Meine Woche

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Foto: Münchner Küchenexperimente

Gesehen: „Orange is the New Black“ Season 6. Eine düstere Staffel aber bislang gefällt sie mir sehr.

Gehört: „Cascades“ – Dan Caine, „Red Moon“ – Foie Gras, „Fall of the Colossus“ – Sairen, „If I’m not perfect by tomorrow“ – A Veil of Water

Gelesen: „Integrieren in was“ – Margarete Stokowski, „Es ist unser Land verteidigen wir es gemeinsam“ – Naika Foroutan, Are things getting worse or does it just feel that way?, Der Mathilda Effekt, oder warum weibliche Wissenschaftlerinnen weniger wahrgenommen werden

Getan: die Daho.am Konferenz besucht, in der Dageschoss-Hölle fast den Schmelzpunkt erreicht, den Roten Mond bestaunt, den Bookclub besucht, im Schyrenbad geschwommen und abends auf dem Balkon gesessen und gegrillt

Geplant: das Geburtstagsgeschenk für die Bingereader-Gattin fertig zu bekommen

Gegessen: Schwimmbad-Pommes

Getrunken: saures Radler

Gelacht: Exercising would be so much more rewarding if calories screamed while you burn them

Geärgert: nö

Gefreut: hab zwei Lose gekauft beim Sommerfest und ein Badehandtuch gewonnen

Geklickt: auf dieses Interview mit Siri Hustvedt und Paul Auster und auf die Sommer Leseliste der New York Times

Gewünscht: das Thomas Mann Haus in LA zu besuchen, diesen Pflanzen-Roboter, diese Lunch-Tüte

Gekauft: Geburtstagsgeschenke

Gestaunt: über diese wundervollen Bibliotheken

Gefunden: tolle Bücher im offenen Bücherschrank

Gedacht: „Those who promise us paradise on earth never produced anything but a hell.“ (Karl Popper)

#WomeninSciFi (28) Die Hochhausspringerin – Julia von Lucadou

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Woohooo Women in SciFi hat die erste Wiederholungstäterin: Birgit von Sätze und Schätze hat sich wunderbarerweise noch einmal mit einen Beitrag für die Reihe beteiligt. Den Orbit müssen wir nicht verlassen, freut euch auf eine spannende Geschichte bei dir wir alle etwas dazu beitragen sollten, dass sie Dystopie bleibt…

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Foto: Pixabay

Man würde meinen, eine Gesellschaft wie die unsere böte alle Möglichkeiten, seine eigene Persönlichkeit zu entfalten. Doch Wohlstand alleine macht offensichtlich nicht frei. Statt Individualität herrscht Konformismus vor. Wir unterwerfen uns den Mechanismen von Social Media, die unsere „Wünsche“ mitdiktieren. Dutzende von Fernsehshows nach dem Motto „Deutschland sucht den Superstar“ kitzeln zugleich den Wunsch der Menschen, etwas „Besonderes“ zu sein und sorgen doch nur für allgemeine Verflachung. Statt Vielfalt Monotonie in der Konsumentenwüste. Der Mensch wird zum Konsumenten, aber Konsumenten wiederum können nur Leistungsträger sein – wer da nicht reinpasst, fällt durch das Netz.

Ins Abgrundtiefe fallen, ohne Netz und doppelten Boden, um aus den „Peripherien“ in die „Stadt“ zu kommen – das nehmen in diesem grandiose Debütroman junge Menschen freiwillig in Kauf. Selbst die Todesgefahr kann sie nicht schrecken: denn das Hochhausspringen, das Tausende von Menschen digital mitverfolgen, ist für viele der einzige Weg in die Elite der Gesellschaft, die eben in der Stadt lebt.

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Foto: Hanser Verlag

Julia von Lucadou zeichnet in dieser Dystopie das Bild einer nicht allzu fernen Zukunft, in der Performance alles gilt. Gespiegelt an zwei jungen Frauen, deren Schicksal diametral verläuft: Hitomi, die Ich-Erzählerin, das ist die Überangepasste, die nichts mehr fürchtet als den sozialen Abstieg. Sie hat den ersten Schritt geschafft in „der Stadt“ – ein Job als Psychologin, eine eigene Wohnung, scheinbare Sicherheit. Ihr neuer Auftrag scheint der Sprung auf der Karriereleiter zu sein – sie soll eine berühmte Hochhausspringerin, Riva, der Star unter den Sportlern, wieder auf Kurs bringen: Denn unerklärlicherweise weigert sich Riva von einem Tag auf den anderen, zu trainieren. Hito beobachtet ihre „Klientin“ (die davon nichts weiß) rund um die Uhr durch die in Rivas Wohnung installierten Kameras, sie analysiert ihr Gegenüber, versucht über den Partner Rivas zu intervenieren, untersucht ihr Tagebuch:

„In den ersten drei Jahren der App-Nutzung entsprechen Rivas Einträge dem Bild, das sie auch nach außen hin vermittelte. Doch danach verändern sie sich drastisch, die Texte werden notizenhaft und unzugänglicher. Riva erscheint weniger ausgeglichen, aufbrausender, nicht mehr so zielorientiert. Ihr Leistungswille, ihre Selbstdisziplin und Freude am Wettbewerb gingen zurück. Statt Beschreibungen ihres Trainingsfortschritts erstellte sie immer häufiger durchnummerierte Listen mutmaßlicher Erinnerungen, deren Zweck nicht erkennbar ist.“

Was für Hito zunächst ein großer Erfolg zu werden scheint, hat seinen Preis: Es gelingt ihr nicht, Zugang zu Riva zu finden, ein psychologisches Experiment mündet gar in einer Katastrophe aus Sicht der Leistungsträger. Unter Dauerbeobachtung durch ihren Vorgesetzten „Master“ stehend, der jede ihre Leistungen beurteilt, bricht sich der Stress zunehmend psychosomatisch Bahn, geraten Hitos ganzes Leben und ihre Ansichten ins Wanken. Spannend erzählt die Autorin von der entgegengesetzten Entwicklung der beiden jungen Frauen, die sich dann tatsächlich nur einmal begegnen – die eine wählt den Ausstieg aus der schönen neuen Welt, die andere muss mit ihrem Abstieg fertig werden, konsequent in ihrer Sozialisierung jedoch bis zum bitteren und für den Leser überraschenden Ende.

Julia von Lucadou, promovierte Filmwissenschaftlerin, ist mit „Die Hochhausspringerin“ ein Debüt gelungen, das zu fesseln vermag: Eine gut durchdachte Geschichte, die Figuren psychologisch schlüssig, eine spannende Erzählung. Die Filmerfahrung der Autorin macht sich positiv bemerkbar: Manche Szenen sind so plastisch beschrieben, die entsprechenden Bilder ruft das innere Auge sofort hervor. Aber auch stilistisch überzeugend für eine Leserin wie mich, die sich mit der oft von Technik überfrachteten Sprache des Sciene Fiction-Genres schwer tut. Vor allem jedoch scheint das dystopische Weltbild, das Julia von Lucadou hier zeichnet, so bestürzend und greifbar nah.

Die Anerkennung, die Clemens Setz dem Buch zollt, ist gerechtfertigt:

„Ein strahlender Roman über die fürsorgliche Umzingelung, in die sich die ganze Welt verwandelt hat.“

Bookclub Votings are in for 2018/19

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Foto: Grazvydas

Nervenaufreibende Diskussionen, Debatten und Entscheidungsfindungen haben sich ausgezahlt. Die Ergebnisse sind da und ich präsentiere euch hier die Bücher die wir im nächsten Bookclub-Jahr lesen werden und auf deren Rezensionen hier ihr euch freuen dürft:

Naomi Alderman – The Power
Chloe Benjamin – The Immortalists
Anthony Doerr – All the light we cannot see
Louise Erdrich – Future home of the living God
Andrew Sean Greer – Less
Anthony Marra – The Tsar of Love and Techno
Ian McEwan – The Children Act
David Mitchell – Slade House
Celeste Ng – Everything I never told you
ML Rio – If we were Villains
Mary Shelley – Frankenstein

Da sind dieses Mal gleich vier Bücher dabei die ich bereits gelesen habe, das gabs noch nie.

Was sagt ihr zu unserer Liste? Sind welche dabei die euch besonders interessieren – welche hättet ihr als Bookclub-Lektüre vorgeschlagen?

Meine Woche

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Gesehen: „Get out“ (2017) von Jordan Peele mit Daniel Kaluuya und Catherine Keener. Spannender Thriller mit leichten Horror-Elementen. Hätte auf jeden Fall einen Oscar verdient.

Three Billboards outside Ebbing“ (2017) von Martin McDonagh mit Frances McDormand und Sam Rockwell. Drama um eine verbitterte Mutter die den Mord an ihrer Tochter aufklären will. Hat seine Oscars verdient.

The Post“ (2017) von Steven Spielberg mit Meryl Streep und Tom Hanks. Biopic über die Verlegerin Katherine Graham. Hatte etwas mehr erwartet, ist aber durchaus ok. Freue mich auf die Biografie die ich schon länger hier liegen habe.

Gehört: „Trappist 1“ – Cassini, „Snowmelt“ – Zoe Keating, „The Doctor Arrives“ – Rachel Grimes

Gelesen: diesen Artikel über „Greenwashing“, diesen Artikel über Donna Haraway, Crispr scheint schwerwiegende Genschäden zu verursachen und über die Rolle der Frauen während der WM

Getan: eine Bootstour gemacht in Victoria, tolle Wanderungen auf Vancouver Island, kurz überlegt nicht mehr heimzufliegen und jetzt wieder zu Hause ankommen

Geplant: ausschlafen

Gegessen: viel Seafood

Getrunken: Kokanee

Gelacht: kam im Flieger nicht mehr aus dem Klo und wurde doch leicht panisch als man mit einem Beil die Tür eingeschlagen hat. Hätte zu gerne mein Gesicht gesehen

Geärgert: hätte mir doch einen Hoody in Kanada kaufen sollen

Gefreut: über diesen wahnsinnig tollen Urlaub und die bombastische Teilnahme an der #ausgehetzt Demo

Geklickt: auf diese Bilder aus Nordkorea

Gewünscht: diesen Tisch und Stuhl, diese Blumenbank, dieses Haus

Gekauft: Bücher

Gestaunt: wie viele Marihuana Shops es in Vancouver gibt

Gefunden: ein tolles Mitbringsel für meinen Bookclub

Gedacht: Lob steht unter den Menschen in staunenswerter Verehrung (Lukrez)

Einsame Schwestern – Ekaterine Togonidze

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Dieses Jahr freuen wir uns auf Georgien als das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2018. Schon auf der Leipziger Buchmesse dieses Jahr durfte ich kurz die Autorin Ekaterine Togonidze kennenlernen, deren Roman „Einsame Schwestern“ im Septime Verlag erscheint.

Ekaterine Togonidze studierte Journalismus an der Tbilisi Universität und arbeitet danach als Nachrichtensprecherin und Moderatorin für das georgische Fernsehen. Ihr Roman „Einsame Schwestern“ war als bester Roman für den Saba Literaturpreis nominiert. Es ist die Geschichte der siamesischen Zwillinge Lina und Daina, die unter mysteriösen Umständen ums Leben kommen.

Ihr Vater Rostom erfährt erst nach ihrem tragischen Tod von ihrer Existenz und lernt dann mehr über sie, als er sich Seite für Seite durch ihre schmerzhafzen Tagebuch-Eintragungen liest.

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Foto: Septime Verlag

Auch wenn sie von der Hüfte abwärts zusammengewachsen sind, so sind die beiden doch ganz unterschiedliche Individuen mit klar definierten und separaten Persönlichkeiten. Die eher lässige, glückliche Lina, die als romantisch-optimistische Seele Gedichte in ihr Tagebuch schreibt und die in den kleinsten Details Glück und Zufriedenheit findet.

Diana hingegen ist rauer und realistischer, sie nimmt ihre Situation nicht einfach so hin und ist oft wütend. Wie alle Geschwister streiten sie sich häufig und sind auch oft neidisch aufeinander, doch im Gegensatz zu anderen können sie sich niemals zurückziehen, haben nichts nur für sich allein und können ihre aufgestauten Gefühle nur in ihrem Tagebuch loswerden.

Bis sie Teenager sind leben sie isoliert, versteckt von der Außenwelt und werden von ihrer Großmutter versorgt. Das fällt der alten Frau zunehmend schwer und oft kann sie im ärmlichen post-sowjetischen Georgien, das wenig Sympatie für Behinderte hat, nicht einmal das Nötigste für die Mädchen auftreiben. Als die Großmutter stirbt sind sie vollkommen schutzlos und werden Opfer von unterschiedlichsten Misshandlungen. Sie werden sexuell und psychologisch missbraucht und man zwingt sie, als Monstrositäten in einem Zirkus zu arbeiten.

„Der Direktor hat uns heute so viel Geld gegeben wie noch nie. Wie viel müssen wir zur Seite legen? Wohin sollen wir dann gehen? Finden wir eine andere Arbeit? Alles muss geplant werden. Ich könnte wie Großmutter Lesen und Schreiben unterrichten… Oder sind wir nur zum Spaß der anderen da? Mein Gott, warum sind wir so, wie wir sind? Gibt es noch mehr Menschen wie uns?“

Eine düstere melancholische Geschichte, die dennoch durch eine ganz besondere Atmosphäre besticht. Ein erschütterndes Buch, das einem noch lange nachgeht und eine junge Autorin, von der ich sehr gerne noch mehr lesen möchte.

Ich danke dem Septime Verlag für das Rezensionsexemplar.

 

Meine Woche

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Gesehen: „mother!“ (2017) von Darren Aronofsky mit Jennifer Lawrence und Javier Bardem. Krasser Film. 2/3 grandios, das letzte Drittel nur noch wirr.

She’s beautiful when she’s angry“ (2014) von Mary Dore. Spannende Doku über die feministische Bewegung in den USA.

2036: Nexus Dawn“ (2017) von Luke Scott. Sehr cooler Kurzfilm der zeitlich zwischen den beiden Blade Runner Filmen liegt.

Gehört: „Oracle“ – Haelos, „The End of the World“ – Skeeter Davis, „Mauern“ – Klez.e, „Por la Noche“ – Pictures from Nadira, „Come wander with me“ – Anna von Hausswolff

Gelesen: über Literaturhotels weltweit, „Talk about the future you want“ von Madeleine Ashby, die offenen Briefe von Renate Schmidt und Birgit von Sätze und Schätze

Getan: das Planetarium in Jasper besucht und Jupiter und Saturn gesehen, viel gewandert, mit dem Mountainbike gefahren, geschwommen und Kanu gefahren

Geplant: Vancouver und Vancouver Island erkunden

Gegessen: sehr leckere scharfe Tacos

Getrunken: Keter Rotwein von der Summerhill Pyramid Winery in Kelowna

Gelacht: über meine phantastische Übersetzung von Hörbuch zu Hearbook

Geärgert: über die Mücken

Gefreut: dass wir den Wolf nicht erwischt haben, der uns bei 80km fast vors Auto gelaufen ist, über die Pussy Riot Aktion und über Frankreichs Sieg bei der WM

Geklickt: auf 7 ideas about finding the work you were meant to do

Gewünscht: dieses Haus

Gekauft: 1 Jeans und 2 Tshirts

Gestaunt: wie krass der Kontrast ist, wenn man nach einer Weile wieder in der Großstadt ist

Gefunden: ein Buch von Oskar Maria Graf und von Michael Ondaatje

Gedacht: wie nervig langsames Wlan sein kann

#WomeninSciFi (27) Solitaire – Kelly Eskridge

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„Solitaire“ von Kelly Eskridge entführt uns in eine nicht all zu weit entfernte Zukunft, in der es tatsächlich endlich Weltfrieden gibt. Als Symbol der Hoffnung wurden alle Kinder, die genau in der Sekunde geboren wurden, als die Friedensverhandlungen beendet wurden, zu „Hopes“ ernannt und werden auf ihre Rolle als künftige Aushängeschilder der globalen Administration vorbereitet.

Die „Hope“ des weltweit einzigen Konzernstaates ist Ren „Jackal“ Seguara. Als Ren für eine fürchterliche Katastrophe die Schuld gegeben wird, bricht die Ko Corporation, ihr Heimatland sozusagen, jegliche Verbindung mit ihr ab und verurteilt sie zu einer fürchterlichen Strafe. Sie wird im Rahmen eines Experiments in eine Virtual Reality Isolationshaft gebracht, wo sie die nächsten 8 Jahre allein in ihrem Geist eingesperrt wird, ohne jeglichen Kontakt von außen.

„When we are left all alone is that when we find out who we truly are?“

Was mir an diesem stylischen Sci-Fi Roman unter anderem gut gefallen hat, war die absolute Selbstverständlichkeit mit der Ren eine Freundin hat und das auch ohne große Liebesdramen oder Dreiecksgeschichten, sondern von der ersten Seite an war klar, dass sie mit Snow zusammen ist. Eine willkommene Abwechslung.

Homegoing – Yaa Gyasi

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Ohne Frage eine der anspruchsvollsten Familiengeschichten, die ich bislang gelesen habe. Yaa Gyasi verfolgt ihre Geschichte über 7 Generationen, schreibt aus 14 unterschiedlichen Perspektiven – normalerweise etwas, wo ich vor lauter Stammbaum schnell den Überblick verliere und schnell die Flinte ins Korn werfe.

Unglaublich, wie sie es schafft, jede Person auf ein paar Seiten so derart individuell, einzigartig und klar rüber zu bringen. Wow. Die Geschichte beginnt mit zwei Halbschwestern: Effia und Esi – die sich niemals kennenlernen. Die eine verschlägt es als Sklavin in die USA, die andere bleibt als Frau eines Sklavenhändlers in Ghana und an den jeweiligen zwei Standorten entwickeln sich die beiden Familienlinien weiter.

“We believe the one who has power. He is the one who gets to write the story. So when you study history, you must ask yourself, Whose story am I missing? Whose voice was suppressed so that this voice could come forth? Once you have figured that out, you must find that story too. From there you get a clearer, yet still imperfect, picture.”

“This is the problem of history. We cannot know that which we were not there to see and hear and experience for ourselves. We must rely upon the words of others. Those who were there in the olden days, they told stories to the children so that the children would know, so that the children could tell stories to their children. And so on, and so on.” 

Jedes Kapitel ist aus der Sicht eines neuen Charakters geschrieben. Erst Effia und Essi, dann jeweils 6 ihrer Nachkommen. Auf diese Weise werden nicht nur die Schicksale der beiden Familien, sondern auch die historischen Ereignisse in Ghana und den USA miteinander verwoben. Durch die Augen der Protagonisten erleben wir die Stammeskonflikte in Ghana im 18. Jahrhundert, den absoluten Horror des transatlantischen Sklavenhandels, der unter amerikanischen und britischen Sklavenhändlern aufblühte.

Was mir bis dato nicht bewusst war, dass es Sklaverei auch vorher in Afrika gab. Bei Stammeskonflikten wurden oft Angehörige des unterlegenen Stammes als Hausmädchen, Ehefrauen, Dienstboten, als Sklaven mitgenommen und die westlichen Sklavenhändler waren eifrig dabei, Öl ins Feuer dieser Konflikte zu gießen und die Stämme dazu zu bringen, ihnen die Verlierer aus solchen Konflikten zu verkaufen.

“You want to know what weakness is? Weakness is treating someone as though they belong to you. Strength is knowing that everyone belongs to themselves.” 

Auf gerade einmal 300 Seiten wird so derart viel an geschichtlichem Wissen und Charakterstudien übermittelt, dass mein Hirn wohl noch eine Weile mit diesem Thema beschäftigt sein wird. Es war spannend, dieses Buch im Bookclub direkt nach Zora Neale Hurstons „Their Eyes were watching God“ zu lesen. Die passende Anschlusslektüre wäre wohl Colson Whiteheads „The Underground Railroad“, das auch schon eine Weile in meinem Regal steht. Wir waren uns bei der Diskussion im Übrigen so einig wie selten. Ich glaube fast jede hat dem Roman 5 Sterne gegeben.

Das Buch ist, wie zu erwarten, keine einfache Lektüre. Brutalität, Blut, Auspeitschungen, Rassismus, die unerträgliche Überlegenheit der Sklavenhändler, die fürchterliche Angst, die der „Fugitive Slave Act“ von 1850 brachte, etc.
Gyasi behandelt diese Themen mit viel Sensibilität, sie schafft ein ehrliches und realistisches Porträt der Gewalt, ohne voyeuristisch zu wirken.

Eine mutige, ungeschminkte Geschichte über die noch immer anhaltenden Effekte der Kolonisation Afrikas und des Sklavenhandels. Unglaublich, dass es sich bei diesem Buch um ein Debüt handelt, was für ein Talent. Ich bin sehr gespannt auf das nächste Buch dieser großartigen Autorin, die ihrem Vorbild Toni Morrison alle Ehre macht.

Danke an Leila, für die Übersendung dieser spannenden Artikel über die Autorin:

und

https://www.theguardian.com/books/2017/oct/28/yaa-gyasi-my-writing-day

sowie dieses spannende Interview/Lesung mit ihr:

Auf deutsch erschien der Roman unter dem Titel „Heimkehren“ im Dumont Verlag.

Meine Woche

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Gesehen: „Moonlight“ (2016) von Barry Jenkins mit Trevante Rhodes und Janelle Monáe. Eine unglaublich poetisch-melancholische Liebesgeschichte mit phantastischen Bildern und wunderbarem Soundtrack.

A Ghost Story“ (2017) von David Lowery mit Rooney Mara und Casey Affleck. Ein poetisch leiser Film mit beeindruckenden Bildern und großartigem Soundtrack.

The Girl with all the Gifts“ (2016) von Colm McCarthy mit Sennia Nannua, Gemma Arterton und Glenn Close. Ein etwas anderer Zombie-Film der mir gut gefallen hat.

Gehört: „Neighborhood #2“ – Arcade Fire, „Their Helicopters Sing“ – Godspeed You! Black Emperor, „Eats Darkness“ – Apostle of Hustle, „Hug of Thunder“ – Broken Social Scene, „Mountains made of Steam“ – A Silver Mt Zion

Gelesen: Angela Merkel und die Roboter und Where do whales go when they die

Getan: in Montreal Streetart fotografiert und die Biosphere besucht, viel gewandert im Banff Nationalpark, Bären, Rentiere und Elche fotografiert und den kanadischen Mücken als all you can eat Buffet gedient 😉

Geplant: wandern im Jasper Nationalpark

Gegessen: Bison Burger

Getrunken: Kokanee Bier (lecker) und Lot40 Rye Whisky (bäh)

Gelacht: über die Rentiere (?) die in Banff über den Zebrastreifen gingen

Geärgert: über die Mücken

Gefreut: über die phantastische Landschaft

Geklickt: Jane Brown, the english Cartier-Bresson

Gewünscht: dieses Haus

Gekauft: ein Canada-Notizbuch und ein Tshirt

Gestaunt: wie unglaublich schön dieses Land ist und wie schwierig es ist hier Zeitungen zu finden

Gedacht: The answers you get from literature depend on the questions you pose (Margaret Atwood)

#WomeninSciFi (26) Lagune – Nnedi Okorafor

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Eine Weile lang war ich ganz überrascht, dass niemand über Nnedi Okorafor schreiben wollte und nun gibt es kurz hintereinander zwei Beiträge über Bücher der afrikanischen Autorin. Ich freue mich sehr, dass Kathrin von Phantásienreisen dabei ist! Wie der Blogname vermuten lässt findet man hier Besprechungen von Phantasie-Romanen, aber das ist lange nicht alles. Insbesondere ihre Besprechungen von besonderen Buch-Schmuckausgaben sind sehr gefährlich für mich und ich liebe die wöchentliche Rubrik „Sonntagsleserin“. Jetzt aber ab in die „Lagune“:

Nnedi Okorafor spaltet mit ihrer Science Fiction immer wieder die Meinungen der Leserinnen und Leser: Die einen empfinden ihre Geschichten als innovativ und loben die Einflechtung afrikanischer Mythen und Schauplätze, andere bemängeln, dass Okorafors Geschichten hinsichtlich Handlung und Charakteren schwächeln. Daher nahm ich #WomeninSciFi zum Anlass, mich Nnedi Okorafors Roman „Lagune“ zu widmen und herauszufinden, woher all das Lob und die Kritik rühren.

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In „Lagune“ entführt uns die US-Autorin in die Heimat ihrer Eltern: Nigeria. Genauer gesagt nach Lagos, die Lagunen-Stadt, die – nach Ansicht der Autorin – so viel Schönes und Hässliches vereint wie kein anderer Ort dieser Welt. Okorafors Liebe zu dieser Stadt wird in jeder Zeile des Buches spürbar. Sie fängt gekonnt die Stimmung und das Leben in dieser Stadt auf, ohne auf detaillierte Beschreibungen zurückgreifen zu müssen. Als Leserin fühlte ich mich zeitweise, als befände ich mich mitten unter den Einwohnern diese Stadt. Ich spürte die Hitze auf meiner Haut, roch das salzige Meer und atmete die schmutzige Luft ein, welche die „Fahr-Lahms“[1] verursachten. In der Schaffung von Atmosphäre liegt dabei Nnedi Okorafors größte Stärke. Das zeigt sich bereits im Prolog, in dem sie einen Schwertfisch erzählen lässt. Wir sehen, denken und bewegen uns wie der Fisch durch das Meer vor Lagos, werden wütend angesichts der Menschen, die mit ihrem Öl unseren Lebensraum verseuchen und fühlen uns plötzlich magisch angezogen zu etwas Neuem, Fremden im Meeresgrund, etwas, das uns und die anderen Meeresbewohner größer und stärker macht und uns damit etwas schenkt, womit wir uns den Menschen zur Wehr setzen können. Dieser intensive, alle Sinne ansprechende Prolog gehört wohl zu den besten Buchbeginnen, die ich je gelesen habe und setzte damit die Messlatte für den Rest des Romans hoch.

Leider ist es Okorafor jedoch nicht gelungen, dieses Niveau zu halten. Das fängt bereits bei der dürftigen Handlung an, die uns Altbekanntes an einem lediglich neuen Schauplatz präsentiert: Außerirdische sind in den Tiefen des Ozeans gelandet, um auf unserem Planeten eine neue Heimat zu finden. Eine von ihnen, die später unter dem Namen Ayodele bekannt sein wird, nimmt den Erstkontakt zur Menschheit auf. Sie führt drei Menschen am Strand von Lagos zusammen, die zwischen den Außerirdischen und der nigerianischen Bevölkerung vermitteln sollen. Zu ihnen gehören die Meeresbiologin Adaora, der erfolgreiche, ghanaische Rapper Anthony und der Soldat Agu. Drei Menschen, die durch ihren Sachverstand, ihre Wortgewandtheit und ihre Kontakte zu Militär und Politik auf verschiedenen Ebenen agieren können. Doch die Menschen reagieren, wie sie dies fast immer bei etwas Fremdem, Unbekannten tun: mit Panik, Angst und Vorurteilen. Binnen 24 Stunden versinkt Lagos in Chaos und Gewalt, während gleichzeitig verschiedene Institutionen und Personenkreise versuchen, aus diesen Entwicklungen einen Vorteil zu ziehen. Man kennt das. Nur ist der Schauplatz dieses Mal nicht Nordamerika, sondern Afrika. Lässt sich dadurch das schon tausendfach durchgespielte Szenario einer Begegnung zwischen Menschheit und außerirdischen Lebensformen neu erzählen? Theoretisch ja. Praktisch hat Nnedi Okorafor diese Chance aber vertan. Stellt man sich die Frage, ob Okorafors Geschichte in dieser Weise auch an jedem beliebigen anderen Ort der Welt hätte spielen können, muss man diese leider eindeutig mit Ja beantworten.

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Foto: Litnet

Dabei hätten afrikanische Erzähltraditionen und Mythen durchaus zu einer neuen Perspektive und individuellen Umsetzung der Erstkontaktthematik führen können. Okorafor hat dies im Laufe des Buches ein paar Mal versucht, in dem sie Gottheiten oder übernatürliche Wesen einführt. Leider sind diese zu lose mit der Geschichte verflochten; ihre Handlungsstränge werden kurz aufgegriffen und anschließend für lange Zeit oder gar für immer fallen gelassen. Ähnlich verhält es sich mit anderen Grundgedanken und Ideen, die sich in „Lagune“ finden lassen, beispielsweise der schmale Grat zwischen Glauben und Fanatismus, die Eigendynamik gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen oder der Hang der Menschheit zur Zerstörung. „Lagune“ hätte somit leicht als Spiegel aktueller politischer und gesellschaftlicher Missstände wie Xenophobie fungieren können: Obwohl die Menschen in Lagos noch nichts über die Absichten der Außerirdischen wissen, sehen sie sie direkt als Bedrohung an – aus Angst vor den Fremden, aus Sorge darüber, dass ihre Ankunft Nachteile für die in Lagos lebenden Menschen mit sich bringt. Doch Nnedi Okorafor greift diese Parallelen nicht weiter auf. Sie lässt auf episodenhafte Weise verschiedene Figuren zu Wort kommen, um uns einen breitgefächerten Überblick über die Ereignisse in der Stadt zu geben, springt  dabei allzu oft hin- und her und verstrickt sich in einem Potpourri aus Figuren und gut gemeinten Ideen, für die in diesem Ausmaß auf den rund 400 Seiten nicht genug Platz ist. Nnedi Okorafor hat viel gewollt und genau deshalb zu viele Abstriche gemacht, um alles zumindest kurz einbinden zu können.

Das geht nicht nur auf Kosten der spärlichen Handlung, sondern auch auf Kosten der Charaktere, die zu einem großen Teil recht blass oder gar stereotyp bleiben und deren tiefer liegende Beweggründe kaum deutlich werden. So sieht sich Meeresbiologin Adaora nach über zehn Jahren ihrem radikal veränderten Ehemann gegenüber: Einst ein liebevoller Mensch, der sie in all ihren Zielen und Träumen unterstützte, agiert er scheinbar aus dem Nichts heraus zornig, gewalttätig und intolerant. Okorafor begründet diesen Wandel mit einem traumatischen Erlebnis während eines Fluges und einem dadurch erweckten religiösen Fanatismus. Eine Erklärung, mit der es sich die Autorin einfach gemacht hat und die im Ausmaß der Veränderungen doch noch zu dürftig erscheint, insbesondere da Adaoras Ehemann im weiteren Verlauf des Buches noch einmal einen solchen Wandel um 180 Grad vollzieht.

Kann „Lagune“ dann wenigstens hinsichtlich der Science Fiction-Elemente überzeugen? Nicht, wenn man wirklich Wert auf die Science legt. „Lagune“ ist ein Roman über uns Menschen an sich, in dem zufällig auch Außerirdische und eine Meeresbiologin eine Rolle spielen. Wissenschaftliche Konzepte, Phänomene oder Ideen werden quasi gar nicht aufgegriffen, weshalb auch Adaoras Profession der Meeresbiologin überflüssig ist und sie jeden anderen Beruf hätte ausüben können, ohne dass dies Auswirkungen auf die Geschichte gehabt hätte.

Für den ein oder anderen Lesenden mag es erfrischend wirken, Altbekanntes und Bewährtes an einem Schauplatz zu erleben, der in der Literatur noch verhältnismäßig wenig bedient wird. Wer jedoch gezielt auf der Suche nach etwas wirklich Neuem und Innovativem ist oder sich auch nur eine Handlung mit Tiefgang und wissenschaftlichen Schwerpunkten wünscht, ist mit Nnedi Okorafors „Lagune“ falsch bedient. Für mich entpuppte sich „Lagune“ daher nach einem starken Start und hohen Erwartungen zu einer großen Enttäuschung

[1] Staus bzw. stockender Verkehr durch zu stark befahrene Straßen