The Master and Margarita – Mikhail Bulgakov

IMG_4654„Manuscripts don’t burn“ schreibt ausgerechnet Bulgakov, dem brennende Manuskriptseiten vermutlich durchaus bekannt sein dürften. Die meisten seiner Werke landeten auf dem Index, seine Stücke wurden oft nach wenigen Aufführungen abgesetzt und verboten. Er selbst hat unermüdlich weitergeschrieben, wenn auch meist für die Schreibtischschublade und wer weiß, ob nicht die eine oder andere Manuskriptseite aus Frust im Feuer gelandet ist.

Die Bookclub November-Lektüre „The Master and Margarita“ war keine leichte Kost, aber die Mühe und das Dranbleiben lohnt sich, es ist ein unglaubliches Buch.

Inspiriert wurde Bulgakov von Goethes „Faust„. Bulgakovs Mephistopheles ist Woland, der mit seiner teuflischen Truppe im stalinistischen Moskau der Dreißiger Jahre ordentlich Chaos anrichtet. Dieses Chaos war Bulgakovs Weg, Rache zu nehmen an der verstockten sowjetischen Gesellschaft, die ihn und sein Werk ein Lebenlang unterdrückte.

“But would you kindly ponder this question: What would your good do if
evil didn’t exist, and what would the earth look like if all the shadows
disappeared? After all, shadows are cast by things and people. Here is the
shadow of my sword. But shadows also come from trees and living beings.
Do you want to strip the earth of all trees and living things just because
of your fantasy of enjoying naked light? You’re stupid.”

Ganz besonders die Kunst- und Literaturszene bekommt ihr Fett weg, die damals angesagten Autoren und Literaturkritiker, die Bulgakov hasste. Seine Satire macht auch vor den Unmengen an Bürokraten und Aktenschiebern nicht Halt, zeigt wie absurd einfach es war, Leute verhaften zu lassen oder in Irrenanstalten abzuschieben. Er hält den Finger auf die Alltags-Absurdität dieser Moskauer Gesellschaft unter Stalins Herrschaft.

Kein Wunder also, dass sich jede Menge seiner Charaktere im Laufe der Geschichte in der Irrenanstalt wiederfinden, einem der wenigen Orte im Buch, in dem es einigermassen vernünftig zugeht.

Viele Menschen glaubten damals, dass viele der Verfolgungen, Verhaftungen, idiotischen Verordnungen auf dem Mist der Bürokraten gewachsen waren und sich alles sofort bessern würde, wüßte Stalin nur von diesen Dingen.

Auch Bulgakov suchte bei Stalin Unterstützung, er war Stalins Lieblingsautor, wie dieser verlauten ließ, und 1929 schreibt er ihm einen persönlichen Brief und bittet ihn darum, die Sowjetunion verlassen zu dürfen, wenn es für ihn in keine Verwendung als Autor gäbe. Stalin ruft in auch tatsächlich an und fragt ihn, ob er die Sowjetunion wirklich verlassen wolle. Bulgakov antwortete, dass ein russischer Schriftsteller nicht außerhalb seines Heimatlandes leben könne. Daraufhin bekam er von Stalin die Erlaubnis, am Art Theater weiterzuarbeiten, allerdings hatte diese Erlaubnis keinerlei Einfluß auf die Veröffentlichung seiner Werke, die nach wie vor nicht erfolgte.

Bulgakov arbeitet ab 1928 über zehn Jahre lang am „Meister und Margarita“. Seine letzten Jahre waren für ihn aus unterschiedlichen Gründen schwer. Gesundheitlich schwer angeschlagen, durch Verletzungen aus dem ersten Weltkrieg sowie eine vom Vater geerbte Nierenkrankheit, der er letztendlich auch erliegen sollte sowie depressive Phasen, wenn er für sich und sein Werk partout keine Hoffnung sah.

Kurz vor Fertigstellung des Manuskripts schrieb Bulgakov an seine dritte Frau Yelena Shilovskaya (die die Inspiration für den Charakter Margarita im Buch ist):

„What’s its future? you ask? I don’t know. Possibly, you will store the manuscript in one of the drawers, next to my „killed“ plays, and occasionally it will be in your thoughts. Then again, you don’t know the future. My own judgement of the book is already made and I think it truly deserves being hidden away in the darkness of some chest …“

Kurz vor seinem Tod organisierte Bulgakov eine private Lesung des „Masters and Margarita“ vor einem Kreis enger Freunde. Yelena Bulgakova erinnert sich noch 30 Jahre später in ihrem Tagebuch: „When he finally finished the reading that night, he said: „Well, tomorrow I am taking the novel to the publisher!“ and everyone was silent“, „…Everyone sat paralyzed. Everything scared them. One friend later at the door fearfully tried to explain to me that trying to publish the novel would cause terrible things“.

Auch wenn man nicht immer ganz sicher ist, was gerade passiert, die Geschichte ist stellenweise irre komisch, die Charaktere teilweise so liebenswert. Man will einfach wissen, wie es weitergeht mit Woland, der weit weniger dämonisch ist wie Mephistopheles und jedem das Schicksal beschert, das jeder einzelne verdient hat.

“You’re not Dostoevsky,‘ said the citizeness, who was getting muddled by Koroviev. Well, who knows, who knows,‘ he replied.
‚Dostoevsky’s dead,‘ said the citizeness, but somehow not very confidently.
‚I protest!‘ Behemoth exclaimed hotly. ‚Dostoevsky is immortal!”

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Foto: adme.ru

Der „Master“ setzt mit seiner Figur allen unterdrückten Schriftstellern ein ewiges Denkmal und seine Margarita ist einfach ein Goldstück. Obwohl der Meister und Margarita im Titel des Buches sind, war ich überrascht, dass ihre Geschichte nur einen kleinen Teil des Buches ausmacht und sie bis zum zweiten Teil des Buches gar nicht auftauchen.

Es ist aber nicht nur ein Buch, bei dem man sich auf schwarze Magie, Entführungen, Enthauptungen, sprechende Katzen und eine Menge anderer verrückter diabolischer Einfälle einlassen muss, es ist auch eine wunderschöne Liebesgeschichte.

Margarita hat keine Angst vor dem Teufel. Sie agiert als seine Balldame, und fliegt als Hexe auf einem Besen über Moskau in der Hoffnung ihren Liebhaber, den Meister, wiederzufinden. Dieser sitzt derweil in der Psychiatrie. Sein Buch über Pontius Pilatus und einer etwas anderen Variante der Verurteilung Jesus‘ wurde von den kleingeistigen gesetzestreuen Verlegern abgelehnt. Das führt bei ihm zum kompletten Kollaps, er verbrennt sein Manuskript und endet in der Psychiatrie.

Das Manuskript ist am Ende aber wieder da, denn wie wir ja wissen: „Manuscripts don’t burn“

Eine sehr schöne Rezension zu „Der Meister und Margarita“ findet ihr auch hier bei Muromez.

“Everything will turn out right, the world is built on that.”

Das Buch erschien auf deutsch unter dem Titel „Der Meister und Margarita“ im dtv Verlag.

Faust – Johann Wolfgang von Goethe

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Ghetto-Faust

Wem das Bildungsbürgertum – warum auch immer – das Asyl verweigert hat, hat mit dem „Buch als Magazin“ die beste Möglichkeit, so einiges nachzuholen. Gerade „Faust“ war für mich im Grunde das Synonym für „muss man gelesen haben, zitieren und inhalieren, wenn man dazugehören will“ und hab lange einen Bogen drum gemacht, was ziemlich dämlich war, denn Faust ist richtig gut.

„Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen;
Ein Werdender wird immer dankbar sein“

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Foto: Heike Neudeck

Aber bevor es hier um den gefrusteten Wissenschaftler und seinem Bund mit dem Teufel geht, muss ich erst noch mal das unglaublich wundervolle Cover loben. Ich liebe Bilder von Planeten,  Mond (wie zB der Blutmond kürzlich) etc und daher ist das Mars-Cover perfekt für mich.

„Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.“

„Nun gut, wer bist Du denn?
Ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was ensteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht;
Drum besser wär’s, dass nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.“

OK – Faust also. Wahrscheinlich ist es jetzt vermessen, hier überhaupt über den Inhalt zu schreiben, weil das ja jeder gelesen hat, aber ich wage mich trotzdem mal dran. Der brilliante Faust, der der Wissenschaft und Theologie irgendwie müde geworden ist, versucht es daraufhin mit Magie, aber auch das läßt ihn ziemlich unbefriedigt zurück. Frustriert will er seinem Leben ein Ende bereiten, aber im letzten Moment entscheidet er sich dagegen. Zack – Auftritt Mephistopheles (als Pudel(s) Kern), der Lust, Genuss und  Chaos mit sich bringt.

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Mephistopheles hat eine Wette laufen mit Gott, das er den guten alten Bücherwurm Faust auf die dark side ziehen kann und er bietet Faust einen Handel bzw den berühmten Teufelspakt an: Sollte es Mephistopheles gelingen, Faust mit dem Leben zu versöhnen, wird Faust dem Teufel gehören. Und damit nimmt das ganze höllische Drama aus Arroganz, unerfüllten Wünschen und Selbsttäuschung seinen Lauf.

Hallo Existentialismus !

Faust war anfangs gewöhnungsbedürftig für mich. Die Sprache, die Poesie, hat mich von der ersten Zeile an begeistert, trotzdem dauerte es einen Moment, bis ich im Flow war. Wenn man dann aber „drin“ ist, ist es ein ein wundervoll düsterer, mystischer, einfallsreicher, eloquenter und teilweise abgefahrener Höllenritt.

Faust is totally badass und ich werde auf jeden Fall auch den zweiten Teil lesen. Es war ein spannender Zufall, dass ich „Faust“ genau vor unserem Bookclub November-Buch „The Master and Margerita“ las, sehr passend, kann ich nur sagen.

Im zweiten Teil des Heftes gibt es Reportagen und Interviews, die mit dem Klassiker aus dem ersten Teil mehr oder weniger in Verbindung stehen, gerade in der Faust-Ausgabe fand ich diese Kombi sehr gelungen.

Das Buch als Magazin macht richtig Lust auf Klassiker, daher los, los, los kaufen und Faust lesen oder nochmal lesen und irgendwo auf der Welt wird bestimmt immer gerade das Stück aufgeführt. Da will ich jetzt auch hin.