Read around the world: DR & Republik Kongo

Der Kongo, ein Land, das mit seiner beeindruckenden Naturkulisse und seiner komplexen Geschichte gleichermaßen fasziniert, ist eine wahre Schatzkammer an Geschichten und Naturwundern. Beginnen wir mit der Geografie: Die Demokratische Republik Kongo, kurz DR Kongo, liegt im Herzen Afrikas und ist das zweitgrößte Land des Kontinents. Der gewaltige Kongo-Fluss, nach dem das Land benannt ist, durchzieht es in einem majestätischen Bogen. Mit seinen zahllosen Nebenflüssen ist er einer der größten Flusssysteme der Welt und wird nur vom Amazonas übertroffen, wenn es um den Wasserreichtum geht. Rund um den Fluss erstrecken sich dichte Regenwälder – ein riesiges Ökosystem, das als grüne Lunge Afrikas gilt.

Die Flora und Fauna dieses Landes sind von einer atemberaubenden Vielfalt. Hier leben Gorillas, Waldelefanten und Okapis, die auch als „Waldgiraffen“ bezeichnet werden. Viele dieser Tiere sind endemisch, was bedeutet, dass sie nirgendwo sonst auf der Welt vorkommen. Der Kongo-Regenwald selbst ist nach dem Amazonas der zweitgrößte der Welt und ein wahres Paradies für Biologen und Naturliebhaber.

Fotos: Wikipedia & Pixelbay

Die menschliche Geschichte des Kongo ist ebenso beeindruckend wie tragisch. Die Region war lange Zeit Heimat zahlreicher indigener Gruppen, darunter die Bantu-Völker, die sich vor etwa 2000 Jahren in der Gegend niederließen und die Basis für viele heutige Kulturen legten. Später, im Mittelalter, entstanden im Kongobecken bedeutende Reiche, darunter das Königreich Kongo, das im 14. Jahrhundert eine Blütezeit erlebte. Das Königreich war für seine gut organisierten Strukturen und seine Handelsbeziehungen mit Portugal bekannt, das im 15. Jahrhundert auf der Bildfläche erschien. Es war eine Zeit des kulturellen Austauschs, aber auch des beginnenden Kolonialismus.

Die dunkelste Stunde der Geschichte des Kongo schlug zweifellos im 19. Jahrhundert, als der belgische König Leopold II. das Land zu seinem persönlichen Besitz erklärte. Der sogenannte „Freistaat Kongo“ wurde zwischen 1885 und 1908 zur grausamen Bühne einer der schlimmsten Ausbeutungen der Kolonialzeit. Unter Leopolds Herrschaft wurden Millionen von Kongolesen versklavt und getötet, um Ressourcen wie Elfenbein und Kautschuk zu gewinnen. Der internationale Druck führte schließlich dazu, dass Belgien dem Kongo offiziell den Status einer Kolonie gab, doch die Ausbeutung und Unterdrückung gingen weiter.

Erst 1960 erlangte der Kongo seine Unabhängigkeit, doch die Euphorie war nur von kurzer Dauer. Das Land stürzte in politische Unruhen, und der erste Premierminister, Patrice Lumumba, wurde 1961 ermordet. Seine Ermordung, an der auch ausländische Mächte beteiligt waren, gilt als eines der symbolischen Ereignisse für die Schwierigkeiten postkolonialer Staaten. Es folgten Jahrzehnte der Diktatur unter Mobutu Sese Seko, der das Land in Zaire umbenannte und mit seinem autokratischen Regime für weitverbreitete Korruption sorgte. Der Sturz Mobutus in den 1990er Jahren markierte den Beginn einer neuen Ära, die jedoch von bürgerkriegsähnlichen Zuständen und internationalen Konflikten geprägt war.

Die Kongokriege, oft als „Afrikanischer Weltkrieg“ bezeichnet, involvierten zahlreiche Nachbarstaaten und forderten Millionen von Todesopfern, sei es durch direkte Gewalt, Hunger oder Krankheiten. Bis heute leidet das Land unter den Folgen dieser Konflikte. Doch es gibt auch Hoffnung: Die reiche Kultur des Kongo, mit ihrer Musik, Kunst und Literatur, blüht trotz aller Widrigkeiten auf. Kinshasa, die pulsierende Hauptstadt, ist bekannt für ihre lebendige Musikszene, insbesondere den Congolese Rumba, der weltweit Anerkennung findet.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass es zwei Länder gibt, die den Namen Kongo tragen: Die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) und die Republik Kongo. Die DR Kongo, oft als „Kongo-Kinshasa“ bezeichnet, ist mit einer Fläche von rund 2,3 Millionen Quadratkilometern eines der größten Länder Afrikas und hat über 95 Millionen Einwohner. Politisch ist die DR Kongo eine Präsidialrepublik, doch die politische Lage bleibt aufgrund von Korruption und Konflikten instabil. Die Mehrheit der Bevölkerung ist christlich, wobei der Katholizismus eine dominierende Rolle spielt.

Die Republik Kongo, oft „Kongo-Brazzaville“ genannt, ist mit etwa 342.000 Quadratkilometern deutlich kleiner und hat rund 5,8 Millionen Einwohner. Auch hier handelt es sich um eine Präsidialrepublik, wobei die politische Lage vergleichsweise stabiler ist als in der DR Kongo. Brazzaville, die Hauptstadt, liegt direkt gegenüber von Kinshasa, nur durch den Kongo-Fluss getrennt. In der Republik Kongo ist das Christentum ebenfalls vorherrschend, jedoch spielen traditionelle Religionen und der Islam eine größere Rolle als in der DR Kongo.

Was die Ressourcen angeht, so ist der Kongo sowohl gesegnet als auch verflucht. Er besitzt einige der weltweit größten Reserven an Kupfer, Kobalt und Diamanten. Insbesondere Kobalt, das für die Herstellung moderner Batterien unverzichtbar ist, macht den Kongo zu einem Schlüsselland in der globalen Wirtschaft. Doch der Ressourcenreichtum hat oft mehr Konflikte als Wohlstand gebracht, da zahlreiche Akteure um die Kontrolle dieser Schätze kämpfen.

Der Kongo ist ein Land der Extreme. Seine Geschichte erzählt von den Höhen und Tiefen menschlicher Errungenschaften und Tragödien. Gleichzeitig ist es ein Ort unglaublicher natürlicher Vielfalt und eine Erinnerung daran, wie eng das Schicksal der Menschheit mit der Natur verbunden ist. Wer den Kongo bereist, begegnet nicht nur einer faszinierenden Landschaft, sondern auch einer ungebrochenen menschlichen Widerstandskraft und Kreativität, die in jedem Lied, jeder Geschichte und jedem Lächeln der Menschen spürbar ist.

Hier noch ein paar Fakten:

Demokratische Republik Kongo (DR Kongo):

  • Fläche: 2,3 Millionen km² (ca. 6,5-mal so groß wie Deutschland)
  • Bevölkerung: ca. 95 Millionen
  • Bevölkerungsdichte: ca. 41 Einwohner/km²

Republik Kongo:

  • Fläche: 342.000 km² (etwa so groß wie Deutschland)
  • Bevölkerung: ca. 5,8 Millionen
  • Bevölkerungsdichte: ca. 17 Einwohner/km²

Deutschland:

  • Fläche: 357.000 km²
  • Bevölkerung: ca. 84 Millionen
  • Bevölkerungsdichte: ca. 235 Einwohner/km²

Für die Weltreise habe ich dieses Mal gleich zwei Bücher gelesen. Einmal unser Januar Bookclub Buch „The Poisonwood Bible“ von Barbara Kingsolver das im Kongo spielt und Fiston Mwanza Mujilas „Tram 83“ das ich bereits im Regal stehen hatte.

The Poisonwood Bible – Barbara Kingsolver auf deutsch unter dem Titel „Die Giftholzbibel“ im Piper Verlag erschienen, übersetzt von Ruth Frank

The Poisonwood Bible von Barbara Kingsolver ist ein fesselnder Roman, der die komplexe Geschichte der Familie Price erzählt, die 1959 aus den USA in den Belgisch-Kongo zieht. Nathan Price, ein starrköpfiger und fanatischer Missionar, will das Christentum in eine kleine Dorfgemeinschaft bringen, doch seine Ignoranz gegenüber der lokalen Kultur und Umwelt bringt unvorhersehbare Konflikte und tiefgreifende Tragödien mit sich.

Erzählt wird die Geschichte aus den Perspektiven von Nathans Frau Orleanna und ihren vier Töchtern – Rachel, Leah, Adah und Ruth May. Besonders Adah, die durch ihre poetische, introspektive Sichtweise hervorsticht, hat mich tief berührt. Ihre Wortspiele und ihr besonderer Blick auf die Welt, geprägt von ihrem körperlichen Handicap und ihrer Intelligenz, machen sie zu einer einzigartigen Erzählerin. Auch ihre Zwillingsschwester Leah, die zwischen Loyalität zu ihrem Vater und der Liebe zum Kongo hin- und hergerissen ist, hat mich beeindruckt. Beide Schwestern spiegeln die inneren Konflikte und das Spannungsfeld zwischen Kolonialismus, Familie und persönlicher Identität eindrucksvoll wider.

Everything you’re sure is right can be wrong in another place.

Der erste Teil des Romans, der überwiegend im Kongo spielt, hat mich besonders fasziniert. Kingsolver schildert die Landschaft und das Leben im Dorf so lebendig, dass ich mich mitten in der Wildnis wiederfand. Leider empfand ich die Zeitsprünge in der zweiten Hälfte des Buches als zu groß und etwas abrupt. Während die Schwestern in alle Winde verstreut werden und ihre Mutter zunehmend in den Hintergrund rückt, geht der Zusammenhalt der Familie verloren – etwas, das ich als sehr schmerzlich empfand. Dieser Verlust an Nähe und Vertrautheit, der durch die Erzählstruktur noch verstärkt wird, hat mich beim Lesen melancholisch gestimmt.

As long as I kept moving, my grief streamed out behind me like a swimmer’s long hair in water. I knew the weight was there but it didn’t touch me. Only when I stopped did the slick, dark stuff of it come floating around my face, catching my arms and throat till I began to drown. So I just didn’t stop.

Trotz dieser Kritik bleibt The Poisonwood Bible ein beeindruckendes Werk, das auf vielschichtige Weise die Themen Kolonialismus, kulturelle Missverständnisse und die Dynamik von Macht und Familie beleuchtet. Für meine literarische Weltreise in den Kongo ist dieses Buch ein bewegender, wenn auch bittersüßer Halt, der noch lange nachklingt.

Tram 83 – Fiston Mwanza Mujila erschienen im Zsolnay Verlag, übersetzt von Katharina Meyer und Lena Müller



Tram 83 von Fiston Mwanza Mujila ist ein wilder Fiebertraum, ein literarisches Abenteuer, das mich anfangs fast überforderte – und dann vollständig in seinen Bann zog. Der Roman spielt in einer heruntergekommenen Großstadt, die stark an Kinshasa erinnert, und führt uns mitten hinein in das pulsierende Herz dieser Welt: den Nachtclub „Tram 83“. Hier treffen sich Ex-Kindersoldaten, Glücksritter, Kleinkriminelle, Babyhuren, Touristen und Schriftsteller, alle auf der Suche nach Ablenkung, Überleben oder schnellem Geld. Der Club ist laut, chaotisch, voller Musik und Wortfetzen – und genauso fühlt sich auch das Buch an.

Anfangs fragte ich mich immerzu: Hä? Wer spricht? Worüber? Doch genau in diesem Durcheinander liegt der Reiz. Der Roman vermittelt ein Gefühl von Überforderung, von Orientierungslosigkeit – als ob man selbst zum ersten Mal in diese Stadt kommt, den Stimmen lauscht, die Leuchtreklamen betrachtet, aber nicht alles versteht. Mujilas Sprache hat einen fieberhaften Rhythmus, der wie eine Jazzimprovisation immer wiederkehrende Motive und Melodien aufgreift. Es ist chaotisch, manchmal schwer fassbar, aber gleichzeitig unglaublich lebendig.

Requiem war noch immer nicht zurück. Der Mann mit den Dampflokschuhen kam nur nach Hause, um Kohlen abzuladen oder welche zu holen

Im Zentrum der Geschichte stehen Lucien, ein idealistischer Schriftsteller, und sein Freund Requiem, ein charmanter Gauner. Während Lucien versucht, inmitten von Korruption und Gewalt seiner Berufung treu zu bleiben, bewegt sich Requiem geschickt durch die Abgründe dieser „Bordellstadt“. Ihre Dynamik, eingebettet in die explosive Atmosphäre von „Tram 83“, verleiht dem Buch eine erzählerische Tiefe, die hinter der scheinbaren Oberflächlichkeit der Kulisse überraschend vielschichtig ist.

Die Nacht trug Bikini und Unterwäsche, die sie nicht ausgewrungen hatte

Mujila zeichnet ein groteskes, schillerndes Porträt eines postkolonialen Afrikas, das von Kriegen, Korruption und Globalisierung geprägt ist. Dabei wird die Stadt selbst zu einem Charakter – lebendig, gewalttätig und unvergesslich. Der Roman ist nicht leicht zugänglich, aber gerade das macht ihn so aufregend. Am Ende fühlte ich mich, als hätte ich tatsächlich einen Abend im „Tram 83“ verbracht – überwältigt, ein wenig verloren, aber fasziniert und voller Eindrücke, die noch lange nachhallen.

Wenn du Familie bei der Bahn hast, arbeitest du bei der Bahn, ansonsten zerschellst du wie ein Schiff am Ufer der Hoffnung.

Tram 83 ist ein Buch wie Musik: chaotisch, rhythmisch und unverwechselbar. Ein literarisches Erlebnis, das den Leser fordert – und belohnt.

So – jetzt kommen wir zu weiteren kulturellen Empfehlungen aus dem Kongo. Mein Filmtipp für den Kongo ist der Film „Félicité“ von Alain Gomis

Der Film erzählt die Geschichte von Félicité, einer selbstbewussten Sängerin aus Kinshasa, die alles daran setzt, das Geld für eine lebensrettende Operation ihres Sohnes aufzutreiben. Félicités Reise durch die lebendige, chaotische Stadt bietet nicht nur einen tiefen Einblick in die Lebensrealität in Kinshasa, sondern wird auch durch eindrucksvolle musikalische Szenen untermalt. „Félicité“ verbindet kongolesische Musik, Alltag und die Stärke einer Frau in einer herausfordernden Umgebung. Der Film wurde international gefeiert und zeigt ein authentisches Bild des kongolesischen Lebens.

Musikalisch fand ich die Band Staff Benda Bilili klasse:

Während der Lektüre der beiden Bücher habe ich es unglaublich genossen, kongolesische Radiosender über Radio Garten zu hören. Es war, als hätte ich eine authentische Klangkulisse direkt aus dem Kongo, die die Geschichten noch lebendiger gemacht hat. Radio Garten ist wirklich eine fantastische Plattform, um sich mit Musik, Nachrichten und Stimmen aus der ganzen Welt zu verbinden – perfekt, um jeder Lektüre eine einzigartige Atmosphäre zu verleihen. Das hat so viel Spaß gemacht, dass ich mir fest vorgenommen habe, künftig regelmäßig damit meine Lesereisen zu begleiten.

Falls ihr Lust auf die anderen Etappen habt, hier die Links zu den bisherigen Stationen:

Wer noch mehr Lust auf Literatur hat die im Kongo spielt, hier meine Empfehlungsliste:

  • Heart of Darkness – Joseph Conrad
  • Pandora im Kongo – Albert Pinol Sánchez
  • Trophäe – Gesa Schöter

Ich hatte sooo viel Spaß auf meinem ersten Stopp in Afrika – auch weil ich hier die allermeisten riesigen weißen Flecken habe und es mir Spaß machte so viel über ein Land zu erfahren, dass ich höchstwahrscheinlich nie besuchen werde.
Wie sieht das bei euch aus? Seid ihr schon mal dort gewesen oder habt ihr Pläne den Kongo mal zu besuchen? Kennt ihr Bücher die dort spielen, die ihr mir empfehlen könnt? Freue mich sehr auf eure Rückmeldung und ich hoffe ihr habt Lust auf den nächsten Stopp? So viel verrate ich schon mal – wir wechseln wieder den Kontinent…