Disgrace – JM Coetzee

disgrace

Auch beim zweiten Lesen ist es kein tröstlicheres Buch. Es verstört, deprimiert, ist großartig und wie immer bei Coetzee ein intellektuelles Abenteuer,, auf das man sich bei ihm einlassen muss.

David Lurie, Professor für Kommunikationswissenschaften, aber eigentlich Spezialist für die englische Romantik in Kapstadt, rutscht aus seinem Leben raus. Die Welt, die er kannte und in der er sich eingerichtet hatte, wird ihm zunehmend fremd. Tapfer bekämpft er die drohende Midlife-Crisis anfangs noch mit regelmäßigem Sex mit einer Prostituierten, einer Sekretärin und dann trifft er auf dem Campus auf seine ehemalige Studentin Melanie. Sie ist nicht wirklich an einem Flirt mit dem fast doppelt so alten Professor interessiert, er aber lässt nicht locker, bis er sie schlussendlich doch in sein Bett bekommt.

„Not rape, not quite that, but undesired nevertheless, undesired to the core. As though she had decided to go slack, die within herself for the duration, like a rabbit when the jaws of the fox close on its neck. So that everything done to her might be done, as it were, far away.“

Die Affäre mit der Studentin Melanie wird in dieser neueren, strengeren Zeit nicht als Kavaliersdelikt oder gar als bewundernswerter, erotischer Handstreich gewertet, er wird aufgrund von „Verfolgung oder Bedrohung von Studenten durch Mitglieder des Lehrkörpers“ angezeigt und vor einen Untersuchungsauschuss zitiert. Er verweigert dort jede Aussage und räumt melancholisch resigniert das Feld.

Er fährt nach seiner Kündigung zu seiner lesbischen Tochter, die alleine auf einer Farm lebt. Aus seiner unselbständigen Tochter ist eine erwachsene Frau geworden, die die Farm gemeinsam mit einem Arbeiter namens Petrus bewirtschaftet. Neben der Landwirtschaft betreibt sie eine Hundepension.

Eines Tages dringen drei schwarze ins Farmhaus ein, schließen Lurie in der Toilette ein, wo er hilflos mit anhören muß wie die drei seine Tochter vergewaltigen. Anschließend rauben sie, was sie an Brauchbarem finden können und erschiessen die Hunde.

„It happens every day, every hour, every minute, he tells himself, in every quarter of the country. Count yourself lucky to have escaped with your life. Count yourself lucky not to be a prisoner in the car at this moment, speeding away, or at the bottem of a donga with a bullet in your head. Count Lucy lucky too. Above all Lucy.

A risk to own anything: a car, a pair of shoes, a packet of cigarettes. Not enough to go around, not enough cars, shoes, cigarettes. Too many people, too few things. What there is must go in circulation, so that everyone can have a chance to be happy for a day. That is the theory; hold on to the theory and to the comforts of the theory. Not human evil, just a vast circulatory system, to whose workings pity and terror are irrelevant.

Schlimmer als die Vergewaltigung selbst ist für Lucy der Hass, den sie währenddessen bei ihren Vergewaltigern spüren konnte. Sie trifft weitreichende, für David nur schwer zu ertragende Entscheidungen. Sie will auf der Farm bleiben, obwohl recht schnell klar wird, dass Petrus mit dem Verbrechen zu tun hatte. Sie wurde bei der Vergewaltigung geschwängert und entschließt sich, das farbige Kind auszutragen und sich unter den Schutz von Petrus‘ Familie zu stellen. Von der herrschenden Rasse und Klasse unterwirft sie sich als emanzipierte Frau den neuen Herren des Landes.

Das Buch ist hart, existentialistisch in einer einfachen, lakonischen Sprache geschrieben. Es verzichtet auf jegliche Zeitsprünge und man kann denke ich, durchaus nachvollziehen wenn man liest, dass Coetzee neben Defoe und Dostojewski auch stark von Beckett beeinflusst ist.

Coetzee wird immer mal wieder vorgeworfen, politisch nicht klar genug Stellung zu beziehen, weder in seinen Büchern noch im richtigen Leben. Seine Bücher brechen unbarmherzig mit dem, was uns normal erscheint und die fehlende moralische Klarheit machen sie zu keiner einfachen Lektüre.

Lurie ist kein übermässig symphatischer Protagonist, den ich aber auch nicht nicht mochte, er hat mir eher leid getan in seiner Hilflosigkeit. Seine Affäre mit Melanie ist ein letztes Aufbäumen, ein letztes Ausleben und Erleben einer Zeit, in die er noch gehörte. Alte Männer wie er schaffen es nicht mehr sich zu ändern und sich an neue Realitäten anzupassen. Aber nicht nur die Menschen leiden viel in diesem Roman, auch die Tiere. Am Ende arbeitet er als Helfer in einer Tierklinik, die Hunde einschläfert und ihnen einen gnadenvollen Tod gewährt. Auf viel mehr scheint auch David Lurie nicht mehr zu hoffen.

J. M. Coetzee hat für seinen Roman „Disgrace“ / „Schande“ 1999 zum zweiten Mal den renommierten Booker Preis bekommen.

That is no country for old men. The young
In one another’s arms, birds in the trees
– Those dying generations – at their song,
The salmon-falls, the mackerel-crowded seas,
Fish, flesh, or fowl, commend all summer long
Whatever is begotten, born, and dies.
Caught in that sensual music all neglect
Monuments of unageing intellect.
An aged man is but a paltry thing,
A tattered coat upon a stick, unless
Soul clap its hands and sing, and louder sing
For every tatter in its mortal dress,
Nor is there singing school but studying
Monuments of its own magnificence;
And therefore I have sailed the seas and come
To the holy city of Byzantium.

(W. B. Yeats)

Das Buch ist 2009 verfilmt worden mit John Malkovich als David Lurie und Jessica Haines als seine Tochter Lucy.

Das Buch ist auf deutsch unter dem Titel „Schande“ im Fischer Verlag erschienen.

Meine Woche

Foto (56)

Gesehen: The Abyss – den hab ich damals geliebt und war sehr gespannt, ob ich den auch heute noch gut finden würde. Und ja – nach wie vor ein guter dieser ganz früher Cameron Sci-Fi.
Die Ausstellung „Ab nach München“ im Stadtmuseum über Künstlerinnen in München um 1900

Gehört: Jede Menge Talks auf der TEDxMünchen und eine Podiums-Diskussion zum Thema „Ethik des Sehens„. Zur Aktualität Susan Sontags. War beides klasse, aber mein Hirn flimmert 😉

Gelesen: Die Literatur-Beilage der Zeit, das ist immer ein absolutes Highlight für mich und ein interessantes Interview mit Donald Sutherland, oh und diese weihnachtliche Geschichte von Damian – die hat mich sehr berührt.

Getan: das letzte Mal (für dieses Jahr) den Situational Leadership Workshop durchgeführt, einen Adventskalender gebastelt, den Internations-Bookclub und das Klaxons Konzert besucht, den frisch-bezogenen Poäng in der Lese-Ecke bewundert und heute endlich auch mal ausprobiert.

Gegessen: viel zu viel von diesem unglaublich leckeren Artischocken-Brotaufstrich

Getrunken: ChariTea – auf der TED Konferenz entdeckt – lecker ! Und einen leckeren „Huck vom Bach“ aus Südtirol

Gefreut: über meinen tollen Stern

Geärgert: eigentlich gar nicht. Höchstens das es schon wieder Sonntag nachmittag ist. Wochenende könnte noch mal beginnen.

Gelacht: über einen Elch im Flur

Geplant: einen ruhigen Advent zu haben – aber das klappt eh nicht. Kenn mich ja.

Gewünscht: diesen Kronleuchter, diese Ikea-Lampe, diese Kamera und diese Strickjacke (mir wurscht ob die eigentlich für Jungs ist)

Gekauft: Theaterkarten und Geschenke

Gefunden: im Moment ist Bücherkisten-Alarm. Nicht das ich mich beschweren würde 😉 Die Ausbeute diese Woche: Irmgard Keun „Das kunstseidene Mädchen“ und Joseph Roth „Hotel Savoy“

Geklickt: auf diesen beeindruckenden TED Talk „Dance your PhD„- was für eine coole Idee. Hier der Gewinner-Beitrag 2014 und eine geniale Webseite für alle Mathe-Phobiker wie mich.

Gewundert: wie unnötig komplex vieles gemacht ist

(diese Auflistung bei philuko gesehen für toll befunden und übernommen – hoffe, das ist ok).

Klaxons @ Strom

Klaxons 0

Im Strom steht man ja schnell bei gut gefülltem Haus fast auf der Straße, also möglichst früh hin und mit Becks bewaffnet einen der guten Treppenplätze vorne an der Seite gesichert.

Erst tröpfelte der Andrang so vor sich hin, auf einmal war es knackevoll und auf der Bühne standen drei bärtige junge Männer parat um ohne großes langsames Aufwärmtraining den Leuten gleich mal die ersten Songs um die Ohren zu hauen. Fenech Soler – die haben nicht lange gefackelt, da ging es gleich ab. Gefielen mir ganz gut, es ging elektronisch-gitarrig ordentlich zur Sache. Nach einer halben Stunde ungefähr gab es dann eine verdiente Ruhepause fürs Publikum.

Fenech Soler

Unser Trüppchen war dann auch beisammen und wir standen etwas orgelpfeifen-ähnlich aufgereiht auf den Treppchen herum und es hat ganz schön lang gedauert, bis die Herren Klaxons dann ihre Pizza aufgefuttert hatten oder was Bands auch immer so tun hinter der Bühne, wenn es so lange dauert, aber irgendwann war es dann so weit.

klaxons2

Ganz in weiß gekleidet, im 80er Jahre Retro Look irgendwo zwischen Spandau Ballet und Duran Duran lassen auch diese Herren aus London nicht lange bitten und legen sehr schnell heftig los. Die Jungs verstehen es wirklich, innerhalb kürzester Zeit Party zu machen, Hut ab. Das Publikum war tanzfreudig und bis auf mein persönliches Problem mit Jamie Reynolds‘ gern ins Falsett gehender Stimme, die ich in der Kombination mit der Musik irgendwie schwierig finde, hat es mir gut gefallen.

klaxons3

klaxons1

Es ging fix vorbei das Konzert, alle Highlights waren dabei und wurden auch entsprechend vom Publikum gewürdigt. Die Klaxons gehen gerne auf Tuchfühlung und haben zur letzten Zugabe dann nicht nur die Vorband auf die Bühne gebeten, sondern das Publikum gleich mit. Die Bühne war dann gut voll, jeder hat jeden und sich selbst fotografiert und alle waren happy und vielleicht wie ich dann auch irgendwann müde und taub.

Eine weitere Rezension des Abends findet ihr hier.

Ein Stern ist aufgegangen

Foto 1 (17) Foto 3 (10) Foto 2 (16) Foto 4 (5)

Bingereader war ausgesprochen artig dieses Jahr und hat sich und der Leseecke deshalb selbst zu Weihnachten diesen prachtvollen, wunderbaren, einzigartig schönen und wundervoll kalligrafierten Stern geschenkt. Da kamen vor kurzem einfach zwei Sachen zusammen. Bei Birgit von Sätze & Schätze eines der schönsten und passendsten Gedichte überhaupt entdeckt, sich umgehend einen Rilke-Gedichtband zugelegt und dann bei Queen Sandra of Kalligrafie  „Art of Confusion“ diese tollen Sterne entdeckt.

Also zack Text rübergebeamt und Sandra die Feder spitzen lassen und schon ein paar Tage später halte ich das Prachtstück in den Händen und gleich installiert.

Hammer unglaublich schön, oder ? Meine Leseecke war vorher schon muggelig – aber jetzt, jetzt will ich hier gar nicht mehr raus.

Das Gedicht hat nicht ganz auf den Stern gepasst und es ist auf dem Foto auch etwas schwierig zu lesen, daher hier noch einmal das gute Rilke Stück in ganzer Länge.

Geduld

Und ich möchte dich,
so gut ich kann bitten,
Geduld zu haben gegen alles Ungelöste
in deinem Herzen,
und zu verstehen.
Die Fragen selbst liebzuhaben
wie verschlossene Stuben
und wie Bücher, die in einer fremden Sprache
geschrieben sind.
Forsche jetzt nicht nach Antworten,
die dir nicht gegeben werden können,
weil du sie nicht leben könntest.
Und es handelt sich darum,
alles zu leben.
Vielleicht lebst du dann
allmählich – ohne es zu merken –
eines fernen Tages in die Antwort hinein.
(Rainer Maria Rilke)

Zeitoun – Dave Eggers

220px-Zeitoun

Das wir dieses Buch im November Meeting unseres Book Clubs diskutierten, ging auf meine Rechnung. Ich habe es ausgesucht, weil ich schon lange einmal etwas von Dave Eggers lesen wollte, weil ich viel Gutes hörte und es um die Hurricane Kathrina Katastrophe in New Orleans ging, über die ich gerne mehr wissen wollte.

Schon nach einigen Seiten war ich mir nicht sicher, ob es eine kluge Entscheidung von mir war, dieses Buch vorzuschlagen, denn es hat eine starke religiöse Thematik und ich oller Atheist der bis zum letzten Blutstropfen dafür kämpfen würde, dass jeder glauben kann was er glaubt, aber gleichzeitig, wenn die Leuten dann glauben, immer drüber diskutieren muss! Puh ich war nicht sicher, ob das gutgehen würde und hatte schon vor, am Bookclub Abend jede Menge Valium zu nehmen, um bloss keine unpassenden Bemerkungen zu machen.

Aber dann kam alles ganz anderes irgendwie.

Dave Eggers erzählt stellenweise ganz schön langatmig die Geschichte der Familie Zeitoun die den typischen amerikanischen Traum leben. Abdulrahman, ursprünglich aus Syrien, hat sich als Handwerker ein Bauunternehmen aufgebaut, eine Familie mit einer zum Islam übergetretenen Amerikanerin gegründet und vier Töchter bekommen. Als in New Orleans mal wieder vor einem Orkan gewarnt wird, lassen sich die fleissigen Zeitouns anfangs so gar nicht von ihrem arbeitsreichen Alltag ablenken und gedenken den Sturm zu Hause auszusitzen.

Als klar wird, dass der Sturm ernst macht und eine Evakuierung unumgänglich ist, packt Kathy ihre Töchter ins Auto und macht sich auf die anstrengende Odyssee aus der Stadt heraus erst zu Verwandten, später zu einer Freundin, die wie sie zum Islam übergetreten war.

Mich nervte neben meinem speziellen Religionsproblem, das ich nicht Herrn Eggers in die Schuhe schieben möchte, hauptsächlich die simple, nichtssagende Sprache. Die merkwürdige Vermischung von Fakten und Fiktion und auch dieses rundherum supergut sein von Abdulrahman und seiner Frau, das war mir irgendwie zu viel. Sie waren für mich zu fleissig, zu bescheiden, zu viel irgendwie.

Und dann habe ich nach einem Drittel des Buches gegoogelt und jetzt Achtung: SPOILER ALERTS – und dabei herausgefunden, dass Abdulrahman nach Erscheinen des Buches wegen versuchten Mordes an seiner Frau im Gefängnis saß, die beiden mittlerweile geschieden waren, sie angab, er sei immer schon gewalttätig gewesen, nach Erscheinen des Buches habe er sich aber zunehmend negativ verändert, sei auch fanatisch religös geworden und im Gefängnis soll er einen Mitgefangenen zum Mord an seiner Frau angestiftet haben.

Puh ! Jaaa ich dachte mir schon das da sicherlich nicht alles so vanille-plüschig ist, wie im Buch beschrieben, damit hatte ich allerdings so gar nicht gerechnet.

Das hat sich natürlich auch sehr auf unsere Bookclub-Diskussion übertragen. Zwei von uns hatten vorab die Info ergoogelt, die anderen Damen nicht und wir haben gleich am Anfang der Diskussion erzählt, was wir über die Zeitouns herausgefunden hatten, es wäre sicherlich auch spannend gewesen zu sehen, wie die Diskussion gelaufen wäre, hätten wir die Info erst zum Schluss offenbart.

Erst einmal aber zurück zum Buch. Ich habe weitergelesen und natürlich hat mich das Wissen darum, was aus der Familie wird, meine Sicht beeinflusst. Zeitoun bleibt in der Stadt um auf sein Hab und Gut zu achten und mit seinem Aluminiumboot durch die Stadt zu fahren und zu helfen, wo er kann. Das nehme ich ihm auch ab. Eine Mischung aus Hilfsbereitschaft und Abenteuerlust. Dave Eggers lässt einen die Katastrophe in New Orleans hautnah mitfühlen, die Verwandlung der Stadt in eine anfangs sogar eigenartig schöne Wasserlandschaft, die später einem stinkenden gefährlichen Sumpf ähneln wird.

Der zweite Teil des Buches ist in der Tat heftig und aufrüttelnd, dramatisch und man verfolgt vollkommen sprachlos, wie Amerika diese Naturkatastrophe unglaublichen Ausmasses nicht als solche sieht, sondern handelt, als sei das ganze ein Terroranschlag. Das Land scheint nichts anderes mehr auf dem Radar zu haben, als Terrorangst und die entsprechende Bekämpfung.

Das Augenmerk der Rettungsdienste lag weniger auf der Rettung eingeschlossener Menschen und Tiere, sondern hauptsächlich Plünderer zu verhaften und Terroristen zu suchen. Zeitoun wird eine Woche nach dem Sturm mit drei Freunden verhaftet. Ohne jeden Grund. Sie werden in einen kafkaesken Alptraum verwickelt, der einen permanent ungläubig zweifeln lässt, ob so etwas wirklich in den USA passieren kann. Ohne jede Möglichkeit einen Anruf zu tätigen oder mit einem Anwalt zu sprechen werden die drei in ein provisorisches Gefängnis geworfen. Sie müssen sich nackt ausziehen, werden bis in die letzten Körperteile untersucht, als Taliban beschimpft und nach ein paar Tagen sogar in orangefarbenen Anzügen in ein Hochsicherheitsgefängnis in New Orleans gebracht.

Nicht nur New Orleans ist zu großen Teil in den Fluten versunken, sondern auch jedes Maß an rechtlicher Ordnung und das Vertrauen in die Sicherheitskräfte. Zeitoun verbringt über 20 Tage isoliert im Gefängnis, seine Frau hat keine Ahnung wo er ist. Durch die Hilfe eines Gefängnispfarrers gelingt es Kathy schliesslich, Kontakt mit ihm aufzunehmen und ihn aus dem Gefängnis zu schaffen.

Ich glaube, dass nicht nur Muslimen im Zusammenhang mit der New Orleans Katastrophe solche juristischen, menschenverachtenden Dinge angetan wurden, denn die provisorischen Gefängnisse waren voll und jeder der auch nur halbwegs dem Stereotyp Terrorist oder Plünderer entsprach war zu dieser Zeit ohne jedes Aufheben im Gefängnis verschwunden.

Dieser Teil des Buches hat mich sprachlos und wütend gemacht. Und Eggers hätte meines Erachtens gut daran getan, sorgsamer zu recherchieren, was die Familie Zeitoun angeht, weniger schwarz-weiß Denke hätte dem Buch gut getan, denn auf die Folgen der unreflektierten Dauer-Terror-Panik und wie schnell die wichtigsten rechsstaatlichen Grundsätze in den USA ausgehebelt werden können, hat Eggers sehr zurecht aufmerksam gemacht mit diesem Buch.

Mich persönlich wundern zwei Dinge. Das er jede Stellungnahme zu dem Buch verweigert, wenn er darauf angesprochen wird, was aus der Familie nach der Veröffentlichung passierte und das Eggers‘ Buch nachträglich nicht stärker kritisiert wird. Hat er wirklich gar nichts davon mitbekommen, dass die Familie weit weniger eitel Sonnenschein war, als er es uns im Buch verkaufen wollte.

Tuen meine Bookclub-Kolleginnen und ich ihm Unrecht, wenn wir seine Bücher jetzt mit sehr viel mehr Skepsis lesen würden oder gar überhaupt nicht mehr? ? Würde er Fiktion schreiben, wäre das alles einfacher, aber diesem halb journalistischen bekommt das für meinen Geschmack schlecht.

Das Buch ist auf deutsch unter dem gleichen Titel beim Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen.

Meine Woche

espionage

Gesehen: Einen meiner absoluten Lieblingsfilme „Melancholia“ – seit dem check ich immer wieder mal ob der Vollmond wirklich noch normal groß ist oder ….
Und „Das weiße Band“ – der hat meiner Meinung nach zu Recht soviele Preise abgeräumt.

Gehört: Meinen November Mix und Händel’s „Ombra mai fu“ – sooo schön !

Gelesen: einen Artikel über die Arbeitsbedingungen im Amazon Waren-Lager und „Die Rache aus dem Stall“ ein erschreckender Beitrag in der aktuellen Zeit über die Ausbreitung der multiresistenten Keime durch Massentierhaltung

Getan: einen Organizational Design Workshop besucht, an der Isar spazieren gegangen, meinen Bookclub zu Besuch gehabt, die einarmige Wonnie betüdelt

Gegessen: einen riesigen leckeren Salat im „Attentant Griechischer Salat

Getrunken: viel leckeren Pukka-Tee (der erinnert mich immer an das wunderbare Reading Weekend)

Gefreut: über die tolle Streetart an der Isar

Geärgert: über die lange Wartezeit am Zebra bis wir unseren Platz bekommen haben im Salat Restaurant

Gelacht: über ein „silly cats“ Video, kann es aber nicht mehr finden. Katzen können genauso bekloppt sein wie Menschen 😉

Geplant: das Susan Sontag Symposium Ende November besuchen

Gewünscht: diese Bettwäsche, diesen Duschvorhang, diese Vase und diese Jacke

Gekauft: Tee

Gefunden: wieder über eine Bücher-Verschenk-Kiste gestolpert und dieses Mal Emile Zola „Nana“ und Umberto Eco „Wie man mit einem Lachs verreist“ erbeutet 🙂

Geklickt: auf dieses Interview von Patti Smith mit David Lynch und ein Interview mit Fritz J. Raddatz

Gewundert: wieder einmal: wieviel schneller die Zeit am Wochenende vergeht

(diese Auflistung bei philuko gesehen für toll befunden und übernommen – hoffe, das ist ok).

Meine Woche

stik

Gesehen: “Awakenings – Zeit des Erwachens“ – habe den Film damals im Kino gesehen, der hat mich damals echt mitgenommen. Immer noch ein sehr schöner, sehr trauriger Film. „Gabel statt Skalpell“ informativer Film über die Vorzüge einer pflanzlichen Ernährung für Mensch und Tier.

Gehört: No Ceremony „Feel so low„, Lykke Li „Never gonna love again“ und Burial „Archangel“

Gelesen: über den Terror der guten Laune in der Arbeitswelt und ein Interview mit Patti Smith zu ihrer Murakami-Besessenheit (die ich gut nachvollziehen kann)

Getan: die Bude auf- und umgeräumt, Freunde getroffen, Team Night Out, diverse Handwerker werkeln lassen, Bibliothek besucht und heute endlich mal wieder Musik gebastelt.

Gegessen: Risotto Milanese

Getrunken: leckere Cocktails im Maria Pessagne

Gefreut: über endlich wieder heißes Wasser beim Duschen und über die  Operntickets für Il Trovatore im Februar

Geärgert: ein bisserl über ein paar dauer-empörte Menschen 😉

Gelacht: ständig bei der Lektüre von „Schwätzen und Schlachten

Geplant: und wieder und immer noch die Yoga-Karte abzuturnen

Gewünscht: diese japanischen Keramik-Tassen sind klasse, dieses Bild von Antonio Mora und dieser Hoody – diabolic 😉

Gekauft: einen Stern für meine Lese-Ecke. Er ist noch in Arbeit und wird gerade mit einem wunderbaren Rilke-Gedicht versehen.

Gefunden: Toni Morrison „Beloved“ – in einer Bücher-Verschenk-Kiste *hurra*

Geklickt: ich liebe die School of life – der dazugehörige Blog „The Philosophers Mail“ ist Hirnfutter für Stunden. Happy surfing – mir gefallen insbesondere die kurzen Filme über die großen Philosophen – wie hier zB Plato

Gewundert: wie normal Botox anscheinend geworden ist

(diese Auflistung bei philuko gesehen für toll befunden und übernommen – hoffe, das ist ok).

Die hässliche Herzogin – Lion Feuchtwanger

Foto 1

Meine Lieben – hier nun eine kurze Rezension aus der Rubrik “Schöner Scheitern an und mit Klassikern” – heute: „Die hässliche Herzogin“ von Lion Feuchtwanger.

Tief beschämt muss der Bingereader sich eingestehen, den historischen Betrachtungen zum Lebenswerk der Tiroler Herzogin Margarete in Tirol im ausgehenden Mittelalter nur mit Mühe die notwendige Aufmerksamkeit entgegengebracht zu haben. Ich habe wirklich gekämpft und mich durchgebissen, die Feuchtwanger Ausstellung im Literaturhaus besucht, viel über Herrn Feuchtwanger gelesen, aber der Zugang zu diesem Roman blieb mir irgendwie verwehrt.

Die Geschichte handelt von der Herzogin Margarete, die nach dem Tod ihres Vaters, Heinrich von Tirol, der ohne männlichen Erben gestorben ist, seine Nachfolgerin werden soll. Mit zwölf Jahren wird sie mit dem um einige Jahre jüngeren Johann von Luxemburg verheiratet. Liebe ist das natürlich nicht. Es gibt ein hin- und her um Macht und Einfluss rund um das kleine Herzogtum Tirol herum. Verschiedene gleichstarke Dynastien versuchen, die Herrschaft über Tirol zu erlangen. Die – von Herrn Feuchtwanger wiederholt ins Feld geführte außerordentliche Hässlichkeit Margaretes – ist eigentlich nicht die wichtigste Eigenschaft die sie hat, doch was fast alle übersehen ist, dass sie auch außerordentlich clever ist.

Das wäre schon durchaus interessant gewesen zu verstehen, wie sie sich behauptet als kluge und vermeintlich hässliche Frau, permanent von Aasgeiern umrundet, die sich das saftige Tirol gern unter den Nagel reissen würden, aber Feuchtwanger lässt einen der Herzogin nicht wirklich nahe kommen. Das hatte durchaus das Potential zur „Dynasty“-Soap im mittelalterlichen Tirol zu werden und wenngleich ich kein Soap-Niveau erwartet oder erhofft habe, es war – für meinen Geschmack – eher ein trockener Geschichtsbericht aus einem Sachbuch mit wenig Spannung, der mit Namen, Titeln, Herzogtümern nur so um sich gehauen hat.

Ich vermute aber, es liegt eher an mir als an Herrn Feuchtwanger, den ich mit meiner Kritik hier nicht in die Pfanne hauen möchte. Die Ausstellung „Erfolg“ im Literaturhaus war sehr interessant – ich kann sie nur jedem Münchner ans Herz legen. Die Ausstellung hat Lust auf diesen Schlüsselroman der 30er Jahre gemacht, nur die über 800 Seiten und mein nur mässig verlaufenes erstes Date mit Feuchtwangers Romanen lassen mich doch ein wenig zurückschrecken. Ich habe gesehen, dass es eine Verfilmung mit Bruno Ganz gibt , die wird es wohl – momentan zumindest – eher werden.

Die hässliche Herzogin war nicht meins, aber Leon Feuchtwanger ist mir durchaus näher gekommen. Auf ein neues – irgendwann vielleicht einmal.

erfolg

„Die häßliche Herzogin“ ist im Aufbau Verlag erschienen.

Herbstmix im Literaturhaus München

Madeleine Prahs

Das ist meine absolute Lieblingsveranstaltung im Literaturhaus – der Mix. Drei Autoren lesen aus ihren – häufig Debüt – Romanen, bringen ihr Lieblingsgetränk und zwei Lieblingssongs mit. Perfekt.

Als erstes ging Madeleine Prahs an den Start, die mit ihren knapp 25 Jahren einen witzigen und klugen Wende-Roman geschrieben hat. Die Stelle, als der zauselige Rentner Fritsche unversehens von seiner Altenpflegerin zum Babysitter mißbraucht wird, war irre komisch. Ich kann das Buch nur empfehlen und hätte es doch kaufen sollen, hab es nur aus Vernunftsgründen nicht gemacht. Aber ich denke, das muß noch her.

Prah aufgrund des Bahnstreiks mit dem knallgelben Postbus aus Leipzig angereist, ist München nicht fremd. Sie hat in München und Leningrad studiert, dort hat sie auch die gleichnamige Band kennengelernt. Geboren in der ehemaligen Karl-Marx-Stadt und aufgewachsen am Ammersee, hat es sie nach Leipzig verschlagen, wo sie nun eigentlich auch gerne bleiben möchte.

Auch an ihr mitgebrachtes Getränk die „Polnische Rakete“ hab ich mich nicht dran getraut, auch das werde ich nachholen – versprochen.

Martin Lechner

Martin Lechner, Autor von „Kleine Kassa“

Die „Kleine Kassa“ war nicht ganz so meins. Irgendwie wirr, hab beim Vorlesen recht schnell den Faden verloren und mich hat das etwas bemüht kafkaeske Lüneburger Heiden-Roadmovie nicht wirklich in seinen Bann ziehen können. Getrunken wurde Whisky Sour, auch den hab ich an diesem Abend nicht haben wollen. Herr Lechner mag ein wirklich wunderbarer Mensch sein, aber ich wollte ihm sehr sehr dringend eine neue Frisur verpassen. Die hat mich glaube ich doch sehr von seinem Buch abgelenkt.

Der 1974 in der Lüneburger Heide geborene Lechner ist mit seinem Debüt-Roman mal direkt auf der Longlist des Deutschen Buchpreises gelandet. Respekt. Von daher liegt es sicherlich eher an meinem individuellen Geschmack, als an der literarischen Güte des Romans. Wenn gleich am Lesungsabend die Damen verkaufstechnisch deutlich die Nase vorn hatten.

Zum Schluß dann eine echte Premiere! Karen Köhler tat etwas, was bislang noch niemand im Münchner Literaturhaus gewagt hatte. Sie hatte sich „Enter Sandman“ von Metallica gewünscht und das ehrwürdige Haus fuhr erschrocken zusammen, schüttelte sich kurz – ist dann aber durchaus mitgegangen.

Köhler hat ihr Buch im September veröffentlicht und es wurde mit rasendem Beifall aufgenommen. Es hat mich neugierig gemacht, dieses hübsche Buch, das sie selbst illustriert hat. Überhaupt ist Frau Köhler ein ziemliches Multitalent. Von Schreinerlehre über Schauspielausbildung, neben ihrer Autoren-Tätigkeit ist sie auch noch Theaterautorin und ihre Windpocken bedingte Absage an Klagenfurt ist mittlerweile legendär.

Karen Köhler1

Auf sie hatte ich mich am meisten gefreut, denn „Wir haben Raketen geangelt“ war schon ganz lange auf meiner Wunschliste. Also rein, Buch gekauft und es mir damit schön bequem gemacht am kleinen Tisch und bis es losging hatte ich die erste Geschichte schon durch. Puh – die war heftig. Hat mir sehr gefallen, aber die war hart. Auch wenn ich mit den Erzählungen noch nicht fertig bin, ist das Buch auf jeden Fall eines der schönsten Bücher 2014 für mich.

Vorgelesen hat sie dann aus der zweiten Kurzgeschichte „Cowboy und Indianer“. Mir gefällt ihr Erzählstil und auch unser kleiner Plausch war ungemein unterhaltsam. Gut, das sie jetzt den Unterschied zwischen „binge drinking“ und „binge reading“ kennt.

Ihr Getränk „Gin Basil Smash“ war auch voll auf meiner Wellenlänge, schmeckt sehr vorzüglich.

Ich freue mich schon auf den Wintermix und bis dahin habe ich dann auch die Raketen geangelt und hier rezensiert.

Meine Woche

10429391_10152509747489536_8279353009161134718_n

Gesehen: „Die letzte Metro“ ein leiser wunderbarer Film. Toll besetzt und Gerard Depardieu war tatsächlich mal ein ganz ansehnlicher Typ. „Little Miss Sunshine“ – gute low-budget Tragikomödie mit tollem Soundtrack und das legendäre Interview das Günter Gaus mit Hannah Arendt geführt hat. Brilliant!

Gehört: Metronomy – gehe im Dezember in Hamburg auf Konzert. Dieses und dieses. Und Bach – geht immer.

Gelesen: Falling Short – Schriftsteller reflektieren übers Versagen. Dieses Interview mit Karl Ove Knausgaard und diesen Aufschrei

Getan: eine Menge Coaching in dieser Woche, den Herbst Mix im Literaturhaus und eine Tag mit fetter Migräne im Bett verbracht. Wenn ich das irgendwann mal loswerden könnte, ich würde echt ne Menge dafür geben.

Gegessen: der Winter kann kommen – mit dieser Tomaten-Kichererbsen-Suppe kann nix mehr schief gehen. Die ist so simpel und so lecker – genial.

Getrunken: ganz viel Ingwertee

Gefreut: über ein Rilke-Gedicht, das mir schon seit Tagen nicht aus dem Kopf geht und das zum Bestellen eines Rilke-Gedichtbands geführt hat 😉 Und über eine fette Nebenkosten-Rückzahlung.

Geärgert: über ständig kaltes Wasser beim Duschen

Gelacht: über einen sehr entzückenden Pinguin

Geplant: der Besuch des Interpol-Konzerts im Januar in Köln nimmt Formen an.

Gewünscht: Nach dem Lottogewinn dann diese Jacke und irgendwann vielleicht tatsächlich dieses Radl

Gekauft: Bücher – zu viele.

Gefunden: einen nigelnagelneuen Kalligrafie-Federhalter auf der Straße – ob das ein Zeichen ist ? 😉

Geklickt: auf die Webseite des Autors Jean-Philippe Toussaint – die ist richtig gut gemacht.

Gewundert: das der Mauerfall schon 25 Jahre her ist. Jesses!

(diese Auflistung bei philuko gesehen für toll befunden und übernommen – hoffe, das ist ok).