Dezember by the Book

Ich muss mein Lesen ändern. Pünktlich zur Weihnachtszeit habe ich mich nicht an Plätzchen, Lebkuchen oder Weihnachtsstollen überfressen sondern an spooky cozy Gothic Literatur. Habe davon in den letzten Monaten einfach ein bißchen viel gelesen. Die waren alle ganz gut, ich habe sie auch gern gelesen, aber jetzt ist einfach dieses leicht üble Gefühl da, wenn man einfach zu viel Junk Food hatte und ich brauche jetzt erst mal wieder was literarisch gesundes in den nächsten Wochen 😉

Aber ich will auch nicht zu streng sein mit mir. Die letzten Wochen waren wirklich fordernd für mich, vielleicht ist das dann der Ausgleich gewesen, dass es mich eher zu wohliger Wohlfühl-Grusel-Lektüre zog. Am Januar wird alles anders, da wird nur literarisch hochwertiges gelesen – ich schwör!

Ich hoffe, ich kann euch dennoch Lust auf das eine oder andere Buch machen und ich habe euch mit meinem Intro nicht gleich alle vertrieben 😉

Marple – inspiriert von Agatha Christie, neu erzählt von 12 Autorinnen erschienen bei Harper Collins, bislang noch nicht ins deutsche übersetzt

Wie bei wahrscheinlich fast jeder Compilation haben mir hier nicht alle Geschichten gleich gut gefallen, aber ich habe die Geschichten insgesamt alle sehr gerne gelesen. Naomi Alderman, Leigh Bardugo, Alyssa Cole, Lucy Foley, Elly Griffiths, Natalie Hayes, Jean Kwok, Val McDermid, Karen M. McManus, Dreda Say Mitchell, Kate Mosse und Ruth Ware hauchen der wohl berühmtesten Detektivin der Welt frischen Wind ein und lassen Miss Marple in gleich mehreren Geschichten um die Welt düsen. Miss Marple ermittelt außerhalb ihres Heimatdörfchens St. Mary Mead auch in der Karibik, in New York, in Hong Kong, London und an der Amalfi Küste. Die Dame kommt rum. Sie hat auch deutlich moderne Ansichten was ich als erfrischend empfand.

Jede Autorin und jeder Autor stellt Agatha Christies Marple aus ihrer ganz eigenen Perspektive dar und bleibt dabei den Merkmalen des Cozy Crime treu.

“Ah, my dear,” Aunt Jane smiles kindly, “the problem with that, you see, is that no one is ever the murdering sort until they are.”

Miss Marple wurde den Lesern zum ersten Mal in einer Geschichte vorgestellt, die Christie 1927 für das Royal Magazine schrieb, und hatte ihren ersten Auftritt in einem kompletten Roman in „The Murder at the Vicarage“ von 1930. Es ist 45 Jahre her, dass Agatha Christies letzter Marple-Roman, „Sleeping Murder“, 1976 posthum veröffentlicht wurde, zum Glück haben die zwölf Autorinnen alles dafür getan uns daran zu erinnern warum Jane Marple die berühmteste Detektivin aller Zeiten bleiben wird.

This House is haunted – John Boyne auf deutsch unter dem Titel „Haus der Geister“ im Piper Verlag erschienen, übersetzt von Sonja Finck

England 1867. Die junge Eliza Caine reist in die Grafschaft Norfolk, um eine Stellung als Gouvernante anzutreten. Als sie an einem nebeligen Novemberabend müde und durchgefroren die Empfangshalle von Gaudlin Hall betritt, wird sie von ihren beiden Schützlingen Isabella und Eustace begrüßt. Überrascht stellt Eliza fest, dass die beiden offenbar allein in dem viktorianischen Anwesen leben. Von den Eltern und anderen Angestellten fehlt jede Spur. Da sie die Kinder unmöglich ihrem Schicksal überlassen kann, bleibt sie – und stellt schon bald fest, dass sie doch nicht allein sind …

Before we learn to feel afraid of things, our bodies know how to do them anyway. It’s one of the more disappointing aspects of growing older. We fear more so we can do less.

So richtig warm geworden bin ich nicht mit dem Buch. Es war alles ein bißchen zu vorhersehbar aber vielleicht hat er ja auch eine Persiflage auf den Gothic Roman schreiben wollen und ich habe das nur nicht gemerkt? Falls das der Fall ist und einige Menschen auf Goodreads glauben das durchaus, dann hat das Jane Austen mit „Northanger Abbey“ etwas besser gemacht. Das ist ordentliche Unterhaltung, kann man gut lesen – aber schlaflose Nächte macht es nicht.

The Dark is rising – Susan Cooper auf deutsch unter dem Titel „Wintersonnenwende“ im CBT Verlag, übersetzt von Annemarie Böll

Habe ich nicht gelesen, sondern bei der BBC als Audio Drama gehört (gesprochen von Robert Mcfarlane unter anderem) – das war ein sehr großes Vergnügen und ich schicke noch mal einen lieben Dank an die liebe Bookclub Freundin die mich darauf aufmerksam machte. Die Fantasy Reihe die aus fünf Bänden besteht, kennt in UK jedes Kind – ob das hier in Deutschland auch der Fall ist weiß ich gar nicht. Auf TikTok ist es auf jeden Fall seit einer Weile Trend das Buch jedes Jahr am 20. Dezember (dem Tag vor Wills 11. Geburtstag) zu lesen, zwölf Tage lang jeweils ein Kapitel. Ein sehr schönes Ritual und das Buch ist perfekt dafür. Es spielt genau zu dieser Zeit, es gibt jede Menge Schnee, Weihnachten ist vor der Tür und die Geschichte selbst nimmt einen innerhalb kürzester Zeit gefangen.

In Cornwall, wo die Mythen um König Artus wurzeln, schrecken die Kräfte der Finsternis vor nichts zurück, um die Mächte des Lichts für immer zu besiegen. Gemeinsam mit den Mächten des Lichts und ihren Gefährten Will und Bran nehmen die Geschwister Jane, Barney und Simon den Kampf gegen das Böse auf.

“The strange white world lay stroked by silence. No birds sang. The garden was no longer there, in this forested land. Nor were the out-buildings nor the old crumbling walls. There lay only a narrow clearing round the house now, hummocked with unbroken snowdrifts, before the trees began, with a narrow path leading away.”

Will Stanton erfährt an seinem elften Geburtstag, dass er zu den Uralten gehört. Als Letzter einer langen Reihe von Auserwählten muss er den entscheidenden Kampf gegen das Böse ausfechten. Ohne zu zögern stellt er sich dieser Aufgabe. In der entscheidenden Nacht, während eines Schneesturms, holen die Mächte der Dunkelheit zu ihrem finsteren Schlag aus …

Große Leseempfehlung oder hört euch das an – das geht sicherlich auch jetzt gleich Anfang des Jahres noch gut, wenn alles noch ruhiger und gelassener ist als später im Jahr. Oder ihr wartet eben auch auf den 20. Dezember.

The Haunting Season – Ghostly Tales for long Winter Nights auf deutsch unter dem Titel „Schaurige Nächte“ im Dumont Verlag erschienen, übersetzt von Werner Löcher-Lawrence

Lange bevor Charles Dickens und Henry James die Tradition des übernatürlichen Horrors populär machten, waren die dunklen Winternächte eine Zeit, in der sich die Menschen bei flackerndem Kerzenlicht versammelten und sich voller Nervenkitzel gruselige Geschichte erzählten.

Acht Autor*innen erfinden diese Tradition neu und nehmen uns mit in frostige Sümpfe, dunkle Häuser, auf tief verschneite Anwesen oder auf einen Londoner Weihnachtsmarkt – das Gruselige ist immer und überall. Bridget Collins, Imogen Hermes Gowar, Natasha Pulley, Jess Kidd, Laura Purcell, Andrew Michael Hurley, Kiran Millwood Hargrave und Elizabeth Macneal sind mit jeweils einer Geschichte vertreten. Am besten hat mir „The Chillingham Chair“ von Laura Purcell gefallen.

Fires blazed merrily in every hearth. Delicious scents of cinnamon and roast meat drifted up from the kitchen, and all the windows were laced with frost. It seemed impossible to believe that this house, this very chair, had appeared so menacing by night.

Die Spukgeschichten in der Sammlung haben mir gut gefallen. Die Atmosphäre ist wunderbar wohlig gruselig, am besten liest man die am Kaminfeuer und Kerzenlicht in einem alten Gebäude in dem es immer an der richtigen Stelle zu knacken und zu knarzen beginnt. Kann ich absolut empfehlen, die Geschichten sind auch wunderbar zum Vorlesen geeignet und was gibt es Schöneres als vorzulesen oder vorgelesen zu bekommen?

The Animals at Lockwood Manor – Jane Healey auf deutsch erschienen unter dem Titel „Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ im Hanser Verlag, übersetzt von Susanne Keller

Hetty Cartwright muss eine Sammlung des Londoner Natural History Museum vor dem heraufziehenden Krieg in Sicherheit bringen – ins verfallene Herrenhaus Lockwood Manor. Doch das Haus wirkt auf Hetty wie verflucht: Ihre geliebten Exponate, der ausgestopfte Panther, die Kolibris und der Eisbär, verschwinden, werden zerstört und scheinen nachts umherzuwandern. Zusammen mit der Tochter des tyrannischen Hausherrn, Lucy Lockwood, versucht Hetty, die nächtlichen Geschehnisse zu ergründen, und bringt ein tragisches Geheimnis ans Licht. Eine fesselnde und betörende Geschichte über eine große Liebe und den Wahnsinn einer Familie, ihre lang vergrabenen Geheimnisse und versteckten Sehnsüchte.

Perhaps I could be like some desert plant, and these months together could be the rarest of summer rainstorms, could be all the water I would ever need to survive, to live on—but I knew that could not be true, for I was a creature of flesh and blood.

Hatte mich sehr auf das Buch gefreut. Ein großes Herrenhaus in dem es vielleicht spukt, dunkle Geheimnisse und eine queere Liebesgeschichte, das klang so perfekt – aber leider ging es mir hier wie mit dem Buch von John Boyne – ich wurde einfach nicht richtig warm mit der Geschichte. Das war mir alles viel zu an den Haaren herbeigezogen, die Stimmen der Protagonistinnen waren sich für meinen Geschmack zu ähnlich und mir gingen die ausgestopften Tiere auf die Nerven.

Muss man nicht lesen – das schnulzige Cover hätte mir eine Warnung sein sollen.

The Mistletoe Murder and other stories – P. D. James auf deutsch unter dem Titel „Der Mistelzweig-Mord: Weihnachtliche Kriminalgeschichten“ im Droemer Knaur Verlag erschienen

Mit PD James kann man ja nicht viel falsch machen. In diesem hübschen Bändchen finden wir vier bisher unveröffentlichte Kurzgeschichten, die alle mehr oder weniger mit Weihnachten zu tun haben und perfekte kleine Krimihappen sind, die man wunderbar unterm Weihnachtsbaum lesen kann.

Der Mistelzweig-Mord«, die titelgebende Story, handelt von einer Weihnachtsfeier im Landhaus, die unter keinem guten Stern steht. In »A Very Commonplace Murder« geht es um eine illegale Affäre, die mit Mord endet und »The Boxdale Inheritance« und »The Twelve Clues of Christmas« sind neue Fälle für P. D. Jamesʼ Kult-Ermittler Commander Adam Dalgliesh, der längst in die Krimi-Literaturgeschichte eingegangen ist.

Bereavement is like a serious illness. One dies or one survives, and the medicine is time, not a change of scene.

Diese vier Weihnachts-Krimis zeigen das ganze Können der englischen Bestseller-Autorin P. D. James, von ihrem eleganten Stil über ihre Akribie bis zum unbestechlichen Blick hinter alle Fassaden

Wo die Wölfe sind – Charlotte McConaghy erschienen im S. Fischer Verlag, übersetzt von Tanja Handels

Juhuuuu – endlich mal kein Grusel, keine Herrenhäuser, keine Dienstboten! Hier geht es um Wölfe die in Schottland wieder ausgewildert werden sollen. „Wo die Wölfe sind“ von Charlotte McConaghy dreht sich um die Inti Flynn, eine Biologin, die sich für die Wiederansiedlung von Wölfen in den schottischen Highlands einsetzt. In der Geschichte geht es um die Beziehungen zwischen Mensch und Tier, Umweltschutz und die Folgen unseres Handelns für die Natur. Bei der Bewältigung ihrer anspruchsvollen Mission muss Inti auch mit persönlichen Dämonen fertig werden und sich mit der Komplexität der menschlichen Natur auseinandersetzen.

Der Roman ist sehr vielschichtig. Da sind zum einen die Herausforderungen der Gegenwart, denen sich Inti bei ihrer Arbeit mit den Wölfen stellen muss, und der Versuch, die Menschen in der Gegend, die Ackerbau und Viehzucht betreiben und Angst vor den Wölfen haben, davon zu überzeugen, dass die Wiederansiedlung eine gute Sache ist. Sie kümmert sich auch um ihre Zwillingsschwester, die ein Trauma erlitten hat.

Wir erhalten einen Einblick in die Vergangenheit der Schwestern, in der sie abwechselnd bei ihrer pragmatischen Mutter, einer Polizeidetektivin in Australien, und ihrem Vater, einem ehemaligen Holzfäller, einem Einsiedler, einem „fast verrückten“ Umweltschützer in Kanada, lebten.

“My father used to say the world turned wrong when we started separating ourselves from the wild, when we stopped being one with the rest of nature, and sat apart.”

Die Stärke des Romans ist für mich der Schreibstil, die klaren und schönen Beschreibungen der Wölfe, der Natur. Ich habe jede Menge Sätze rausgeschrieben, die ich großartig fand. Mein vielleicht einziger Kritikpunkt ist, dass ich erhofft hatte noch mehr über Wölfe zu erfahren. Vielleicht muß ich mir dafür mal ein Sachbuch besorgen, auf jeden Fall hat die Autorin mir diese Tiere immens nahe gebracht.

Charlotte McConaghy ist eine sehr talentierte Autorin und ich freue mich schon sehr darauf demnächst „Migrations“ zu lesen

Bellman & Black – Diane Setterfield auf deutsch erschienen im Karl Blessing Verlag unter dem Titel „Aufstieg und Fall des Wollspinners William Bellman“ übersetzt von Anke und Eberhard Kreutzner

Dark, atmospheric … utterly riveting sagt die Daily Mail und ich frage mich, ob ich eventuell ein anderes Buch gelesen habe. Ich fand Bellman & Black einfach nur sterbenslangweilig. Ich habe gelesen und gelesen und mich permanent gefragt wann jetzt mal irgendwas Bemerkenswertes passiert und dann war das Buch fertig. Vielleicht hätte der deutsche Titel mir eine Warnung sein können, hätte ich ihn vorher gewußt, denn nach der Lektüre weiß ich jetzt soviel mehr über das Wollspinnen als ich jemals wissen wollte und die großzügigen drei Sterne die ich vergeben habe auf Goodreads liegen einzig an ein paar schön geschriebenen Szenen.

“He felt something move in his chest, as though an organ had been removed and something unfamiliar left in its place. A sentiment he had never suspected the existence of bloomed in him. It traveled from his chest along his veins to every limb. It swelled in his head, muffled his ears, stilled his voice, and collected in his feet and fingers. Having no language for it, he remained silent, but felt it root, become permanent.”

William Bellman tötet als Kind eine Krähe, um seinen drei besten Freunden zu beweisen, wie gut er mit der Steinschleuder umgehen kann. Am Abend nach der Tat glaubt er, unter dem Baum, auf dem die Krähe saß, einen schwarz gekleideten Jungen zu sehen. Zunächst scheint dies kein schlechtes Omen zu sein: Als Jugendlicher beginnt William in der Wollspinnerei seines Großvaters zu arbeiten, sein Onkel ernennt ihn bald zum Teilhaber, und als die beiden plötzlich sterben, übernimmt William die Spinnerei und macht daraus ein Erfolgsunternehmen. Doch dann häufen sich die mysteriösen Todesfälle in seiner Umgebung, seine Frau und seine Kinder erkranken schwer. Und William begegnet immer wieder einer dunklen Gestalt, die ihm schließlich einen verhängnisvollen Pakt anbietet, um seine Existenz und sein Glück zu retten …

Habe hier noch „The Thirteenth Tale“ von der Autorin liegen, werde ich so schnell nicht lesen – laut der Kritiken soll es aber deutlich besser sein.

Ich hoffe euch ist mein Schauer-Grusel-Krimi-Marathon nicht auch auf den Magen geschlagen. Konnte ich euch für das eine oder andere Buch interessieren? Welche kanntet ihr, zu welchen hattet ihr ggf ganz andere Meinungen als ich?

Ich freue mich auf das neue Lesejahr mit euch und verspreche – es wird auch wieder etwas gehaltvoller.

Lektüre März 2022

Mich wieder vermehrt in Bücher verkrochen, um den Nachrichten weitestgehend zu entkommen. Ein guter Lesemonat mit einigen großartigen Büchern. Ich hoffe, ich kann Euch Lust auf das eine oder andere Buch machen.

Lighthousekeeping – Jeanette Winterson auf deutsch unter dem Titel „Der Leuchtturmwärter“ im Berlin Verlag erschienen, übersetzt von Monika Schmalz

Habe bislang jedes ihrer Bücher sehr sehr gerne gelesen. Lighthousekeeping war da keine Ausnahme. Was für eine schöne poetische, spannende Geschichte um die tutter- und ankerlose Silver, die vom „zeitlosen“ Mr. Pew, dem Wärter des Leuchtturms von Cape Wrath, aufgenommen wird. Pew erzählt Silver uralte Geschichten von Sehnsucht und Wurzellosigkeit, von Bindungen, die bleiben und von Entgleisungen, die jedes Leben mit sich bringt.

As for myself, I am splintered by great waves. I am coloured glass from a church window long since shattered. I find pieces of myself everywhere, and I cut myself handling them.

Plötzlich an jenem Abend – Daphne Du Maurier

Obwohl sie oft als romantische Autorin eingestuft wird, sind ihre Kurzgeschichten durchweg stimmungsvoll, düster und voller paranormaler Untertönen. Ihre Bestseller wurden von den Kritikern zunächst nicht ernst genommen, haben sich aber inzwischen einen bleibenden Ruf für ihr erzählerisches Handwerk erworben. Viele von ihnen wurden erfolgreich verfilmt, darunter die Romane Rebecca, Frenchman’s Creek, My Cousin Rachel und Jamaica Inn sowie die Kurzgeschichten „The Birds“ und „Don’t Look Now“.

Du Maurier verbrachte einen Großteil ihres Lebens in Cornwall, wo auch die meisten ihrer Werke spielen. Ich kann diese Kurzgeschichtensammlung nur jedem ans Herz legen, einfach unfassbar gut. Muss jetzt unbedingt Hitchcocks „Die Vögel“ nochmal ansehen, obwohl ich gemerkt habe, wie sehr du Mauriers Kurzgeschichte und die Verfilmung voneinander abweichen.

Nat listened to the tearing sound of splintering wood, and wondered how many million years of memory were stored in those little brains, behind the stabbing beaks, the piercing eyes, now giving them this instinct to destroy mankind with all the deft precision of machines.” (The Birds)

The Darkening Age – Catherine Nixey übersetzt von Cornelius Hartz unter dem Titel „Heiliger Zorn. Wie die frühen Christen die Antike zerstörten“. Deutsche Verlags-Anstalt

„The darkening age“ ist die weitgehend unbekannte Geschichte, wie eine militante Religion die Lehren der klassischen Welt umfassend und voller Absicht auslöschte und Jahrhunderte des bedingungslosen Festhaltens an dem „einen wahren Glauben“ einleitete.

Trotz der seit langem vorherrschenden Vorstellung, dass die frühen Christen sanftmütig und mild waren und in den Märtyrertod gingen, indem sie Hymnen der Liebe und des Lobes sangen, sieht die Wahrheit, wie Catherine Nixey zeigt, ganz anders aus. Sie waren alles andere als sanftmütig und mild, sondern gewalttätig, rücksichtslos und von Grund auf intolerant. Anders als in der polytheistischen Welt, in der die Hinzufügung einer neuen Religion keinen grundlegenden Unterschied zu den alten machte, erklärte diese neue Ideologie nicht nur, dass sie der Weg, die Wahrheit und das Licht sei, sondern auch, dass jeder andere Weg falsch sei und zerstört werden müsse. Vom 1. bis zum 6. Jahrhundert wurden diejenigen, die nicht mit ihren Überzeugungen konform gingen, auf jede erdenkliche Weise verfolgt: sozial, rechtlich, finanziell und physisch. Ihre Altäre wurden umgestürzt und ihre Tempel zerstört, ihre Statuen zerhackt und ihre Priester getötet. Es war komplette Auslöschung.

Anschaulich geschrieben und äußerst fesselnd – das bemerkenswerte Debüt einer brillanten jungen Historikerin.

It wasn’t just the fact that Christians were ignorant about philosophical theories that annoyed Celsus; it was that Christians actually reveled in their ignorance.

Sprache und Sein – Kübra Gümüşay erschienen im Hanser Verlag

Kübra Gümüşay beschreibt wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. Dieses Buch folgt einer Sehnsucht: nach einer Sprache, die Menschen nicht auf Kategorien reduziert. Nach einem Sprechen, das sie in ihrem Facettenreichtum existieren lässt. Nach wirklich gemeinschaftlichem Denken in einer sich polarisierenden Welt. Kübra Gümüşay setzt sich seit langem für Gleichberechtigung und Diskurse auf Augenhöhe ein. In ihrem ersten Buch geht sie der Frage nach, wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. Sie zeigt, wie Menschen als Individuen unsichtbar werden, wenn sie immer als Teil einer Gruppe gesehen werden – und sich nur als solche äußern dürfen.

Wer also trotz der Auseinandersetzung mit einer gerechteren Sprache auf der Verwendung ächtender Sprache beharrt, der bekennt sich zur Ächtung von Menschen und positioniert sich bewusst gegen Gerechtigkeit, gegen die Gleichstellung der Geschlechter – für rassistische, sexistische, menschenfeindliche Sprachnutzung.

Civilisations: How do we look – Mary Beard

Die renommierte Klassizistin Mary Beard hat diesen eleganten Band über die Art und Weise, wie wir Kunst betrachten, als prachtvoll illustriertes Begleitbuch zu den berühmten TV-Sendungen „How Do We Look“ und „The Eye of Faith“ konzipiert. In Teil I konzentriert sich Beard auf die Olmekenköpfe des frühen Mesoamerikas, die kolossalen Statuen des Pharaos Amenhotep III. und die Akte des klassischen Griechenlands.

In Teil II stellt Beard einige der atemberaubendsten religiösen Bilder vor, die je geschaffen wurden – ob in Angkor Wat, Ravenna, Venedig oder in der Kunst jüdischer und islamischer Kalligraphen -, um zu zeigen, dass alle Religionen, ob alt oder modern, bei dem Versuch, das Göttliche darzustellen, vor unlösbaren Problemen standen.

One of its (civilisations) most powerful weapons has always been ‚barbarity‘: ‚we‘ know that ‚we‘ are civilised by contrasting ourselves with those we deem to be uncivilised, with those who do not -or cannot be trusted to – share our values. Civilisation is a process of exclusion as well as inclusion. The boundary between ‚us‘ and ‚them‘ may be an internal one (for much of world history the idea of a ‚civilised woman‘ has been a contradiction in terms), or an external one, as the word ‚barbarian‘ suggests; it was originally a derogatory and ethnocentric ancient Greek term for foreigners you could not understand, because they spoke in an incomprehensible babble: ‚bar-bar-bar …‘ The inconvenient truth, of course, is that so-called ‚barbarians‘ may be no more than those with a different view from ourselves of what it is to be civilised, and of what matters in human culture. In the end, one person’s barbarity is another person’s civilisation.

The Origins of Species – Charles Darwin

OK – an dem Band habe ich schon eine ganze Weile lang hingelesen, aber es war jede Minute wert. Ein Buch das so viel einfacher und angenehmer zu lesen war, als ich es mir jemals hätte träumen lassen.

Darwins hervorragend lesbare Erforschung des Evolutionsprozesses gilt noch immer als eines der wichtigsten und bahnbrechendsten wissenschaftlichen Werke aller Zeiten und stellte die meisten festen Überzeugungen der westlichen Welt in Frage. Jahrhunderts wurden die Leser gezwungen, die Idee eines Schöpfers in Frage zu stellen, und sahen sich mit Darwins Theorien über die Gesetze der natürlichen Selektion und den Zufall der Evolution konfrontiert, was zu jener Zeit zu massiven Kontroversen führte. Darwins Theorien bilden jedoch auch heute noch das Rückgrat der modernen Biologie.

I think it inevitably follows, that as new species in the course of time are formed through natural selection, others will become rarer and rarer, and finally extinct. The forms which stand in closest competition with those undergoing modification and improvement will naturally suffer most.

Lilith’s Brood – Octavia E. Butler erschienen im Heyne Verlag „Die Genhändler“ Übersetzt von Barbara Heidkamp

Octavia Buttler veröffentlichte ihre Xenogenesis-Trilogie (später unter dem Titel Lilith’s Brood zusammengefasst) nachdem sie in den 1980er Jahren wichtige SciFi Preise wie den Hugo Award gewonnen hatte. In der Trilogie geht es um die Rettung der Menschheit nach einem verheerenden Krieg; die Überlebenden treffen auf eine Alien-Rasse, die ein drittes Geschlecht besitzt, welches nicht nur die anderen beiden Geschlechter mental miteinander verknüpfen, sondern sie auch genetisch verändern kann.

In der Xenogenesis-Trilogie werden die Themen Sexualität, Geschlecht, Rasse und Spezies erforscht. Die Oankali glauben, dass die menschliche Spezies einen unausweichlichen selbstzerstörerischen „Widerspruch“ zwischen ihrer hohen Intelligenz und ihrer hierarchischen Natur hat.

Eine der ungewöhnlichsten SciFi Stories die ich je gelesen habe.

Intelligence is relatively new to life on Earth, but your hierarchical tendencies are ancient.

Das Seelenhaus – Hannah Kent erschienen im Droemer Verlag übersetzt von: Leonie Reppert-Bismarck

Island 1828. Agnes ist eine selbstbewusste und verschlossene Frau. Sie wird als hart ­arbeitende Magd respektiert, was sie denkt und fühlt, behält sie für sich. Als sie des Mordes an zwei Männern angeklagt wird, ist sie allein. Die Zeit bis zur Hinrichtung soll sie auf dem Hof eines Beamten verbringen. Die Familie ist außer sich, eine Mörderin beherbergen zu müssen – bis Agnes Stück um Stück die Geschichte ihres Lebens preisgibt.

Atmosphärische düstere Geschichte, die noch lange nachklingt – habe ich sehr gerne gelesen. Eine ausführliche Besprechung findet ihr hier bei Constanze von Zeichen und Zeiten.

… Aber die Leute merken, daß ich denken kann, und sie finden, dass man einer denkenden Frau nicht trauen kann. Da ist für Unschuld kein Platz. So sieht’s aus, das ist die Wahrheit, Herr Pfarrer, ob´s Ihnen passt oder nicht. ….

Und – war diesen Monat etwas dabei worauf ihr Lust bekommen habt, oder habt ihr eventuell schon eines oder mehrere der Bücher gelesen? Bin gespannt auf Eure Rückmeldungen.