2015 – The Year in Books

Ja nee hat super geklappt mit meiner Wahl der 10 Lieblingsbücher. Ich kann mich partout nicht entscheiden und schicke jetzt immer zwei ins Rennen. Die Kombi ist eventuell nicht immer einleuchtend, gibt aber schönen Einblick in meine abstrusen Synapsen-Schaltungen.

Es sind die Bücher, die mich am intensivsten beschäftigt haben in diesem Jahr, nicht automatisch die, die mir am besten gefallen haben. Habe nicht viele Bücher gelesen, die mir gar nichts gesagt haben oder die ich schlichtweg schlecht fand.

Vielleicht könnt ihr mir ja helfen mit der Entscheidung. Unter allen die in den Kommentaren hier oder bei Facebook abstimmen verlose ich eines der zur Wahl stehenden Bücher hier (nach Wunsch). Am 10.1. guck ich dann mal, ob es Entscheidungen und einen Gewinner gibt.

Hier kommen die Teilnehmer:

https://bingereader.org/2015/01/31/the-goldfinch-donna-tartt/

oder

https://bingereader.org/2015/06/07/die-kunst-des-feldspiels-chad-harbach/

https://bingereader.org/2015/02/16/fahrenheit-451-ray-bradbury/

oder

https://bingereader.org/2015/04/22/the-bone-clocks-david-mitchell/

https://bingereader.org/2015/12/14/geliebtes-wesen-briefe-von-vita-sackville-west-an-virginia-woolf-louise-desalvo-mitchell-a-leaska/

oder

https://bingereader.org/2015/03/16/anais-nin-die-tagebucher-1927-1929-und-1931-1934/

https://bingereader.org/2015/12/03/the-master-and-margarita-mikhail-bulgakov/

oder

https://bingereader.org/2015/11/07/the-strange-library-die-unheimliche-bibliothek-haruki-murakami/

https://bingereader.org/2015/03/27/9-stories-j-d-salinger/

oder

https://bingereader.org/2015/03/21/meistererzahlungen-stefan-zweig/

https://bingereader.org/2015/03/23/the-paying-guests-sarah-waters/

oder

https://bingereader.org/2015/11/03/auf-den-koerper-geschrieben-jeannette-winterson/

https://bingereader.org/2015/07/05/cannery-row-john-steinbeck/

oder

https://bingereader.org/2015/09/09/der-susan-effekt-peter-hoeg/

https://bingereader.org/2015/11/20/die-frau-die-nein-sagt-francoise-gilot/

oder

https://bingereader.org/2015/04/14/bossypants-tina-fey/

Was wirklich Spaß macht ist, sich die jeweiligen „Konkurrenten“ bei einem Treffen vorzustellen. JD Salinger und Herr Zweig beim gediegenen Whisky im Club-Sessel oder Tina Fey die der vornehmen Madame Gilot versehentlich ein Glas Rotwein über die Hose kippt…

Meine Woche

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Gesehen: „Liebe“ von Michael Haneke – sehr berührendes Drama über die Liebe und das Sterben

Gehört:  Millions – John Soda, Long burn the fire – The Beastie Boys, What New York used to be – The Kills, Beth Ditto covering David Bowie’s Moonage Daydream und diesen irren EBM-Mix

Gelesen: diesen Artikel im Nautilus über den Hintergrund zum Film „The Martian“, diesen Artikel über Sylvia Plath und diesen Artikel aus dem New Yorker über Patti Smith

Getan: Peter Hoeg im Literaturhaus gehört, die Füße in London platt gelaufen, Streetart gejagt, „Hamlet“ mit Benedict Cumberbatch im Barbican angesehen, in Little Venice den richtigen Kanal gesucht, in Soho versucht die Türsteher zu bezirzen, im Muse Club gestrandet und den Daunt Bookshop in Chelsea leergekauft

Gegessen: einmal durch die Karte in meinem Lieblings-Laden in Chinatown und sehr leckere Ravioli Nachos in Jamie Olivers Italian Restaurant

Getrunken: London Pride und sehr leckeren G&T im Stars at Night

Gefreut: in London zu sein – könnte sofort wieder hinziehen

Geärgert: über die lauteste Klo-Tür der Welt

Gelacht: Don’t worry what people think, they don’t do it very often

Geplant: das Bootcamp für unsere Newbies durchführen, Jonathan Franzen im Literaturhaus sehen, relaxen und dann zur Buchmesse

Gewünscht: diese Penguin-Tasche, diesen Pullover

Gekauft: viel zu viele Bücher und eine Pyjamahose, eine Strickjage und ein T-Shirt bei Gap

Geklickt: auf diese Lesung von Seamus Heaney

Gewundert: wieviele Kilometer man an einem Tag zu Fuß so zurücklegen kann

Der Hoeg Effekt

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Peter Hoeg wird den Zuhörern an diesem Abend im Literaturhaus München nicht nur vom Susan Effekt erzählen, sondern den Hoeg Effekt deutlich spürbar machen. Wir erfahren eine Menge über ihn. Studierter Literaturwissenschaftler ist er von Haus aus, hat aber auch als Matrose, Putzmann und Tänzer gearbeitet. Gerade diesen Tänzer nimmt man ihm sofort ab. Ich habe selten jemanden gesehen, der mehr nach Tänzer ausschaut als er.

Groß, hager irgendwie ätherisch sitzt er da und spricht in entzückendenstem Dänisch-Deutsch mit dem Publikum und verzaubert sie alle. Mit seinen Geschichten zum Beispiel von der knorzigen Oma die ihre Enkel mit heftigsten Gutenacht-Geschichten um den Schlaf gebracht hat und auch mal im Knast gesessen hat, warum weiß aber niemand so recht in der Familie.

Oder auch mit seiner Liebe zur Naturwissenschaft, die leider ziemlich unerwidert blieb, seinem Engagement für Kinder, seiner Einladung das zu nutzen, was einem gefällt und seiner Erkenntnis, dass  das Schreiben viel weniger etwas intellektuell-geistiges als eine äußerst körperliche Sache ist.

Trotz seiner guten Deutsch-Kenntnisse ist die Sprecherin der Hörbuch-Ausgabe von „Der Susan Effekt“ dabei und sie klingt perfekt nach Susan. Auch Peter Hoeg ist der Überzeugung, seine Susan klingt genau so. Sandra Schwittau ist nicht nur die Stimme Susans, man erkennt in ihr auch Noomi Rapace und vor allem Bart Simpson wieder. Absolut grandios. Sollte diese Stimme Kinder kriegen, ich möchte auf der Stelle eines! Bitte vormerken…

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Herr Hoeg überrascht dann noch mit einer Kostprobe seines tänzerischen Könnens in dem er kubanischen Rumba vorführt, erklärt mit welchen Schritten und Handbewegungen die Tänzer versuchen unter die Röcke der Damen zu gelangen und wie diese den Angriff parieren. Spätestens jetzt ist auch der Letzte vom Hoeg-Effekt erfasst. Kilometerlange Signier-Schlange, teilweise haben die Leute ihre gesamte heimische Bibliothek zum Signieren mitgebracht und ich wünsche mir ein Buch über Hoegs Oma.

Ein toller Roman, ein wunderschöner Abend und hier noch mal der link zur Susan Effekt-Rezension:

https://bingereader.org/2015/09/09/der-susan-effekt-peter-hoeg/

Der Susan Effekt – Peter Hoeg

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Die perfekte dänische Familie, die vor kurzem noch das Titelbild des „Times Magazines“ zierte, steckt plötzlich bis zum Hals in Schwierigkeiten. Die Protagonistin Susan, eine Experimentalphysikerin, sitzt in einem indischen Gefängnis und wird des versuchten Todschlags an ihrem indischen Liebhaber beschuldigt, ihre 17-jährige Tochter hat einen Mönch verführt und deren Zwillingsbruder wurde beim Handel mit gefälschten Antiquitäten erwischt. Auch der Herr Papa hat Dreck am  Stecken und die Polizei auf den Fersen und so lässt Susan sich auf einen Deal mit einem dänischen Offiziellen ein, der sie im Knast besucht und ihr und ihrer Familie Straffreiheit und die Rückkehr nach Dänemark garantiert, wenn sie sich bereit erklärt, das letzte Protokoll der dänischen Zukunftskommission aufzustöbern und ihm auszuhändigen.

„In der dänischen Gesellschaft steht der Mainstream über allem. Wer ihm folgt und tut, was alle andern tun, bekommt Oberwasser und Antrieb und Rückenwind. Man muß bloß seine Ausbildung beenden, bis man dreißig ist, sich einen Mann und eine paar Kinder und eine Villa sichern, bis man vierzig ist, seinen Alkoholverbrauch einteilen, die zwischenzeitlichen Krisen überleben, Standhaftigkeit beweisen und bereit sein, wenn die Kinder aus dem Haus sind, zum letzten langen Endspurt im dänischen Wettlauf anzusetzen, der da heißt „Wer am meisten hat, wenn er stirbt, hat gewonnen.“

Die Wahl ist nicht zufällig auf Susan gefallen, denn die hat eine sehr spezielle Gabe. Sie löst bei jedem absolute Aufrichtigkeit hervor und bringt ihr Gegenüber dazu, in sofortige Geständnisbereitschaft zu verfallen. Eine sehr nützliche Eigenschaft, wenn man hinter ein Geheimnis kommen will.

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„Manche glauben an die Psychologie, das tue ich nicht. Alles ist nur auf einem Substrat von quantenelektrischen Wirkungen beruhende Biochemie.“

Peter Hoeg ist bekannt dafür, starke Frauenfiguren zu erschaffen und Susan steht Fräulein Smilla in nichts nach. Sie ist eine mutige starke hochintelligente Wissenschaftlerin (die auch noch wundervoll kochen kann), die durch nichts aufzuhalten ist und sich da, wo ihre Muskeln nicht hinkommen, auch durchaus mal mit einem eisernen Kuhfuß weiterhilft.

„Es gibt so eine Art von Hintergrundgedudel, Laban. Und nicht nur hier, sondern überall in Dänemark, ich habe das immer gehört. Es ist ein Lied, das davon handelt, dass alles in bester Ordnung ist, keine Sorge, wir haben alles, was wir brauchen. Man kümmert sich u uns, der Herrlichkeiten ist kein Ende, wir brauchenuns nur zurückzulehnen und das Leben zu genießen. Ein Sirenengesang. Er soll uns vergessen lassen, dass wir in einem Zeitfenster leben, das nur ganz kurz offen steht. Er soll uns einen tiefen Hunger vergessen lassen. Aber nicht mit mir, Laban. Verstehst du, ich hab ewig Hunger.“

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Foto: weirdamigo.blogspot.com

Die Zukunftskommission entpuppt sich als eine Gruppe junger Wissenschaftler, Künstler, Spezialisten, die im Jahr 1972 von zwei Forscherinnen, eine davon Susans Lehrerin, die Nobelpreisträgerin Andrea Fink, gegründet wurde mit dem Auftrag, zukunftsgerichtete Gedankenmodelle und -szenarien zu entwickeln, Trends aufzuspüren und Prognosen zu entwerfen.

„Die Wirklichkeit ist eine labile Mischflüssigkeit…“
„Europa ist eine Komfortzone. Wir leben in einem Kino, in dem auf allen vier Wänden Familienfilme gezeigt werden. Der Zusammenbruch gehört nicht der Zukunft an. Er hat schon angefangen.“

Die Kommission fungiert im Untergrund, wählt neue Mitglieder selbständig aus, ist niemandem unterstellt. Die jungen Leute sind dann selbst am meisten überrascht, als mehr und mehr ihrer vorhergesagten Ereignisse tatsächlich eintreffen, wie die Ölkrise, der Golfkrieg etc.  Kein Wunder, dass die Geheimdienste neugierig werden und versuchen die Kommission unter ihre Fuchtel zu bringen.

Die Familie entrinnt bei der Suche nach dem letzten Protokoll nur knapp einem Mordanschlag und wie in bester Agatha Christie Mannier (nur wesentlich brutaler) wird ein Kommissionsmitglied nach dem anderen aus dem Weg geräumt. Ich hatte ein paar Tage lang echte Probleme mit unserer Waschmaschine. Diskusscheiben sind zum Glück keine in meinem Umfeld aufgetaucht, seit ich das Buch beendet habe.

Klingt alles eher unrealistisch und ziemlich durchgeknallt? Ja, das ist es auch. Weltverschwörungstheorien treffen auf Metaphysik, die Zwillinge Thit und Harald erinnern an Salingers Franny und Zooey und Susan wirkt wie eine Mischung aus Lisbeth Salander und Catwoman und doch macht dieser Roman einfach riesigen Spaß.

„Er zeigt auf den Mond, der beinahe voll ist und um die leuchtende Scheibe herum ein opalfarbenes Regenbogenphänomen aufweist, the circle of the moon.
Susan was siehst du? – Refraktion, den supernumerischen Bogen.
Er nickt gedankenvoll. Wir haben das schon öfter gemacht, es ist ein altes Spiel zwischen uns, ein Spiel, das auf die Zeit zurückgeht, als wir uns kennenlernten. Laban weist auf ein physisches Phänomen hin, und wir beschreiben füreinander, was wir sehen.
Wir haben niemals dasselbe gesehen.“

Ein schneller, unterkühlter, sehr eleganter und intelligenter Action-Thriller mit Humor für Leser mit Geek-Gen, die Spaß an schrägen Typen haben.

Das kleine Dänemark rettet die Welt und schenkt uns neben Lisbeth Salander, Pippi Langstrumpf, Smilla Jaspersen nun noch eine weitere skandinavische Powerfrau – Susan Svendsen. Die einzige Action-Heldin, die so viele Titel hat, dass ihre Visitenkarte A5 Format hat. ’nuff said…

Eine weitere tolle Rezension findet ihr hier.

Das Buch ist im Hanser Verlag erschienen.