Oktober Lektüre

Der Oktober brachte eine interessante Mischung an Leseerlebnissen mit sich. Von einem echten 5-Sterne-Highlight über solide 4-Sterne-Bücher bis hin zu einem 3-Sterne-Werk war alles dabei. Ich freue mich, euch einige dieser besonderen Titel vorzustellen und bin gespannt, wie euer Lesemonat verlaufen ist! Gab es für euch absolute Highlights oder vielleicht auch Enttäuschungen? Und welche meiner Empfehlungen kennt ihr schon oder machen euch neugierig? Eure Rückmeldungen sind wie immer herzlich willkommen!

Rebecca F. Kuang – Yellowface im Eichborn Verlag erschienen, übersetzt von Jasmin Humburg
★★★★☆

„Yellowface“ von R. F. Kuang hat mich tatsächlich ganz schön gefesselt – für mich ein echter Pageturner. Der Roman dreht sich um June Hayward, eine erfolglose Autorin, die das Manuskript ihrer verstorbenen Kollegin Athena Liu stiehlt und es unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht. June war stets mega neidisch auf den Erfolg ihrer College Freundin Athena in deren Schatten sie stand. Schon am Anfang war klar, dass Junes Karriere nach diesem Coup zunächst steil bergauf gehen würde – und ihr Fall umso tiefer. Das war richtig nervenaufreibend obwohl ich die Protagonistin nicht wirklich sympathisch fand. Aber gerade die moralischen Grauzonen machten das Buch so spannend.

Besonders faszinierend fand ich, wie tief man hinter die Kulissen der Verlagsbranche blicken konnte. Kuang zeigt schonungslos, wie gnadenlos und oft auch scheinheilig dieser Markt ist, wo Marketing, Macht und Identität eng verknüpft sind. Von toxischen Gatekeepern über die Frage nach kultureller Aneignung bis hin zur Rolle von Social Media – das Buch liefert eine spannende Analyse, die unter die Haut geht und einem eine Menge zum Nachdenken mitgibt. Ich habe dabei richtig viel über die oft verborgenen Strukturen und Dynamiken gelernt, die über Erfolg oder Scheitern eines Buches entscheiden.

Der Literaturbetrieb sucht sich einen Gewinner oder eine Gewinnerin aus – attraktiv genug, cool und jung und, mal ehrlich, wir denken es doch alle, also sprechen wir es doch auch aus, „divers“ genug – und überschüttet diese Person mit Geld und Unterstützung.

Rebecca F. Kuang ist wirklich eine beeindruckende junge Autorin. Schon ihr Roman Babel war großartig. Man hat das Gefühl was Kuang anpackt wird zu Gold. Sie hat einen beeindruckenden akademischen Hintergrund und ich hab keine Ahnung wie sie es schafft mit 28 Jahren in Cambridge und Yale zu studiert zu haben, jetzt ihren PhD zu machen und nebenher noch 5 Bücher zu schreiben. Wow 😮

Wenn ich überlege was ich mit 28 so gemacht habe – ähm ja 😉 Ich hatte das Glück, beim Eichborn Verlag eine signierte Ausgabe zu gewinnen, freu mich noch immer sehr darüber. Ich liebe signierte Bücher 😊

RF Kuang ist eine Autorin die ich definitiv im Auge behalten werde und ich bin echt gespannt was noch alles kommt!

Tonio Schachinger – Echtzeitalter erschienen im Rowohlt Verlag
★★★☆☆

Tonio Schachingers „Echtzeitalter“, der Roman, der 2023 den Deutschen Buchpreis erhielt, hat mich zwiespältig zurückgelassen. Grundsätzlich fand ich die Coming-of-Age-Geschichte spannend, und auch den humorvollen, teils bissigen Stil, mit dem Schachinger das Leben seines jugendlichen Protagonisten an einer Wiener Eliteschule beschreibt, durchaus unterhaltsam. Die Wahl des Theresianums als fiktive Kulisse ist eine gute Grundlage, um das Spannungsfeld zwischen den Erwartungen der Gesellschaft und den inneren Welten Jugendlicher darzustellen. Der 1992 in Wien geborene Autor greift dabei gekonnt auf die Tradition des Schulromans zurück – eine Linie, die an Klassiker wie Musils „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ oder Hesses „Unterm Rad“ anknüpft. Und ja, es gibt viel zu erkennen in Schachingers Schilderungen: Gesellschaftskritik, eine ironische Distanz zur Wiener Tradition und einiges an literarischem Witz.

Denn der Dolinar hält, ebenso wie Palffys Eltern und die meisten sich als konservativ beschreibenden Menschen, das Bekanntwerden einer Verfehlung immer für schlimmer als die Verfehlung selbst.

Würden Till und seine Klassenkollegen Antonio Gramsci lesen statt Adalbert Stifter, dann wüssten sie, dass Hegemonie immer auf Konsens basiert, dass all die Sachen, die uns wie Erleichterungen unseres Elends vorkommen – die Spiele, die Freizeit -, in Wahrheit dieses Elend erst ermöglichen. Weil es uns erpressbar macht, an etwas zu hängen; weil die Erleichterungen vom Elend uns das Elend erst ertragen lassen.

Und doch hatte ich Schwierigkeiten, eine echte Bindung zu den Figuren aufzubauen. Der Protagonist bleibt für mich seltsam fremd, und auch die Nebenfiguren blieben oft skizzenhaft und nicht wirklich nahbar. Das liegt vielleicht daran, dass das Thema Computerspiele eine so zentrale Rolle spielt – ein Bereich, mit dem ich persönlich wenig verbinde. Schachingers Protagonist entzieht sich dem klassischen Schulalltag, indem er sich in die Welt der Games flüchtet, und das ist für ihn nicht nur Hobby, sondern eine fast identitätsstiftende Leidenschaft, die auch hilft, den Tod des Vaters zu verarbeiten. Dieser Aspekt der Geschichte hat sicher eine eigene Faszination und bringt eine neue, unkonventionelle Perspektive in die literarische Darstellung jugendlicher Selbstfindung. Dennoch habe ich mich oft eher als distanzierter Beobachter gefühlt denn als wirklich involvierter Leser.

Obwohl ich „Echtzeitalter“ durchaus als lesenswert empfinde und es auch seine unterhaltsamen wie tiefsinnigeren Momente hat, halte ich es persönlich nicht unbedingt für preiswürdig. Rückblickend auf das Literaturjahr und die anderen Werke der Shortlist hätte ich wohl eine andere Wahl getroffen.

Die Juryentscheidung wirkt, wie bereits manche Kritiker angemerkt haben, fast ein wenig willkürlich – und das nicht nur wegen der Vorhersehbarkeit des Themas „Computerspiele und Jugendkultur“.

Ich danke @kitty_cat_84 für das wunderbare Foto – es war einfach unerlässlich bei dem Roman ein paar Reclamhefte im Hintergrund zu haben.

Anne Michaels – Wintergewölbe erschienen im Berlin Verlag, übersetzt von Nora Matocza
★★★☆☆

Als ich nach vielen Jahren Anne Michaels‘ Wintergewölbe in die Hände bekam, war ich sehr darauf gespannt. Ihr Roman „Fugitive Pieces – Fluchtstücke“ ist eines meiner Lieblingsbücher, das ich mehrmals gelesen habe. Besonders fasziniert haben mich im Wintergewölbe die Passagen über den Bau des Assuan-Staudamms in Ägypten – eine beeindruckende und melancholische Reflexion über den Verlust von Heimat und Geschichte. Michaels verbindet das Schicksal der durch den Staudamm vertriebenen Nubier auf poetische Weise mit dem Bau des Sankt-Lorenz-Seewegs in Kanada. Ihre Beschreibungen sind so detailreich und lebendig, dass man spürt, wie tiefgreifend diese Eingriffe in das Leben der Menschen sind.

Ich glaube wir Menschen haben nur alle in unserem Leben nur ein, zwei philosophische oder politische Grundgedanken, haben nur ein, zwei Ordnungsprinzipien in unserem gesamten Leben, und alles Übrige kommt von dort …

Die Atmosphäre des Romans ist typisch Michaels: melancholisch und poetisch, was mir sehr gefallen hat. Ihre Sprache ist von großer Schönheit. Doch trotz dieser Momente der sprachlichen Brillanz und der bewegenden Thematik erreicht Wintergewölbe für mich bei Weitem nicht das emotionale Niveau von Fugitive Pieces. In Wintergewölbe geht es mehr um das Argument als um die Geschichte – wie eine Kritikerin so treffend sagte: „Michaels konstruiert eine Brücke zwischen zwei sehr unterschiedlichen Männern.“ Doch genau diese Konstruktion bleibt mir zu distanziert, zu abstrakt. Die Figuren sind in weiten Teilen mit sich selbst beschäftigt, und obwohl Jean, die zentrale Figur, durch ihre stillen Beobachtungen und ihren Schmerz tief berührt, bleibt die emotionale Verbindung für mich im Vergleich zu Michaels‘ früherem Buch doch blasser.

Der Roman fühlt sich an manchen Stellen wie ein lehrreiches Stück Geschichte an, und während die Passagen rund um die technischen und architektonischen Meisterleistungen spannend sind, vermisst man oft die intime Nähe zu den Figuren. Das Buch, so lyrisch es auch ist, lässt die Leser*in letztlich eher kalt, besonders im Vergleich zu Fugitive Pieces. Dennoch ist Michaels’ Blick auf Verlust und Erinnerung klar und packend, auch wenn dieser Roman nicht die gleiche emotionale Wucht erreicht.

Ich bin auf jeden Fall sehr auf ihren neuesten Roman „Held“ gespannt, der aktuell auf der Booker Shortlist steht.

Welches ist euer Lieblingsroman von Ms Michaels?

Daniel Kehlmann – Tyll erschienen im Rowohlt Verlag
★★★☆☆

„Tyll“ von Daniel Kehlmann hatte mich eigentlich durchaus angesprochen – die Idee, einen Gaukler als Wegbegleiter durch den Dreißigjährigen Krieg zu erleben, schien faszinierend. Tyll ist angelehnt an die historische Figur Till Eulenspiegel, und Kehlmann lässt ihn in seinem Buch als schillernde, rätselhafte Figur durchs zerrissene Land ziehen, voller List, scharfsinniger Streiche und Grausamkeit. Die Episoden, die Kehlmann miteinander verknüpft – Tyll als Narr eines exilierten Königspaares, die Begegnungen mit erfundenen und historischen Persönlichkeiten – zeichnen ein fast kaleidoskopartiges Bild dieser düsteren Zeit.

Dabei fand ich beeindruckend, wie gekonnt Kehlmann Fiktion und Realität miteinander vermischt. Die Erzählweise bleibt immer unterhaltsam, oft poetisch und verzichtet darauf, Leid und Elend zu explizit zu schildern, was dem/der Leser*in einen gewissen Abstand erlaubt. Trotz dieser Leichtigkeit, die Kehlmann den Schrecken gegenüberstellt, fiel es mir schwer, einen richtigen Zugang zu Tyll zu finden.

Verachtet, gefürchtet, ausgegrenzt. Offen ansprechen, gar berühren durfte man sie nicht. Sie selbst lebten vom Tod, von der Folter und in der ständigen Angst von einem Delinquenten verflucht zu werden. Ihren Kindern und Kindeskindern stand kein anderer Beruf mehr offen, einmal Henker, immer Henker …“

Vielleicht liegt es an der Schelmenfigur selbst, die mir zu distanziert und unnahbar blieb. Auch wenn Kehlmanns Buch komplex und kunstvoll komponiert ist, habe ich mich als Leserin oft nur als Beobachterin gefühlt und weniger als emotional Beteiligte. Vielleicht liegt es daran, dass der Schelmenroman per se nicht mein bevorzugtes Genre ist. Trotzdem bereue ich das Lesen keineswegs – es war faszinierend, wie Kehlmann den Dreißigjährigen Krieg auf diese Art belebt und erzählt. Nur wirkliche Begeisterung wollte sich für mich einfach nicht einstellen.

Habt ihr es gelesen? Wie fandet ihr Tyll?

Jörg Bong – Die Flamme der Freiheit erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag
★★★★★

Jörg Bongs „Die Flamme der Freiheit“ ist ein Buch, das sich wie ein Denkmal für die lange Zeit vergessenen deutschen Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer der Revolution von 1848/49 liest – eine Geschichte, die im heutigen Bewusstsein oft im Schatten steht, obwohl sie einen zentralen Ursprung unserer demokratischen Tradition darstellt. Bongs Darstellung packt die Leser, sie bringt die Szenen der Revolution und die Menschen, die dafür gekämpft haben, lebendig nahe. Dabei hat das Buch für mich persönlich eine fast magische Anziehungskraft entfaltet: Ich habe beinahe jeden zweiten Satz markiert und mich in ein Recherche-Fieber versetzt gefunden, das mich Seite um Seite tiefer in die Geschichte hineinriss.

Goethes und Schillers dringlicher Rat an die Deutschen zu ihrer Zukunft widerstrebt Gagern im Innersten: Am besten sollten sie, empfehlen die beiden, die Entwicklungsstufe der Nation überspringen und gleich kosmopolitisch werden, Weltbürger, Goethes letzte große Idee

Die Freiheitskämpfer*innen die in Bongs Erzählung so lebendig werden, kämpfen für eine Demokratie, die damals noch in weiter Ferne lag – und es ist erschreckend zu lesen, wie ähnlich die Bedrohung der Demokratie heute in vielerlei Hinsicht ist. Die Bilder, die Bong beschreibt, erinnern an eine Zeit, in der die Menschen gegen den autoritären Preußenstaat aufstanden, sich gegen Repression, Ungerechtigkeit und für Freiheitsrechte stellten. Bongs Protagonisten scheitern bekanntlich letztlich mit ihrem Anliegen, doch die Entschlossenheit und das Durchhaltevermögen dieser Frauen und Männer können nicht genug gewürdigt werden. So eindringlich wie in „Die Flamme der Freiheit“ wurde dieses Kapitel der deutschen Geschichte selten erzählt – und wenn je eine Mahnung zur Verteidigung demokratischer Werte nötig war, dann ist sie in Bongs Werk eindrucksvoll eingeflochten.

Die Hauptakteure in Bongs Buch wie zB der Rheinländer Carl Schurz sind teilweise in den USA viel bekannter als bei uns. Die „48er“ hatten dort einen unglaublich guten Ruf. Schurz zB der gescheiterten Revolution flieht er vor der preußischen Obrigkeit in die USA, kämpfte im amerikanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Nordstaaten gegen die Sklaverei und bringt es bis zum US-Innenminister. Es ist bedauerlich, dass die 48er in Deutschland so wenig bekannt ist, obwohl sie doch so bedeutend für unsere Demokratie sind und wir ihnen soviel zu verdanken haben.

Das Ehepaar Georg und Emma Herwegh war ein außergewöhnliches Duo innerhalb der revolutionären Bewegungen der Jahre 1848/49. Georg Herwegh, bekannt als „Der eiserne Dichter der Revolution“, begeisterte viele Menschen mit seinen scharfsinnigen, freiheitsliebenden Gedichten. Emma Herwegh, seine Frau, ging jedoch über das bloße Unterstützen hinaus und entwickelte sich selbst zu einer mutigen, aktiv handelnden Figur der Revolution. Sie war nicht nur Begleiterin ihres Mannes, sondern übernahm eigenständig Verantwortung und engagierte sich leidenschaftlich für die Freiheitsideale ihrer Zeit. Mit außergewöhnlicher Entschlossenheit half sie bei der Organisation der sogenannten „Deutschen Demokratischen Legion“, die unter der Führung ihres Mannes im badisch-pfälzischen Aufstand gegen die reaktionären Mächte kämpfte. Emma wurde zur Symbolfigur für viele revolutionär gesinnte Frauen, weil sie sich den ihr zugeschriebenen, traditionellen Rollen widersetzte und eine aktive politische Rolle einnahm. Ihre Tapferkeit und Standfestigkeit verliehen der Bewegung eine zusätzliche moralische Kraft, und ihre Beteiligung stellte ein frühes Beispiel für den Kampf um Gleichberechtigung und weibliche Selbstbestimmung dar.

Doch Emma sieht messerscharf, was sich anbahnt: der historische Kampf zwischen Demokratie und Nationalismus. Sie formuliert ihren Satz von den „beiden Elementen“ die nun zu einem epochalen Showdown antreten: die neue demokratische Freiheit gegen den neuen „scheußlichsten Absolutismus“ des Nationalen.

Die Revolution von 1848/49 war eine Möglichkeit, die leider verpasst wurde, wie der Historiker Thomas Nipperdey es einmal beschrieb – eine Möglichkeit, der deutschen Geschichte eine friedlichere Wendung zu geben, die vielleicht spätere Katastrophen hätte verhindern können. „Die Flamme der Freiheit“ von Jörg Bong ist in diesem Sinne weit mehr als eine historische Schilderung: Es ist ein Mahnmal und eine Aufforderung, für die Demokratie zu kämpfen, auch wenn der Erfolg nicht gewiss ist. Ein Meisterwerk, das hoffentlich seinen Weg zu vielen Leser finden wird und die Erinnerung an eine bedeutsame Zeit aufrecht erhält.

Mit seiner greifbaren Darstellung und der Detailtreue, die sich selbst kleinsten Aspekten widmet, versetzt Bong die Leser*innen direkt in die Mitte der revolutionären Geschehnisse – sei es bei der Beisetzung der Märzgefallenen oder bei den Barrikadenkämpfen, wo der preußische König Friedrich Wilhelm IV. unter Demütigungen letztlich nachgeben muss, nur um sich insgeheim grausame Rache zu schwören. Die Auseinander-setzungen um die Demokratie waren kein bloßes Streben nach Reformen; es waren die harten Kämpfe der deutschen Revolution, die in einer Zeit stattfanden, in der von Demokratie kaum ernsthaft zu träumen war.

Bong verzichtet auf Belehrungen und verurteilt die historischen Figuren nicht aus der Sicht der Gegenwart, sondern versucht, deren Handeln in der jeweiligen Zeit verständlich zu machen. Dabei bleibt er den historischen Figuren nahe, fängt die Atmosphäre ihrer Zeit ein und entfaltet die Tragik ihrer Geschichte: eine Tragödie des Scheiterns und des ungenutzten Potentials für eine demokratischere deutsche Geschichte, eine, die uns bis heute in Trauer zurücklässt.

Ich war zutiefst schockiert was für ein grausames Arschloch der spätere Kaiser Wilhelm I war. Sorry das kann mich nicht feiner ausdrücken. Wie er in die protestierenden Menschenmassen reingeschossen hat, Unruhe absichtlich gestiftet hat, um den Rebellen Dreck in die Schuhe schieben zu können um dann pro Forma einen Grund für sein rücksichtsloses Abschlachten hat – ohne Worte.
Wir sollten die Demokratie auf keinen Fall für etwas Selbstverständliches halten und sie schützen und aktiv sein, um sie widerstandsfähig zu machen und gegen ihre Gegner zu schützen.

Nguyễn Phan Quế Mai – Der Gesang der Berge, Insel Verlag, übersetzt von Claudia Feldmann
★★★★☆

Meine literarische Weltreise hat mich noch einmal nach Vietnam zurückgeführt, diesmal mit Nguyen Phan Que Mais Roman „Der Gesang der Berge.“ Noch beeindruckt von Cecile Pins Wandering Souls, wollte ich tiefer in die vietnamesische Geschichte eintauchen. Das Buch hat mich von der ersten Seite an mitgerissen, nicht zuletzt durch die zentrale Rolle der Großmutter Dieu Lan, die mich an meine eigene Großmutter erinnerte, bei der ich aufgewachsen bin. Geschichten, in denen Großmütter eine tragende Rolle spielen, ziehen mich immer ganz besonders an, und Dieu Lan ist eine dieser unvergesslichen Figuren. Ihre Stärke, ihr Durchhaltevermögen und ihre bedingungslose Liebe zu ihrer Enkelin Huong haben mich tief berührt.

Die Handlung entfaltet sich über mehrere Jahrzehnte vietnamesischer Geschichte – ein Bild voll Schmerz, Verlust und Hoffnung. Durch die abwechselnden Erzählperspektiven von Dieu Lan und Huong hat man das Gefühl, man sei direkt dabei, als die Familie die Schrecken der Landreform, die Zerstörungen des Krieges und die bedrückenden Jahre der Teilung Vietnams durchlebt. Die Erzählungen von Bombenangriffen, Flucht und den traumatischen Folgen von Agent Orange lassen das unermessliche Leid der vietnamesischen Bevölkerung greifbar werden. Dennoch ist es der Mut, den Dieu Lan ihrer Enkelin weitergibt, der mich am meisten bewegt hat – ein starker, unzerstörbarer Familienkern, der trotzig die Zerstörung des Krieges überlebt.

Je mehr ich las, desto größer wurde meine Angst vor Kriegen. Kriege haben die Macht, liebenswerte und kultivierte Menschen in Ungeheuer zu verwandeln

Die Großmutter erinnert Huong daran, wie die Machthaber die Macht beanspruchen, Geschichte umzuschreiben – ein düsteres Bild, das die Zeit der Landreform und der kommunistischen Herrschaft in Nordvietnam prägte. In einer Welt voller Schmerz und Verlust verkörpert Dieu Lan für mich das Bild einer Überlebenden, die an Hoffnung festhält auch wenn die Gegenwart mehr als düster ist und der es gelingt, Huong eine Zukunft zu schenken.

Nguyen Phan Que Mai erinnert daran, dass selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen wie Dieu Lan Hoffnung und Menschlichkeit bewahren.

Margot Douaihy – Verbrannte Gnade, erschienen im Blumenbar Verlag, übersetzt von Eva Kemper
★★★☆☆

Margot Douaihys Verbrannte Gnade hat mich auf unerwartete Weise begeistert. Der Krimi führt uns in das schwüle, drückende New Orleans, das durch Douaihys poetischen Stil fast wie eine weitere Figur erscheint. Sister Holiday, die lesbische, kettenrauchende, tätowierte Nonne mit einer Punk-Vergangenheit, ist alles andere als gewöhnlich – sie ist gebrochen, komplex und auf eine ganz eigene Art gläubig. Ihre innere Zerrissenheit und ihr Kampf, trotz ihrer rauen Fassade, ihren Glauben zu bewahren, machen sie zu einer faszinierenden Protagonistin.

Der Kriminalfall selbst, bei dem es um eine Reihe von mysteriösen Bränden an einer katholischen Schule geht, war für mich ehrlich gesagt etwas weniger fesselnd. Die eigentliche Stärke des Romans liegt in der düsteren Atmosphäre und den Charakteren. Die Hitze von New Orleans ist fast greifbar, und Douaihy beschreibt sie so intensiv, dass man das Gefühl hat, selbst in dieser dampfenden Stadt zu stehen, wo alles ein bisschen verfallen wirkt. Diese Kulisse verstärkt das Gefühl, dass jeder Charakter in irgendeiner Form vor der eigenen Vergangenheit oder den eigenen Dämonen flieht.

God never judged me as harshly as I judged myself.

Douaihy, ursprünglich aus Scranton, Pennsylvania, bringt eine raue, fast schon „Rust Belt“-Ästhetik in ihre Darstellung von New Orleans ein, was der Stadt einen spannenden, einzigartigen Anstrich gibt. Ihre Erfahrung als Lyrikerin zeigt sich in den detailreichen, stimmungsvollen Beschreibungen und der eher langsamen Entfaltung der Geschichte. Das Tempo ist manchmal fast hypnotisch, doch gerade das unterstreicht die erdrückende Hitze und die psychischen Kämpfe der Figuren.

Sister Holiday ist weit mehr als nur eine Nonne, die Detektivin spielt. Sie ist auf einer eigenen Reise der Selbstfindung und Sühne, die für mich spannender war als der Kriminalfall selbst. Definitiv eine Figur die mir noch lange im Gedächtnis bleibt und ich hätte auf jeden Fall Lust sie auch bei ihrem nächsten Fall zu begleiten.

Khaled Hosseini – And the Mountains echoed auf deutsch unter dem Titel „Traumsammler“ im S. Fischer Verlag erschien, übersetzt von Henning Ahrens.
★★★☆☆

Afghanistan war die zweite Station auf meiner literarischen Reise um die Welt und die ausführliche Besprechung zum Buch und Informationen über Afghanistan könnt ihr hier nachlesen.

So – geschafft! Freu mich von euch zu hören. Welche habt ihr auch gelesen und was waren eure Lese Highlights im Oktober?

Lektüre November 2022

Ein spannender atmosphärischer Lesemonat liegt hinter mir. Keine wirklichen Ausfälle dabei, eine gute Mischung aus Sachbuch bei dem ich immens viel gelernt habe, ein paar zur November Stimmung passende Romane, ein wunderbares Wiederlesen und eine Bookclub-Lektüre die uns in die Sumpf- und Marschgebiete North Carolinas mitnahmen.

Hier wieder in alphabetischer Reihenfolge ein kurzer Einblick in die Bücher, in der Hoffnung euch auf das eine oder andere Lust machen zu können.

Auf See – Theresa Enzensberger erschienen im Hanser Verlag, gehört als Audible Hörbuch

Yada wächst als Bürgerin einer schwimmenden Stadt in der Ostsee auf. Ihr Vater, ein libertärer Tech-Unternehmer, hat die Seestatt als Rettung vor dem Chaos entworfen, in dem die übrige Welt versinkt. In den Jahren seit ihrer Gründung ist der Glanz vergangen, Algen und Moos überwuchern die einst spiegelnden Flächen. Yadas Vater fürchtet, sie könne das Schicksal ihrer Mutter ereilen, die vor ihrem Tod an einer rätselhaften Krankheit litt. Und Yada macht eines Tages eine Entdeckung, die alles ins Wanken bringt. Klug, packend und visionär erzählt Theresia Enzensbergers großer Roman von den utopischen Versprechen neuer Gemeinschaften und dem Glück im Angesicht des Untergangs.

Ich fand die Geschichte und vor allen Dingen die Ideen spannend, visionär und definitiv zum Nachdenken und Recherchieren anregend. Nur als Hörbuch fand ich es aufgrund der Sprecherin nicht ganz so gelungen, hätte es glaube ich lieber gelesen als gehört. Vielleicht besorge ich es mir noch mal als Buch. Das wird nicht das letzte Buch von Frau Enzensberger sein, mir gefällt ihr Stil und ihre Art zu denken sehr.

Das Ende des Kapitalismus – Ulrike Herrmann erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist mein absolutes November Highlight. Eines von den Büchern bei denen ich nicht mehr aufhören kann davon zu erzählen und ich zur Buch-Missionarin werde und jedem fast mit Einzelhaft und Liebesentzug drohe, wenn die Menschen mir nicht auf der Stelle versprechen es umgehend zu lesen und danach mit mir darüber zu diskutieren.

Das es ein Rezensionsexemplar ist und auch noch von der Autorin für mich signiert wurde auf der Buchmesse hat damit wirklich nichts zu tun. Es hat mich einfach massiv zum Nachdenken gebracht, ich habe tonnenweise interessante Dinge gelernt und dazu geführt, dass ich jetzt nicht mehr sofort und automatisch den Wirtschaftsteil der Zeitung in die Papiertonne werfe.

Die Klimakrise verschärft sich täglich, aber konkret ändert sich fast nichts. Die Treibhausgase nehmen ungebremst und dramatisch zu. Dieses Scheitern ist kein Zufall, denn die Klimakrise zielt ins Herz des Kapitalismus. Wohlstand und Wachstum sind nur möglich, wenn man Technik einsetzt und Energie nutzt. Leider wird die Ökoenergie aus Sonne und Wind aber niemals reichen, um weltweites Wachstum zu befeuern. Die Industrieländer müssen sich also vom Kapitalismus verabschieden und eine Kreislaufwirtschaft anstreben, in der nur noch verbraucht wird, was sich recyceln lässt.

Aber wie soll man sich dieses grüne Schrumpfen vorstellen. Das beste Modell ist ausgerechnet die britische Kriegswirtschaft ab 1940.

„Damals zeigte sich erstmals ein Paradox, das den Kapitalismus bis heute prägt: Nur wenn das Risiko weitgehend ausgeschlossen ist, werden Investitionen gewagt.“

Our Missing Hearts – Celeste Ng auf deutsch erschienen unter dem Titel „Unsere verschwundenen Herzen“ erschienen im dtv Verlag übersetzt von Brigitte Jakobeit

Ich hatte den Roman schon auf dem Radar, nachdem wir vor einiger Zeit „Everything I never told you“ im Bookclub gelesen hatte und ihr neuer Roman auch noch unter „Dystopie“ firmierte. Frau Ngs Lesung im Amerikahaus in München wertete ich dann als finales Zeichen, dass ich diesen Roman unbedingt dringend lesen möchte.

Celeste Ng ist eine überaus kluge, interessante Frau der ich problemlos noch Stunden hätte zuhören können. Our Missing Hearts ist perfekte Winterlektüre. Dystopisch und düster, aber mit viel viel Hoffnung versehen und davon können wir alle momentan glaube ich eine doppelte Portion gebrauchen.

Der zwölfjährige Bird lebt mit seinem Vater in Harvard. Seit einem Jahrzehnt wird ihr Leben von Gesetzen bestimmt, die nach Jahren der wirtschaftlichen Instabilität und Gewalt die »amerikanische Kultur« bewahren sollen. Vor allem asiatisch aussehende Menschen werden diskriminiert, ihre Kinder zur Adoption freigegeben. Als Bird einen Brief von seiner Mutter erhält, macht er sich auf die Suche. Er muss verstehen, warum sie ihn verlassen hat. Seine Reise führt ihn zu den Geschichten seiner Kindheit, in Büchereien, die der Hort des Widerstands sind, und zu seiner Mutter. Die Hoffnung auf ein besseres Leben scheint möglich. Eine genauso spannende wie berührende Geschichte über die Liebe in einer von Angst zerfressenen Welt.

Librarians, of all people, understood the value of knowing, even if that information could not yet be used.

Where the Crawdads sing – Delia Owens auf deutsch erschienen unter dem Titel „Gesang der Flusskrebse“ im Hanser Verlag, übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Unser November Bookclub Buch hat mir um Einiges besser gefallen als ich dachte. Aus irgendeinem Grund befürchtete ich eine furchtbar schmalzige Schmonzette, aber die Naturbeschreibungen und die Protagonistin Kya haben mir auf jeden Fall ein spannendes Lesevergnügen beschert. Die Diskussion im Bookclub drehte sich natürlich auch stark um Delia Owens Rolle zu ihrer Zeit in Afrika, die Kontroversen die es um ihre Person und die ihres Ex-Mannes gibt. Es war eine intensive und sehr spannende Diskussion. Habe auch den Film gesehen und gemocht – großartige Naturaufnahmen, eine Ecke der Welt die ich unbedingt irgendwann mal sehen möchte.

Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Delia Owens erzählt intensiv und atmosphärisch davon, dass wir für immer die Kinder bleiben, die wir einmal waren. Und den Geheimnissen und der Gewalt der Natur nichts entgegensetzen können.

Das ist übrigens ein Buch, das ich wahrscheinlich besser in der deutschen Übersetzung gelesen hätte. Der lokale Dialekt der im Buch wiedergegeben wird, hat mich stellenweise an meine Grenzen gebracht. Solide Unterhaltung, kann man sicherlich gut zu Weihnachten verschenken, auch wenn gefühlt alle Menschen die gerne lesen das Buch wahrscheinlich bereits besitzen.

Autumn leaves don’t fall, they fly. They take their time and wander on this their only chance to soar.

Harry Potter and the Philosopher’s Stone / Harry Potter and the Chamber of Secrets / Harry Potter and the Prisoner of Azkaban – JK Rowling auf deutsch erschienen im Carlsen Verlag übersetzt von Peter Needham.

Zu Harry Potter muss ich wahrscheinlich nicht viel schreiben. Hatte schon eine Weile Lust mal wieder einzutauschen in die magische Welt der Zauberschüler*innen rund um Hogwarts, hatte aber irgendwie auch Schiss, ob es mir beim Wiederlesen noch gefallen würde. Man kann sich ja auch wirklich was kaputt machen, wenn die Magie beim Wiederlesen nicht überspringen will. Brauchte aber keine Sorge zu haben. Bin noch genauso ein Potterhead wie in den 90ern – möchte immer noch nach Hogwarts, trage stolz mein Ravenclaw Shirt und nach jedem Buch schaue ich mir direkt den Film dazu an, denn ich habe vor ein paar Jahren die Harry Potter Filmbox gewonnen und bin Besitzerin sämtlicher Filme in einer sehr sehr hübschen Box.

OK – genug angegeben. Frau Rowling und ihre anstrengende Transphobie nervt, aber davon lass ich mir meinen Harry Potter nicht kaputt machen und die Darsteller*innen sehen es ja zum Glück genau so.

Im Dezember geht es weiter mit den restlichen Bänden und danach möchte ich entweder noch mal nach Osaka wo wir vor ein paar Jahren im Universal Picture Park die Wizarding World of Harry Potter besucht haben oder vielleicht nach London in die Warner Brothers Filmstudios? Wofür ich mich auch immer entscheide, es braucht jede Menge Überzeugungsarbeit, denn die Bingereader-Gattin kann mit Harry Potter leider gar nix anfangen 😉

The Lamplighters – Emma Stonex auf deutsch erschienen unter dem Titel „Die Leuchtturmwärter“ im Fischer Verlag übersetzt von Eva Kemper

Durch das Dezember Bookclub Buch bin ich nur so durchgerauscht und habe die Lektüre sehr sehr genossen. Passt einfach perfekt zu nebelig-düsteren Winterwochenenden. Ein Pageturner im wahrsten Sinne des Wortes, konnte es gar nicht aus der Hand legen. Die Geschichte um das Verschwinden der drei Leuchtturmwärter beruht auf eine wahren Geschichte, was die Recherche rund ums Buch noch mal spannender macht.

In der Silvesternacht verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Männer spurlos von einem Leuchtturm. Die Tür ist von innen verschlossen. Der zum Abendessen gedeckte Tisch unberührt. Die Uhren sind stehen geblieben. Zurück bleiben drei Frauen, die auch zwei Jahrzehnte später von dem rätselhaften Geschehen verfolgt werden. Die Tragödie hätte Helen, Jenny und Michelle zusammenbringen sollen, hat sie aber auseinandergerissen. Als sie zum ersten Mal ihre Seite der Geschichte erzählen, kommt ein Leben voller Entbehrungen zutage – des monatelangen Getrenntseins, des Sehnens und Hoffens. Und je tiefer sie hinabtauchen, desto dichter wird das Geflecht aus Geheimnissen und Lügen, Realität und Einbildung.

In all my years I’ve realized there are two kinds of people. The ones who hear a creak in a dark, lonely house, and shut the windows because it must have been the wind. And the ones who hear a creak in a dark, lonely house, light a candle, and go to take a look.

Es hört nie auf, dass man etwas sagen muss – Antje Rávic Strubel erschienen im Fischer Verlag.

Antje Rávic Strubel ist auch so eine Autorin an deren Bücher ich einfach nicht vorgehen kann, wenn sie etwas neues geschrieben hat. Und dieses Buch hier ist ja wohl zusätzlich auch noch ein phänomenaler Hingucker. Ein kleiner Essay-Band voller kluger Gedanken zu Virginia Woolf, Astrid Lindgren, Selma Lagerlöf, Gendergewändern, Theodor Fontane und Elche kommen auch vor. Ein elegantes Büchlein bei man das Gefühl hat mit jeder Zeile ein kleines wenig klüger zu werden.

Pointiert nimmt Antje Rávik Strubel die aktuelle gesellschaftliche Lage unter die Lupe. Mit engagierter und zugleich poetischer Stimme widerspricht sie dem Gezerre und Gezeter. Sie plädiert für einen spielerischen, abenteuerlichen, wagemutigen Umgang mit Sprache, für ein emphatisches und aufmerksames Miteinander und eine Vielfalt der Lebens- und Liebesweisen. Sie erzählt von Virginia Woolf und Selma Lagerlöf, von dem Griff nach den Sternen und dem Aufbruch ins Unbekannte. Diese kritischen, literarischen und persönlichen Reden und Essays spannen den Bogen vom Ende des 19. Jahrhunderts zum Beginn des 21. Jahrhunderts und blättern mit dem nötigen feministischen Hintersinn andere Seiten der gesellschaftlichen Landkarte auf.

Die unfassbar schöne Covergestaltung haben wir im Übrigen Judith Schalansky zu verdanken.

Ankleben verboten!
1. Halte dich nicht zurück.
2. Widersprich dir.
3. Widersteh der Versuchung, Bedeutsames zu sagen.
4. Vernachlässige dich selbst.
5. Betrachte die Wirklichkeit aus der Schräglage
6. Deine Sitze sind die Wirklichkeit, trau ihnen nicht.
7. Verschleier dein Anliegen.
8. Lösch deine Spuren.
9. Benutze deine Zweifel, um Sätze zu bilden.
10. Sei viele. Sei jung und alt, weiblich und männlich, hell und dunkel zugleich.
11. Mach dich unabhängig von Lob.
12. Kehr um und entwirf deine eigenen Regeln.
13. Ertränke deine Leser und deine Vögel im Licht.

The Bass Rock – Evie Wyld auf deutsch erschienen unter dem Titel „Die Frauen“ im Rowohlt Verlag übersetzt von Tanja Handels.

Noch ein unfassbar gutes, spannendes und atmosphärisches Buch bei dem ich mir nicht mehr sicher bin, wie ich auf diesen Titel gekommen bin. Habe es als Hörbuch gehört und habe den schottischen Akzent der Sprecherin sehr geliebt. Die Geschichte ist düster und sicherlich kein Wohlfühl Schauerroman, aber ein spannend konstruierter Roman, der einem noch lange nachgeht.

Der Bass Rock wirft seit Jahrhunderten einen Schatten auf North Berwick und seine Bewohner. Neu unter ihnen: Ruth Hamilton, die in den Jahren nach dem Krieg mit ihrem Mann und zwei Stiefsöhnen in ein zugiges Haus am Meer zieht. Ruth ist zum ersten Mal schwanger und zusehends allein: die Kinder im Internat, der Mann über Wochen in seiner Londoner Kanzlei. Als Großstädterin hadert sie mit der Abgeschiedenheit und auch mit den sonderbaren Gebräuchen der einheimischen Gesellschaft. Ein Strandpicknick mitten im Winter? Die Frauen eigenartig kostümiert? Ruth passt sich an, ein wenig. Bis sie begreift: Das hier passiert nicht nur ihr. Es ist ein altes Spiel. Sie soll es nicht gewinnen.

Ein halbes Jahrhundert später, das Anwesen am Bass Rock steht zum Verkauf, kommt wieder eine Frau in den Norden. Viv hadert mit ihrem Single-Dasein, aber auch mit den Gelegenheiten, es zu beenden. Außerdem schläft sie schlecht, in jedem der Betten in dem alten Haus. Ihr ist, als würde sie heimgesucht von dunklen Geschichten. Geschichten von aufsässigen Frauen, von Frauen in Bedrängnis. Und ihre Stiefgroßmutter Ruth ist nur eine davon.

My mother has found being alone a new beginning. Her house is tidy. She eats what she wants, when she wants: nothing for a day and then a dressed crab at eleven at night, or a bowl of frozen peas, uncooked, which she eats like peanuts for breakfast. I admire the singleness that she has embraced since Dad died. I think I could aspire to that, but without having to be widowed first. Sometimes, though, it would be nice to fuck and to be fucked.”

War echt eine Menge los im November – war irgendwas dabei, wofür ich euch begeistern konnte? Habt ihr schon etwas davon gelesen? Habt ihr Meinungen zu den vorgestellten Büchern? Freue mich sehr von euch zu hören.

Happy Reading!