Was wir scheinen – Hildegard Keller

Man könnte wohl sagen, dass die lebendige Menschlichkeit eines Menschen in dem Maße abnimmt, in dem er auf das Denken verzichtet.
Hannah Arendt

Hildegard E Keller verwebt Leben und Werk dieser bahnbrechenden Philosophin des 20. Jahrhunderts zu einem eleganten, spannenden Roman voller historischer und philosophischer Einsichten.

Schon in Hannah Arendts Kritik an Augustinus sowie in ihrem biographischen Essay über Rahel Varnhagen spürt man Arendts Interesse am Menschen, am Erzählen von Leben und dem Wunsch, die Dinge ungeschönt zu betrachten. Auch ihre Perspektive auf Judentum, Antisemitismus und die „Banalität des Bösen“ zeugt von ihrer Begeisterung für die Beobachtung sozialer Phänomene und politischer Ereignisse im Kontext ihres persönlichen Lebens.

Kellers ausgiebige Recherche basierend auf der Korrespondenz mit ihrem langjährigen Geliebten Martin Heidegger, ihrem Ehemann Heinrich Blücher, ihren Freunden Mary McCarthy, Karl Jaspers, Walter Benjamin, oder mit Schriftsteller-Kolleginnen wie Ingeborg Bachmann, ihren Tagebüchern sowie ihren philosophischen bzw. politischen Schriften zeichnen Hannah Arendts prägende Jahre nach und beleuchten besonders intensiv ihr letztes Lebensjahr, das noch immer geprägt ist von der folgenschweren Publikation ihres Berichtes über den Eichmann-Prozess. Eine Kontroverse gegen sie und ihr Buch, die sie selbst öffentlich »Kampagne« und in privaten Briefen »Mobilisierung des Mobs« nannte. Aus dem grellen Licht einer Öffentlichkeit, die sie teils mit Hass, teils mit Euphorie überschüttete, ohne sich in der von ihr erhofften sachlichen Weise mit ihrem Buch auseinanderzusetzen, kam sie bis zu ihrem Tod nicht mehr heraus.

Kellers Roman ist eine behutsame Studie über die Entwicklung der Gedanken einer deutschen jüdischen Frau im Laufe eines Lebens. Bevor sie zu einer Kommentatorin des Totalitarismus des 20. Jahrhunderts wurde, war Arendt eine Frau, die sozusagen über Jaspers und St. Augustinus zu Heidegger kam. Am zentralsten im Roman ist für mich ihr unglaubliches Interesse am Leben, an ihren Mitmenschen, ganz gleich wen sie vor sich hat.

„Sie trat auf den Vorplatz der Casa Barbatè, ging über die Gleise, dann die paar Schritte zum Kirchturm. Hoch oben, im offenen Dachstuhl, sirrten die Schwalben und drehten ihre Runden um das Glockenrad. So was Schönes, dachte sie, davon kann ich nie genug bekommen. Das ist ja das Einzige, was wir fürchten, wenn wir uns vor dem Ende bangen. Nicht den Tod, sondern diese Welt zu verlieren.“

Der Leser trifft auf Hannah Arendt im Sommer 1975, als sie gerade mit dem Zug in das Schweizer Dorf Tegna unterwegs ist, um dort Urlaub zu machen. In den insgesamt 27 Kapiteln reisen wir ihr Zeit und Welt und begleiten sie auf ihren wichtigsten Stationen zwischen Mai 1941 und August 1975. Man lernt Arendt von einer ganz anderen Seite kennen, eine Kämpferin gegen den Totalitarismus, die ihr Leben lang für ihre Überzeugungen kämpfte, alles immer ganz verstehen wollte und sich dann für nichts und niemanden daran hindern, ließ ihre Überzeugung so auf Papier zu bringen.

Hannah Arendt hat sich stets als politische Theoretikerin und weniger als Philosophin gesehen. Das hat meines Erachtens weniger mit übergroßer Bescheidenheit zu tun, als mit der Überzeugung, dass Arendt die Philosophie als der Politik abgewandt erlebt hat und sie sich nur ein Leben vorstellen konnte, in dem der Mensch geradezu gezwungen ist sich mit der Politik zu beschäftigen und Einfluß zu nehmen. Ein berührender, intensiver Roman den ich sehr gerne gelesen habe.

„Arme Wirklichkeit, die abhängig ist von Menschen, die an sie glauben und sie bezeugen.
Das hatte sie in ihrem Rahel-Buch geschrieben. Seither war die Wirklichkeit noch viel ärmer geworden. Unwillkommene Fakten und Argumente wurden immer vehementer geleugnet. Nur wusste sie seit der Kampagne gegen sie und ihr Eichmann-Buch auch, mit welcher Wucht alles zurückkehren konnte.“

Ich danke dem Eichborn-Verlag für das Rezensionsexemplar sowie für den schönen Zoom-Abend mit der Autorin, der zurecht große Lust auf den Roman machte. Ich hoffe Frau Keller ist bald wieder in Schreibstimmung, ich könnte mir noch so manche in Romanform erscheinende Biografie von ihr vorstellen.

Wer jetzt noch mehr Lust auf Hannah Arendt hat, der findet hier einen Beitrag zum Buch aus der Reihe „The Last Interview“ und hier einen Beitrag zu ihrem Essay „Die Freiheit, frei zu sein„. Immer wieder ans Herz legen möchte ich allen die es noch nicht kennen, oder als Einladung es nochmal anzusehen, ihr berühmtes Interview mit Günter Gaus aus dem Jahr 1964:

Leben und Schreiben

Sylvia Plath und Ted Hughes, das berühmteste Liebespaar der Literatur, waren komplexe, nur schwer durchschaubare Menschen. Sie waren überzeugt davon, dass ihre Beziehung vom Schicksal vorherbestimmt war und vielleicht war das ja tatsächlich der Fall. Sie motivierten sich zum Schreiben, konkurrierten miteinander, aber vor allem trieben sie sich gegenseitig dazu an, Texte zu verfassen, die besser und einzigartiger waren als alles, was zu dieser Zeit sonst geschrieben wurde. Das Ende ihrer Ehe war der Auslöser für Plaths letzte Gedichte, die ihr Unsterblichkeit garantieren sollten.

„Ich liebte sie, ich habe nie aufgehört sie zu lieben. Wenn ihr Selbstmord die Falle war, in der sie mich fangen wollte, um mich zu verschlingen, in sich aufzunehmen, zu einem Körper zu werden, ist ihr das gelungen. Ein Bräutigam, der Geisel des Todes ist, in einer posthumen Ehe auf ewig mit seiner Braut verbunden, so unzertrennlich von ihr, wie sie es wollte.
Ihr Name ist mein Name. Ihr Tod ist mein Tod.“

Es ist schwer zu sagen, was man von Ted Hughes halten soll. Nach der Lektüre dieses Buches habe ich definitiv mehr Interesse an ihm und seinem Werk. Eines glaube ich – er ist vielleicht der einzige Mann, der das Leben im Schatten von Sylvia Plath hätte ertragen können. Ein Jäger, ein Schöpfer von Mythen, dessen forschende, hinterfragende Natur zumindest zeitweise ihrer Energie standhalten konnte.

„In einer Liebe kann man nie nur einem die Schuld geben“

Frau Palmen scheint es wirklich gelungen zu sein, in das Bewußtsein des Dichters Ted Hughes einzutauchen und uns die tiefe, komplexe, symbiotische und empathische Beziehung der beiden Literaturgiganten miterleben zu lassen. Die Liebesgeschichte, die verwoben ist mit Jungscher Symbolik, psychoanalytischen und philosophischen Überlegungen und dann wieder brutal banal. Zwei brilliante junge Menschen, egoistisch, teilweise fehlgeleitet und beide auf ihre Art tragisch.

Schon beeindruckend, wie Palmer aus den Worten des Dichters, aus Tagebucheinträgen und Briefen eine brillante Momentaufnahme ihres gemeinsamen Lebens gemacht hat. Gelegentlich hat sie zu viel Partei ergriffen für Hughes, aber ich habe das Buch dennoch sehr gerne gelesen und es hat mir auf jeden Fall Lust gemacht, Plaths Gedichte wieder einmal vorzuholen.

Wer jetzt mehr Lust auf Sylvia Plaths Werk bekommen hat, der findet hier etwas zu ihrem Roman „The Bell Jar“ und hier zu ihrem Gedichtband „Übers Wasser“ sowie zu ihren autobiografischen Schriften „Zungen aus Stein

Kaum ein anderer Autor hat die Literatur der Moderne so essentiell geprägt wie Franz Kafka. Sein Leben wird vom ebenfalls jüdischen Schriftsteller mit juristischem Hintergrund, Louis Begley beleuchtet, der sich kritisch mit dem Leben des Autors und seinen häufig rätselhafte Texten beschäftigt.

Begley stützte sich bei seiner Recherche auf die Tagebücher und Briefe Kafkas, sowie die Erinnerungen und Briefe seiner Wegbegleiter und Zeitgenossen. Spannend immer wieder die Frage, wie man selbst an Max Brods Stelle reagiert hätte, der von Kafka mit der Vernichtung sämtlicher Briefe, Tagebücher und nicht explizit zur Veröffentlichung freigegebenen Unterlagen beauftragt war. Brod widersetzte sich bekanntermaßen diesem Wunsch. Schwierig, aber wahrscheinlich hätte ich doch genauso gehandelt.

Die Biografie enthält auch einige Fotos von Kafka und Personen aus seinem Leben, was hilft den Autor vom Podest ins normale Leben herunterzuholen und ihm näher zu kommen.

Meine eigentliche Furcht – es kann wohl nichts schlimmeres gesagt und angehört werden – ist die, daß ich Dich niemals werde besitzen können. Daß ich im günstigsten Fall darauf beschränkt bleiben werde, wie ein besinnungslos treuer Hund Deine zerstreute mir überlassene Hand zu küssen, was kein Liebeszeichen sein wird, sondern nur ein Zeichen der Verzweifelung des zur Stummheit und ewigen Entfernung verurteilten Tieres…“

Begleys Biografie ist sehr zugänglich und verschafft einen guten Überblick über Kafka. Wer tief gehende Werkanalysen erwartet, wird vermutlich noch das Eine oder Andere vermissen.

Wer möchte kann sich auf hier auf einen Rundgang durch Kafkas Prag begeben, bitte einfach hier entlang.

Zum Zeitpunkt ihres Todes am 12. Januar 1976 war Agatha Christie in der ganzen Welt als Königin des Verbrechens bekannt, konkurrenzlos als meistverkaufte Romanautorin aller Zeiten mit zwei Milliarden verkauften Büchern in mehr als 100 Sprachen.

Von der frühen Kindheit Ende des 19. Jahrhunderts, über zwei Ehen und zwei Weltkriege, bis hin zu ihren Erfahrungen als Schriftstellerin und auf archäologischen Expeditionen mit ihrem zweiten Ehemann Max Mallowan enthüllt dieses Buch mit viel Leidenschaft und Offenheit das wahre Genie Christies und geht dem Grundstein ihres legendären Erfolgs auf den Grund.

Die Geschichte beginnt mit ihrer Kindheit und erzählt von ihren beiden Ehen, eine mit Archie Christie und die andere mit Max Mallowan. Sie überlebte zwei Weltkriege und lernte nebenbei einige Fähigkeiten als Krankenschwester und Apothekerin. Sie nahm Gesangsunterricht, ging leidenschaftlich gern schwimmen und war sogar eine richtig gute Surferin. Eine Sache die ich mir vor der Lektüre partout nicht habe vorstellen können: die Queen of Crime auf einem Surfbrett!

„Wie ich schon sagte, begrüßte ich neue Ideen; tatsächlich hätte mein Motto damals lauten können: ‚Probiere alles einmal aus‘.“

Was ich besonders mochte, waren die bildhaften Beschreibungen ihrer Reisen um die Welt. Sie reiste ziemlich viel, vor allem in den Nahen Osten und es machte mir riesigen Spaß, ihre Reisen im Atlas mitzuverfolgen. Ihr zweiter Ehemann, Max Mallowan, war Archäologe, und nachdem sie ihn dort bei einer Ausgrabung kennengelernt hatte, begleitete sie ihn später noch oft zu anderen Ausgrabungsstätten in der Region. Eine Gemeinsamkeit haben wir: auch sie zog das Reisen mit der Eisenbahn jedem anderen Transportmittel vor.

„Züge sind wunderbar; ich liebe sie immer noch. Mit dem Zug zu reisen bedeutet, die Natur und die Menschen, Städte und Kirchen und Flüsse zu sehen – eigentlich das Leben.“

Ich fand es sehr interessant, dass sie das Schreiben nicht wirklich als ihren Beruf betrachtete, sondern eher als eine Art Hobby, mit dem sie praktischerweise ihre Rechnungen bezahlen konnte. Sie war nicht sofort und über Nacht erfolgreich. Die Verlagswelt war eine, die sie langsam zu erobern lernte, nachdem sie einige Male anfangs auch auf die Nase gefallen war.

Heutzutage schreiben mir ständig Leute, die vorschlagen, dass Miss Marple und Hercule Poirot sich treffen sollten – aber warum sollten sie? Ich bin sicher, es würde ihnen überhaupt keinen Spaß machen. Hercule Poirot, der totale Egoist, würde es nicht mögen, von einer älteren Jungfer in seine Angelegenheiten eingewiesen zu werden.“

Das ist eine Biografie, für die man nicht einmal ein großer Fan ihrer Krimis sein muss, um dieses Buch zu genießen. Ein großartiges Buch, bei dem man literweise Tee trinkt und idealerweise Scones mit clotted cream im Haus haben sollte, man wird Lust darauf bekommen.

Ich möchte auf jeden Fall bald mal wieder einen ihrer Krimis lesen und/oder Miss Marple im Fernsehen sehen.

Ach, Virginia – Michael Kumpfmüller

IMG_4067

Es ist gar nicht so einfach, eine Autorin des 20. Jahrhunderts zu finden, die mehr Bewunderung erfährt, als Virginia Woolf. Ihre atmosphärische, aufrüttelnde Art zu schreiben, hat ihr Unmengen an Fans beschert. Kaum eine Autorin ist zentraler für das Verständnis des Modernismus und sie ist gleichzeitig irgendwie überall und nirgends.

Sie hatte natürlich auch ein wahrhaft ikonisches Leben. Eine talentierte Frau inmitten des Bloomsbury Circles, die ganz unverhohlen ein Verhältnis mit einer anderen berühmten Frau hatte zu einer Zeit, in der so etwas alles andere als selbstverständlich war. Es gab auch eine Menge Dunkelheit in ihrem Leben und dann natürlich noch ihr tragischer Selbstmord – kein Wunder, dass es Unmengen an Biografien über sie gibt.

Michael Kumpfmüller hat sich in seinem Roman „Ach, Virginia“  mit den letzten Tagen im Leben der Autorin beschäftigt. Im März 1941 gerät Virginia Woolf in ihre letzte große Krise: Sie hat soeben ein neues Buch beendet, über das kleine Cottage im Süden Englands, das sie mit ihrem Mann Leonard bewohnt, fliegen deutsche Bomber. Sie führt das Leben einer Gefangenen, die nicht weiß, wie und wohin sie ausbrechen soll – und am Ende entscheidet sie sich für den Fluss.

Diese letzten Tage Virginia Woolfs beschwört Michael Kumpfmüller in seinem neuen Roman eindrücklich herauf. Er zeichnet das Bild einer Person, die keinen Halt mehr finden kann und beschreibt ihre quälende Konfusion.  Es ist der Versuch einer Annäherung, die meines Erachtens aber nicht völlig gelungen ist.

Gelungen ist ihm, die letzten Tage im Leben der großen Autorin nachvollziehbar zu machen und nach nur wenigen Sätzen ist man mitten in der Geschichte. Mir ist es stellenweise zu kitschig und zu pathetisch (den flüsternden Engel fand ich wirklich too much) aber die größten Bauchschmerzen hat mir die Idee des Autors verursacht, Virginia Woolfs Suizid als erotische Fantasie darzustellen:

Sie möchte dem Fluss eine schöne Geliebte sein, jung und geschmeidig, sie möchte, dass er sie sieht und birgt, nackt und entgegenkommend, wie sie jetzt ist. Ja, Liebster, sagt oder flüstert sie, so man wortlos flüstern kann, und man scheint es zu können.

Ich habe den Roman dennoch im Großen und Ganzen mit einigen Abstrichen gerne gelesen. Auf jeden Fall habe ich Lust bekommen, ihre veröffentlichten Tagebücher zu lesen und mich noch eingehender mit ihrer Gedankenwelt zu beschäftigen.

Ich danke dem Kiepenheuer & Witsch Verlag für das Rezensionsexemplar.

Book-a-Day Challenge Day 21

IMG_3484

Die von mir sehr geliebte Interview Buch-Reihe „Kampa Salon“ trifft nach  meiner Lieblingsschriftstellerin 1 Siri Hustvedt auf Lieblingsschriftstellerin 2 Margaret Atwood, da geht doch zumindest literarisch das Jahr überaus versöhnlich zu Ende.

Der unter anderem für die „Zeit“ arbeitende Journalist Caspar Shaller interviewte die Booker Gewinnerin 2019 zwei Tage lang in einem Café in Toronto im Herbst 2018 und selbst ein ausgesprochenes Fangirl wie ich, konnte noch eine Menge spannendes über die Autorin erfahren.

Der Journalist staunt darüber wie klein Ms Atwood und wie groß ihre Sonnenbrille ist, er freut sich über ihren frechen schwarzen Humor und die beiden sprechen zwei Tage lang über Atwoods Kindheit in den kanadischen Wäldern, ihre Gedichte, die #MeeToo-Debatte, die unterschiedlichen Feminismus-Ausprägungen, über Religion, die Post-Truth-Ära (bei dem Wort vertippe ich mich jedes Mal und schreibe Post-Trump – hach ja) und über den Klimawandel.

Außerdem gibt Atwood dem Autor Tipps wie man im Bedarfsfall aus einem Wald herausfindet und hilft ihm für sich eine familienfreundliche Kanada-Reise zu planen.

Sie gilt fast schon als Prophetin durch ihre Romane in denen ökologische Katastrophen, die Rückkehr des Faschismus thematisiert wurden, bevor überhaupt in der breiten Masse darüber nachgedacht wurde. Sie verrät wenig über die Fortsetzung „Die Zeuginnen“ ihres dystopischen Welterfolgs „Der Report der Magd“ der zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht erschienen war und deren rote Roben der Figuren aus Buch und Serie haben sich zwischenzeitlich zu einem Meme der Anti-Trump Bewegung entwickelt.

Ich hatte das Glück Margaret Atwood vor ein paar Jahren bei einer Lesung im Münchner Literaturhaus in erstaunlich kleiner Runde kennenzulernen und war da schon von ihrer unglaublichen Intellekt, ihrem politischen Gespür und ihrem Humor beeindruckt und fand es klasse, wie sehr sie sich politisch engagiert mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und sich öffentlich insbesondere für Maßnahmen gegen den Klimawandel einsetzt.

Margaret Atwood wurde 1939 in Ottawa geboren und gilt als eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Ihr umfangreiches Werk umfasst zahlreiche Romane, Gedichte, Essays, Kurzgeschichten etc. Nicht zuletzt die großartige Verfilmung ihres Jahrhundert-Romans „Der Report der Magd“ haben die Autorin in den letzten Jahren zu einer Leitfigur insbesondere für junge Menschen werden lassen.

Atwood

Wer dringend ein Buch braucht, der kann beim Kampa Verlag wirklich unbedenklich blind jeden Band aus der Kampa-Salon Reihe greifen und wird immer ein sehr spannendes, zum Nachdenken anregendes Interview finden.

Ich denke ich werde nach und nach jeden Band lesen, denn man schlägt das Buch definitiv etwas klüger zu als man es begonnen hat.

Ich möchte euch auch das Interview mit Siri Hustvedt, das ich hier kürzlich besprochen habe ans Herz legen, sowie das Gespräch mit Susan Sontag und Hannah Arendt.

Ich danke dem Kampa Verlag für das Rezensionsexemplar.

Book-a-Day-Challenge Day 4

IMG_3323

Richard Feynman is a physicist who taught at Cornell and Princeton, worked on the Manhattan Project and won the Nobel Prize in physics in 1965.

Feynman was not a big fan of formalities and this dislike is a big theme throughout the book. His father was a sales man who dealt with a variety of people and he saw that underneath people were all the same. He passed these ideas on to his children and Feynman disliked formalities so much, ne nearly did not accept his Nobel prize.  I really liked the idea that the son of a sales man and a homemaker would win this prestigious price.

No question, Feynman was a brilliant physicist with a varity of interests and the stories told in this book are based on these interests mainly were the were linked with his work in physics. From his childhood interest in radios, his observations on human behavior, his laboratory at home, all the tricks and gimmicks he developed make fun stories to hear.

“You have no responsibility to live up to what other people think you ought to accomplish. I have no responsibility to be like they expect me to be. It’s their mistake, not my failing.” 

But unfortunately there is a big but. I am happy to oversee his huge ego because well he was indeed an exceptional clever person so ok but being brilliant and sometimes ahead of his time did not stop him from being a pretty sleezy womaniser and I am sadly missing my blessed ignorance about this side of him before I read the book.

Saw this picture somewhere and it is spot on.

But beside that I enjoyed reading about his time at Los Alamos where he worked on the Manhattan Project and the stories about the time he spent in Brazil and Japan as well as the chapters on education.

Most of the stories he tells are about him having a hidden talent, using it often for some prank on others and then being applauded for it by others (or himself). He is not only a great physicist, mathematican, musician, safecracker, code breaker, drawer of naked girls etc. He is unfortunately showing off quite a bit and that can come across as him being a bit of a jerk.

I know I’m not doing a great job here advertising the book, but there were also parts I really liked and I really recommend this method he came up with and that is named in his honor:

The Feynman Learning Technique:

  1. Choose a concept you want to learn about
  2. Pretend you are teaching it to a child
  3. Identify gaps in your explanation;  Go back to the source material, to better understand it.
  4. Review and simplify

He might not be the world’s most interesting and funny storyteller (as he believes to be) but there is still enough good stuff in the book for me to recommend it to you and follow up with one of his great lectures, for example this one on Gravitation:

Are you good at distinguing between the artist/scientist and the book?

Check out Sabine Hossenfelder’s book „Lost in Math. How Beauty leads physics astray/Das häßliche Universum“, this biography on physicist Lise Meitner and  theoretical physicst Lisa Randells book „Knocking on heavens door“

Vita Sackville-West

IMG_3167

Die Autorin, Dichterin und Garten-Designerin Vita Sackville-West wurde am Bekannstesten durch ihre Affäre und langjährige Freundschaft mit Virginia Woolf, die ihr wiederum mit dem Roman „Orlando“ ein einmaliges literarisches Denkmal setzte. Die Geschichte von Vitas Ehe mit Harold Nicolson ist eine Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit. In „Porträt einer Ehe“ kombiniert Vitas Sohn Nigel die Memoiren seiner Mutter, die er nach ihrem Tod in ihrem Arbeitszimmer fand, mit seinen eigenen Erinnerungen und dem, was er in zahllosen Briefen über die Ehe seiner Eltern erfuhr. Trotz Vitas zahlreicher Beziehungen und Affären mit verschiedenen Frauen und Haralds gelegentlichen kurzen Affären mit Männern, blieben die beiden bis zu ihrem Tode ein sich liebendes Ehepaar. Zwei Menschen, die häufig missverstanden wurden, aber stets zu faszinieren wußten.

Neben Virginia Woolf und Harold Nicolsen gab es noch eine weitere große Liebe in Vitas Leben: die zu ihrem Geburtsort Knole, einem riesigen Landhaus in Kent aus dem 16. und 17. Jahrhundert mit über 360 Räumen. Vita hätte Knole von ihrem Vater geerbt, wäre sie ein Mann gewesen, so allerdings ging es an ihren Onkel. Ein Verlust, den sie nie ganz überwinden sollte.

Knole,_Sevenoaks_in_Kent_-_March_2009Knole Country House Foto: Wikipedia

Im Jahr 1918, als Vita 26 Jahre alt war, hatte sie eine Beziehung mit Violet Trefusis, die ihr in einem Brief schrieb:

Give me great glaring vices, and great glaring virtue… be wicked, be brave, be drunk, be reckless, be dissolute, be despotic, be an anarchist, be a suffragette, be anything you like, but for pity’s sake be it to the top of your bent. Live fully, live passionately, live disastrously. Let’s live, you and I, as none have ever lived before.

Vita hatte mit 20 einen symphatischen jungen Mann namens Harald Nicolson geheiratet. Er war Diplomat und Kritiker. Sie wusste schon bei der Heirat, dass sie eigentlich auf Frauen steht, aber sie glaubte, das die beiden Seiten ihrer Persönlichkeit gut nebeneinander her existieren könnten. Was auch ganz gut klappte, bis sie Violet traf. Als Violets Familie von der Affäre der beiden Frauen erfuhr, wurden einige Augenbrauen hochgezogen und Violet solange unter Druck gesetzt, bis sie sich fügte und den unglücklichen Denys Trefusis heiratete. Von da an wurde alles ziemlich kompliziert.

IMG_3168

In einem Brief schreibt Violet an Vita:

He is abhorrent to me with his tears and his servility. I told him I looked upon him merely as my jailor, and that my one ambition was to get away from him.

Worauf Vita im gleichen Jahr über Violets Ehemann schreibt:

I now hate him more than I have ever hated anyone in this life, or am likely to; and there is no injury I would not do to him with the utmost pleasure.

Vita und Violet verlassen ihre Ehemänner und hauen gemeinsam nach Paris ab, wo Vita sich unglaublich frei fühlte und überwiegend in Männerklamotten durch die Gegend läuft:

IMG_3169

I dressed as a boy. It was easy… It must have been successful because no one looked at me curiously or suspiciously – never once, out of the many times I did it. My height, of course, was my great advantage. I looked like a rather untidy young man, a sort of undergraduate of about nineteen. It was marvelous fun, all the more so because there was always the risk of being found out.

Harold Nicolson versuchte, seine Frau zur Rückkehr zu bewegen:
When you fall into Violet’s hands, you become like a jellyfish addicted to cocaine.

In der britischen Oberschicht schienen offene Ehen mehr oder weniger an der Tagesordnung gewesen zu sein. Es wurde lediglich erwartet, dass die jeweiligen Ehepartner ihre Affären diskret behandelten und die Ehe nicht in Gefahr brachten.

Vita und Harold haben diese übliche Offenheit aber wahrscheinlich noch ein bisschen extremer betrieben als die meisten. Als die hitzige Violet-Affäre nach etwa drei Jahren im Sand verlief, erreichten Vita und Harold sowas wie ein zivilisiertes Gleichgewicht. Beide hatten weiterhin gleichgeschlechtliche Affären, aber nie wieder in einer solchen Heftigkeit, dass der Fortbestand ihrer Ehe in Gefahr geriet.

So carefree were they that quite often Harold’s friend and Vita’s would join the same weekend party, and the four of them would refer to the situation quite openly.

Virginia Woolfs Affäre mit Vita findet einige Jahre nach Violet statt. Virginias Unvermögen, Sex zu genießen, war der Grund dafür, dass ihre körperliche Beziehung nicht sehr lange dauerte, Virginias Liebe zu Vita sollte allerdings bis an ihr Lebensende halten. Vita scheint sich sehr positiv auf Virginias Schreiben ausgewirkt zu haben, denn sie schrieb einige ihre besten Bücher während dieser Zeit. Auch Virginia war verheiratet, doch weder ihr Mann Leonard, noch Harold hatten ein Problem mit der Beziehung der beiden. Vitas Sohn Nigel nannte Virginia Woolfs Roman „Orlando“, den sie Vita gewidmet hatte, den längsten und bezaubernsten Liebesbrief in der Literatur.

Überhaupt war fast jeder im Dunstkreis von Vita und Harold (und natürlich auch die beiden selbst) wahre Buchproduktionsmaschinen:

Vita schrieb 17 Romane, 12 Gedichtbände, Tagebücher und natürlich jede Menge Briefe, Artikel etc.

Virginia Woolf schrieb 9 Romane, unzählige Essays, Kurzgeschichten, Tagebücher, Briefe und Artikel.

Violet schrieb 7 Romane und eine Autobiografie.

Harold brachte es gar auf 40 Bücher überwiegend zum Thema Geschichte und Biografien, daneben noch Tagebücher und Briefe.

Wenn man noch die ganzen Bücher dazu zählt, die über die jeweiligen Protagonisten geschrieben hat, würde man locker eine ganze Bibliothek mit ihren Werken füllen können.

Wer sich für das Leben einer der aufregendsten Frauen des 20. Jahrhunderts interessiert, dem kann ich sowohl Nigel Nicolsons „Porträt einer Ehe“ als auch Matthew Dennisons „Behind the Mask“ nur ans Herz legen.

Im Literaturhaus in München gibt es seit dem 8. November eine Ausstellung zu „Orlando„, eine von Tilda Swinton kuratierte Fotosammlung, auf die ich mich schon sehr freue und die ich zum Anlass genommen habe, mal wieder „Orlando“ zu lesen. Hier wird es also in nächster Zeit noch mehr von Virginia & Vita zu lesen geben.

Bei Interesse verweise ich noch auf den Briefwechsel zwischen Virginia Woolf (Link zu ihrer Biografie hier) und Vita Sackville-West, den ich hier besprochen habe.

Hirngymnastik Neurologie – Oliver Sacks

”I am a storyteller, for better and for worse. I suspect that a feeling for stories, for narrative, is a universal human disposition.”

IMG_2026

Ich war und bin ein großer Oliver Sacks Fan, habe eine ganze Reihe seiner Bücher vor ein paar Jahren verschlungen und habe keine rechte Erklärung dafür, wie es passieren konnte, dass er für eine Weile von meinem Radar verschwand. 2015 dann erinnerten mich eine Reihe von Blogs durch die Rezension seiner Autobiografie „On the Move“ an ihn und ich habe seit geraumer Zeit wieder einige Bücher von ihm auf dem SUB.

Jetzt endlich habe ich sie also auch gelesen, die überaus spannende Biografie eines Mannes, der sowohl Neurologe, Arzt, Motorradfahrer und fast professioneller Gewichtheber war. Entsprechend munter geht es in der 82 Jahre umfassenden Geschichte seines Lebens auch her.

Sacks war das jüngste von vier Kindern, die in eine wohlhabende jüdische Familie im Norden Londons hineingeboren wurden. Sein Vater war Arzt, seine Mutter Chirurgin. Während der Londoner Bombenangriffe wurde er als Sechsjähriger mit seinen Brüdern aus London evakuiert und in einem Internat in den Midlands untergebracht, wo sie bis 1943 blieben.

Schon als junger Mann in Oxford, wo er 1954 seinen Bachelor in Physiologie und Biologie und später seinen MA und MB in Chemie macht, weiß Oliver, dass er schwul ist. Sein Coming-out insbesondere der geliebten Mutter gegenüber ist ziemlich traumatisch. Sie ist zutiefst schockiert und sagt ihm, sie wünschte er wäre nie geboren. Ein großer Schock für ihn und vielleicht mit ein Grund, warum er nach seinem 40. Lebensjahr sexuell enthaltsam lebte. Das hat auf der anderen Seite aber wahrscheinlich auch dazu geführt, dass er von der AIDS Epidemie der 1980er Jahre verschont blieb, die auch – wenn ich mich recht erinnere – mit keiner Silbe erwähnt wird.

Beim Lesen lernt man einen sehr komplexen, zurückhaltenden, brillianten Mann kennen, der es schaffte, seine vielen Talente auszuleben. In den 1950/60er Jahren in Kalifornien war er unter der Woche der Neurologe Dr. Sacks und am Wochenende verwandelte er sich in einen muskulösen Biker, der Drogen nahm und sich auf Abenteuer mit anderen Männern einließ – wenn er nicht gerade am Muscle Beach an Wettkämpfen im Gewichtheben teilnahm.

Er führt ein geschäftiges, faszinierendes Leben und berichtet von seinem Studium in Oxford, seinem navigieren zwischen Forschung und klinischer Arbeit, seinen Reisen (unter anderem lebte er eine Weile in einem israelischen Kibbuz) und seinem Umzug in die USA, wo er seine Leidenschaft für das Schreiben und seine ihm eigenen Themen in der Arbeit und der Literatur entdeckte.

500px-9.13.09OliverSacksByLuigiNovi

Foto: Wikipedia

Oliver Sacks Fähigkeit, die Menschen hinter den neurologischen Erkrankungen zu sehen und seinem Lesepublikum zu vermitteln, ist seine größte Begabung. Ganz in der Tradition Sigmund Freuds oder Charles Darwins kann er wunderbar schreiben und separiert zwischen dem Menschen und seiner Erkrankung. Vor ihm sitzt kein Schizophrener, sondern ein Mensch mit Schizophrenie. Kein Autist, sondern ein Mensch mit Autismus. Er sieht den ganzen Menschen, sie sind für ihn nicht einfach nur anonyme Fälle, die es zu untersuchen gilt. Er behandelte seine Patienten oft eher als Co-Wissenschaftler, die mit ihm gemeinsam an der Erforschung ihrer Erkrankungen arbeiten.

Sacks selbst hatte sein Leben lang Schwierigkeiten damit, dass er unter Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) litt. Man merkt es den Menschen nicht an und wird daher häufig für arrogant oder unhöflich gehalten, wenn man Bekannte auf der Straße nicht grüßt. Er hatte es nicht permanent, sondern nur hin und wieder, was die Sache für ihn nicht einfacher machte.

Sacks geht in seiner Biografie auf nahezu all seine Bücher ein und es war sehr interessant, die Entstehungsgeschichte der Bücher zu lesen. Er war ein komplexer, verletzlicher, emphatischer Mensch und ein sehr innovativer Wissenschaftler, Arzt und Schriftsteller. Er pflegte tiefe Freundschaften (unter anderem mit den Dichtern Thom Gunn und W. H. Auden) und stand seiner Familie sein Leben lang sehr nahe. Ich habe mich sehr gefreut, dass er als Mittsiebziger seine späte große Liebe im Leben traf und er mit Bill ein paar wenige, aber sehr glückliche Jahre erleben konnte.

Eine der spannendsten Biografien, die ich seit Langem gelesen habe und eine große Empfehlung auch für Leute, die sich vielleicht nicht primär für Neurologie, Psychologie etc. interessieren.

Ich konnte dann nicht gleich wieder lassen von Mr. Sacks und wollte ihn einfach noch eine Weile begleiten, daher griff ich gleich danach zu seinem Buch „Die Insel der Farbenblinden“

IMG_2158

Auszug auf dem Klappentext:

Das neue Buch von Oliver Sacks entführt in die Welt der Südseeinseln. Die Menschen, die dort wohnen, ihre Gebräuche, Riten und Mythen, die exotische Landschaft und die nicht minder exotische Flora und Fauna bilden die Kulisse, vor deren Hintergrund der Autor seine Forschungen betreibt – in deren Mittelpunkt „insuläre“, in der Abgeschlossenheit jener Inseln entstandene neurologische Erkrankungen stehen.

Die erste der beiden geschilderten Reisen führt uns zu den Inseln Pingelap und Pohnpei, wo ein überdurchschnittlich hoher Bevölkerungsanteil an einer bestimmten Form der totalen Farbenblindheit erkrankt ist. Die Begegnungen mit den Betroffenen, ihre Lebensgeschichten, die Untersuchungen, die Sacks und seine beiden Begleiter, ein New Yorker Augenarzt und ein – selbst farbenblinder – Mediziner aus Norwegen, durchführen, aber auch die Theorien zur Herkunft der erblichen Farbenblindheit und die Auswirkungen dieser Störung auf das Leben der Erkrankten stehen im Vordergrund des kunstvoll gewobenen Berichts.

„Marie Stopes, die zu den Heldinnen meiner Mutter gehörte (und Dozentin für Paläobotanik war, bevor sie sich dem Kreuzzug für Empfängnisverhütung verschrieb), hatte ein Buch mit dem Titel „Ancient Plants“ geschrieben, das eine seltsame Faszination auf mich ausübte. In ihren Ausführungen übe die „sieben Zeitalter“ des Pflanzenlebens bekam ich einen ersten Eindruck von der unerforschlichen Tiefe der Zeit, den vielen Millionen, vielen hundert Millionen Jahren, die die meisten urzeitlichen Pflanzen von denen unserer Epoche trennen.“

Der zweite Teil „Die Insel der Palmfarne“ beschreibt Sacks‘ Reise zu den Inseln Guam und Rota, auf denen viele Menschen an einem bislang unheilbaren Syndrom leiden – dem Lytico-Bodig. Es manifestiert sich entweder in einer fortschreitenden Lähmung oder in Parkinsonismus und Demenz oder in bizarren Vermischungen beider Symptomkomplexe, die, von äußert seltenen Fällen abgesehen, zum baldigen Tod führen. Ist die Erkrankung auf den Genuß von Früchten, Blättern und Samen der zahllosen Farne zurückzuführen, jener teilweise über tausend Jahre alt werdenden „Dinosaurier unter den Pflanzen“, die auf diesen Inseln in üppiger Varietät wachsen?

Mich hat „Die Insel der Palmfarne“ an einen Artikel erinnert, den ich kürzlich in der New York Times las. Es gibt anscheinend in Indien eine mysteriöse Erkrankung die hauptsächlich Kinder unter 10 Jahren trifft. Sie scheinen gesund schlafen zu gehen, wachen am Morgen mit hohem Fieber und Hirnschwellungen auf verbunden mit Krampfanfällen und ein Drittel stirbt innerhalb von 36 Stunden. Die Ursache ist noch unklar, allerdings bringen einige Wissenschaftler die Erkrankung mit dem Verzehr von Lychees in Zusammenhang:

Ich habe beide Berichte äußerst gespannt verfolgt und fühlte mich an die Reiseberichte von Alexander von Huboldt, Charles Darwin oder James Cook erinnert.

Für die meisten Menschen wird Oliver Sacks wahrscheinlich immer ein Stück weit Robin Williams sein, der ihn im Film „Awakenings“ (basierend auf dem gleichnamigen Buch) spielte. Hier der Trailer zum Film, den ich sehr empfehlen kann:

Auf jeden Fall habe ich jetzt wieder extrem Blut geleckt und möchte unbedingt das Gesamtwerk von Oliver Sacks lesen, macht euch also darauf gefasst, dass ich hier noch so einiges von ihm vorstellen werde.

„On the Move“ sowie „Die Insel der Farbenblinden“ erschienen im Rowohlt Verlag.

Women in Science (16) Helen Macdonald

Foto: The Daily Mail

Obwohl so viele Menschen das Buch gelobt und mir empfohlen haben, war ich lange nicht davon zu überzeugen. Ein Buch über Trauerbewältigung und Greifvögel klang einfach überhaupt nicht nach mir. Und dann stand es eines Tages im Bücherschrank und ich blätterte hinein, blieb hängen und ich bin so froh darüber, denn es wäre mir ein wunderbares Leseerlebnis durch die Lappen gegangen.

“The hawk was everything I wanted to be: solitary, self-possessed, free from grief, and numb to the hurts of human life.” 

Falknerei ist ein Thema, mit dem ich mich absolut noch nicht beschäftigt habe. Außer dem Bild von Menschen, die einen großen Greifvogel auf einem riesigen Lederhandschuh tragen, wußte ich gar nix darüber. Irgendwie schafften es diese Menschen, dass die Greifvögel für sie jagten und auch tatsächlich immer wieder brav auf dem Arm landeten.

Einen Vogel abzurichten ist eine große Verantwortung die man übernimmt, wenn man den Vogel trainiert und mit ihm zusammenlebt. Ich war überrascht, dass Helen Macdonald ihre Mabel im Wohnzimmer hält, ich bin immer davon ausgegangen, die Vögel sitzen draußen in Volieren und werden nur herausgenommen, wenn man sie jagen läßt.

Einen Habicht zu trainieren ist ein nahezu übermenschliches Unterfangen, wie das Buch anhand des Trainings von Mabel und parallel dazu anhand T. H. Whites mißglücktem Versuch, einen männlichen Habicht namens Gos zu trainieren, zeigt. Das Training lenkt die Autorin von ihrer tiefen Trauer ab, da ihr Schmerz über den Verlust des Vaters fast zu einer Identitätskrise für sie wird. „H wie Habicht“ ist die Geschichte ihrer Reise aus dem Verlustschmerz hinaus, in die Welt ihres Habichts hinein, den sie als nur wenige Monate alten Jungvogel von einem Züchter übernimmt.

“I think of what wild animals are in our imaginations. And how they are disappearing — not just from the wild, but from people’s everyday lives, replaced by images of themselves in print and on screen. The rarer they get, the fewer meanings animals can have. Eventually rarity is all they are made of. The condor is an icon of extinction. There’s little else to it now but being the last of its kind. And in this lies the diminution of the world. How can you love something, how can you fight to protect it, if all it means is loss?”

Helen Macdonald ist Historikerin, Naturforscherin, Affiliated Scholar an der University of Cambridge im Bereich Geschichte und Philosophie der Wissenschaften sowie eine herausragende Autorin im Bereich „Nature Writing“.

 

MacDonald stand ihrem Vater, dem bekannten Fotografen Alisdair Macdonald, sehr nah. Er war es auch, der sie als Kind mit der Falknerei in Berührung brachte. Das Training von Mabel war ihr Weg, nach dem Tod mit dem Vater in Verbindung zu bleiben.

„The archaeology of grief is not ordered. It is more like earth under a spade, turning up things you had forgotten. Surprising things come to light: not simply memories, but states of mind, emotions, older ways of seeing the world.“

Das Buch beschreibt das erste Jahr, das Macdonald mit Mabel verbringt. Es beginnt mit intensivem Eingwöhnungstraining bis hin zu Mabels ersten Jagd-Flügen ohne Leine. Das Buch endet mit ihrem ersten gemeinsam verbrachten Frühling, wenn Habichte in die Mauser kommen. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, sie für die Saison in eine Voliere zu geben und es klingt, als hätte Macdonald sie danach im Grunde von vorne trainieren müssen, nachdem ihre Federn nachgewachsen waren.

Insgesamt verfolgt das Buch vier Erzählstränge. Der erste ist Macdonalds fortwährendes Bemühen, Mabel zu trainieren. Im zweiten geht es um die Beziehung zu ihrem Vater, die dritte beschäftigt sich mit ihrem emotionalen, existentiellen Kampf, sich durch die Trauer wieder zurück ins Leben zu kämpfen und im letzten geht es um den Falkner TH White.

Sowohl White als auch Macdonald nutzen das Habicht abrichten, um sich von der Welt draußen zurückzuziehen. Lena Headey, die Schauspielerin, die insbesondere durch ihre Rolle in „The Game of Thrones“ bekannt geworden ist, kaufte die Filmrechte für das Buch und ich bin sehr gespannt, ob und wann es Mabel auf die große Leinwand schafft.

Macdonald ist ein wunderbar poetisches, emotionales Buch gelungen. Man merkt ihr an, wieviel sie über Greifvögel weiß und sie versteht es, den Leser an ihrem Wissen teilhaben zu lassen, ohne jemals langweilig oder belehrend zu wirken.

Ganz große Leseempfehlung. Weitere begeisterte Rezensionen findet ihr bei Zeichen und Zeiten sowie bei Buzzaldrins. 

Erschienen ist „H wie Habicht“ im Allegra Verlag.

Meine Reisen mit Herodot – Ryszard Kapuściński

IMG_1820

Als der frisch graduierte Ryszard Kapuściński seiner Verlegerin mitteilte, er würde gerne einmal ins Ausland reisen, hatte er keine Ahnung, wie sehr dieser Wunsch sein Leben beeinflussen würde. Eigentlich ging es ihm um den konkreten Grenzübertritt, dieses Gefühl zu erleben, tatsächlich eine Grenze zu überschreiten. Er hatte einen kurzen Abstecher ins benachbarte sozialistische Ausland wie z.B. Prag im Kopf, seine Verlegerin schickte ihn allerdings gleich einmal um die halbe Welt: nach Indien. Damit begann seine ereignisreiche und erfolgreiche Karriere als Auslandskorrespondent und Autor diverser Bücher, dessen Name immer wieder einmal in den Topf der Anwärter auf den Literaturnobelpreis geworfen wurde.

Kapuściński verstarb, bevor das tatsächlich passieren konnte, aber zum Glück hat er uns eine Vielzahl großartiger Bücher hinterlassen. Auf seinen vielen Reisen begleiteten ihn stets die Historien von Herodot, ein Buch, das ihm seine damalige Verlegerin für seine erste Reise schenkte.

Bei dieser ersten Reise ins Ausland wird der junge Journalist einfach so ins kalte Wasser geworfen. Aus dem sozialistischen Ausland kommend, mit rudimentären Englischkenntnissen, merkt er schnell, dass einzig Sprache ihn retten kann. In Herodots Welt wurde überall Griechisch gesprochen, in Kapuścińskis Welt ist es das Englische ,ohne das man verloren ist. Ihm wird klar, dass er nur sehen und sich erinnern kann, wofür er Namen hat und je mehr Namen er für die Dinge in der Welt hat, desto reicher wird die Welt für ihn sein.

Er erzählt auch von seinen Schwierigkeiten in Indien, stets bedient zu werden, gerade für ihn, der im Sozialismus im Geiste der Gleichheit erzogen wurde und wie er lernen musste, dass er jemandem das Geld zum Überleben verweigert, wenn er sich nicht in einer Rikscha kutschieren oder einen Knopf annähen lässt.

Zurück in Polen wird er schon bald darauf wieder losgeschickt. Dieses Mal geht es nach China, wo eine kurze Phase der Offenheit seinen Aufenthalt dort ermöglicht, doch kommt es nie zu einer wirklichen Zusammenarbeit mit chinesischen Journalisten. Sein Radius wird schon bald vor Ort stark eingeschränkt und jeder seiner Schritte überwacht. Ihm wird klar, dass eine Mauer nicht nur vor Feinden draußen schützt, sie hilft auch, die zu kontrollieren, die sich innerhalb der Mauern befinden. Er merkt, wie eine solche Mauer die Menschen verändert, sie dazu bringt, alles von Mauern umringt und in schwarz-weiß/gut und schlecht aufgeteilt zu sehen.

Von China aus geht es für ihn nach Afrika, ein Kontinent, der viel stärker fragmentiert und differenzierter ist als Asien und für ihn daher etwas einfacher zu fassen. In Afrika reift Kapuściński als Journalist, er beginnt, die unter den Ereignissen liegenden Gründe zu analysieren und nicht mehr nur über die Ereignisse an sich zu berichten. Er beginnt, sich mit den Menschen in Afrika anzufreunden, er redet mit ihnen, er beobachtet, er liest und nimmt sich Herodot immer wieder als Vorbild.

Er verbindet das, was er bei Herodot liest, stets mit seiner eigenen Laufbahn. Wie führte Herodot seine Nachforschungen aus? Welche Quellen nutzte er? Wie mag er gereist sein, mit wem gesprochen und wem hat er wiederum seine Geschichten erzählt? Wer war sein Publikum? In Herodot findet er seiner Ansicht nach den ersten, der Konnektivität der Welt erfasst hat, etwas das für Kapuściński eine gradueller Lernprozess war.

Herodot ist ein Geschichtenerzähler der weiß, wie man ein Publikum unterhält und wie man eine Geschichte würzen muss. Er ist unendlich neugierig, eine Eigenschaft die Kapuściński mit ihm gemein hat.

„Er (Herodot) war vollauf beschäftigt mit seinen Reisen, den Vorbereitungen dafür, und dann mit der Auswahl und Sichtung der mitgebrachten Materialien. Denn eine Reise beginnt nicht in dem Moment, da wir uns auf den Weg machen, und sie endet nicht, wenn wir ans Ziel gelangt sind. In Wahrheit beginnt sie viel früher, und sie ist faktisch nie zu Ende, weil sich das Band unserer Erinnerungen in unserem Inneren weiterdreht, auch wenn wir angekommen sind. Es gibt so etwas wie eine Infizierung mit dem Reisebazillus, und das ist eine im Grunde unheilbare Krankheit.“

Herodot wollte verhindern, dass die menschlichen Geschehnisse im Dunkel der Zeit verloren gehen und sah seine Aufgabe darin, ein Chronist der Zeit zu sein. Auszüge aus Herodots Werk ziehen sich durch das gesamte Buch. Kapuściński erzählt die Geschichte der Griechisch-Persischen Kriegs nach und stellt seine eigenen Nachforschungen an. Er begibt sich in die Geschichten hinein, z.B. in die Geschichte der Belagerung Babylons, bei der die Männer beschlossen, jeweils alle Frauen bis auf eine pro Haushalt zu erwürgen, um Vorräte zu sparen. Er fragt sich, wie genau die Männer die Entscheidung trafen, wer entscheidet welche übrig bleibt, wer führte die Tötungen durch, töteten sie die Frauen ihrer eigenen Familien oder die der anderen? Die Frauen müssen mitbekommen haben was vor sich geht. Haben sie sich gewehrt? Haben sie versucht ihre Töchter zu schützen? Herodot berichtet einfach nur die Fakten, ohne jeglichen Kommentar, hier lernt Kapuściński weiterzugehen, nach Fragen zu suchen und Antworten zu finden in seiner Arbeit.

„Die Perser und die Franzosen wurden von derselben Leidenschaft angetrieben – erobern, erlangen, besitzen. Beide erleiden eine Niederlage, weil sie gegen das griechische Gesetz verstoßen, das Gesetz der Mäßigung: niemals zu viel zu wollen, nicht alles zu begehren.“

Kapuściński sieht Herodot und sich als Reporter die auf Begegnungen mit Menschen angewiesen sind. Zu Herodots Zeiten gab es keine andere Form der Kommunikation als der direkte Kontakt, er lebte in einer Zeit der mündlichen Weitergabe von Wissen, das sich hauptsächlich auf  die Erinnerung stützte. Er wusste wie fragil und unzuverlässig Erinnerungen sind und dennoch sammelte er das Wissen und ließ sich auch auf die Ungenauigkeiten ein.

„Alle Diktaturen bedienen sich eines solchen passiven Magmas. Damit ersparen sie sich teure Armeen bezahlter Polizisten. Sie brauchen nur auf diese Menschen zurückzugreifen, die nach etwas in ihrem Leben suchen. Ihnen das Gefühl zu geben, sie könnten sich nützlich machen, man würde auf sie zählen, sie wahrnehmen, ihnen Bedeutung beimessen.“

Das Einnehmen von unterschiedlichen Gesichtspunkten, die Wahrheit zu suchen, Quellen zu prüfen, das sind gemeinsame Werte und die Verbindungen, die Kapuscinski in seiner und Herodots Arbeit sieht.

Man könnte Kapuścińskis Buch einfach vordergründig für die Memoiren eines berühmten Reporters halten, der einigen historisch äußerst bedeutsamen Ereignissen beiwohnte.

IMG_1708

Aber Kapuścińskis Buch wirkt durch den Bezug auf Herodots Werk noch auf einem tieferen Level. Durch ihn zeigt der Journalist, wie wenig sich für den Einzelnen seit Herodot verändert hat, wann immer große geschichtliche Ereignisse auf ihn hereinbrechen.

„Wann immer man tote Tempel, Paläste, Städte betrachtet, stellt man sich die Frage nach dem Schicksal ihrer Erbauer. Nach ihren Schmerzen, den gebrochenen Rückgraten, den durch Steinsplitter verlorenen Augen, dem Rheumatismus. Nach ihrem unglücklichen Leben. Ihren Leiden. Und daraus ergibt sich die nächste Frage: hätten diese Wunderwerke ohne solches Leiden überhaupt entstehen können? Ohne die Peitsche der Aufseher? Ohne die Angst, die den Sklaven im Nacken saß? Ohne den Hochmut, der den Herrscher erfüllte? Wurden die großen Kunstwerke der Vergangenheit nicht gerade durch das hervorgebracht, was im Menschen negativ ist und böse? Andererseits: Sind sie nicht auch aufgrund der Überzeugung entstanden, daß das, was im Menschen negativ ist und schwach, nur durch die Anstrengung und den Willen, Schönes zu erschaffen? Und daß das einzige, was sich nie ändern wird, die Form des Schönen ist? Und das uns innewohnende Bedürfnis danach?“

Immer wieder pausiert Kapuściński, wenn er eine Geschichte über Herodot erzählt, um die Parallelen aufzuzeigen, die überall immer wieder auftauchen. Beispielsweise zum Ende des Buches hin, als der Journalist in Algier den Zusammenstoß zwischen dem toleranten Islam der Händler und Kaufleute und des fremdenfeindlichen Glaubens der Nomaden und Hirten diskutiert, nimmt er Bezug auf ähnlichen Erlebnisse des Herodot zu seiner Zeit.

„Er entschloß sich, vermutlich gegen Ende seines Lebens, ein Buch zu schreiben, da er wußte, daß er eine riesige Menge von Geschichten und Nachrichten zusammengetragen hatte, und wenn er die nicht in einem Buch festhielt, würde alles, was er bisher in seinem Gedächtnis gespeichert hatte, einfach verschwinden. Da haben wir wieder den Kampf gegen die Schwäche der Erinnerung, gegen ihre Flüchtigkeit, ihre immerwährende Tendenz, sich zu verwischen und zu verschwinden.“

„Eines zeichnet solche Individuen aus: Sie haben das unersättliche Wesen von Hohltieren, Schwämmen, die alles leicht aufsaugen und es ebenso leicht wieder abgeben. Sie behalten nichts länger für sich, und da die Natur keine Leere duldet, brauchen sie immer etwas Neues, müssen ständig etwas aufsaugen, ergänzen, vermehren, vergrößern. Herodots Denken ist nicht imstanden, bei einem Ereignis oder einem Land zu verweilen. 

Oder in einem Kapitel als Kapuściński im östlichen Mittelmeerraum unterwegs ist, liest er die Passagen, wo Herodot über die Verzweiflung eines Kriegers spricht, der ahnt, dass er kurz darauf in einem aussichtslosen Kampf fallen wird. Auch Kapuściński erlebt die Region in Unruhe, während seines Besuches und auch heute noch sterben – genauso sinnlos – nahezu jeden Tag Kämpfer in und um Syrien herum.

IMG_1822

„Herodot ist ein Kind seiner Kultur und der menschenfreundlichen Atmosphäre, in der sich diese entwickelt. Es ist eine Kultur der langen, gastlichen Tische, an denen Menschen an lauen Abenden gemeinsam sitzen, Käse und Oliven essen, kühlen Wein trinken und sich unterhalten. Dieser offene, von keinen Mauern begrenzte Raum am Meeresufer oder auf einem Berghang wirkt befreiend auf die menschliche Phantasie.“ 

Meine Reisen mit Herodot ist kein Buch für ungeduldige Leser und es ist eines, das es verdient, mehrfach gelesen zu werden. Ich habe auf jeden Fall Lust bekommen, mir auch einen Herodot für künftige Reisen zuzulegen.

Eine sehr schöne Besprechung des Buches findet sich auch bei Birgit von Sätze und Schätze.

Be like Water

ego and lee

Eigentlich verrückt, die Biografie eines Schauspielers und Kung Fu Meisters zu lesen, von dem man nicht einmal einen Film geschaut hat. Auf Lees Biografie bin ich durch mein Fangirling auf Maria Popovas Seite „Brainpicking“ gestoßen, die vor einigen Jahren schon über das Buch geschrieben und mich sehr neugierig gemacht hat. Hier könnt ihr den entsprechenden Beitrag von ihr dazu lesen.

Bruce Lee ist ein Name, den viele kennen und man hat ihn als Schauspieler in mittelprächtigen Kung Fu Filmen der 1970er Jahre abgespeichert. Ich war recht überrascht zu lesen, dass er sich intensivst mit fernöstlicher und westlicher Philosophie beschäftigt hat und sein „Be like water“ Zitat dürfte weltberühmt sein. Bruce Lee war ein sehr intensiver Mensch, mit unglaublich Präsenz sowohl persönlich als auch auf dem Bildschirm. Besonders symphatisch war mir seine unglaubliche Leidenschaft für das Lesen und das Lernen.

Er füllte eine Menge an Notizbüchern, in denen er sich viel mit Philosophie, den Büchern die er gelesen hatte und seiner Kampfsportart Kung Fu beschäftigte. In der Philosophie faszinierte ihn die Verbindung zwischen westlicher und fernöstlicher Lehre, die er für sich in eine ganz eigene persönliche Philosophie der Selbsterkenntnis verwandelte. Das Buch „Bruce Lee: Artist of Life“ gibt Einblicke in seine persönliche Weiterentwicklung und ist eine spannende Mischung aus Philosophie, Psychologie, Poesie, Kung Fu und Schauspielkunst.

“The ideal is unnatural naturalness, or natural unnaturalness. I mean it is a combination of both.
I mean here is natural instinct and here is control. You are to combine the two in harmony.
Not if you have one to the extreme, you’ll be very unscientific.
If you have another to the extreme, you become, all of a sudden, a mechanical man
No longer a human being.
It is a successful combination of both.
That way it is a process of continuing growth.
Be water, my friend.

In dem Band sind auch eine Auswahl von Lees Briefen an Freunde und Bekannte enthalten, in denen er äußerst eloquent seine Gedankengänge nachvollziehbar macht und stets wohlmeinende Empfehlungen und Tipps zur persönlichen Entwicklung weitergibt.

lee

Im Buch sind auch zahlreiche Variationen eines Textes, in dem er über Kung Fu schreibt, diese waren mir irgendwann etwas zu repetitiv, das ist aber mein einziger Kritikpunkt an diesem Band, der einen Einblick in seine spannende Persönlichkeit bietet.

Sein tragischer Tod mit nur 33 Jahren konnte nie komplett aufgeklärt werden. Studiobosse sollen ihn aus ästhetischen Gründen gebeten haben, sich die Unterarm Schweißdrüsen entfernen zu lassen. Es gibt Mutmaßungen, dass ein sehr anstrengendes Training ggf. zu Überhitzung und Kopfschmerzen führte, gegen die ihm eine Schauspiel-Kollegin das Schmerzmittel Equagesic gab. Er legte sich hin, kam nicht zum Dinner zurück und konnte auch nicht wieder aufgeweckt werden. Bei Ankunft im Krankenhaus konnte nur noch sein Tod festgestellt werden.

Hier noch ein interessantes Interview mit Bruce Lee:

Direkt im Anschluß las ich „Ego is the Enemy“ von Ryan Holiday. Schon der Titel hätte Bruce Lee wahrscheinlich gefallen und dessen Interesse an Taoismus und Stoizismus hätte bestens zu Ryan Holiday gepasst, einem Autor, der sich als selbsternannter moderner Stoiker ausgiebig mit dieser Philosophieschule beschäfigt.

ego

Ryan Holiday beschäftigt sich mit dem Ego, unserem größten Feind. Es kann uns davon abhalten, Notwendiges zu lernen, weil wir uns überschätzen und uns damit selbst im Weg stehen, unsere Talente zu entwickeln. Ist man erfolgreich ist, besteht stets die Gefahr, die eigenen Fehler zu übersehen, läuft gerade vieles schief, kann das eigene Ego extrem hinderlich daran sein, es erneut zu versuchen.

Amor Fati – die Liebe zum (eigenen) Schicksal ist ein wichtiges Konzept für Holiday. Gerade die schwierigen Episoden in unserem Leben machen uns zu den Menschen, die wir sind. Häufig muss man erst einmal ganz tief fallen, bevor man in der Lage ist, über sich hinaus zu wachsen.

“Impressing people is utterly different from being truly impressive.”

„Ego is the Enemy“ erinnert uns daran, dass wir alle stinknormal sind. Keiner schuldet uns etwas, wir sind nicht weniger, aber auch nicht mehr als Sternenstaub. Wir sind Teil des Universums, von etwas, das soviel größer ist als wir selbst. Wer am Meer sitzt, in der Natur wandert oder die Sterne beobachtet, bekommt einen Eindruck davon wie klein und unwichtig wir eigentlich sind. Aber auch von der unglaublichen Schönheit um uns herum.

“Your potential, the absolute best you’re capable of—that’s the metric to measure yourself against. Your standards are. Winning is not enough. People can get lucky and win. People can be assholes and win. Anyone can win. But not everyone is the best possible version of themselves.”

Ein Buch das daran erinnert, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, uns um unsere Mitmenschen und die Natur zu kümmern, denn das Ego ist gar nix und Liebe ist Alles 😉

“When we remove ego, we’re left with what is real. What replaces ego is humility, yes—but rock-hard humility and confidence. Whereas ego is artificial, this type of confidence can hold weight. Ego is stolen. Confidence is earned. Ego is self-anointed, its swagger is artifice. One is girding yourself, the other gaslighting. It’s the difference between potent and poisonous.”