Ridley Scott – immer noch klasse

Bullit“ mit Steve McQueen – ganz toller Film und grandiose Autos.

Das Salz der Erde“ von Wim Wenders. Dokumentarfilm über den Fotografen Sebastiao Salgado, dessen Ausstellung wir kürzlich besuchten. Absolut sehenswert!

Unbreakable Kimmy Schmidt“ Staffel 1. Comedyserie von Tina Fey. Sehr witzig, mochte ich.

Gehört: Soft Moon „Breath the Fire„, Vangelis „Blade Runner Theme„, Fever Dream with Laura K „The Squall„, Pinkshinyultrablast „Umi„, Motorama „Write to Me„, The School „He’s gonna break your heart one day

Gelesen: Why Men have to Manspread mansplains a Scientist, dieses Interview mit Margaret Atwood, über die Vorteile der Prokrastination, über die online Silk Road und die Top 10 der Eichhörnchen-Romane.

Getan: Modul 2 meines Leadership Programms durchgeführt und einen sehr schönen Abend mit Kollegen am chinesischen Buffet verbracht, Zug gefahren und geflogen und den Bookclub besucht

Gegessen: Tomatenauflauf mit weißen Bohnen und Yam-Wurzel im Bookclub

Getrunken: Alkoholfreies Radler

Gefreut: über den Musikmix aus Hagen

Geärgert: hmm fällt mir nix ein

Gelacht: Hipster – is what happens when you tell every child they’re special

Geplant: uns mit dem Japan erfahrenen Freund zu treffen

Gewünscht: dieses Arrangement für meine Leseecke, diese Jacke, dieses Tshirt und dieses Auto

Gekauft: einen Blumenstrauß für die wunderbare Bingereader-Gattin 🙂

Gefunden: nix

Geklickt: auf diesen Vortrag von Frederic Laloux zum Thema „Reinventing Organizations“ und auf diesen TED Talk von Brian Robertson zu „Holocracy

Gewundert: wie ich wohl an diesen Zauberspruch gelange 😉

She Past Away – Katzenclub

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Foto: She Past Away Facebook Page

She Past Away ist eine türkische Post Punk, Dark Wave Band aus Bursa die es seit 2006 gibt. Mit ihrem 2012 erschienen Album „Belindri Gece“ wurden sie erstmals einem größeren Publikum bekannt. Ich habe sie zum ersten Mal auf dem Amphi Festival vor zwei Jahren in Köln gesehen und bei der Konzertankündigung für München mußte ich nicht lange nachdenken.

Ob es sich bei „She Past Away“ nun um einen Schreibfehler handelt und sie eigentlich „passed away“ meinten, oder ob es tatsächlich Absicht war, lässt sich nicht wirklich mehr nachvollziehen. Fremdsprachen sind allerdings nicht ihre Stärke. Schon für kürzeste Ansagen in Deutsch oder Englisch  musste eine Übersetzungssoftware her, aber egal, eine Band soll gute Musik machen und nicht mit Sprachkenntnissen glänzen.

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Und gute Musik machen sie. Sie klingen wie The Cure on Speed, erinnern gelegentlich an die Joy Division und die Herren Volkan Caner/Doruk Ozturkcan arbeiteten sich mit dunkel melodischen Synths, wummernden Bässen und Drumcomputer durch ihr Repertoire. Volkans tiefe Stimme erinnert auch immer mal wieder an „The Sisters of Mercy“.

Das Konzert selbst wirkte stellenweise etwas amateurhaft, aber dank Songs wie „Ruh“, „Ritüel“ oder auch „Kasvetli Kutlama“ verzeiht man allerlei.

„She Past Away“ sind ein erfrischender Neuzugang in der von Neuheiten nicht gerade verwöhnten Darkwave Szene.

Michael Kohlhaas – Heinrich von Kleist

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Nein, mit Herrn Kohlhaas sollte man sich besser nicht anlegen. Eigentlich der absolute Musterbürger des 16. Jahrhunderts. Gläubig, fleißig, aufrichtig, gütig – bis er es eines Tages nicht mehr ist. Bis er einfach nicht mehr kann, sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn ihn so antreibt und aufreibt, bis er gar zum Räuber und Mörder wird. So kann es gehen. Er möchte doch nur zwei Pferde transportieren, wird vom Junker, dem Landeigentümer, gestoppt, der eine Steuer von ihm verlangt für das Betreten seines Landes. Kohlhaas kann nicht zahlen, die Pferde müssen beim Junker bleiben als Pfand. Aber diese Steuer, von der Kohlhaas noch nie gehört hat, die gibts auch gar nicht, die hat sich der Junker einfach einfallen lassen und dann richtet er die armen Pferde auch noch so zugrunde, kein Wunder, dass Kohlhaas versucht, dagegen auf juristischem Wege vorzugehen.

Dabei könnte man es fast schon belassen, der Inhalt dieser kurzen Novelle ist schnell wiedergegeben, aber ich würde dieser Geschichte damit nicht gerecht werden. Denn so banal es vielleicht klingt, dass einer irgendwann durchdreht, vor lauter Ausgeliefertsein und dem Gefühl der Ungerechtigkeit, so großartig und zeitlos hat Kleist das beschrieben.

Er hat ja Recht, der Kohlhaas, mit seinen Anschuldigungen und das Recht wird ihm verweigert. Die spannende Frage für mich ist, was hätte ich getan, wenn ich alle legalen Wege versucht hätte und ich einfach kein Recht bekommen hätte. Wäre ich eventuell auch einfach irgendwann stur ins Unglück gerannt und hätte alle mitgerissen, die mir in den Weg kommen? Hätte ich die Sache einfach auf sich beruhen lassen, der Klügere gibt nach, Ende der Geschichte oder hätte ich mich auch vollkommen reingesteigert und darin verbissen wie der Kohlhaas?

Er lässt die Geschichte nicht auf sich ruhen, er beginnt eine unermüdliche Schlacht gegen seinen Feind, den Junker Wenzel von Tronka (sehr cooler Name by the way), und als er ihn einfach nicht erwischt, dann kämpft er irgendwann gleich gegen den ganzen Staat Sachsen. Kohlhaas wird zum Staatsfeind. Er stellt eine Armee auf, überfällt Dörfer und selbst Martin Luther versucht, zwischen der Kirche, dem Staat und Kohlhaas zu vermitteln.

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Foto: horsesofgrassdale.com

Kleists Kunst liegt für mich darin, wie er es schafft nachvollziehbar zu machen, wie eine eigentlich triviale Sache wie die Auseinandersetzung um zwei Pferde einen immensen Schneeballeffekt verursachen kann und riesige unabsehbare Folgen haben kann. Kleist ist ein Meister in der Darstellung menschlicher Beweggründe.

„An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit. – Dieser außerordentliche Mann würde, bis in sein dreißigstes Jahr, für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können….“

Ich war überrascht wie actionreich diese Novelle ist, habe ich partout nicht erwartet. Kleist habe ich mir immer als zartes Kerlchen vorgestellt, der leise Gedichte vor sich hinmurmelt. Weit gefehlt. Die Geschichte ist so spannend, verblüffend und regt lange nach Beendigung der Lektüre zum Nachdenken an.

Ich würde mich nicht wundern, wenn Michael Kohlhaas demnächst ein „Buch als Magazin“ wird. Mark my words 😉

Es gibt eine interessante Verfilmung aus dem Jahr 2013 mit Mads Mikkelsen, habe bislang nur den Trailer gesehen, der sieht sehr vielversprechend aus:

 

Michael Kohlhaas ist im Hamburger Lesehefte Verlag erschienen.

Station Eleven – Emily St. John Mandel

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„Survival is insufficient“

Dystopien gibt es gerade momentan wie Sand am Meer. Einige gut, einige weniger gut und dann ist da „Station Eleven“. Mich hat das Buch komplett überwältigt. Ich habe es so gerne gelesen, wollte gar nicht mehr verschwinden aus dieser stillen dunklen Welt. „Station Eleven“ ist eine elegante, intelligente Geschichte, die sich langsam aufbaut, die verschiedene Stimmen aus unterschiedlichen Zeitebenen miteinander verwebt, die uns Fragmente unterschiedlicher Leben sehen lässt und es gibt unzählige kleine Momente in der Geschichte, die es zu einem für mich unvergesslichen Buch werden lassen.

Am Abend, als die Welt wie wir sie kennen endet, hat ein Schauspieler auf der Bühne einen Herzinfarkt und stirbt, während er King Lear spielt. Noch in der Nacht beginnt die Georgia Flu 99% der Weltbevölkerung zu töten.

Es würde nicht wundern, wenn sein Tod damit völlig untergeht und sich niemand mehr an ihn erinnern würde, aber auch zwanzig Jahre nach der Katastrophe gibt es noch Erinnerungen an ihn und die Menschen, deren Leben er berührt hat, in diesem einsamen Ödnis.

“I stood looking over my damaged home and tried to forget the sweetness of life on Earth.”

Inmitten dieser Dunkelheit gibt es Menschen, für die Überleben nicht alles ist. Die Schönheit bewahren: The Travelling Symphony. Eine Gruppe Schauspieler und Musiker die sich gefunden haben, die in Zelten schlafen, von Ort zu Ort ziehen und Shakespeare Stücke und klassische Musik aufführen.

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Kirsten ist das kleine Mädchen, die auf der Bühne war, als Arthur starb. Sie ist eine der Schauspielerinnen der Travelling Symphony. Sie trägt ein Tattoo aus einer Star Trek Voyager Folge, von der ihr ihr Musikerkollege August erzählt: „Because survival is insufficient“. Das ist meines Erachtens das schönste und wichtigste Thema des Buches. Die Signifikanz von Kunst und Kultur, das Bewahren einer kulturellen Identität als eine der wichtigsten Aufgaben derer, die überlebt haben.

Sei es durch die von Clark gesammelten Gegenstände im „Museum of Civilization“, die Zeitung die ein junger Mann herausgibt, der auch eine Bibliothek gegründet hat und natürlich durch die Travelling Symphony mit ihren Shakespeare Stücken und der klassischen Musik. Ein ziemlich zerfledderter Comic spielt eine große Rolle, wie auch die Erinnerungen an Star Trek.

Was bleibt, wenn alles endet ? Womit verbinden wir unseren Begriff von Zivilisation? Was macht uns zu Menschen und was verbindet uns ?
Kirsten and August walked mostly in silence. A deer crossed the road ahead and paused to look at them before it vanished into the trees. The beauty of this world where almost everyone was gone. If hell is other people, what is a world with almost no people in it?

„Station Eleven“ zeigt die Apokalypse jetzt aber auch nicht als weichgespültes Hipster-Event, einzig und allein mit dem Erhalt unseres kulturellen Erbes beschäftigt. Die Welt ist ein dunkler, gefährlicher Ort geworden, an dem an jeder Ecke der Tod lauern kann. Eine Welt ohne Medikamente, Technologie und auch ohne jeden juristischen Kodex, der es Leuten wie dem Propheten in der Geschichte leicht macht, seine düsteren Visionen auszuleben.

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Foto: Seph Lawless

St. Mandel hat ein bewegendes, hoffnungsfrohes Buch geschrieben über die menschliche Widerstandsfähigkeit, den Willen, nicht nur überleben zu wollen, sondern stur auf das Recht auf Schönheit zu beharren.  Ein Buch das leuchtet, einen aber auch ein wenig mit gebrochenem Herzen zurücklässt.

“A fragment for my friend–
If your soul left this earth I would follow and find you
Silent, my starship suspended in night”

Ach ja und ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn Nathan Burton den kompletten Comic „Station Eleven“ aus dem Buch zeichnen würde, den würde ich nämlich sehr gerne lesen.

Foto: Nathanburtondesign.com

Zwei sehr schöne Beprechungen zu „Station Eleven“ findet ihr auch bei deep read und buchpost und ein spannendes Interview mit der Autorin hier:

Das Buch ist auf deutsch unter dem Titel „Das Licht der letzten Tage“ im Piper Verlag erschienen.

Meine Woche

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Gesehen: „Orlando“ die Verfilmung von Virginia Woolfes Roman von Sally Potter mit Tilda Swinton – toller Film mit wunderschönen Bildern.

Terminator 2“ von James Cameron. Ja immer noch Herr Schwarzenegger aber den Film fand ich richtig klasse

Gehört: Cluster „21.32„, Tangerine Dream – Live at Reims Cathedral, Death in Vegas – Dirge, Can – Vitamin C, The Caretaker – An empty bliss beyond this world

danke noch mal an Gerhard vom Kulturforum für die Introduction to Krautrock 🙂

Gelesen: diesen Artikel von Alain de Botton über „Wu Wei„, Martha Nussbaum on „Human Dignity„, über Unternehmen in denen der Chef gewählt wird, dieses Interview mit Emma Donoghue zu ihrer Oscar-Nominierung für Room und diese „Book Sharing Stories“ aus dem Guardian

Getan: einen heftigen Magen-Darm-Virus auskuriert, für 2016 reichts dann jetzt auch mit krank sein – danke!

She Past Away“ türkische Dark-Wave Band gestern abend im Katzenclub gesehen – tolle Musik, Live-Auftritte müssen sie aber noch a bisserl üben

Gegessen: Eichhörnchen-Kuchen (letzten Sonntag) danach nur noch Zwieback

Getrunken: Fenchel-Anis-Kümmel Tee

Gefreut: 4kg abgenommen

Geärgert: über die ausgebliebenen Oscar-Nominierungen für Carol

Gelacht: I thought you were straight? Some people think crocs are fashionable. We all make mistakes.

Geplant: Step Up Camp in Dortmund erfolgreich durchführen und Bookclub besuchen

Gewünscht: einen lamzac  hangout, diese Book Lovers „Must Haves„, dieses Tattoo und dieses Outfit

Gekauft: Tee

Gefunden: nix

Geklickt: auf diesen Artikel im New Yorker zum Einsatz von psychedelischen Drogen in der Medizin und auf diesen TED Talk von Ole Scheeren zu Architektur

Gewundert: jetzt auch noch Alan Rickman ? 😦

Wir sind Cyborgs – Alexander Krützfeldt

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Hasta la vista, Baby !

Woran denkt Ihr bei dem Begriff Cyborgs ? Ich denke in erster Linie an den Terminator, die assimilierenden Borgs aus Star Trek  oder Darth Vader.  Alexander Krützfeldt hat in „Wir sind Cyborgs“ die wichtigsten Cyborg-Pioniere getroffen, also Menschen, denen die Technik im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht.

In ihrem TED Talk „We are all Cyborgs now“ argumentiert Amber Case, dass wir auf dem Weg sind, zu einer neuen Version des Homo Sapiens zu werden durch unsere ständige Verbundenheit zum Netz und unseren Smartphones. Doch „richtige“ Cyborgs lassen solche Vergleiche nicht gelten. Die Definition „Cyborg“ variiert. Von Technik, mit dem ein Cyborg seine Sinne oder Fähigkeiten über das Normale hinaus erweitert, Technik, die nicht wie die Google Glasses oder ein Smartphone einfach abgesetzt werden können, für andere bedarf es noch der Voraussetzung, dass Körper und Implantat miteinander kommunizieren.

So unterschiedlich wie die Definitionen des Begriffes sind, sind auch die Menschen, die Krützfeldt trifft. Vom Biohacker aus Pittsburgh, der sich für ein paar Monate ein Gerät in den Unterarm implantierne ließ, das seine Körpertemperatur und andere biometrische Werte an sein Telefon schickt, über Leute, die aus medizinischen Gründen zum Cyborg wurden, weil sie versuchen Taubheit, Farbenblindheit oder ähnliches durch Implantate auszugleichen, bis hin zu Leuten wie Rin Räuber, einer Programmiererin und Mitbegründerin des Vereins Cyborg e.V., die jetzt über eine Zusatzfunktion verfügt, nachdem sie sich einen Magneten in die Fingerspitze hat implementieren lassen. Noch kein wirklicher Cyborg, aber auf dem Weg dorthin.

Die Ursprünge der Szene liegen in der Body Modification Szene, die die Zukunft der Mensch-Maschinen-Vernetzung nicht allein der Forschung und vor allem nicht der Industrie überlassen will. Wie nah ist die schöne neue Welt schon? Wie lange wird es noch dauern, bis Blindheit oder der Verlust von Gliedmaßen nicht mehr ein Handicap, sondern technikbedingt eher ein Vorteil sein können? Bei Hunden ist das chippen mittlerweile Gang und Gebe, vielleicht auch bald bei Menschen? Aber dürfen wir alles, was wir können? Wird sich rechtfertigen müssen, wer irgendwann nicht maschinentechnisch optimiert ist? Wer kann sich solche Verbesserungen leisten?

Krützfeldts Buch gibt einen spannenden Einblick in die Cyborg-Szene und regt zum intensiven Nachdenken an. Steht die Singularität, also der Zeitpunkt, an dem Computer und Maschinen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz sich exponentiell selbst verbessern und die Zukunft der Menschheit danach komplett ungewiss ist, kurz bevor, wie beispielsweise Ray Kurzweil, Director of Engineering bei Google vermutet oder sind das Science-Fiction-Apocalpysen?

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„Auch wenn dieses Künstliche-Intelligenz-Ding sehr umstritten ist: Ich glaube ein bisschen daran. Nicht vollständig, klar. Aber ich hätte auch das Internet nicht für möglich gehalten.
Was mir viel eher Sorgen bereitet, ist Stefans Einwand zu den Konzernen, die die Hardware kontrollieren. Das System von Sicherheit und Mach-was-gut-für-dich-ist, von Angst und Kontrolle ist ein wirkungsvolles Steuerungssystem. Wann wird aus einem Helfer ein fieser Beschützer, der uns sagt, was richtig ist, und jeden Schritt kontrolliert?“

Vor ein paar Jahren habe ich in München auf der TED Konferenz Natasha Vitas Vortrag zum „Body by Design“ gehört und mich da zum ersten Mal mit dem Thema Transhumanismus beschäftigt. Schon spannend. Ich bin da sehr neugierig und durchaus interessiert, die Biologie an der einen oder anderen Stelle zu überwinden. Aber nicht ohne entsprechende umfassende ethische Fragen zu klären und Rahmenbedingungen festzulegen.

Wer einen ersten Einblick in die technische Mensch-Maschinen-Welt von morgen werfen will, dem lege ich Alexander Krützfeldts Buch „Wir sind Cyborgs“ ans Herz. Man kann es wunderbar in einem Rutsch durchlesen und hat eine Menge Stoff (und auch Links) zum weiter recherchieren. Wirklich spannendes Thema und von meinem Lieblingsborg SevenofNine würde ich mich durchaus assimilieren lassen, also so ein bisschen 😉

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Foto: Star Trek.com

Vielen Dank an den Blumenbar Verlag für das Rezensionsexemplar