Literatur-Blog für alle, die keine Angst vor heftigen Mischungen haben. Paul Auster, Margaret Atwood, Haruki Murakami treffen auf Simone de Beauvoir, Batman und Orphan Black. Dosenbier auf Oper und St. Pauli auf Crispr, Philosophie, Science und Sci-Fi.
Gesehen: Twin Peaks: The Return (2017) von David Lynch mit Kyle MacLachlan. Nach monatelanger Unterbrechung weitergeschaut. Immer noch sehr verspult, für meinen Geschmack hätte es atmosphärisch/mysteriöser sein dürfen.
Wild Wild Country (2018) von Maclain und Chapman Way. Super spannende Doku über Osho und Sannyasins die in Oregon eine utopische Stadt aus dem Boden stampften und der Konflikt mit den Nachbarn irgendwann massiv eskalierte. Wusste so gut wie nichts vorher über diese Sekte. Kann diese Mini-Serie absolut empfehlen.
Gelesen: What Is The Internet Doing To Boomers’ Brains? Pippi and the Moomins, Pionierinnen der Raumfahrt, diesen Artikel über Guillermo del Toro, diesen Artikel über Virginia und Vanessa Woolf und diesen Artikel über die Sonnenaktivität in den nächsten 11 Jahren
Getan: im Homeoffice gearbeitet, ein paar berufliche Änderungen angeleiert, Freunde gesehen und ein letztes Mal essen gegangen
Gelesen: Losing Earth – the decade we almost stopped climate change, diese bisher unveröffentlichte Kurzgeschichte von Ernest Hemingway, über mangelnde Gleichberechtigung im Kino, Open offices make you less open, What if people were paid for their data ,
Getan: mit Chelsea Wolfe geschwitzt, geschwommen, mit Freunden auf dem Balkon gegrillt, an der Isar gepicknickt
Geplant: die Bingereader in den „Bilder vom Lesen“ im Franz Marc Museum bewundern
Gestaunt: BBC Earth 10 Hours of relaxing Oceanscapes
Gefunden: tolle Bücher im offenen Bücherschrank
Gedacht: „Das ist ein alter Konflikt in mir: der zwischen meiner gesellschaftspolitischen Liberalität und meiner ästhetischen Belastbarkeit“ (Silvia Bovenschen)
Wer natürlich nicht fehlen darf in dieser illustren Runde ist der Drinks-Spezialist himself, Mr. Ernest Hemingway. „Fiesta“ oder auch unter dem Titel „The Sun also Rises“ las ich als Teenager zum ersten Mal und habe mich kopfüber in das Buch verliebt. Paris, spannende Menschen, Literatur und unglaublich viele Getränke die es für mich zu entdecken gab. Die erste Hälfte des Buches spielt ganz in er Nähe des Boulevard du Montparnasse, eine Ecke in der ich letztes Jahr in Paris auch einen „Hemingway Literary Walk“ mitmachte. Kann ich sehr empfehlen.
Was bei dem Buch wirklich auffällt ist, dass die Protagonisten nicht trinken wie ein Fisch, sondern fast schon wie ein Wal. Wow, die haben einen ganzen Ozean an Alkohol durchschwommen und haben dabei noch immer ganz passabel-interessante Gespräche geführt, wir wären wohl bei der Hälfte der Getränke, die da pro Kapitel vernichtet wurden schon klinisch tot.
Vielleicht hätte zu dem Buch ein französischerer Cocktail gepasst, aber der Mojito ist nun einmal einer der „Signature Drinks“, passt perfekt zu Hemingway und wir hatten große Lust auf einen.
Den perfekten Hemingway Mojito macht man so:
Zutaten
6 Zweige Minze
1 Limette
1 Teelöffel Rohrzucker (weiß und möglichst fein)
6 cl Rum (weiß)
Gecrushtes Eis Wasser (Soda) – wobei Hemingway statt Soda oder Eiswasser Champagner bevorzugt hat 😉
Ich bin kein großer Kurzgeschichten-Fan, ich glaube das ist – wie bei Gedichten auch – so ein „aquired taste“ wie Rotwein, Whisky, Blauschimmel-Käse. Kurzgeschichten haben es nicht leicht bei mir, drohen immer mal wieder in die Ecke zu fliegen, wenn ich in die Geschichten nicht reinkomme (wie kürzlich beispielsweise bei George Saunders), daher wiegen die hier aufgelisteten für mich um so mehr, denn die haben mich in der Regel von der ersten Zeile nicht mehr losgelassen.
Eine liebe Freundin hat mir vor kurzem einen Kurzgeschichten Band zugeschickt: Victoria Hislops Sammlung mit Kurgeschichten von Frauen und zu meinem Entzücken fand ich dort meine Lieblingsgeschichte „The Lottery“ wieder, was mich auf den Gedanken brachte, meine Bibliothek zu durchforsten, um meine persönliche Sammlung aus den für mich besten Kurzgeschichten der Welt hier zu präsentieren.
Einige kann man im Internet finden, da habe ich den link ensprechend angehängt und bin jetzt sehr gespannt, ob Euch meine Sammlung gefällt, welche ihr davon kennt und vielleicht auch mögt oder eben auch nicht. Fehlt euch etwas? Freue mich sehr auf Eure Kommentare und etwaigen Ergänzungen. So long äh short 😉
Isaac Asimov – The Martian Way
Margaret Atwood – Torching the Dusties
Margaret Atwood – Death by Landscape
Margaret Atwood – The Martians claim Canada
Paul Auster – Augie Wren’s Christmas Story
James Baldwin – The Outing
Karen Blixen – The Monkey
Wolfgang Borchert – Nachts schlafen die Ratten doch
Jorge Luis Borges – Die Bibliothek von Babel
Octavia Butler – The Morning, and the evening and the night
TC Boyle – Dogology
Ray Bradbury – The Veldt Ray Bradbury – A sound of Thunder
Ray Bradbury – The Million-Year Picnic
Albert Camus – The Artist at Work
Truman Capote – Handcarved Coffins
Truman Capote – Miriam Raymond Carver – Neighbors
Angela Carter – The Bloody Chamber
Ted Chiang – Story of Your Life
Roald Dahl – Lamb to the Slaughter
Philip K Dick – The Golden Man
Philip K Dick – The Minority Report
Charles Dickens – The Signal-Man Charles Dickens – A Christmas Carol
Denis Diderot – Gründe meinem alten Nachtrock nachzutrauern
Joan Didion – On Self-Respect
Emma Donoghue – Words for Things
Fjodor Dostojewski – Weihnachtsbaum und Hochzeit
Fjordor Dostojewski – Weiße Nächte
Arthur Conan Doyle – The Adventure of the Blue Carbuncle
Agatha Christie – The Witness for the Prosecution
Jennifer Egan – Safari
Harlan Ellison – I have no mouth and I must scream
Sheridan Le Fanu – Green Tea
William Faulkner – A Rose for Emily
F Scott Fitzgerald – The Curious Case of Benjamin Button
Gillian Flynn – The Grownup
EM Forster – The Machine Stops
Neil Gaiman – Der Fluch der Spindel
Neil Gaiman – Snow, Glass, Apples
Ursula LeGuin – Coming of Age in Karhide
Ursula LeGuin – The ones who walk away from Omelas
Graham Greene – The Third Man
Ernest Hemingway – The Snows of Kilimanjaro
Ernest Hemingway – A clean well-lighted place
O. Henry – The Robe of Peacej
Patricia Highsmith – The stuff of Madness
Aldous Huxley – Young Archimedes
Washington Irving – The Legend of Sleepy Hollow
Mary Gaitskill – The Other Place
Charlotte Perkins Gilman – The Yellow Wallpaper
Maria Dahvana Headley – See the Unseeable, Know the Unknowable
Judith Hermann – Kaltblau
Siri Hustvedt – Mr. Morning
Henry James – The Turn of the Screw
Shirley Jackson – The Lottery
Franz Kafka – Die Verwandlung
Franz Kafka – In der Strafkolonie
Stephen King – Rita Hayworth and Shawshank Redemption
Stephen King – Children of the Corn
Stephen King – The eerie aftermath of a mass exit
Stephen King – The Road Virus heads north
Heinrich Kleist – Die Marquise von O
Lautréamont – Die Gesänge des Maldoror
Stanislaw Lem – Test
Hengtee Lim – The Girl at the Bar
Jack London – The Red One
HP Lovecraft – Cool Air
HP Lovecraft – The Dunwich Horror
Guy de Maupassant – Der Horla Herman Melville – Bartleby, the Scrivener
Laurie Moore – How to become a writer
Daphne Du Maurier – Don’t look back
Daphne Du Maurier – The Birds
Haruki Murakami – Kinos Bar
Haruki Murakami – Yesterday Haruki Murakami – The Elephant Vanishes
Vladimir Nabokov – Terra Incognita
Joyce Carol Oates – Where are you going, where have you been?
Dorothy Parker – Sentiment, A Telephone Call
Sylvia Plath – Johnny Panic and the Bible of Dreams
Edgar Allan Poe – The Tell-Tale Heart Edgar Allan Poe – The Pit and the Pendulum
Annie Proulx – Brokeback Mountain
Karen Russell – Vampires in the Lemon Grove
Karen Russell – Reeling for the Empire
JD Salinger – For Esme JD Salinger – A Perfect Day for a Banana-Fish
Oliver Sacks – Altered States
Jean-Paul Sartre – The Room
Jean-Paul Sartre – The Wall
Arthur Schnitzler – Traumnovelle
Ali Smith – Free Love
Robert Louis Stevenson – The Body Snatcher
Bram Stoker – Dracula’s Guest
Donna Tartt – The Ambush
James Tiptree Jr – And I awoke and found me here on the Cold Hill’s side
Mark Twain – Cannibalism in cars
Jules Verne – Der ewige Adam
Kurt Vonnegut – Harrison Bergeron
Kurt Vonnegut – The Drone King
HG Wells – Empire of the Ants
Jeanette Winterson – Days like this
Virginia Woolf – A mark on the wall
Richard Yates – Saying Goodbye to Sally
Banana Yoshimoto – Lizard
Stefan Zweig – Die Schachnovelle
Stefan Zweig – Brief einer Unbekannten
Mit dem TGV direkt von München nach Paris – bequemer und perfekter geht es gar nicht. Draußen zischt die Welt vorbei und drinnen bin ich in meiner Lese-Bubble und tauche ein in meinen Bücherkoffer. Ganz bin ich nicht durchgekommen, aber für einen Coup de Chapeau hat es immerhin gereicht.
Begonnen habe ich mit Roland Barthes „Der Eiffelturm“ – ein dünnes wunderschönes Bändchen, das einen perfekt einstimmt auf die Paris-Woche. In seinem Essay betrachtet Barthes liebevoll eines der beliebtesten Symbole der Welt. Er entdeckt den Eiffelturm für uns auf ganz neue Art, macht ihn sicht- und greifbar.
Es macht Spaß, mit Barthes gemeinsam die Welt zu entdecken, macht mir mit diesem Essay Lust, noch mehr von der Welt durch seine Augen zu entdecken. Er schreibt charmant, bleibt zugänglich bei gleichbleibend hohem Niveau und hat Humor . Ich liebe Barthes‘ Exaktheit in der Betrachtung und seine Ästhetik.
Der Eiffelturm ist so sehr Sinnbild für Paris geworden, dass man sich partout nicht vorstellen kann, wie groß die Ablehnung war, als der Turm anlässlich der Weltausstellung 1887 gebaut wurde. Es gab unzählige Proteste, eine Gruppe Künstler entwarf gar einen Protestbrief der in der Zeitschrift „Le Temps“ veröffentlicht wurde und der die Welt vor der unfranzösischen „tragischen Straßenlaterne“ bewahren sollte:
„Wir, Schriftsteller, Maler, Bildhauer, Architekten und leidenschaftliche Liebhaber der bis jetzt noch intakten Schönheit von Paris, protestieren hiermit mit all unserer Kraft und aus all unserer Empörung, im Namen des falsch verstandenen französischen Geschmacks, im Namen der Kunst und der bedrohten französischen Geschichte, gegen die Errichtung des nutzlosen und monströsen Eiffelturms im Herzen unserer Hauptstadt, den die Bösartigkeit der Öffentlichkeit – die oft über gesunden Menschenverstand und Gerechtigkeitssinn verfügt –, bereits den ‚Turm zu Babel‘ nennt.“
Das zeigt einem noch einmal deutlich, wie sehr Menschen dazu neigen, alles Neue erst einmal abzulehnen, um es ein paar Jahre später ganz selbstverständlich zu nutzen und noch ein paar Jahre später verzweifelt darum zu kämpfen, wenn sie es bedroht sehen. Daher versuche ich stärker ein UND zu propagieren statt einem ODER. Taxis UND Uber, Hotels UND AirBnB, Bücher UND Kindle, Treppen UND Rolltreppen etc 😉
Es hätte die perfekte Länge gehabt, das Büchlein in der Schlange zum Aufgang des Eiffelturms zu lesen, aber ich bin so gar kein Schlangesteher. Möche gar nicht wissen, was mir im Leben alles schon entgangen ist, weil ich mich einfach nicht anstellen mag. Entweder ich schlupfe irgendwo durch wie bei der Sagrada Familia in Barcelona oder ich bleibe draußen. Schön blöd vielleicht, aber mei nen kleinen Schaden hat jeder. Deswegen fahre ich auch lieber Zug als zu fliegen, wann immer möglich. Das ständige überall dumm rumstehen macht mich kirre.
Wer aber gelegentlich nicht abgeneigt ist, in einer Schlange zu stehen, dieses Büchlein hat die perfekte Anstehlänge und ist sicherlich das beste und anspruchsvollste, womit man sich die Zeit vertreiben kann.
Hat Barthes vielleicht auch einen Essay über das Warten geschrieben ? Falls ja, dann bräuchte ich den wohl.
Mit Djuna Barnes Biografie bin ich dann ins Paris der 20er Jahre durchgebrannt. Das ist die Zeit, die ich wohl wählen würde, sollte mich eine Zeitreisemaschine mal per Anhalter mitnehmen.
Djuna Barnes (1892 – 1992) war eine bekannte Persönlichkeit der Pariser Left Bank und in lesbischen Kreisen der Zwanziger und Dreißiger Jahre. Fields Autobiografie beschäftigt sich ausführlich mit Barnes Familienleben, ihrer Herkunft und es ist vielleicht auch notwendig, soviel über ihre Wurzeln zu erfahren, um die Schriftstellerin, Journalistin, Dichterin besser verstehen zu können.
Foto: Rhys Tranter
Heute ist sie hauptsächlich für ihren Roman „Nightwood“ bekannt, den ich ehrlich gesagt nie fertig gelesen habe, da ich damals zumindest partout keinen Zugang zu dem Werk gefunden habe. Bei einem der vielen Umzüge ist mir „Nightwood“ leider abhanden gekommen, es wäre die passende Begleitlektüre gewesen. Trotz meiner Schwierigkeiten mit ihrem Werk (bei ihren Gedichten tue ich mich sichtlich leichter) übt Barnes auch heute noch eine ziemliche Faszination auf mich aus.
Die Biografie ist die faszinierende Dokumentation einer inspirierenden Persönlichkeit, die eine Vorreiterin des modernen Feminismus war in vielerlei Hinsicht. Die Frauen der Left Bank, zu denen auch Djuna Barnes gehörte, glaubten an ihr Recht auf kreative Selbstbestimmung und auf ihr Recht so zu leben, wie sie es für richtig hielten.
Besonders überrascht hat mich, dass Djuna Barnes nie irgendeine Form von formaler Schulbildung genossen hat, sondern komplett autodidaktisch unterwegs war. Ich sags ja, lieber literarische und oder Science-Salons statt universitäre Massenabfertigung 😉
Wer speziell an Djuna Barnes interessiert ist, dem kann ich Andrew Fields‘ Biografie empfehlen, wobei ich ihn stellenweise dröge fand. Zugänglicher und spannender geschrieben fand ich Andrea Weiss‘ Buch „Paris was a Woman„, das ich vor einigen Jahren gelesen habe.
Meine dritte und letzte Paris Lektüre war „Never any End to Paris“ von Enrique Vila-Matas, das Buch mit einem der schönsten Cover überhaupt. Wer in Paris den Buchladen „Shakespeare & Co.“ besucht, kann innerhalb von Minuten sein erstes Kreuzchen auf seiner Bookshop-Bingo-Karte machen, denn länger als vielleicht 5-7 Minuten dauert es nicht, bis der erste nach einer Ausgabe von Hemingways „A moveable Feast“ fragt. Da ich mich nicht auf andere verlassen wollte und das Kärtchen ja unbedingt voll werden muss, habe ich das gleich selbst in die Hand genommen und mir ebenfalls Lemming-mässig mein Exemplar gekauft 😉
Der Protagonist das Alter Ego des Autors gibt sich mit solchen Devotionalien allerdings nicht zufrieden, er steigert sich ziemlich hinein in seinen Glauben, ein absoluter Doppelgänger Hemingways zu sein und reflektiert über die Parallelen seiner und Hemingsways Zeit in Paris als jeweils junger Schriftsteller.
Was für Hemingway Gertrud Stein war, war für Vila-Matas Margarete Dumas. „Never any End to Paris“ ist weniger durchgehender Roman, eher eine Aneinanderreihung von Erinnerungen auf verschiedenen Ebenen. Das Buch hat fast durchgehend gute Kritiken bekommen, mich hat es zwischendrin immer mal wieder verloren und ein Vila-Matas Fan bin ich nicht geworden. Ich bleibe beim Original und freue mich auf das Wiederlesen von „A moveable Feast“.
Ich könnte direkt schon wieder losfahren, gibt noch soviel zu entdecken in Paris und der Koffer war ja auch noch nicht fertiggelesen 😉
Roland Barthes „Der Eiffelturm“ erschienen im Suhrkamp Verlag
Andrew Field „Djuna Barnes“ erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt
Enrique Vila-Matas „Paris hat kein Ende“ erschienen im Nagel + Kimche Verlag
Das es bei dieser Lektüre feucht zugehen würde, hatte ich vorab ja schon vermutet, dass ich aber bei der Gelegenheit das halbe Schlafzimmer unter Wasser setze und das arme Buch komplett ertränke, damit hätte ich nun doch nicht gerechnet. Die Hitzewelle vor ein paar Tagen, an die man sich jetzt fast schon nicht mehr erinnern kann, hatte mich in der ganzen Wohnung die Fenster aufreißen lassen, das kurz darauf folgende erlösende Hitzegewitter aber leider nicht dazu, das Fenster im Schlafzimmer auch wieder zu schließen *seufz*. Führte neben einer kaputten Steckdose nebst iPhone Kabel, einem feuchten Kopfkissen auch zu einer völlig ertränkten Ms Parker und ich habe sie förmlich zetern hören „Water ? Of all things possible you drown me in water?“
Nun gut, der Lektüre hat es keinen Abbruch getan, ich habe auch das vollkommen aufgeweichte Buch sehr genossen, das wellige Buch dann mit fetten Enzyklopädien wieder geplättet und halbwegs in Form gebracht und mir und Ms Parker natürlich dann nach diesen Strapazen einen wohlverdienten Martini serviert.
Die Journalistin, Autorin und Dichterin Dorothy Parker war in den 20er Jahren der Star der New Yorker Literaturszene, die für ihren bissigen Humor bekannt war. Sie arbeitet in den später 1910er Jahren für renommierte Magazine wie Vogue und Vanity Fair und in den 20er Jahren wurde sie Literaturkriterin bei The New Yorker.
Sie gründete den legendären Algonquin Round Table mit dem Schriftsteller Robert Benchley und dem Dramatiker Robert Sherwood. Diese illustre Runde unterschiedlicher Künstler und Lebemänner und -frauen, die sich täglich im namengebenden Algonquin Hotel in Manhatten trafen, bestand aus so unterschiedliche Typen wie dem Gründer des Magazins The New Yorker, Harold Ross, dem Komiker Harpo Marx, dem Journalistin und Kritiker Alexander Woollcott, bis hin zu Schauspielern wie Tallulah Bankhead und Douglas Fairbanks. Nicht alle waren regelmäßige Teilnehmer dieses Kreises, der für seine heißen Wortgefechte ebenso bekannt war, wie für die Unmengen an Alkohol, die selbst während der Prohibitionszeit irgendwie aufzutreiben waren. Ich habe mich bei der Lektüre ständig gefragt, wann diese Menschen eigentlich überhaupt Zeit hatten zu schreiben, zu drehen, zu dichten etc. wenn sie doch stets und ständig gesoffen, gequalmt und sich gegenseitig in Affären verwickelt haben?
Michela Karls Biografie ist wunderbar leicht und informativ, der Humor staubtrocken und man erkennt in Parker eine schwierige, vielschichtige Frau, die weit mehr als einfach nur Pointenlieferantin war.
Parker, die von ihrer kurzen ersten Ehe nicht viel mehr behält als den Nachnamen, interessiert sich anfangs nicht wirklich für Politik. Was aber sicher auch der Zeit geschuldet war, dem Wunsch nach Leben und Glamour in den 20er Jahren, nach den Schrecken des ersten Weltkriegs. Allein am Broadway gingen in einem Jahr teilweise über 250 Premieren an den Start, die gesehen und rezensiert werden mussten, New York war die Literaturhauptstadt und eine Neuerscheinung jagte die nächste.
Die New Yorker Gesellschaft liegt ihr zu Füßen auch und gerade ihrer bösen Zunge wegen. Beispiel gefällig? Der Autorin eines Enthüllungsbuches, die sich beschwert, man habe dessen Erscheinen durch Polizeigewalt verhindern wollen, erklärt sie in ihrer Kolumne: „Lady, das waren keine Polizisten, sondern verkleidete Literaturkritiker.“ Auf einer Party erkundigt sich die Gastgeberin, ob Dorothy sich denn amüsiere, woraus diese zur Antwort gibt: „Ob ich mich amüsiere? Noch ein Martini und ich liege unter dem Gastgeber.“
„Men seldom make passes at Girls who wear Glasses“ (kann ich ja gar nicht verstehen 😉 )
„Immer wenn ich einen dieser Briten treffe, fühle ich mich, als würde ich ein Indianerkind auf dem Rücken herumschleppen.“
So wenig, wie sie sich zumindest in ihren jüngeren Jahren für Politik interessiert, so wenig interessiert sie sich ein Leben lang für Geld. Sie zahlt ihre Rechnungen häufig nicht, weniger aus Geiz oder Gemeinheit, als einem ziemlichen Desinteresse an Trivialitäten wie Geld oder anderen materiellen Gütern. Nach ihrem Tod findet man mehrere uneingelöste Schecks über zehntausend Dollar und das, obwohl sie gerade in ihren letzten Lebensjahren ein mehr als spartanisches Leben führen musste.
Sie träumt lange davon, reich zu werden und wird es dann zeitweise in den 30er und 40er Jahren ausgerechnet dank Hollywood und das, obwohl sie mit dem Kino nicht wirklich viel anfangen kann „“Ich gehe nie ins Kino, weil jedes Kino auf mich nur wie eine vergrößerte, prächtig dekorierte Todeszelle wirkt.“ Sie schreibt mit ihrem zweiten Ehemann Alan Campbell Drehbücher, unter anderem für den Film „A star is born“ und für Alfred Hitchcocks Film „Saboteur“.
Während des 2. Weltkrieges wird Dorothy Parker, von ihren Freunden Dotty genannt, politisch aktiv. Sie ist entschiedene Gegnerin des Nazi-Regimes, ist Mitbegründerin der „Anti Nazi League“, setzt sich für Flüchtlinge ein und gründet in Hollywood eine Gewerkschaft für Drehbuchautoren. Sie wird Kommunistin und steht, gemeinsam mit vielen Kollegen, während der McCarthy Ära auf der schwarzen Liste. Sie entgeht knapp der Vorladung vor den Mc Carthy-Ausschuss, leidet aber ebenfalls unter dem Einstellungsverbot.
Aber auch wenn ihre Möglichkeiten in Hollywood auf Eis gelegt waren, Dorothy Parker bleibt eine weiterhin hochgeachtete Autorin und Dichterin. 1963 kehrt sie nach jahrelangem „Exil“ nach New York zurück.
Die exzessiven wilden 20er Jahre, die für Parker und ihre Freunde eigentlich ein Leben lang andauerten, hatten einige unverwünschte Nebenwirkungen wie Alkoholismus, Depressionen, Selbstmordversuche und Herzkrankenheiten und ihr Freundeskreis beginnt sich durch frühe Todesfälle immer weiter zu lichten.
F. Scott Fitzgerald erliegt mit 44 seinem zweiten Herzinfarkt, seine Frau Zelda stirbt nur 8 Jahre später bei einem Brand in der psychiatrischen Klinik, in der sie jahrelang untergebracht war, Hemingway nahm sich ebenso wie ihr erster und ihr zweiter Mann das Leben.
Auch Dorothy wird von ihrem Arzt gewarnt, sie sei in einem Monat tot, wenn sie in diesem Tempo weitertrinke, aber cool wie immer erwidert sie darauf „Alles leere Versprechungen.“
Am 7. Juni 1967 macht sich das Versprechen dann doch wahr und sie erliegt einem Herzinfarkt. Ich weiß nicht, ob etwas auf ihrem Grabstein steht, dieser Spruch von ihr wäre auf jeden Fall passend:
„If I abstain from fun and such, I’ll probably amount to much;
But I shall stay the way I am,
Because I do not give a damn“
Michaela Karl hat auch eine Biografie über F. Scott Fitzgerald und seine Frau Zelda geschrieben, die ich auch gerne noch lesen möchte.
Hier eine spannende Dokumentation über den Algonquin Table „The Ten-Year Lunch“:
Das Buch ist im btb Verlag erschienen und hier erhältlich.
Unsere Juni Bookclub Lektüre beamt uns ins Paris der frühen 20 Jahre und beleuchtet die Zeit, die Hemingway in „A moveable Feast“ beschrieben hat, hier aus der weiblichen Perspektive seiner ersten Frau Hedley. Der blutjunge, gerade von seinen Verletzungen aus dem 1. Weltkrieg genesene Hemingway trifft in St. Louis die ein paar Jahre ältere, schüchterne Hadley Richardson.
Nach einer kurzen aber intensiven Werbe- und Balzphase heiraten die beiden und segeln schon kurze Zeit später nach Paris, wo sie nach anfänglichen Schwierigkeiten mitten ins dekadent lebendige Jazz Paris der explosiv sprunghaften trinkfesten „Lost Generation“ rund um Gertrude Stein, Alice Toklas, Ezra Pound, Scott und Zelda Fitzgerald und anderen geraten.
Die Hemingways scheinen lange die sesshaftesten und „normalsten“ zwischen all den wunderschönen Menschen, konkurrierenden Egos und leidenschaftlich Liebenden in ihrem Künstler-Freundeskreis zu sein.
McLain erzählt die bekannte Geschichte des sich quälenden unbekannten Künstlers, der eine ihn umsorgende, sich aufopfernde, ebenfalls unbekannte Frau heiratet und diese verlässt, als irgendwann aus dem unbekannten Künstler ein bekannter wird und sie nicht mehr interessant genug ist.
Auch wenn das nach Herzschmerz und Liebesschmonzette klingt und das Cover des Buches auch gefährlich danach aussieht, McLain schafft es mit ihrer ausgesprochen schönen Sprache, ein sich verfestigendes Bild zu zeichnen einer Beziehung, die nicht andauern konnte und gerade diesen Untergang der Beziehung beschreibt sie schneidend aber doch zärtlich, mit all seinen unschönen und schwierigen Phasen stets auf der Suche nach der absoluten Wahrheit.
Mir hat besonders gefallen, dass das hier eben keine Hemingway Biografie ist, sondern es sich um Hadley’s Geschichte handelt. Man spürt die tiefe Traurigkeit und auch ihre Hilflosigkeit.
“It gave me a sharp kind of sadness to think that no matter how much I loved him and tried to put him back together again, he might stay broken forever.”
Hemingway war schon bei seiner ersten Frau, wie auch bei allen anderen, stets auf der Suche nach einer vertrauensvollen Stütze, einem Menschen, der ihm die Kraft gibt, sich voll und ganz auf die Literatur zu stürzen. Als Hadley sein bis dahin komplettes literarisches Werk auf einer Zugfahrt verliert, beginnen sich für ihn erste Risse in seinem Vertrauen ihr gegenüber zu zeigen. Er brauchte uneingeschränkte Aufmerksamkeit und vollstes Vertrauen, beim geringsten Zweifel begann er sich nach der nächsten Frau umzuschauen, die ihm das bieten konnte und wollte.
“Sometimes I wish we could rub out all of our mistakes and start fresh, from the beginning,‘ I said. ‚And sometimes I think there isn’t anything to us but our mistakes.”
Hier ein Audio Clip in dem Hadley selbst über die verlorenen Manuskripte spricht:
Ich glaube, dass das einfach der Preis war, den Hemingway bereit war für seinen schriftstellerischen Erfolg zu zahlen und hat dafür die Frauen geopfert, wenn sie ihn nicht mehr unterstützen konnten oder wollten. Ich glaube nicht, dass er das böswillig getan hat, er war großzügig, insbesondere auch Hadley gegenüber, die sich nach der Scheidung nie mehr wiedergesehen haben, aber zumindest telefonisch in Kontakt blieben.
Hemingway hat letzendlich einen hohen Preis gezahlt für seinen Erfolg, unglückliche Beziehungen, Süchte, Selbstmorde findet man ohne Ende in seiner Familie. Wer Hemingway und das Paris der 20er Jahre etwas besser verstehen will, dem kann ich „The Paris Wife“ nur empfehlen.
“He was such an enigma, really – fierce and strong and weak and cruel. An incomparable friend and a son of a bitch. In the end, there wasn’t one thing about him that was truer than the rest. It was all true.”
“Not everyone out in a storm wants to be saved”
Habe das Buch vor ein paar Jahren bereits als Hörbuch auf unserem Rucksack-Trip durch Laos gehört, Carrington MacDuffie war großartig und es war ein seltsames, aber spanenndes Gefühl gleichzeitig in Paris und in Luang Prabang zu sein.
Noch mehr 20er Jahre Feeling beschert im Übrigen Woody Allen’s „Midnight in Paris“, den man sich begleitend zum Buch unbedingt anschauen sollte.
Das Buch erschien auf deutsch unter dem Titel „Madame Hemingway“ im Aufbau Verlag.
„Fiesta“ war mein Zusatz-Leseprojekt für den Bookclub, in dem wir im Juni „The Paris Wife“ diskutiert haben. „Reading another Hemingway for some extra points“ – da kann man doch nicht nein sagen. Es ist immer spannend, ein Buch nach vielen Jahren wiederzulesen. Ich konnte mich an wenig erinnern, außer das die Handlung zwischen Paris und Pamplona wechselt, viel getrunken wird und es unter anderem um Stierkämpfe geht. Und ich mochte es damals, trotz der Stierkämpfe. Ich war gespannt, wie gut „Fiesta“ ein Wiederlesen bekommen würde.
“I can’t stand it to think my life is going so fast and I’m not really living it.”
“Don’t you ever get the feeling that all your life is going by and you’re not taking advantage of it? Do you realize you’ve lived nearly half the time you have to live already?”
“Nobody ever lives their life all the way up except bullfighters.”
Die Schriftsteller der sogenannten „Lost Generation“ wurden vom ersten Weltkrieg vollkommen überrascht und in jeder Hinsicht durch ihn geprägt. Die Industrialisierung hat den Krieg in eine Menschen-Vernichtungsmaschine bis dahin unbekannten Ausmasses verwandelt, die die Menschheit für immer verändern sollte. In „Fiesta“ treffen wir Mitglieder dieser Lost Generation, die allesamt psychisch und/oder physisch vom Krieg gezeichnet sind.
“It is awfully easy to be hard-boiled about everything in the daytime, but at night it is another thing.”
Im Zentrum der Handlung steht Lady Brett Ashley, eine Bitch vor dem Herrn. Sie ist extravagant, extrovertiert, hat eine Affäre nach der nächsten und liebt doch eigentlich nur Jack, der im Krieg verletzt wurde und daraufhin – was ich erst reichlich spät begriffen habe – impotent ist. Ich glaube nicht, dass Lady Brett absichtlich die Menschen in ihrem Umfeld verletzt, sie ist destruktiv, hat ihre wahre große Liebe im Krieg verloren und unglücklich in den armen Jake Barnes verliebt. Tragik wohin man blickt. Die Leere in ihrem Leben versucht sie mit Alkohol und Sex zu füllen und zerstört sich dabei nicht nur selbst.
“You ought to dream. All our biggest businessmen have been dreamers.”
In den ersten Kapiteln in Paris erscheinen und verschwinden die Charaktere mit einer derartigen Geschwindigkeit, das es mir teilweise etwas schwindelig wurde und ich nie sicher war, ob die jeweilige Person nochmal auftaucht, für den Fortlauf der Geschichte noch bedeutsam wird oder nicht, aber im sonnigen, heißen Pamplona legte sich die Hektik. Dort wird ausgiebig gegessen, getrunken, die Stierkämpfe besucht, gestritten und geliebt.
In Pamplona beginnt Lady Brett nach einer kurzen Affäre mit Robert Cohn, einem amerikanischen Juden, eine Liason mit Petro Romero, einem jungen Stierkämpfer, und dem Star der Fiesta. Lady Brett hat alle Hände voll zu tun, sowohl ihren Verlobten, als auch ihre große Liebe Jack und den noch immer um sie kämpfenden Robert Cohn im Zaum zu halten. Sie bricht Herzen im Sekundentakt und ist doch eigentlich nur auf der Suche nach sich selbst.
Wer aber tatsächlich richtig leidet unter allem ist Jake. Er schmachtet Brett an und kann sie doch nicht besitzen, ist todeseifersüchtig auf Cohn, dafür das er das haben konnte, was ihm versagt bleibt und beginnt doch zu realisieren, dass er selbst ohne Impotenz-Problem auch nur ein weiterer x-beliebiger Liebhaber Bretts sein würde. Der längerfristige Erfolg seiner Beziehung zu Brett ist gerade seine Impotenz, denn alle Männer, die sie in ihr Bett lockt, verlieren daraufhin ihre Männlichkeit, eine der wenigen Sachen, die er nicht mehr verlieren kann.
Ich glaube nicht, dass Hemingway wirklich an die Liebe geglaubt hat und vielleicht wären seine Bücher dann auch weitaus weniger interessant. Ich mag seine Sprache, die Bilder die beim Lesen in meinem Kopf entstehen. Ich glaube ich habe aber auch einfach eine Schwäche für Autoren, die wunderschön über den Regen schreiben können. Und das kann er.
“And you’ll always love me won’t you?
Yes
And the rain won’t make any difference?
No”
Das Buch ist auf deutsch unter dem gleichen Titel im Rowohlt Verlag erschienen.