Alle einsteigen und anschnallen, es geht mit dem Bus nach Jerusalem. Knapp 1 Stunde braucht man auf der Autobahn und fährt dabei durch das Jordan Valley an vielen geschichtsträchtigen Orten vorbei. Da wir uns das Auto fahren in Jerusalem schenken wollten, begaben wir uns für diesen Trip auf einen geführten Ausflug und waren mit 10 Leuten etwa ein international bunt gemischte Truppe, die an diesem kühlen Morgen Jerusalem erkundete.
Wahrscheinlich ist es nicht überraschend, dass Jerusalem das Ziel schlechthin für religiöse Touristen ist, trotzdem war ich nicht drauf vorbereitet. In Deutschland sind mir selbst in Bayern selten sehr gläubige Menschen gegegnet, die deutschen Touristen die mit uns unterwegs waren fielen mit ihren riesigen Kreuzen, die sie um den Hals trugen, definitv in diese Kategorie.
Der erste und zum Glück einzige kommerzielle Stop der Tour brachte uns auf dem Ölberg in ein biblisches Devotionaliengeschäft, in dem man bei christlichen Arabern alles bekommen konnte, was das religiöse Herz begehrt. Kreuze, Krippen, Rosenkränze, Öle in allen Ausführungen und Preisklassen – erstaunt musste ich feststellen, das wir die einzigen in der Gruppe waren, die nichts einkauften. Die anderen ließen da richtige Summen springen.
Die Altstadt von Jerusalem ist aufgeteilt in vier Bezirke: das jüdische, das armenische, das arabische und das christliche Viertel und die engen Gassen voller Menschen, Geschäfte, Stimmengewirr und Gerüche vermitteln ein Gefühl aus einer Mischung von 1001 Nacht und Indiana Jones.
Bei der Führung durch die diversen Kirchen fühlte ich mich glaube ich wie die Bingereader-Gattin in Hogwarts im Universal Picture Park in Japan als nahezu einzige, die Harry Potter nicht gelesen hatte. Ich kenne und interessiere mich für die Historie, bin allerdings so gar nicht bibelfest und konnte mit den meisten Namen und Begriffen nur wenig verbinden. Die Pilger, die sich zum Beispiel in der Erlöserkirche auf den Boden warfen, um den Boden zu küssen, den angeblichen Abdruck von Jesus Hand in der Via Dolorosa küssten oder stundenlang anstanden, um sich das Grab von Joseph von Arimatrea anzusehen und dort fanatisch weinend zu knien, fand ich etwas beängstigend.
Die Klagemauer ist erwartungsgemäss absolute Hochsicherheitszone. Man geht durch Sicherheitschecks wie am Flughafen und reiht sich dann in die Schlange vor dem nach Geschlechtern getrennten Eingang. Es gibt eine Art free little library, in der man sich Bibeln in allen Sprachen ausleihen kann und in weißen Plastikstühlen kann man vor der Mauer sitzen und beten oder einen Zettel mit einem Gebet in die Klagemauer stecken.
Jerusalem ist eine aufregende Stadt, es gibt so viel Geschichte und wahnsinnig viel zu sehen, dennoch war ich doch froh, abends wieder im leichtlebigeren Tel Aviv zu sein.
Wir sahen uns auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem an. Das Museumsgebäude ist eine architektonische Besonderheit, bei dem man nicht gerade durch das Museum gehen kann, sondern man immer wieder um eine Ecke biegen muss und immer neuen schrecklicheren Geschehnissen gegenübersteht. Dabei verliert sich der Boden immer weiter nach unten und gleicht einem Abstieg in die Hölle. Das Gebäude läuft vorne spitz zu und öffnet sich dann einer positiven Zukunft entgegen. Die Gedenkstätte sollte man sich unbedingt ansehen, auch wenn man denkt, man hat schon soviel zu dem Thema gehört. Es ist erschütternd, schrecklich und zeigt, wie schnell die Welt aus den Fugen geraten kann.
Das im Jahre 1987 errichtete „Denkmal für die Kinder“ ist dem Gedenken an die 1,5 Millionen von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Kinder gewidmet. Das Denkmal ist als unterirdischer Raum angelegt, in dem fünf Kerzen durch Spiegel in der Dunkelheit so reflektiert werden, dass ein ganzer Sternenhimmel entsteht. Im Hintergrund werden die Namen, das Alter und der Geburtsort der Kinder von einem Tonband abgespielt. Dieses Endlosband braucht ungefähr drei Monate, um alle Namen wiederzugeben. (Wikipedia)
Ohne Worte 😦
Puh, ok, das wird jetzt ein krasser Themenwechsel, noch ein paar Gedanken zur Sicherheit vielleicht, bevor ich mich positiveren Themen widme. Wir haben uns die ganze Zeit über ausgenommen sicher gefühlt in Israel. Gegen Ende der Woche gab es einen Anschlag eines Alleintäters auf einem Markt in Jaffa, der anscheinend mit einem Messer auf Leute losgegangen war, davon erfuhren wir aber nur durch nervöse Anrufe unserer Familie in Deutschland.
Am nächsten Tag gab es dazu nur eine kleine Notiz in der Zeitung, in der ich auch las, das es die ganze Woche über einzelne Raketenangriffe auf den Süden des Landes gegeben hatte, die allerdings alle vom Raketenabwehrsystem abgefangen werden konnten. Auch davon merkten wir nichts, als es in der letzten Nacht allerdings gewitterte, hatten wir beide unabhängig voneinander im ersten Moment kurz die Sorge, es können Raketenangriffe sein.
Jetzt wird es Zeit sich wieder etwas erfreulicheren Themen zu widen und wir reden jetzt mal über das Essen. Es gibt keine speziell israelische Küche, diese ist mehr ein Schmelztiegel mediterraner und osteuropäischer Einflüsse. Wobei der mediterrane in Restaurants und Kneipen deutlich überwiegt.
Zum Frühstück holten wir uns meist leckere Sesamkringel, Orangen, Oliven und Hummus und starteten den Tag auf dem Balkon.
Wir haben entweder Kleinigkeiten wie Shawarma, Falafel oder Fladenbrot auf dem Carmel-Markt gegessen, das Essen in den Restaurants war sehr gut, aber in der Regel ziemlich teuer. Der Shabbat beginnt am Freitagabend je nach Jahreszeit zwischen 18:00 und 20:00 Uhr mit dem Anzünden der Hawdala-Kerze und endet am nächsten Tag etwa 45 min nach dem Sonnenuntergang. Wir wurden in unserem Hotel in der Lobby ebenfalls mit brennender Hawdala-Kerze sowie getrockneten Früchten und Halva begrüßt.
Insbesondere in Jerusalem sieht man die Leute am Freitag abend im Stechschritt nach Hause eilen. Es ist orthodoxen Juden nicht erlaubt, elektronische Geräte zu bedienen und auch unser Hotel hatte daher einen Schabbat-Aufzug, der in dieser Zeit automatisch an jedem Stockwerk hielt und die Türen öffnete, so dass man mitfahren konnte, ohne irgendwelche Knöpfe zu drücken.
Wer sich noch etwas ausführlicher über die Küche Israels informieren will, den schicke ich hiermit zu den Münchner Küchenexperimenten, wo die Bingereader-Gattin einen kulinarischen Blick auf unseren Urlaub geworfen hat.
Sehr schön sind im übrigen auch die Straßencafés in Tel Aviv. Gläschen Wein, Sonne geniessen – perfekt. Auf diese Szene direkt vor uns konnte ich mir partout keinen Reim machen:
Half nix, musste meine gute Freundin „Rabbi“ Ruth anrufen und wurde auch umgehend informiert:
Hierbei handelt es sich um das Tefilin Ritual. Dabei handelt es sich um ein Paar schwarze mit Lederriemen versehene kleine lederne Gebetskapseln, die Texte aus der Tora enthalten. Tefillin werden von religiösen jüdischen Männern beim Gebet getragen.
Bevor ich mich mit einem letzten Literaturtipp von Euch verabschiede nehme ich euch noch mit auf einen Ausflug in die Wüste und ans Tote Meer.
Im Masada National Park in der Judäischen Wüste liegt die Masada Festung die Herodes, König von Judea von 37 bis 4 BC erbauen ließ. Es war die letzte Bastion der jüdischen Zeloten (Freiheitskämpfer) gegen die Römer. Zwei Jahre lang versuchten etwa 8000 römische Soldaten die Leute auf der Festung auszuhungern, gelang ihnen aber nicht, denn diese legten Gärten, Zisternen und Bäder an, hielten Tiere und lebten einigermaßen vergnüglich in ihrer Festung, während die Römer in der Wüste litten.
Nach zwei Jahren hatten die aber genug und ließen sich von jüdischen Zwangsarbeitern eine Rampe bauen, mit der sie dann die Festung eroberten. Bevor die etwa 960 Zeloten allerdings gefangengenommen werden konnten, brachten sie sich gegenseitig um, um nicht in feindliche Hände zu fallen.
Die tragischen Ereignisse der letzten Tage der Rebellen von Masada transformierten den Ort in eine kulturelle Ikone als Symbol für den dauernden Kampf der Menschheit für Freiheit und gegen Unterdrückung. 2001 wurde Masada von der Unesco in die Liste der Weltkulturerbstätten aufgenommen.
Nach ein paar Stunden in der Wüste wurde es dann endlich Zeit für ein ausgiebiges Bad im Toten Meer.
Das Tote Meer ist das tiefstgelegenste Meer der Welt und hat einen Umfang von etwa 135 km und in der Mitte des Sees verläuft die Grenze zwischen Israel und Jordanien. Die Einsamkeit und Weite der Wüste und des Toten Meeres schaffen eine ganz surreale Atmosphäre.
Die Oberfläche des Toten Meeres nimmt pro Jahr etwa um etwas mehr als 1 Meter ab. Aufgrund des hohen Salzgehaltes, der fast das Zehnfache der Ozeane beträgt, und der damit verbundenen hohen Dichte trägt das Wasser den menschlichen Körper außergewöhnlich gut, man kann allerdings dennoch ertrinken. Das Baden dort ist gar nicht so ungefährlich, den die Menschen verlieren am Toten Meer oft die Balance und schlucken dann große Mengen an Wasser. Das ist lebensgefährlich, da es schwere Lungenverletzungen verursachen kann.
Gleichzeitig besitzen die Mineralien des Toten Meeres eine heilende Wirkung bei Hautkrankheiten und nach einem ausgiebigen Bad mit dazugehöriger Schlammpackung hat man wirklich babyzarte Haut.

Jetzt erst mal ein riesiges Lob, wer bis hierhin durchgehalten hat. Wahrscheinlich hat jetzt keiner mehr Kopf für meine letzte Urlaubslektüre, aber ich würde euch dieses dünne Bändchen trotzdem gerne noch ans Herz legen. Es hat rein gar nichts mit Israel zu tun, dafür viel mit Technologie und deren Auswirkungen auf Gesellschaft, Ethik und die Zukunft. Ein kritisches, aber keinesfalls technologiefeindliches Buch von der großartigen Ursula Franklin.

„The real world of Technology“ ist die Niederschrift ihrer berühmten 1989 CBC Massey Lectures, in der die kanadische Experimentalphysikerin sich mit den Auswirkungen der Technologie auf unser Leben beschäftig und sich auch strittigen Fragen wie der Verwässerung der Privatsphäre und den Rechten des geistigen Eigentums, den Auswirkungen der derzeitigen Technologie auf Regierung und Governance, dem Wechsel vom Konsumkapitalismus zum Investitionskapitalismus und dem Einfluss des Internets auf das Handwerk des Schreibens befasst.
Ein Grundlagenbuch, in dem ich seitweise Absätze unterstrichen habe. Eine ihrer Hauptbeobachtungen ist die Unterscheidung zwischen holistischer und präskriptiver Technologie. Ganzheitliche Technologie bedeutet, dass die Person, die die Technologie einsetzt, den Prozess ihrer eigenen Arbeit von Anfang bis Ende kontrolliert.
Technologie als Definition von erprobten Arbeits- und Lebenspraktiken war immer schon Teil der menschlichen Existenz. Neu ist der Maßstab, in dem Technologie unseren Alltag heute durchdringt und wie diese zu einer Kultur der Regelbefolgung werden kann und unsere Akzeptanz und die immer größer werdende Normalität von externer Kontrolle und Management im alltäglichen Leben.
„How will our society cope with its problems when more and more people live in technologically induced human isolation?“
„The political impact of technology on government took a quantum jump. Technologies became political in a new meaning of the word.“
„Putting people into a prescriptive mode of work where they have no latitude for judgment and decision-making acculturates them to external control, authority, and conformity. Prescriptive technologies are a seed-bed for a culture of compliance.“
Meiner Meinung nach essentieller Lesestoff für jeden, der sich mit Technologie, Soziologie oder Ethik beschäftigt. Das Buch ist ein absolutes Vergnügen zu lesen.
Danke das ihr mir auf diese Reise gekommen seid. Israel ist ein wunderbares Reiseland mit warmherzigen, humorvollen Menschen. Es gibt noch so einiges dort für uns zu entdecken, wir werden also sicher irgendwann wieder Shalom Israel sagen.
„The real world of technology“ ist im House of Anansi Verlag erschienen.