Hirngymnastik – Genetik und Evolution

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Ich finde alles, was mit der Entstehung und Entwicklung des Lebens zu tun hat, unglaublich spannend. Schon lange beschäftigte mich daher die Frage, wie aus der Ursuppe die ersten Gene entstanden sind und wie im Laufe von Milliarden Jahren dann irgendwann so in den letzten 5 Minuten der Zeit der Mensch in seiner heutigen Form erschien.

Durch die komplette Entschlüsselung des Genoms, die unglaublich faszinierende CRISPR Cas-Methode und nicht zuletzt natürlich durch meine Lieblings-Science-Serie „Orphan Black“ wurde ich dazu animiert, mich eine Zeit lang deutlich intensiver mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Willkommen zum zweiten Teil der Hirngymnastik und los gehts:

Matt Ridley – Genome

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Matt Ridley ist meines Erachtens einer der besten Autoren im naturwissenschaftlichen Bereich. Das dieses Buch hier schon über 15 Jahre alt ist, merkt man ihm nicht an, es hat nichts an Aktualität, Anspruch und Bedeutsamkeit verloren. Habe es vor vielen Jahren mal gelesen und es wurde dringend Zeit für eine neue Runde. Ridley widmet jedes der 23 Kapitel einem spezifischen Gen, die an den 23 Chromosomen Paaren zu finden sind. Das Buch soll kein Buch über Krankheiten sein, dennoch sind insbesondere Erbkrankheiten ein wichtiges Thema des Buches. Die letzten Kapitel beschäftigen sich mit allgemeineren Themen wie genetischem Determinismus, Eugenik, Erbschaftslehre und der immer wieder spannenden Frage von Nature vs. Nurture. Sind wir und unsere Körper und unser Hirn in bestimmter Art und Weise vorprogrammiert für bestimmte Vorlieben?

“Imagine that the genome is a book.

There are twenty-three chapters, called CHROMOSOMES.
Each chapter contains several thousand stories, called GENES.
Each story is made up of paragraphs, called EXTONS, which are interrupted by advertisements called INTRONS.
Each paragraph is made up of words, called CODONS.
Each word is written in letters called BASES.” 

Das Buch gibt einen spannenden Einblick in die Geschichte der Menschheit, wie wir wurden, was wir sind. Das Humangenomprojekt hat unser komplettes Genom komplett entschlüsselt und es den Menschen erstmals ermöglicht, die Ursache von Krankheiten und mögliche Therapien zu entdecken und die Lebensqualität zu verbessern. Dieses Wissen, das durch die Genforschung entsteht, ist wichtig und notwendig, wie wir dieses Wissen dann später nutzen, ist eine komplett andere und ebenfalls sehr sehr wichtige Diskussion.

Ridley glaubt an den freien Willen und ist daher fest davon überzeugt, dass Vererbung nicht automatisch Unveränderlichkeit bedeutet. Du selbst und nicht Deine Gene kontrollieren Dein Leben.

“The fuel on which science runs is ignorance. Science is like a hungry furnace that must be fed logs from the forests of ignorance that surround us. In the process, the clearing we call knowledge expands, but the more it expands, the longer its perimeter and the more ignorance comes into view.”

Gregory E. Pence „What we talk about when talk about Clone Club“

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Als Mitglied im Clone Club und weltgrößter Fan der Science-SciFi-Klon-Serie „Orphan Black“ durfte dieses Buch natürlich nicht fehlen. Es ist aber nicht nur eine unbedingte Empfehlung für Fans der Serie, sondern für alle, die sich für Bioethik und Genetik interessieren.

Pence beschäftigt sich in seinem Buch mit Bioethik, einem Feld, das sich mit wissenschaftlichen und medizinischen Fragen beschäftigt. Wer die Serie kennt, wird sich vermutlich mit der Frage beschäftigt haben, wieviel Science steckt da wirklich drin und wie realistisch ist diese dargestellt. Was sind die moralischen und rechtlichen Implikationen, wenn wir über Klone nachdenken. „I am not your property“ war einer der Sätze, die sich mit der Frage beschäftigte, wem gehören DNA Patente? Dazu sollte man sich auch unbedingt einmal diesen TED Talk angucken:

https://www.ted.com/talks/tania_simoncelli_should_you_be_able_to_patent_a_human_gene

Wie ist es möglich, dass Klone, die dem gleichen Baukasten entspringen, so unterschiedlich sind mit Blick auf Aussehen, Verhalten und der Art und Weise zu denken? Pence beschäftigt sich mit den Themen Geschlechtsidentität, Fragen der sexuellen Orientierung mit Blick auf „Lifestyle Choices“, die in der Serie thematisiert werden und mit der Frage, was das Klonen mit der dunklen Geschichte der Eugenetik zu tun hat sowie mit psychologischen, rechtlichen und medizinischen Aspekten.

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Cosima: „You know your clones, we call each other sister.
Kendall: Call yourselves what you want. You’re just a bad copy of me. 
Cosima: We’re kind of over the whole bad copy thing. It’s way more accurate for us to call you older sister.“

Pence schafft es, die Wissenschaft hinter Orphan Black zugänglich zu machen und ich habe einiges gelernt bei der Lektüre. Beispielsweise war mir vorher nicht klar, dass eineiige Zwillinge sich genetisch ähnlicher sind als Klone. Durch Umwelteinflüsse und kleine Unterschiede in der Zusammensetzung der mitochondrialen Gene in der Eizelle, die den Nukleus des Klons beherbert, und unterschiedlich verlaufende Schwangerschaften sind der Grund dafür, dass Klone etwas unterschiedlicher sind als eineiige Zwillinge. Also, auch wenn Rachel und Cosima zum Beispiel 99% identisch sein mögen, ist die Übereinstimmung zwischen den Zwillingen Sarah und Helena denoch höher.
Der Autor macht Lust, sich mit den bioethischen Fragen zu beschäftigen, die Wissenschaft hinter der Serie zu ergründen und man merkt, dass er ebenfalls stolzes Mitglied im Clone Club ist und seine Begeisterung ist definitiv ansteckend.

Richard Dawkins – „The Selfish Gene“

Richard Dawkins – The Selfish Gene

Noch ein Klassiker, dem man seine 30+ Jahre, die es auf dem Buckel hat nicht anmerkt. Dawkins Bücher sind sehr zugänglich, nicht nur durch die eingängige Sprache, sondern seine Art, komplizierte Dinge mit passenden Methaphern zu bestücken. Spieltheorie spielt eine große Rolle, wenn man Genetik verstehen will. In diesem Buch hat Dawkins auch den Begriff „Meme“ zum ersten Mal gebraucht, der selbst zur Meme wurde. Eine „Meme“ ist das kulturelle Pendant zum biologischen Gen. Meme versuchen, sich durch Verbreitung selbst zu erhalten und passen sich ebenfalls durch Mutationen an, wenn dies ihrer Selbsterhaltung zuträglich ist.

Hier einer meine Lieblings-TED Talks zum Thema Memen:

http://www.ted.com/talks/susan_blackmore_on_memes_and_temes

Dawkins beschäftigt sich im Buch unermüdlich mit dem Gegensatz zwischen dem Egoismus der Gene, der notwendig ist zum Überleben, und dem Altruismus der gleichzeitig ein großer Teil unserer Menschlichkeit ist. Wie erklärt sich Altruismus? Dawkins findet sich im Buch oft in der Rolle des Störenfriedes und Spaßverderbers, denn immer wenn wir glauben, dass der Mensch tief drinnen doch echt ein gutes Wesen ist, zeigt er uns wieder und wieder, dass positives Verhalten von unseren Genen gesteuert wird und denen am Ende immer zu Gute kommt.

“Let us try to teach generosity and altruism, because we are born selfish. Let us understand what our own selfish genes are up to, because we may then at least have the chance to upset their designs, something that no other species has ever aspired to do.”

Es ist ein absolut faszinierendes Buch das ich jedem empfehlen würde der sich für Genetik, Evolution und Soziologie interessiert. Es macht Spaß zu lesen, ist nicht schwierig und man lernt permanent mehr über sich und unseren Ursprung.

“In the beginning was simplicity.” 

Dawkins erfährt in letzter Zeit viel Ablehnung, da er einer der entschiedensten und offensivsten Atheisten ist und das vielen nicht passt. Religiöse Leute lesen seine Bücher wahrscheinlich ohnehin nicht, falls sie es tun, sollten sie allerdings tatsächlich ein etwas dickeres Fell haben, denn er fasst sie nicht mit Samthandschuhen an. Er ist ein leidenschaftlicher Anhänger von Darwins Evolutionstheorie und hat für Kreationisten absolut nichts übrig.

“The meme for blind faith secures its own perpetuation by the simple unconscious expedient of discouraging rational inquiry.” 

Solange man keine Chance hat, in Amerika Präsident zu werden, solange man nicht irgendeiner Religion angehört (und vermutlich in einer ganzen Reihe anderer Länder), solange sind bekennende und offensive Atheisten nötig.

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Charles Darwin – Hosts of Living Forms

Dieses kleine Büchlein war alles andere als leichte Kost. Habe mich ganz schön gequält, denn so sehr mich Darwins Ideen im Buch auch faszinieren, die Sprache musste ich erst einmal knacken, um an den Kern vorzudringen.

Er beschäftigt sich hier überwiegend mit der Unzulänglichkeit der Fossilien und wie identische Spezies teilweise über riesige zeitliche und räumliche Entfernungen existieren können, wie Fossilien entstehen und wie lang es braucht, bis Landmasse erodiert.

Ein Buch, das vermutlich etwas zugänglicher wird, wenn man ein bisschen was geraucht hat. Ansonsten ist Darwin im Original eher was für Fortgeschrittene.

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„I look at the natural geological record, as a history of the world imperfectly kept, and written in a changing dialect; of this history we possess the last volume alone, relating only to two or three countries. Of this volume, only here and there a short chapter has been preserved; and of each page, only here and there a few lines. Each word of the slowly-changing language, in which the history is supposed to be written, being more or less different in the interrupted succession of chapters, may represent the apparently abruptly changed forms of life, entombed in our constructive, but widely separated, formations.“

Neben den Büchern habe ich mich noch mit Hank Greens Crash Course Biology beschäftigt

und die Episode „The Evolutionary Epic“ in dem es um Evolution ging:

 

Beides wirklich empfehlenswert. Der nächte Teil der Hirngymnastik beschäftigt sich voraussichtlich mit Physik – tune in for more Fun with Facts 😉

Matt Ridley – „Die Geschichte des Genoms“ erschienen im Claasen Verlag
Gregory E. Pence – „What we talk about when we talk about Clone Club“
Richard Dawkins – „Das egoistische Gen“ erschienen im Springer Verlag
Charles Darwin – „Hosts of Living Form“ erschienen im Penguin Verlag

Meine Woche

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Gesehen: „Selma“ (2014) von Ava DuVernay. Biopic über Martin Luther King. Sehr bewegend, kann ich empfehlen.

Midnight Special“ (2016) von Jeff Nichols. Sci-Fi um einen kleinen Jungen mit außergewöhnlichen Kräften der auf der Flucht ist vor einer religiösen Sekte und dem FBI. Hat mir gefallen, aber „Take Shelter“ vom gleichen Regisseur fand ich besser.

Iris“ (2014) Dokumentation über die über 90jährige Fashion-Ikone Iris Apfel. Wirklich interessant.

The Reaping“ (2007) von Stephen Hopkins. Religiöser Humbug-Horrorfilm den auch Hilary Swank nicht retten konnte. Finger weg.

The Returned“ (2015) leider nach Staffel 1 eingestellt. Serie über Verstorbene die zurückkehren, ohne zu wissen das sie tot sind. Adaption der französischen Serie „Les Revenants“, die noch besser sein soll.

Gehört: „November“ – Trentemoller, „Real big sky“ – Emma Ruth Rundle, „My love tonight“ – Tanita Tikaram, „Pleiades“ – Blanket of Rock, „Transmission Data Terminate“ – Archive, „After the Fall“ – Chelsea Wolfe; „Les Revenants“ – Mogwai

Gelesen: diesen Artikel von Iris Radisch über Hilary Clinton, diesen Artikel im New Yorker über Jane Jacobs, wie es ist ist eine Woche auf dem Burning Man Festival zu sein, über unsere Sehnsucht nach neuen Welten, über Margaret Atwoods Adaption von „The Tempest

Getan: Alex Capus im Maria Passagne beim Vorlesen zugehört, die sonnigen September-Tage genossen und ansonsten viel geschrieben und gelesen, über eine etwaige Wohnungsrevovier-Aktion gefachsimpelt und endlich meine Aloe Vera umgetopft

Geplant: nach Dortmund fahren, Kurz-Besuch von einer lieben Ex-Isländerin bekommen

Gegessen: Spinatnudeln und sauscharfen leckeren Mangold-Linsen-Eintopf

Getrunken: alkoholfreies Jever

Gelacht: Smiling gives you wrinkles. Resting bitch face keeps you pretty
und wer hätte gedacht, dass Sheldon bei uns arbeitet.

Geärgert: nope

Gefreut: über den Emmy für Tatiana Maslany und über ein wunderschönes Buch im Briefkasten

Gewünscht: dieses Tischchen, diese Plantbox, diese Uhr, diesen Wecker

Gekauft: nix

Gefunden: meinen Ammoniten und den Haifisch-Zahn die verschwunden waren 😉

Geklickt: wie New York in naher Zukunft aussehen könnte, diesen TED Talk über DNA Self-testing

Gewundert: wie sehr die Welt Kopf steht weil zwei Promis sich trennen

The Interestings – Meg Wolitzer

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Dieser Roman hat im Bookclub für ordentlich heiße Diskussionen gesorgt. Da gab es die gelangweilten, von den überhaupt nicht interessanten „Interestings“ genervten und auf der anderen Seite die recht euphorischen Befürworter des Romans. Dazwischen war eigentlich nicht viel.

Ich gehöre zu den eher euphorischen Anhängern und entsprechend ist meine Besprechung hier gefärbt. Zeitweise hatte ich das Gefühl eine „Justice for Jules“ Kampagne ins Leben rufen zu müssen, sie hat ordentlich einstecken müssen 😉

Im Sommer 1974 treffen sich 6 Teenager in einem recht exklusiven Kunst-Sommercamp in New England. Jules gelangt in den inneren Zirkel der coolen, urbanen New Yorker und aus der provinziellen Julie wird Jules, die der Enge ihrer Herkunft durch ihre Freunde zu entfliehen hofft. Die sechs schließen über den Sommer Freundschaft, die teilweise ein lebenlang halten wird. Kreativität und Kunst sind ihr Lebenselixier und alle versuchen, ihre Talente auch beruflich zu nutzen, aber einzig Ethan gelingt der wirklich große Durchbruch.

Die Gruppe nennt sich „The Interestings“ und insbesondere Jules und Ethan investieren unglaublich viel Energie und Herzblut in diese Freundesgruppe. Es ist wahrscheinlich nicht schwer, Jules nicht zu mögen. Sie schämt sich ihrer Wurzeln, hängt sich an ihre coolen Freunde, versucht sich ihnen anzupassen und ist gelegentlich neidisch auf ihre Freunde. Das Thema Neid fand ich sehr spannend in diesem Zusammenhang. Neid ist immer negativ besetzt, dabei gibt es ja durchaus zwei Ausprägungen, das bittere neiden, das einem anderen etwas nicht gönnt, nach dem Motto „ich will was du hast, denn ich gönne es dir nicht“ – das die Menschen ganz unglücklich macht und sie zerfrisst ist natürlich eine verdammt schlechte Eigenschaft. Aber es gibt – meine ich – auch eine Form von Neid, die ein notwendiger Motor von Veränderungen ist. Eine Neid von „ich will das auch was du hast und idealerweise nicht nur für mich, sondern auch für andere“. Ein positiver Motor, der nicht unglücklich macht, weil man etwas nicht hat, sondern der Möglichkeiten für positive Veränderungen sieht.

An der Stelle gab es eine Menge spannender Diskussionen in unserem Bookclub. Natürlich kann das total glücklich machen, einfach zu akzeptieren was man hat und sich daran erfreuen, ich sehe aber das Positive, das entsteht, wenn man den Status Quo nicht akzeptiert, sondern für sich und andere mehr erreichen will.

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Sehr spannend auch zu sehen, wie unterschiedlich Menschen mit Talent umgehen. Nur einer in der Gruppe hat ein überdurchschnittlich großes, ganz klar von klein auf ausgeprägtes Talent. Solche Menschen machen fast immer ihren Weg, auch wenn sie aus nicht privilegiertem Umfeld kommen. Die meisten Menschen haben aber denke ich, keine Supertalente, sondern entdecken und finden ihre Talente im Laufe ihres Lebens und da haben dann in der Regel die aus priviligiert stammendem Umfeld einen deutlich Vorteil. „Normales“ Talent reicht bei Privilegierten oft trotzdem zum Erfolg. Wie im Buch bei Ash, die es mit einem durchschnittlich ausgeprägten Maß an Talent schafft, erfolgreich als Regisseurin zu sein, dass durchschnittlich ausgeprägte Maß Talent reicht bei Jules, die keinen priviligierten Hintergrund hat nicht aus. Sie verlässt die Kunst irgendwann, um sich einen normalen Brot- und Butterjob zu suchen und ist in diesem dann auch ganz erfolgreich.

Der immer freundliche, nicht gutaussehende, aber super zuverlässige Ethan, der von klein auf ein begabter Comiczeichner ist, die feenartige hübsche Ash, um deren Achse die Gruppe zu spinnen scheint, ihr Bruder Goodman, der typische verwöhnte Lebemann ohne große Ambitionen und einem Hang zu Alkohol und Drogen, die Sexbombe Cathy, die Tänzerin werden möchte, und der zierliche gitarrespielende Hippie-Junge Jonah – ich konnte sie so deutlich vor mir sehen und fand es spannend, ihren Lebensläufen zu folgen.

Die Gruppe der „Interestings“ sind natürlich in Wirklichkeit gar nicht so interessant wie sie sich selber finden. Für sich selbst ja und sie betreiben auch einen ziemlichen Kult um sich selbst. Aber vielleicht hält sich jeder für wesentlich interessanter, als er eigentlich ist, vielleicht ist das auch gut so. Wenn wir uns selbst nicht interessant finden, wer denn dann ? 😉

Ein Buch, das polarisiert, das man langweilig findet, weil man nicht über eine Gruppe von Leuten lesen möchte, die sich selbst zu wichtig nehmen oder aber das man nicht aus der Hand legen kann, weil die Dialoge so gut sind und weil Meg Wolitzer nicht nur gut schreiben, sondern auch verdammt gut beobachten kann. Ich konnte es nicht aus der Hand legen, ich mochte die Mischung aus Ehrgeiz, Sehnsucht, Eifersucht, Erfolg und Neid, die die Freunde prägt. Das Buch handelt vom Glück, seinem Talent zu begegnen, von der Schwierigkeit, es in einen Job und Erfolg zu verwandeln und auch den Preis, den man manchmal bereit ist dafür zu zahlen. Talente werden gepflegt, zerstört und wiederentdeckt.

Probiert es aus und entscheidet selbst, ich freue mich schon auf weitere Lektüre von Meg Wolitzer. Einig waren wir uns auf jeden Fall, dass wir mehr Talente brauchen, aus allen „Walks of Life“ und diese zu entdecken, zu fördern und zu „heben“ ist eine unserer wichtigsten Aufgaben als Gesellschaft.

Das Buch erschien auf deutsch unter dem Titel „Die Interessanten“ im Dumont Verlag.

Meine Woche

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Gesehen: „Her“ (2013) von Spike Jones mit Joaquín Phoenix und Scarlett Johansson. Ein Film der in der nahen Zukunft in LA spielt, in dem ein sensibler jungen Mann sich in ein Operating System verliebt. Ein wunderschöner melancholischer Film, undbedingt anschauen. Der Soundtrack dazu ist vom Feinsten.Hätte ich meine Liste der 100 besten Filme nicht schon abgeschlossen, er wäre drauf gelandet. Ob ich doch noch mal ändere ? 😉

What happened, Miss Simone?“ (2015) – von Liz Garbus. Tolles Bio-Pic über Nina Simone. Sehr gut umgesetzt, kann ich auch unbedingt empfehlen, nicht nur für Fans.

The Councelor“ (2013) von Ridley Scott und Cormac McCarthy mit Michael Fassbender und Cameron Diaz. Ich glaube ich sollte einfach akzeptieren, dass einige Genre für mich einfach nix sind. Drogen-Thriller-Gangster Sachen zB. Fand ihn ziemlich langweilig.

Gehört: „Bright Lights“ – Archive, „Some other place“ – Arcade Fire, „The Moon Song“ – Karen O, „Ne me quitte pasNe me quitte pas“ – Nina Simone

Gelesen: „Googeln statt Wissen„, die Interpretationen von Clintons Schwächeanfall, The Power of Humility, über die Entstehung des Mondes, Is Homo Sapiens an obsolete Algorithm von Yuval Noah Harari, Hannah Arendt philosophiert über den politischen Sokrates, wie man eine Stadt wie Tokio am laufen hält, das Interview mit Carol Dweck zu Mathematik, Motivation, Mädchen und MINT Fächern.

Getan: in trockener Jogginghose und ansonsten vollkommen durchnässt die Lesung von Colm Toibin im Literaturhaus besucht, im Bookclub diskutiert, mit einer Freundin wunderbar die Nacht durchdiskutiert, dem dunklen Nero einen Besuch abgestattet oh und den Kampf um unsere Wohnung zwischen der Riesenspinne und uns gewonnen.

Geplant: nicht krank werden und mal wieder alles in Frage stellen

Gegessen: Erdnuss-Schoko-Cheesecake

Getrunken: zu viel Kaffee

Gelacht: „Sometimes, your total obliviousness just blows my mind“

Geärgert: das der TEDx Salon zur gleichen Zeit war wie unser Bookclub

Gefreut: über eine tolle Einladung vom Hanser-Verlag und über ein sehr gelungenes Treffen einer Freundin

Gewünscht: dieses Apartment, diese Biosphere besuchen, diesen Kleiderschrank

Gekauft: nix

Gefunden: Godzilla-DVD im offenen Bücherschrank – woohooo

Geklickt: auf James Burkes „Connections„, Neha Narula – „The Future of Money

Gewundert: das es immer noch Menschen gibt die glauben man kommt ohne Wertschätzung weiter als mit. Boy are you in for a surprise 😉

Short but sweet

Nein sie haben nicht wirklich etwas miteinander zu tun die drei, außer das ich sie erst kürzlich gelesen und noch nicht besprochen habe. Für die Ausführlichkeit fehlt mir momentan die Zeit, daher heute drei auf einen Schlag und das ganze short und sweet.

Aharon Appelfeld – „Geschichte eines Lebens“

Ein ungewöhnliche, berührende Biografie – trotz aller Schrecklichkeit, die der Geschichte eines Holocaust-Überlebenden innewohnt. Appelfeld zeichnet fesselnde kleine Vignetten, in denen er immer wieder über die Schwierigkeit des Erinnerns sinniert.

Er beschreibt die Zeit bevor seine Mutter getötet wurde, seine Flucht aus dem Ghetto, in dem er mit seinem Vater und Onkel eingesperrt war und seine einsamen Jahre auf der Flucht, die er teils im Wald, teils arbeitend bei anderen Familien verbrachte. Sein unerschütterlicher Glaube, von seiner Mutter und seiner Familie gefunden zu werden, seine Schwierigkeiten als Jugendlicher in Israel Fuß zu fassen, sind bewegend, ohne je sentimental zu werden.

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Ein wunderschönes, bedächtiges Buch, dem ich mit meiner Kurzbeschreibung hier nicht gerecht genug werde. Eine sehr gute Rezension findet ihr bei Sätze und Schätze, dort wurde ich auch an das Buch erinnert, das schon seit längerer Zeit bei mir im Regal stand.

Rebecca Solnit – Hoffnung in der Dunkelheit

Ein wiedergelesenes Buch, denn Solnit ist eine Autorin, die ich so sehr schätze und als ich es aus dem Regal holte, da brauchte ich etwas Hoffnung und die versteht Solnit zu geben. Meine leisen Befürchtungen, die Essays aus dem Jahr 2004 könnten vielleicht überholt wirken, waren absolut unbegründet.

Schon 2004 beschäftigte sich Solnit mit Hoffnung in dunklen Zeiten und auch wenn man aus heutiger Sicht glauben mag, 2004 war es doch lange noch nicht so schlimm wie heute, jede Zeit hat seine dunklen Phasen und wir müssen lernen den Optimismus nicht zu verlieren.

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Solnit versucht die hellen Flecken zu finden, nicht nur die Niederlagen zu sehen, sondern die vielen Siege, die es im Laufe der Geschichte immer wieder gegeben hat. Sie beschäftigt sich mit der Geschichte des politischen und gesellschaftlichen Aktivismus der letzten fünf Jahrzehnte. Vom Fall der Mauer zu den weltweiten Protesten gegen den Irak Krieg. Sie versucht neue Perspektiven aufzuzeigen, in dem man nicht den Misserfolg sieht, weil der Krieg nicht gestoppt wurde, sondern den Erfolg, denn es wurden zahlreiche wertvolle Netzwerke, Gemeinschaften etc. geschaffen.

“Perfection is a stick with which to beat the possible.” 

Solnit ist eine Autorin, die mir direkt aufs Herz schreibt. Die hoffnungsvoll und optimistisch ist und wilde Möglichkeiten sieht. Die aber auch kritisiert und den Finger draufhält, wo es weh tut. .

“People have always been good at imagining the end of the world, which is much easier to picture than the strange sidelong paths of change in a world without end.”

Hoffnung in der Dunkelheit stand im Regal, als ich gerade etwas Hoffnung brauchte, aber ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, kann ich ihre Bücher einfach grundsätzlich empfehlen.

Thomas Pyczek – Ende der Welt

Nein, keine Dystopie, auch wenn der Titel und meine Vorliebe für dieses Genre das vielleicht nahelegen. Eine Reise in die Vergangenheit, die bis ans Ende der Welt führt. Eine gute Mischung aus Krimi, Reiseliteratur mit einem Schuss Liebe und Erotik.

1991 beschließt André, eine Reise durch Amerika zu machen, bevor er sich endgültig niederlässt und dem Ernst des Lebens widmet. Er kommt bis Feuerland. In Ushuaia trifft er eine geheimnisvolle Frau und verschwindet.

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20 Jahre später macht sich Andrés damalige Freundin mit dem gemeinsamen Sohn  auf die Suche, um endlich zu erfahren was damals passierte. Doch kaum in Ushuaia angekommen, verschwindet auch Jan …

Wer eine Reise nach Feuerland plant, sollte das Buch unbedingt einpacken, es ist aber auch spannend, wenn man es auf der anderen Seite der Welt liest.

Freue mich, wenn ich mit dem einen oder anderen Buch Interesse wecken konnte. Bin gespannt auf Eure Rückmeldungen.

„Geschichte eines Lebens“ ist im Rowohlt Verlag erschienen.
„Hoffnung in der Dunkelheit“ ist im Pendo Verlag erschienen.
„Ende der Welt“ ist hier erhältlich.

 

 

 

 

Meine Woche

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Gesehen: „Suspiria“ (1977) und „Inferno“ (1980) von Dario Argento. Horror-Klassiker aus den 70er Jahren mit grandiosem Soundtrack (Suspiria). Absolut empfehlenswert. Muss man mal gesehen haben und schlafen kann man trotz des vielen Kunstblutes 😉

Snowpiercer“ (2013) von Bong Joon-ho mit Tilda Swinton und Chris Evans. Science-Fiction Film basierend auf dem französischen Comic Schneekreuzer). Richtig gut – unbedingt angucken!

Away from all the Suns“ (2013) von Isa Willinger. Dokumentation über die verfallenden Gebäude des Konstruktivismus und Futurismus in Moskau. Fand ich sehr interessant.

Gehört: „Suspiria Soundtrack“ – Goblin, „Love me like I’m not made of stone“ – Lykke Li, „Digging for Windows“ – Zack de la Rocha, „Hungry Face“ – Mogwai, „Polaroids“ – Diorama, „Love Theme for 1984“ – Teeth of the Sea

Gelesen: diesen Artikel im Guardian über mögliche Gefahren von A. I., was man von Star Trek über Leadership lernen kann, die BBC fragt sich „Are Britains best writers women?“ dieses Interview mit dem Stammzellen-Forscher Siddhartha Mukherjee,  diese Kolumne zur inneren Sicherheit und David Bowies Proust Fragebogen

Getan: das Museum Ägyptischer Kunst besucht, „Start-Stop-Continue“, mit Freunden den Spätsommer genossen im Stemmerhof, in der Bücherei gestöbert, an der Isar gelegen und gelesen und die Liste meiner Top 100 Filme des 21. Jahrhunderts erstellt. Puh

Geplant: Bookclub und TED Salon besuchen

Gegessen: Tomaten Chutney

Getrunken: kalten Pfefferminz Tee

Gelacht: wenn zwei Frauen gleichzeitig mit Schluckauf durch die Nacht radeln und die Zootiere erschrecken 😉

Geärgert: hmmmm glaub nicht

Gefreut: über die Hilfsbereitschaft einer Freundin aus London, den „Beweis“ das Konservative einen geringeren IQ haben – I knew it 😉 , elektronische Post aus Weimar und den Michelin-Stern für einen Straßenkoch aus Singapur

Gewünscht: den Communicatordiese aufblasbaren Möbel, diese Ecke – genau so, dieses Bild

Gekauft: Bücher – die Folio Society macht mich arm

Geklickt: auf dieses Gespräch zwischen Richard Dawkins und Neil de Grasse-Tyson, auf das Festival der gefährlichen Ideen und auf die 10 schönsten Bibliotheken der Welt

Gewundert: das eine Aloe Vera Sonnenbrand bekommen kann

My 100 greatest Films of the 21st Century (so far)

Mit Listen bekommt ihr mich immer. Als die BBC kürzlich die Liste veröffentlichte, zuckte es schon kurz im Finger, ich habe es aber wieder in den Griff bekommen aber dann ruft Ms Boolena zur entsprechenden Blogparade auf und zack – da war es um mich geschehen. Statt mich brav meinen Büchern zu widmen, mache ich einen umfangreicheren Ausflug in die Filmwelt – hier ist meine – sehr persönliche und nicht ganz kanonige Liste der besten Filme des 21. Jahrhunderts (bis jetzt).

Was für eine Herausforderung – da fehlt sicher was oder ich würde zu einem anderen Zeitpunkt sicherlich die Reihenfolge ändern, aber das ist jetzt meine Momentaufnahme und witzigerweise haben die BBC und ich bei unserer Nr 1 komplette Übereinstimmung 😉

Und ich übernehme auch mal Ms Boolenas Fragen zur L
Welchen Film meiner Liste hättet ihr da gar nicht erwartet? Welchen seht ihr weiter vorn oder weiter hinten? Stimmt ihr der BBC eigentlich zu? Die hat David Lynchs ‚Mullholand Drive‘ auf Platz 1 gewählt?

Hier jetzt *trommelwirbel* die Liste:

1. Mulholland Drive – David Lynch

2. Only Lovers Left Alive – Jim Jarmusch

3. Melancholia – Lars von Trier

4. Carol – Todd Haynes

5. 2046 – Wong Kar Wei

6. In the Mood for Love – Wong Kar Wei

7. The Tree of Life – Terence Malick

8. A Girl walks home alone at night – Ana Lily Amirpour

9. Inception – Christopher Nolan

10. Eyes wide Shut – Stanley Kubrick

11. Drive – Nicolas Winding Refn

12. Fight Club – David Fincher

13. Matrix – Lana & Andy Wachowsky

14. La Grande Bellezza – Paolo Sorrentino

15. Kill Bill – Quentin Tarantino

16. The Machinist – Brad Anderson

17. Batman Begins – Christopher Nolan

18. Magnolia – Paul Thomas Anderson

19. Lost in Translation – Sofia Coppola

20. So finster die Nacht – Tomas Alfredson

21. Memento – Christopher Nolan

22. Lost River – Ryan Gosling

23. Mad Max Fury Road – George Miller

24. Brokeback Mountain – Ang Lee

25. Star Trek – JJ Abrams

26. Star Wars – The Force Awakens – JJ Abrams

27. Amelie – Jean-Pierre Jeunet

28. Gattaca – Andrew Niccol

29. Vanilla Sky – Cameron Crowe

30. Shutter Island – Martin Scorsese

31. XXY – Lucia Puenzo

32. Norwegian Wood – Tra’n Anh Hùng

33. Black Swan – Darren Arronofsky

34. The Virgin Suicides – Sofia Coppola

35. Kill Bill II – Quentin Tarantino

36. A Single Man – Tom Ford

37. The Hours – Stephen Daldry

38. Der Vorleser – Stephen Daldry

39. The Girl with the Dragon Tattoo – Niels Arden Oplev

40. Far From Heaven – Todd Heyes

41. The Tempest – Julie Taymor

42. Children of Men – Alfonso Cuaró

43. Primer – Shane Carrut

44. Imagine Me and You – Ol Parker

45. Dogville – Lars von Trier

46. Minority Report – Steven Spielberg

47. The Others – Alejandro Amenábar

48. Equilibrium – Kurt Wimmer

49. Advantageous – Jennifer Phang

50. Der Mann ohne Vergangenheit – Aki Kaurismäki

51. Donnie Darko – Richard Kelly

52. Im Juli – Fatih Akin

53. Skyfall – Sam Mendes

54. Die Wolken von Sils Maria – Olivier Assayas

55. Victoria – Sebastian Schipper

56. Wild – Jean-Marc Vallée

57. The Dark Knight – Christopher Nolan

58. Crouching Tiger, Hidden Dragon – Ang Lee

59. Bridesmaids – Paul Feig

60. It Follows – David Robert Mitchell

61. Coherence – James Ward Byrkit

62. No Turning back: Locke – Steven Knight

63. Shame – Steve McQueen

64. The Hurt Locker – Kathryn Bigelow

65. Zerrissene Umarmungen – Pedro Almodóvar

66. Frida – Julie Taymor

67. Predestination – Peter Spierig

68. Sleepy Hollow – Tim Burton

69. Cloud Atlas – Tom Tykwer

70. Das weiße Band – Michael Haneke

71. Circumstance – Maryam Keshavarz

72. Never let me go – Mark Romanek

73. Bad Lieutnant – Werner Herzog

74. The Imitation Game – Morton Tyldum

75. Blindness – Fernando Meirelles

76. District 9 – Neill Blomkamp

77. Midnight in Paris – Woody Allen

78. The Host – Bong Joon-Ho

79. A. I. – Steven Spielberg

80. Lost and Delirious – Léa Pool

81. Snowpiercer – Bong Joon-Ho

82. Looper – Rian Johnson

83. Lucy – Luc Besson

84. Enemy – Denis Villeneuve

85. The Place beyond the Pines – Derek Cianfrance

86. Harry Potter and the Deadly Hollows – David Yates

87. Le Havre – Aki Kaurismäki

88. Double – Richard Aoyade

89. Godzilla – Gareth Edwards

90. Upstream Color – Shane Carruth

91. Kleine wahre Lügen – Guillaume Canet

92. Gravity – Alfonso Cuarón

93. Precious – Lee Daniels

94. Ex Machina – Alex Garland

95. Hugo Cabret – Martin Scorsese

96. Tom at the Farm – Xavier Dolan

97. Moon – Duncan Jones

98. Die fetten Jahre sind vorbei – Hans Weingartner

99. Under the Skin – Jonathan Glaze

100. Pans Labyrinth – Guillermo del Toro

Walden Two – BF Skinner

Skinner

Wer mich ein wenig kennt, weiß ja dass ich des Öfteren bis zum Bauchnabel in der Papiermülltonne stecke, wenn wieder ein Wahnsinniger Bücher weggeworfen hat. So geschehen vor einer Weile, als die Tonne fast randvoll war mit Büchern, was  nicht nur zu verspätetem Arbeitsbeginn führte, sondern auch zu einer ganzen Reihe sehr spannender Neuzugänge im heimischen Bücherregal.

Wer auch immer damals all diese Bücher weggeworfen hat, der eigentliche Besitzer muss ein interessanter Mensch gewesen sein. Fast alles englischsprachige Bücher, die in den 1960/Anfang der 1970 Jahre erschienen waren. Von Pirsigs „Zen and the Art of Motorcycle Maintenance“ über Aldous Huxleys „Island“ unter anderem zu „Walden Two“ von BF Skinner und einigem mehr. Was würde ich dafür geben, mit dem Besitzer mal ein Bier oder drei zu trinken und mich über seine Sammlung auszutauschen und warum die alle in der Tonne gelandet sind.

Skinners Roman erschien im gleichen Jahr, in dem George Orwell „1984“ schrieb, im Jahr 1948, kurz nach dem 2. Weltkrieg. Walden Two ist sozusagen das positive Gegenstück zu Orwells düsterer Dystopie: eine Gemeinde von etwa 1000 Personen, die weitgehend autonom von der Außenwelt leben – nach den von Skinner erforschten Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens.

Der Roman wird aus der Sicht des Psychologie-Professors Burris erzählt, der von einem Studenten von der Gemeinde Walden Two hört, die ein früherer Student von ihm, T.E. Frazier, gegründet haben soll. Er wird neugierig und beschließt, mit ein paar Freunden Walden Two zu besuchen und das Ganze in Augenschein zu nehmen.

Der Name Walden Two bezieht sich auf  das Buch Walden von Henry David Thoreau, der zwei Jahre am Walden-See allein in einer selbst gezimmerten Holzhütte lebte. Skinner erklärte, Thoreaus Walden sei ein Experiment mit einer Person gewesen, Walden Two sei ein Experiment mehrerer Personen, die wie Thoreau ein freies und selbstbestimmtes Leben führen wollten.

“The only geniuses produced by the chaos of society are those who do something about it. Chaos breeds geniuses. It offers a man something to be a genius about.”

“No one asks how to motivate a baby. A baby naturally explores everything it can get at, unless restraining forces have already been at work. And this tendency doesn’t die out, it’s wiped out.” 

Das ist kein Unterhaltungsroman und er versucht auch nicht zwingend „entertaining“ zu sein, das Ganze ist mehr Treibstoff fürs Hirn, weil jede Menge Fragen und Diskussionen aufgeworfen werden. Mich hat es sehr beeindruckt.

“Some of us learn control, more or less by accident. The rest of us go all our lives not even understanding how it is possible, and blaming our failure on being born the wrong way.” 

 “We are only just beginning to understand the power of love because we are just beginning to understand the weakness of force and aggression.” 

Ich habe vor ein paar Jahren „Nudge“ gelesen von Richard Thaler, ein Begriff der aus der Verhaltensökonomik kommt und auf der Methode beruht, dass Verhalten von Menschen auf vorhersagbare Weise zu beeinflussen, ohne dabei auf Verbote und Gebote zurückgreifen oder ökonomische Anreize verändern zu müssen. Eine nicht ganz unumstrittene Methode, die sicher auch ihre Kehrseiten hat, aber positiv eingesetzt auch recht erfolgreich sein kann.

Schade, dass in keinem der Bücher ein Name stand, als ich sie aus der Tonne angelte, ich hätte den Besitzer zu gerne getroffen und mit ihm diskutiert. Vielleicht liest er oder sie das ja jetzt und meldet sich und das wird dann der Start einer wunderbaren utopischen Freudschaft 😉

Hier ein kurzer Auszug aus einer BBC Dokumentation über Skinner:

 

Meine Woche

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Gesehen: „The Hunger“ (1983) von Tony Scott mit David Bowie und Catherine Deneuve. Wow – stylisch-erotischer Vampir Film mit tollem Dark Wave Soundtrack. Unbedingt angucken.

House“ (1977) von Nobuhiko Obayashi abgedrehter Horror-Experimentalfilm. Nicht unbedingt die beste Wahl, wenn man im Zug sitzt, der Sitznachbar bekam etwas Angst vor mir. Ist aber nicht gruselig, nur abgedreht und (kunst)blutig. Interessant.

Tallulah“ (2016) von Sian Heder mit Ellen Page. Indie-Tragikomödie um ein junges obdachloses Mädchen, das mehr oder weniger spontan ein Kind entführt. Sehenswert.

Gehört: „Bela Lugosi’s dead“ – Bauhaus, „Flower Duet“ – Lakme, „Music is Math“ – Boards of Canada, „Track of Time“ – Anna von Hausswolff, „Love is a Laserquest“ – Arctic Monkeys, „Burn me clean“ – Thought Forms, „Sylvain“ – Esben & The Witch

Gelesen: diesen Essay aus dem Economist zur Zukunft des Buches, über die erste gelungene DNA Sequenzierung im All, Michael Pollans Bericht über die Forschung an psychedelischen Drogen, warum Bücher die ultimativen Mentoren sind, über Margaret Atwoods erste Graphic Novel und Thomas Sattelbergers Analyse zur problematischen verbreiteten Selbstherrlichkeit mancher Führungsetagen

Getan: sehr viele intensive Meetings gehabt und danach einen Tag lang intensiv introvertiert gewesen, mein Weiterbildungskonzept überarbeitet, gegrillt und den Spätsommer genossen

Geplant: mehr schlafen und die Mathematik-Ausstellung im Ägyptischen Museum ansehen

Gegessen: sehr leckere Klebreisbällchen und den gebrannten Reis-Gemüsetopf im Banyan

Getrunken: Saigon Bier

Gelacht: Does anyone know which page of the bible explains how to turn water into wine? It’s for a party on Friday.

Geärgert: oh ja – über einen Fall von Unfähigkeit zur Selbstreflexion und krass mangelender Emphatie und das ich fürs Sunn o))) Konzert zu müde war

Gefreut: über viele gute Gespräche und wie gut die Stimmung wieder ist

Gewünscht: diesen Chip, dieses Armband, diesen Stuhl und diese Lampen

Gekauft: jede Menge Musik

Geklickt: auf diesen Talk von Elon Musk zum Klimawandel (sehr cool, kurz und knapp), David Lynch denkt darüber nach wo Kreativität herkommt und diesen TED Talk über die Notwendigkeit von mehr weiblichen Superhelden

Gewundert: das manche Menschen eher bereit sind (wissentlich oder zumindest stark vermutend) einem falschen Ziel zu folgen, das ihnen gegeben wird –  als keines zu bekommen oder sich selbst eines zu setzen.

Das hündische Herz – Michail Bulgakow

Bulgakow

Ein angesehener Chirurg schnappt sich einen Straßenköter, um diesem in seiner Wohnung einer Operation zu unterziehen, bei dem er dem Hund die Hoden und die Hirnanhangsdrüse eines toten Mannes transplantiert. Er erschafft dabei ein Monster, ein agressives, betrunkenes, selbstsüchtiges Wesen. Er scheint die schlimmsten Charaktereigenschaften des unfreiwilligen Spenders gleich mit transplantiert zu haben. Seine vorab so geregeltes wohltemperiertes Bourgouis-Zuhause gleitet in Chaos und Anarchie ab und der gute Arzt sieht keinen anderen Weg, als die Transplantation rückgängig zu machen.

So eine Geschichte um einen durchgeknallten Wissenschaftler und sein Frankendog-Experiment, das komplett schiefläuft, muss man einfach lieben. Der feinnervige, opernliebende Doktor ist natürlich komplett überfordert mit der ätzenden Kreatur, doch repräsentiert diese vielleicht den „Homo Sowjeticus“, der ganz und gar dem Zeitgeist entspricht und ist nicht vielleicht der Arzt derjenige, der seinen Platz in der Gesellschaft nicht (mehr) findet?

Die Büchergilden Ausgabe ist wunderschön. Ein echtes Sammlerstück, ich kann sie jedem ans Herz legen. Die Ästhetik der Illustrationen erinnert in seiner Bild- und Formensprache an wissenschaftliche Bücher, Baupläne und technische Zeichnungen.

Auch diese Novelle Bulgakovs hat eine gute Prise Faust in sich, ist vielleicht noch wilder, komischer und absurder als „Der Meister und Margarita.“ Es ist einerseits eine Kritik an den Zuständen im Russland der 1920er Jahre und gleichzeitig eine Satire auf die menschliche Natur.

„Begreifen Sie doch, das Furchtbare ist, dass er kein hündisches Herz mehr hat, sondern eben ein menschliches.“

Was bedeutet es, ein Mensch zu sein oder ein Invididuum ? Egal wie viel wir vielleicht an uns herumschnippeln, uns zu optimieren versuchen, wir bleiben doch wer wir sind. Wir können uns nicht akzeptieren, wie wir sind, sind dadurch in der Regel unseres eigenen Unglücks Schmied und zeitgleich unsere eigenen schlimmsten Albträume.

Bulgakow reißt jede Menge Ideen an auf diesen knapp 100 Seiten. Er warnt vor unkontrollierten Eingriffen von Menschen und Regierungen auf andere, davor, wie sehr es schief gehen kann, wenn die Priviligierten sich an den Unterpriviligierten vergreifen, um deren Leben zu verändern.

Auch dieser Bulgakow hat mich wieder absolut überzeugt, mich in seinen Bann gezogen mit seiner einzigartigen, erschreckenden, beißenden Stimme. Eine Stimme, die heute noch genauso relevant ist wie vor knapp 100 Jahren.

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„Das hündische Herz“ macht Spaß, es ist sehr unterhaltsam. Der Doktor kann einem irgendwann einfach nur noch leid tun, statt Ruhm und Aufstieg in den wissenschaftlichen Olymp hat er ein Monster geschaffen, das weder auf ihn hört, ihn schlecht behandelt und ihm seine Unzulänglichkeiten auch noch ständig aufs Butterbrot schmiert.

Es gibt eine italienisch-deutsche Verfilmung des hündischen Herzens aus dem Jahr 1976 „Warum bellt Herr Bobikow“ mit Max von Sydow in der Hauptrolle, die ich mir gerne ansehen würde, so ich ihn denn irgendwo zumindest mit Untertiteln finde:

 

Mehr über den Autor Michail Bulgakow findet ihr in meiner Besprechung seiner Biografie „Ich bin zum Schweigen verdammt.“

„Das hündische Herz“ erschienen bei der Büchergilde Gutenberg.