Der Zauberberg – Thomas Mann

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Als ich hörte, Thomas Manns „Zauberberg“ wird das Thema der nächsten Literaturhaus-Ausstellung, nahm ich das als Zeichen, mich nun endlich mit diesem Werk zu beschäftigen. Die Kombination aus richtig fettem Wälzer UND Thomas Mann, führten allerdings schon im Vorfeld zu leichter Schnappatmung und das Vorhaben klang für mich schon ähnlich anstrengend wie die Besteigung des Matterhorns.

Wir haben nicht wirklich die besten Erfahrungen miteinander. Bis auf „Tod in Venedig“ bin ich bei all meinen anderen Versuchen an ihm gescheitert oder er an mir, man weiß es nicht so genau. Ich habe sehr viel und sehr gerne über die Famillie Mann gelesen, mag Erika und Klaus besonders gern, in ganz früher Jugend gefiel mir „Der Untertan“ natürlich, aber puh, der stocksteife ewig nörgelige Thomas mit seinen zugegebenermaßen wunderschönen Sätzen, nope bisher wurde das nix.

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Nun also der „Zauberberg“. Ich will es gar nicht so spannend machen, um die Seite 500 herum habe ich aufgegeben. Es war keine Total-Niederlage. Einen Teil des Sogs, des Zaubers dieser melancholisch-fiebrigen Atmosphäre auf dem Berg, der hat mir schon gefallen, dem konnte ich mich nicht entziehen. Aber letztlich bin ich vielleicht doch zu sehr Identifikationsleser und habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Ich wollte Hans Castorp einfach nur noch schütteln und aus seinem Liegestuhl werfen.

Auf der Metaebene ist das alles ja auch richtig gut. Diese Betrachtungen der Zeit auf verschiedenen Ebenen, der erfolglose intellektuelle Reifeprozess des Protagonisten, die philosophischen Debatten der Herren Settembrini und Naphta, die doch nur Schwätzer sind und letztlich auch die Entlarvung der Tuberkulose-Heilpraktiken als reine Abzocke und Scharlatanerie. Alles gut, aber 1000 Seiten hätte ich einfach nicht durchgehalten.

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Die Ausstellung im Literaturhaus hat mir aber auf jeden Fall großen Spaß gemacht. Bin in den Genuss einer Führung gekommen, was meinen Erkenntnisgewinn erheblich vergrösserte. Vom ersten Moment an, wenn man mit der Bahn hoch fährt auf den Berg, hatte ich das Gefühl im „Berghof“ zu sein. Selbst gehustet wurde in jedem Raum, man erfährt eine Menge zu den damals üblichen Behandlungspraktiken, kann sich selbst für einen Moment eine Liegekur verordnen und aus dem Fenster auf die tiefverschneite Berglandschaft schauen.

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„Dem Problem der Toleranz dürften Sie kaum gewachsen sein, Ingenieur. Prägen Sie sich immerhin ein, dass Toleranz zum Verbrechen wird, wenn sie dem Bösen gilt.“

Die Sprache ist wunderschön, die Atmosphäre hat mir stellenweise sehr gefallen, immer dann, wenn es leiser und dunkel-morbid wurde.

„Das verstehe ich nicht!“ sagte Hans Castorp. „Ich verstehe es nicht, wie jemand nicht rauchen kann, – er bringt sich doch, sozusagen, um des Lebens bestes Teil und jedenfalls um ein ganz eminentes Vergnügen! Wenn ich aufwache, so freue ich mich, daß ich tagüber werde rauchen dürfen, und wenn ich esse, so freue ich mich wieder darauf, ja ich kann sagen, daß ich eigentlich bloß esse, um rauchen zu können, wenn ich damit natürlich auch etwas übertreibe. Aber ein Tag ohne Tabak, das wäre für mich der Gipfel der Schalheit, ein vollständig öder und reizloser Tag, und wenn ich morgens sagen müßte: heut gibt’s nichts zu rauchen, – ich glaube, ich fände den Mut gar nicht, aufzustehen, wahrhaftig, ich bliebe liegen. Siehst du: hat man eine gut brennende Zigarre – selbstverständlich darf sie nicht Nebenluft haben oder schlecht ziehen, das ist im höchsten Grade ärgerlich – ich meine: hat man eine gute Zigarre, dann ist man eigentlich geborgen, es kann einem buchstäblich nichts geschehen.“

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Musik spielt eine große Rolle im „Zauberberg“, deren Thema wohl die Überwindung der romantischen Todessehnsucht ist. Es wäre also passend eines dieser Musikstücke auszuwählen für diesen Bericht, allerdings bin ich über die wunderbare Elektro-Band „Gas“ gestolpert, die den „Zauberberg“ vertont hat – für mich war das die passende Begleitmusik zum Buch:

„Der Zauberberg“ ist ein monumentales, intellektuelles Werk, das Geduld und langsames, tiefes Lesen erfordert. Thomas Mann entwickelt auf geradezu grandiose Weise ein Gefühl von Zeitlosigkeit mit bewusst ermüdenden Beschreibungen der diversen obsessiven Gemütszustände der Bewohner, ihrer Feindseligkeiten untereinander und der imaginären Liebesaffären.

Die Geschichte selbst ist relativ einfach, die Erzählweise unglaublich komplex und man fühlt sich beim Lesen wie beim Klettern über einen einfach aussehenden, aber verdammt gefährlichen steilen Abhang.

Für Notfälle sollte man ein Sauerstoffgerät dabei haben, die weniger erfahrenen Alpinisten müssen sonst, wie ich, eventuell die Besteigung des Zauberbergs abbrechen.  Die Ausstellung im Literaturhaus kann ich hingegen jedem ans Herz legen. Die ist wunderschön, spannend und für eine Kurz-Liegekur sehr zu empfehlen.

Einen weiteren sehr schönen Bericht über die Ausstellung findet ihr bei Sätze & Schätze.

Der Zauberberg ist im Fischer Verlag erschienen.

16 Kommentare zu “Der Zauberberg – Thomas Mann

  1. Ich bring dann zur Bansky–Ausstellung Steigeisen und so Zeug mit, was mein ehemaliger WG-Genosse, seines Zeichens Alpinist, im Keller liegen ließ. Dann schaffen wir auch die nächsten 500 Seiten 🙂
    Dennoch: Deinen Beitrag habe ich gern gelesen, da macht der Zauberberg noch mehr Spaß. Und danke für den Hinweis auf meinen Post!

  2. Das ist ja ein feiner Beitrag! Ich muss gestehen, dass ich den Zauberberg auch nie zuende las, auch wenn ich stellenweise sehr begeistert war. Eigentlich war’s bei mir ähnlich wie bei dir. Vielleicht später mal … Das Rauch-Zitat gefällt mir natürlich ; ) Wenn du Erika & Klaus magst, kann ich dir ihr „Buch von der Riviera“ sehr empfehlen : )

  3. Hab’s mir vor ungefähr einem Vierteljahrhundert zur Gänze gegeben und es ist bis heute das TM-Buch, das ich am wenigsten schätze, vor allem dieses ewige Settembrini/Naphta-Geseier ist mir irgendwie im Magen gelegen. Könnte aber sein, dass ich es mir nach der Ausstellung (wo ich immer noch nicht war) nochmal zwecks Revision der damaligen Eindrücke gebe, mal sehen, ob die Zeit das hergibt…
    Toller Beitrag zu Buch und Ausstellung Deinerseits, übrigens ;-))
    Liebe Grüße + schönen Abend,
    Gerhard

  4. Ich habe den Gipfel erklommen und bin etwas enttäuscht wieder abgestiegen.
    Allerdings, wenn ich ehrlich bin, habe ich zwischendurch die Seilbahn genommen. Besonders – wie Gerhard so schön sagt: „dieses ewige Settembrini/Naphta-Geseier“ – habe ich mir nur kurz beim überfahren/überblättern von oben angetan.
    Aber es sind einige zauberhafte Stellen in dem Buch, nur leider weiß ich die nicht mehr…
    Und ja, das Album von „Gas“ ist eine kongeniale Vertonung, leider muss ich auch hier gelegentlich die Seilbahn nehmen. Bei Minute 30undeinpaarzerquestsche bin auch aus dieser gesprungen…
    ….
    Nach ein paar Minuten hangelte ich mich wieder rein….irgendwie ist das Zeugs eine Droge…

    So als „Fülle des Wohllauts“….

    • ja, ein wirklich tolles Album, absolut passende Vertonung finde ich.
      Es beruhigt mich, dass es doch noch einige andere Abbrecher unter uns Zauberberg-Alpinisten gab 🙂

  5. Mir geht es bei Thomas Mann wie bei Goethe. Sie gehören zu den Göttern im deutschen Literatur-Himmel und ich finde sie beide auf eine Art oberlehrerhaft. Bei Mann habe ich mal überlegt, mir seine Korrespondenz vorzunehmen oder weniger „offizielles“ Schreiben. Das könnte dann was für mich sein.

  6. Bei mir steht der Zauberberg auch noch im Regal, hab mich aber noch nicht rangetraut. Und Du hast mir jetzt auch nicht gerade Mut gemacht 😉 Aber die Ausstellung klingt super! Das wäre auch mein Fall gewesen.

  7. Den Zauberberg habe ich auch nie ganz geschafft. Irgendwann habe ich tatsächlich auch das Ende gelesen, aber nie den ganzen Roman an einem Stück. Wobei ich die Buddenbrooks zu meinen Lieblingsbüchern zähle … So ist das eben. Andere Zeiten, andere Lesehaltungen 😉 wir müssen uns nicht dazu zwingen. Vielleicht hätten wir es zu seiner Zeit anders und ganz gelesen. LG

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