Literatur-Blog für alle, die keine Angst vor heftigen Mischungen haben. Paul Auster, Margaret Atwood, Haruki Murakami treffen auf Simone de Beauvoir, Batman und Orphan Black. Dosenbier auf Oper und St. Pauli auf Crispr, Philosophie, Science und Sci-Fi.
Still Life war für mich eines dieser Bücher, bei denen man schon beim Lesen weiß: das wird bleiben. Großartig geschrieben, voller Wärme und leiser Schönheit.
Und Beklaute Frauen von Leonie Schöller, das mich gleichermaßen wütend, bewegt und tief beeindruckt zurückgelassen hat – so wichtig, so stark.
Enttäuschung des Monats war leider Zadie Smiths The Fraud – trotz großer Vorfreude konnte es mich (und auch meinen Bookclub) nicht abholen.
Ansonsten: ein spannender Mix – mal politisch, mal literarisch, mal laut, mal leise. Den Stopp in Sri Lanka mit Brotherless Night stelle ich in den nächsten Tagen im Rahmen meines Read Around the World noch ausführlicher vor.
Beklaute Frauen – Leonie Schöler erschienen im Penguin Verlag
Leonie Schölers Beklaute Frauen ist ein dringendes, wütendes und klug recherchiertes Buch, das zeigt, wie systematisch Frauen in der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung unsichtbar gemacht, ausgebremst und vergessen wurden. Ob Rosa Luxemburg, Clara Zetkin oder weniger bekannte Aktivistinnen – Schöler spürt Biografien nach, die aus den großen Erzählungen gestrichen wurden, obwohl sie maßgeblich geprägt haben.
Der Ton ist kämpferisch, auch mal wütend aber nie beliebig. Die Autorin gibt sich nicht mit bloßer Empörung zufrieden, sondern liefert historische Fakten, verwebt persönliche Reflexionen mit politischen Analysen und zeigt: Die Geschichte der Linken ist ohne Frauen nicht nur unvollständig – sie ist falsch erzählt.
Beklaute Frauen sich bewußt zu machen: Wer fehlt in den Geschichten, die wir erzählen? Ein schmerzhaft wichtiges Buch, das nachhallt – und dem ich von Herzen viele Leser*innen wünsche.
Erste Hilfe für Demokratie-Retter – Jürgen Wiebicke erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag
Jürgen Wiebickes „Erste Hilfe für Demokratie-Retter“ ist ein engagiertes, handliches Plädoyer gegen politischen Fatalismus – und eine Anleitung für all jene, die sich fragen, was sie dem wachsenden Autoritarismus, der Polarisierung und der Demokratie-Müdigkeit entgegensetzen können.
In 100 kurzen Ideen, Impulsen und Appellen ruft Wiebicke dazu auf, Haltung zu zeigen, ins Gespräch zu gehen, Widerspruch zu leisten – und die eigene Wirksamkeit nicht kleinzureden. Der Ton ist zugänglich, oft persönlich, manchmal bewusst provokant. Dabei bleibt das Buch stets nah am Alltag und bietet eine niedrigschwellige Ermutigung zum politischen Handeln im Kleinen.
Allerdings wirkt die Form – 100 Tipps auf knappem Raum – mitunter etwas formelhaft und lässt Tiefe vermissen. Manche Gedanken bleiben an der Oberfläche, und komplexe gesellschaftliche Probleme werden mitunter etwas zu leicht abgehandelt.
Trotzdem: Ein guter Einstieg für alle, die nach Orientierung in politisch schwierigen Zeiten suchen.
Was soll aus dem Jungen bloß werden? – Heinrich Böll erschienen im dtv Verlag
Der Untertitel „Irgendwas mit Büchern“ war es, der mich sofort neugierig gemacht hat – und tatsächlich gewährt Heinrich Böll in diesem schmalen autobiografischen Text einen leisen, oft lakonischen Blick zurück auf seine Jugend im Köln der 1930er Jahre.
Mit trockenem Humor und melancholischer Distanz beschreibt Böll, wie er in einem zunehmend autoritären Deutschland zum Bücherliebhaber – und später zum Schriftsteller – wurde. Zwischen katholischer Prägung, schulischer Disziplin und ersten literarischen Träumereien bleibt der Ton zurückhaltend, manchmal fast spröde.
Der Text ist keine klassische Autobiografie, sondern eher eine Skizze, ein Erinnerungsfragment. Wer sich für Bölls Werk oder für die Atmosphäre der Vorkriegszeit interessiert, wird hier fündig. Große Erzählbögen oder emotionale Tiefe darf man nicht erwarten – dafür punktet das Buch mit stiller Selbstironie und einem feinen Gespür für Sprache und gesellschaftliche Zwischentöne.
Kein Must-read, aber ein kleiner Einblick in die frühen Jahre eines etwas in Vergessenheit geratenen Autors, – besonders für alle, die selbst immer „irgendwas mit Büchern“ machen (wollten).
Arturos Insel – Elsa Morante erschienen im Verlag Klaus Wagenbach, übersetzt von Susanne Hurni-Maehler
Die Rezension zu diesem ganz besonderen Roman könnt ihr hier beim Italien Stopp der literarischen Weltreise nachlesen.
Still Life – Sarah Winman auf deutsch unter dem Titel „Das Fenster zur Welt“ bei Klett Cotta erschienen, übersetzt von Elina Baumbach
Ich habe Still Life auf der Zugfahrt von Neapel nach München gelesen – und während der Zug durch die Toskana rollte und Florenz am Fenster vorbeizog, fühlte es sich an, als würde sich die Landschaft direkt mit dem Buch verbinden. Nicht nur, weil ein Großteil der Handlung in Florenz spielt, sondern auch weil der Ton des Romans so viel von dem trägt, was man mit dieser Gegend verbindet: Wärme, Geschichte, Schönheit – aber auch Brüche und Neuanfänge.
Die Geschichte beginnt 1944 in einem kleinen italienischen Dorf, als der junge britische Soldat Ulysses Temper auf Evelyn Skinner trifft, eine ältere, kluge Kunsthistorikerin, die Italien liebt und gerade auf der Suche nach verschollenen Kunstwerken ist. Ihre Begegnung ist kurz, aber bedeutungsvoll – und zieht sich wie ein unsichtbarer Faden durch die Jahrzehnte, die folgen.
The responsibility of privilege must always be to raise others up.
Im Mittelpunkt steht Ulysses, der zurück in London versucht, in ein normales Leben zurückzufinden – und schließlich, gemeinsam mit einer bunt zusammengewürfelten Gruppe von Freund*innen, in Florenz ein neues Zuhause findet. Das Buch erzählt nicht in klassischer Dramaturgie, sondern in kleinen Episoden, Momentaufnahmen, in denen sich das Leben ganz leise entfaltet. Es gibt Verluste, Veränderungen, Umwege – aber alles in einem Ton, der nie resigniert, sondern immer den Blick nach vorn richtet.
Winmans Sprache ist zugänglich, dabei poetisch und oft sehr treffend. Sie beschreibt ihre Figuren mit viel Empathie, ohne sie zu idealisieren. Besonders schön ist, wie beiläufig und selbstverständlich queere Identitäten im Roman vorkommen. Es wird nichts erklärt, nichts betont – sie sind einfach Teil dieser Gemeinschaft, die sich jenseits traditioneller Familienstrukturen gefunden hat.
Still Life ist ein Roman über Freundschaft, über Lebensentscheidungen, über die Bedeutung von Kunst, Geschichte – und über das, was bleibt, wenn alles andere sich verändert. Er stellt keine großen Fragen laut in den Raum, aber beantwortet viele kleine, fast beiläufig: Wie leben wir mit anderen? Wo fühlen wir uns zugehörig? Und was macht ein gutes Leben aus?
Evelyn Skinner ist eine Figur, die ich nicht mehr vergessen werde. Sie erinnert mich sehr an Dulcie in „The Offing“
The Fraud – Zadie Smith auf deutsch unter dem Titel „Betrug“ im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienen, übersetzt von Tanja Handels
Zadie Smith gehört seit White Teeth zu meinen literarischen Favoritinnen – umso größer war die Vorfreude auf The Fraud. Leider blieb sie unerfüllt.
Der Roman spielt im viktorianischen London und verwebt reale historische Ereignisse mit fiktiven Figuren, allen voran die Schriftstellerin Eliza Touchet. Es geht um Wahrheit und Täuschung, um Klasse, Rassismus, Literatur und Kolonialismus – Themen, die zweifellos relevant sind. Doch Smith versucht, all das auf einmal zu erzählen, und genau darin liegt das Problem.
Man spürt die immense Recherche, das kluge Fundament – aber statt zu fokussieren, wollte Smith offenbar alles unterbringen. The Fraud wirkt dadurch überfrachtet, wie ein Gericht mit lauter guten Zutaten, das am Ende trotzdem nicht schmeckt. Die Figuren blieben für mich seltsam blass, der Erzählfluss stockte immer wieder, und auch im Bookclub wurde das Buch eher durchgekämpft als genossen.
Ambitioniert, aber unbefriedigend. Wer Smiths erzählerisches Können wirklich erleben will, greift besser zu „White Teeth“
Liebes Arschlosch – Virginie Despentes erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag, übersetzt von Ina Kronenberger und Tatjana Michaelis
Liebes Arschloch ist ein literarischer Schlagabtausch, der sich liest wie ein wütender Briefwechsel unserer Gegenwart.
In E-Mails zwischen einem abgehalfterten Schauspieler und einer feministischen Autorin verhandelt Despentes Themen wie Cancel Culture, Macht, Sexismus, #MeToo und digitale Empörungskultur. Was dabei herauskommt, ist alles andere als schwarz-weiß: Beide Figuren sind kantig, verletzlich, widersprüchlich – und gerade deshalb glaubwürdig.
Despentes bleibt ihrem Stil treu: direkt, roh, laut, aber manchmal auch überraschend zärtlich. Ihr gelingt das Kunststück, Widerspruch auszuhalten und Ambivalenz nicht nur zu zeigen, sondern auszuhalten. Ein kluges, streitbares Buch voller Reibung – unbequem, provokant, pointiert aber absolut notwendig. Kein Roman zum Wohlfühlen, sondern zum Mitdenken und Aushalten.
Das war der Juni – krass schon wieder ein halbes Jahr um. Was war euer Juni Highlight und habt ihr von den vorgestellten Büchern schon was gelesen? Falls ja, wie ist eure Meinung oder konnte ich euch auf eines der Bücher Lust machen? Freue mich von euch zu hören.
Ein richtig guter Lesemonat liegt hinter mir – mit einem Mix aus großartigen Highlights, solider Mittelklasse und ein paar kleinen Enttäuschungen. Besonders begeistert haben mich tiefgründige Klassiker, intensive literarische Stimmen und ein besonderer Ausflug nach Nigeria im Rahmen meiner Read around the World-Challenge. Thomas Mann war mit mehreren Facetten vertreten – von Briefen bis Urlaub, und auch sonst war literarisch einiges dabei.
Geht so – Beatriz Serrano erschienen im Eichborn Verlag, übersetzt von Christiane Quandt
Beatriz Serranos „Geht so“ ist ein Roman für alle, die sich schon mal gefragt haben, ob sie selbst das Problem sind – oder ob die Welt einfach kollektiv den Verstand verloren hat. Mit viel Witz, einem herrlich trockenen Ton und einer gut dosierten Portion Selbstironie begleitet man eine Protagonistin, die irgendwo zwischen Selbsthilfe-Ratgebern, emotionaler Erschöpfung und dieser merkwürdigen Mischung aus Überforderung und Unterforderung festhängt.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen – vor allem, weil es genau das Lebensgefühl trifft, das viele (nicht nur Millennials!) gerade umtreibt: Die diffuse Suche nach Sinn, das müde Lächeln beim Gedanken an „Berufung“, und der stille Wunsch, einfach mal für fünf Minuten in Ruhe gelassen zu werden. Serrano schafft es, diese Stimmung nicht nur sprachlich leicht und unterhaltsam einzufangen, sondern dabei auch durchaus kluge Fragen zu stellen: Was passiert, wenn Selbstoptimierung und Arbeit zur Ersatzreligion wird? Wo liegt die Grenze zwischen Selbstfürsorge und Eskapismus?
Was ich besonders mochte, war, wie sehr man der Autorin anmerkt, dass sie ihre Figur liebevoll, aber nie unkritisch begleitet. Die Ich-Erzählerin schwankt, taumelt, reflektiert – aber sie bleibt dabei immer menschlich, nahbar und manchmal schmerzhaft ehrlich.
Ein kleiner Wermutstropfen war für mich die fehlende Tiefe im Blick auf die Arbeitswelt, wie wir sie heute erleben: Da wäre durchaus noch mehr Potenzial gewesen, die ganz konkrete Absurdität moderner Erwerbsarbeit stärker herauszuarbeiten – etwa die Logik hinter unsinnigen KPIs, die allumfassende „Shitification“ durch immer rasanter um sich greifenden Effizienzwahnsinn oder auch die emotionale Erpressung durch Sätze wie „Wir sind hier alle ein Team“. All das klingt zwar unterschwellig an, bleibt aber eher atmosphärischer Hintergrund als tatsächlich greifbares Thema. Die Perspektive bleibt individuell, psychologisch, eher im Innen als im Außen – was vollkommen legitim ist, aber vielleicht nicht das letzte Wort zum großen Thema der „inneren Kündigung“ bleibt.
Mir ist durchaus bewusst, dass es sich auch hier um ein weiteres subtiles Werkzeug aus der Trickkiste des Patriarchats handelt: Divide et impera, sorge dafür, dass sich die Frauen untereinander über ihre jeweiligen Lebensentscheidungen und deren Konsequenzen in die Haare kriegen. Sorge dafür, dass alle denken, die frischgebackene Mutter hätte Schuld daran, dass du länger im Büro bleiben musst. Statt deine berechtigte Wut gegen das Unternehmen zu richten und gegeen seine unanständig schlechte Politik in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf…
Trotzdem: Geht so ist ein kluges, sehr unterhaltsames Buch über das Lebensgefühl einer Zeit, in der alles möglich scheint – und genau das oft lähmt. Es bietet keine Lösungen, aber viele Aha-Momente. Und manchmal reicht das auch.
Kerstin Holzer gelingt mit Thomas Mann macht Ferien ein leises, kluges und überraschend humorvolles Porträt des Literaturnobelpreisträgers – und zeigt ihn in einem Moment, der sein Denken und Schreiben für immer verändern sollte. Ein Buch, das Nähe schafft, wo sonst Ehrfurcht herrscht. Es gibt Literaturerlebnisse, die weit über das bloße Lesen hinausgehen – Kerstin Holzers Roman Thomas Mann macht Ferien ist für mich genau so ein Fall. Nicht nur, weil mich das Buch als literarisches Porträt überzeugt hat, sondern auch, weil ich das große Glück hatte, die Autorin persönlich bei einer Lesung im Literaturhaus München zu erleben. Der Abend war unvergesslich: Inmitten alter Schulfreundinnen und Freunde von Kerstin Holzer, bei einem Glas Wein, entstand eine besondere Atmosphäre – offen, lebendig, herzlich. Es war, als wäre man Teil einer erweiterten Schreibwerkstatt, in der nicht nur über Literatur, sondern auch über die Menschen hinter den Texten gesprochen wird.
Thomas Mann macht Ferien erzählt von einem entscheidenden Sommer im Leben des Schriftstellers – dem Jahr 1918, als Thomas Mann mit seiner Familie die Sommerfrische am Tegernsee verbringt. Es ist eine Zeit politischer und persönlicher Krisen: Der Erste Weltkrieg steht kurz vor dem Ende, die Veröffentlichung seiner Betrachtungen eines Unpolitischen – ein Bekenntnis zur Monarchie und eine klare Absage an die Demokratie – lässt sich nicht mehr aufhalten. Mann weiß, dass er sich mit seiner Haltung auf die Seite der Verlierer gestellt hat. Nicht nur im öffentlichen Diskurs, auch innerhalb seiner eigenen Familie wird es zunehmend ungemütlich: Der Bruch mit seinem Bruder Heinrich ist tief, seine liberale Schwiegermutter kann mit dem „Schwieger-Tommy“ kaum mehr etwas anfangen. Und als wäre all das nicht genug, trübt auch noch ein abgebrochener und schmerzender Schneidezahn die Sommeridylle.
Dennoch markiert dieser Sommer am Tegernsee eine entscheidende Wende im Denken Thomas Manns – eine Zeit der inneren Bewegung, in der er, langsam aber unaufhaltsam, beginnt, seine politische Haltung zu hinterfragen und sich seiner Fehleinschätzungen bewusst zu werden.
Vier Jahre später wird er sich schließlich öffentlich zur liberalen Demokratie bekennen. Doch trotz aller inneren und äußeren Spannungen: Dieser Thomas Mann ist nicht der distanzierte, weltabgewandte Literaturfürst, wie er in vielen – meist männlich dominierten – Sekundärtexten beschrieben wird. Holzer zeigt ihn als nahbaren, oft sogar humorvollen Familienvater, der zum ersten Mal in seinem Leben einen Berg besteigt, der seine Kinder zum Lachen bringt und der inmitten aller politischen Verwerfungen an seiner Novelle Herr und Hund arbeitet – einer liebevollen, fast heiteren Hommage an seinen Hund Bauschan. Die Szene, in der Mann eifersüchtig auf seinen Hund reagiert, weil dieser einen anderen Mann anschaut, ist herrlich skurril – ich habe Tränen gelacht.
Besonders reizvoll war für mich die Lektüre des Romans in Kombination mit Thomas Manns Briefen. Diese setzen bereits 1894 ein – ganz im Gegensatz zu den Tagebüchern, die erst nach dem Sommer am Tegernsee einsetzen (frühere Aufzeichnungen wurden durch einen Brand vernichtet). Die Briefe erlauben einen tiefen Einblick in Manns Unsicherheiten und seine persönliche Entwicklung. Die Parallellektüre ermöglichte es mir, die Ferien am Tegernsee nicht nur durch Holzers Perspektive, sondern auch durch Manns eigene Worte zu erleben. Ein literarisches Doppelspiel, das ich jeder und jedem nur empfehlen kann.
Wer sich bisher noch nicht an Thomas Mann herangewagt hat – vielleicht aus Respekt, vielleicht aus Furcht vor Sprachgewalt und Seitenfülle – dem sei gesagt: Man muss nicht mit Der Zauberberg oder Joseph und seine Brüder beginnen. Herr und Hund oder auch der Felix Krull bieten großartige, zugängliche Einstiege in das Werk des Nobelpreisträgers – mit viel Witz, Beobachtungsgabe und feiner Ironie.
Und Kerstin Holzers Roman? Ist die perfekte Ergänzung. Eine Einladung, Thomas Mann neu kennenzulernen – nicht nur als Denker und Dichter, sondern als Ehemann, Vater, Sommerfrischler.
Passend zur Lektüre führte mich der Zufall – oder das Schicksal der Literaturverliebten – kurz nach der Lesung selbst an den Tegernsee. Die Wanderung hinauf zum Hirschberg, vorbei an den Orten, die Thomas Mann einst selbst durchstreifte, war der ideale Abschluss dieser literarischen Reise. Mein Tipp: Nehmt das Buch mit an den See, wandert hinauf zur Hütte, übernachtet dort – und erlebt den Sonnenaufgang am Gipfel. Wer weiß, vielleicht begegnet euch dort sogar der Schatten eines großen Schriftstellers. Oder ein besonders treuer Hund.
Ich freue mich nun sehr auf Kerstin Holzers weitere Werke über Monika und Elisabeth Mann und danke dem Kiepenheuer & Witsch Verlag für das Rezensionsexemplar.
Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse hatte ich das Vergnügen, Jürgen Schütz vom Septime Verlag mal wieder zu treffen – einem österreichischen Verlag, der einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen hat. Im Gespräch machte er mich auf „Das Seil“ aufmerksam, diese dunkle kleine Novelle von Anna Herzig, und überreichte sie mir dankenswerterweise als Rezensionsexemplar. Ich ahnte da schon: Das wird keine leichte, aber vermutlich eine lohnende Lektüre.
Das Seil erzählt die Geschichte von Franziska Großhirsch, einer erfolglosen Schriftstellerin, die mit einem Text, den sie gar nicht selbst verfasst hat, einen renommierten Literaturpreis gewinnt. Doch das Preisgeld ruft diverse Neider auf den Plan – allen voran Tante Hilde, bei der sie gemeinsam mit ihrem Cousin Martin eine alles andere als geborgene Kindheit verbracht hat –, sondern auch ihren Ex-Freund und ihre Literaturagentin. Franziska bleibt nichts anderes übrig, als sich bis zur Preisverleihung in ihrer Wohnung zu verschanzen. Das Handy liegt ausgeschaltet im Tiefkühlfach, Fenster und Türen sind abgeklebt. Aber gegen die Geister ihrer Vergangenheit hilft keine Isolation – sie drängen sich in die Gegenwart und stellen die alles entscheidende Frage: Von wem stammt eigentlich „Das Seil“?
„Zum Glück kann Franziska bei Dingen, die notwendig sind, ein ungewöhnlich starkes Durchhaltevermögen an den Tag legen. Beispielsweise beim Überleben… Franziska findet kein Wattestäbchen, das lang genug ist, um ihr die Erinnerungen, die tief verdrängt in ihrem Kopf wuchern, herauszuziehen.“
Anna Herzig schafft eine surreale, beklemmende Atmosphäre, in der Erinnerungen sich wie Nebelschwaden durch die Zimmer winden. Ihre Sprache ist knapp, poetisch, präzise – ein Sog, dem man sich kaum entziehen kann.
Herzig, geboren 1987 in Wien als Tochter eines Ägypters und einer Kanadiererin, versteht es meisterhaft, ihre Figuren zwischen Realismus und Groteske oszillieren zu lassen. Franziska ist eine widerborstige, fragile Heldin, die sich gegen alles sträubt – vor allem gegen sich selbst.
Das Seil ist eine Novelle, die sich langsam entfaltet, dabei aber nie den festen Griff um die Leserin verliert. Surreal, traurig, sarkastisch, klug – und ja, auch wunderschön verstörend.
Literatur wie ich sie mag, ich hoffe noch auf viele weitere Werke von Anna Herzig und muss mich jetzt mal auf die Suche nach ihrem Debüt „Sommernachtsreigen“ machen.
Die Mansarde – Marlen Haushofer erschienen im S. Fischer Verlag
Dieses Buch hat mich nicht überrollt – es hat mich leise eingenommen, Schicht für Schicht, wie es auch die Erzählerin mit sich selbst tut. Haushofer schafft es, mit einer unscheinbaren, fast unmerklich eindringlichen Sprache, mich dorthin zu führen, wo Literatur für mich am lebendigsten ist: in die stillen Räume des Alltags, in die Zwischenräume von Erinnerung und Gegenwart, in jene Schattenbereiche, in denen sich Identität nicht festschreiben lässt, sondern nur tastend erschlossen werden kann.
Die Erzählerin, eine namenlose Frau mittleren Alters, zieht sich in die Mansarde ihres Hauses zurück, um Vögel zu zeichnen (wie ich!) und über alte Tagebücher nachzudenken, die ihr anonym zugeschickt wurden – vielleicht von sich selbst. Es ist ein Akt der Selbsterforschung, der mich zutiefst bewegt hat. Wie eine Archäologin ihrer eigenen Existenz gräbt sie sich durch die Sedimente ihrer Vergangenheit: die Ehe mit dem distanzierten Hubert, das Schweigen zwischen ihr und ihrer Tochter Ilse, die Abwesenheit des Sohnes Ferdinand, und nicht zuletzt die seltsame Zeit ihrer „Taubheit“, eines körperlichen wie seelischen Rückzugs.
„Ohne diese von ihm geschaffene Freundlichkeit erscheint ihm vielleicht das Leben unterträglich. Er schmiert den Alltag mit Öl, damit sein Kreischen und Kratzen ihn nicht verletzten kann.“
Was mich besonders fasziniert hat, ist die fast unheimliche Ruhe, mit der all das erzählt wird. Es gibt keinen dramatischen Ton, keine großen Ausbrüche. Und doch ist alles von innerer Dringlichkeit durchzogen.
Im Vergleich zu Die Wand ist dieses Buch vielleicht weniger bekannt, aber für mich nicht weniger bedeutend. Wo Die Wand eine radikale äußere Isolation beschreibt, ist Die Mansarde eine stille, innere Emigration. Beide Bücher kreisen um weibliche Selbstbehauptung im Spannungsfeld von Anpassung und Rückzug, aber auf ganz unterschiedliche Weise. Und beide zeugen von Haushofers unglaublichem Gespür für Zwischentöne, für das Unsagbare, das sich nur über Umwege mitteilen lässt.
Dass Haushofer in der deutschsprachigen Literatur immer noch ein Schattendasein fristet, erscheint mir zunehmend unverständlich. Sie ist keine „kleine“ Autorin, wie sie oft bezeichnet wird – sie ist eine präzise Beobachterin, eine stille Revolutionärin des Erzählens, die mit jedem Satz eine tiefe Wahrheit über das Menschsein berührt.
Die Mansarde ist ein Meisterwerk – leise, aber voller Echo.
Kairos ist für mich ohne Zweifel eines der literarischen Highlights dieses Jahres – vielleicht sogar darüber hinaus. Jenny Erpenbecks Sprache hat mich einmal mehr vollkommen in den Bann gezogen: klar, unbarmherzig, poetisch – und dabei immer präzise, immer auf den Punkt. Aber es war nicht nur die Sprache, die mich so tief bewegt hat. Es war auch – und vielleicht vor allem – meine eigene Biografie, die mir dieses Buch so nahegebracht hat.
Ich habe als Kind viele Ferien in der DDR verbracht. Meine Verwandten lebten dort, und obwohl ich nicht dort aufgewachsen bin, hatte ich früh einen sehr direkten Bezug zur Lebensrealität in diesem Land. Die DDR war absolut kein Paradies – das war mir selbst als Kind irgendwie bewusst –, aber es gab dort Dinge, die ich sehr geliebt habe: den Zusammenhalt unter den Menschen, das Gefühl von Gemeinschaft, die Bedeutung, die Literatur und Kunst dort hatten. Man saß einfach zusammen auf der Straße, hat geredet, sich gegenseitig zugehört. Man hat geteilt was man hatte und was man hat ergattern können. Vor allem: Kultur war nicht elitär – sie war da, für alle, mitten im Leben.
In Kairos habe ich mich wiedergefunden. Katharina, die Protagonistin, ist nur ein paar Jahre älter als ich, und ihr inneres Ringen, ihre Desorientierung im Übergang von der DDR in die westliche Welt, ihre Suche nach einem Halt – all das hat mich tief berührt. Ich habe selbst das Ende der DDR bewusst miterlebt, und ich erinnere mich gut an dieses Gefühl, dass da eine große, vielleicht einmalige Chance ungenutzt geblieben ist. Es hätte ein wirklich neues Deutschland entstehen können – eines, das das Beste aus beiden Systemen vereint. Aber es wurde stattdessen einfach übergestülpt, ausgelöscht, verdrängt. Die Straßen umbenannt, die Denkmäler eingerissen, ganze Identitäten entwertet. Wer erinnert sich noch an den Verfassungsentwurf für die DDR den Intellektuelle 1989/90 entwarfen? Da hätte man gemeinsam drauf aufbauen können.
Die Entwurzelung, die Erpenbeck so eindringlich beschreibt, kenne ich – wenn auch aus der Beobachterrolle – nur zu gut.
„Was vertraut war, ist im Verschwinden begriffen. Das gute, wie das üble Vertraute. Und auch das Mangelhafte, das Katharina lieb ist, vielleicht, weil es der Wahrheit am nächsten kommt. Stattdessen wird die Perfektion bald ihren Einzug halten – und auslöschen oder sich einverleiben, was ihr nicht standhalten kann: von den selbstgenähten Klamotten bis zu den maroden Häusern des Prenzlauer Bergs, vom lückenhaften Straßenpflaster bis zu den Worten für Dinge, die dann keiner mehr braucht. Die glatten, makellosen Oberflächen werden die Gedanken an alles, was vergänglich ist, ins Vergessen schieben. Das Brot wird anders schmecken, in den Straßen werden fremde Menschen an fremden Geschäften vorübergehen, in fremden Autos vorfahren, mit fremdem Geld in der Tasche. Die Stadtviertel, in denen Katharina bisher zu Haus war, werden nie wieder so ruhig und so leer sein, wie sie sie ihr ganzes Leben gekannt hat.“
Die Beziehung zwischen Hans und Katharina hat mich in ihrer Komplexität und Dunkelheit gleichermaßen fasziniert wie verstört. Was als große Liebe beginnt, entpuppt sich als Machtspiel, als Beziehung voller Kontrolle, Abhängigkeit, Schmerz. Dass das Private und das Politische bei Erpenbeck untrennbar verwoben sind, ist kein Zufall. Hans‘ Grausamkeit, seine Ideologie, seine Unnachgiebigkeit spiegeln das System wider, das im Zerfall begriffen ist. Und Katharinas Versuch, sich zu lösen, sich zu befreien, ist mehr als nur eine persönliche Emanzipation – es ist auch die einer ganzen Generation.
Ich habe Kairos nicht gelesen, ich habe es durchlebt. Es hat alte Fragen in mir aufgeworfen und neue Gedanken angestoßen. Es hat mich wütend gemacht und traurig. Aber vor allem hat es mir gezeigt, wie Literatur Brücken schlagen kann – zwischen Epochen, zwischen Systemen, zwischen Menschen. Und genau deshalb ist dieses Buch für mich so besonders.
In all deinen Farben – Bolu Babalola erschienen im Eisele Verlag übersetzt von Ursula C Sturm
Diese Liebesgeschichten und Nacherzählungen nigerianischer und europäischer Sagen habe ich im Rahmen meiner literarischen Weltreise zum Stopp in Nigeria gelesen. Erhalten habe ich das Buch auf der Leipziger Buchmesse von der Verlegerin des wunderbaren Eisele Verlages, der ganz in meiner Nachbarschaft sitzt.
Meinen Eindruck zum Buch sowie ganz viel über Nigeria selbst könnt ihr hier lesen.
Der Liebhaber meines Mannes / My Policeman – Bethan Roberts erschienen im Kunstmann Verlag übersetzt von Astrid Gravert
Ich habe Der Liebhaber meines Mannes mit drei Sternen bewertet – nicht, weil es ein schlechtes Buch wäre, im Gegenteil: Es liest sich angenehm, teilweise sogar sehr schön. Aber irgendetwas hat mich emotional nicht ganz erreicht, obwohl die Geschichte tragisch, berührend und gut konstruiert ist.
Bethan Roberts erzählt hier eine Dreiecksgeschichte, die sich lose an E. M. Forsters Leben und seiner Beziehung zu dem verheirateten Polizisten Bob Buckingham orientiert. Diese historische Vorlage fand ich besonders spannend – gerade weil sie zeigt, wie Liebe, Schuld und gesellschaftliche Zwänge sich über Jahrzehnte in ein Leben einschreiben können.
Im Zentrum stehen Marion, Tom und Patrick. Marion, ein einfaches Mädchen mit großen Gefühlen, verliebt sich in den gut aussehenden Tom – der wiederum von Patrick, einem kultivierten, schwulen Museumsleiter, begehrt wird. Was sich zunächst wie ein klassisches Liebesdrama entwickelt, wird nach und nach zu einem beklemmenden Kammerspiel über Sehnsucht, Selbstverleugnung und das tragische Scheitern an den eigenen Bedürfnissen.
Roberts schreibt sinnlich und atmosphärisch stark. Die 50er Jahre sind lebendig, es riecht nach Lavendel, Bohnerwachs, nach Pfefferminz und Schweiß. Man merkt, dass sie sich in die Zeit hineingefühlt hat. Und es gibt viele starke Momente – kleine Gesten, Blicke, Schweigen, das mehr sagt als jedes Gespräch. Besonders Marions Perspektive hat mich berührt – sie schildert ihr Leben, ihre Liebe, ihre Täuschung in einer Art Beichte, viele Jahre später. Dabei wirkt ihre Stimme glaubhaft, manchmal bitter, manchmal zerbrechlich. Dass Patrick ebenfalls zu Wort kommt – durch Tagebucheinträge – erweitert die Geschichte. Die beiden Perspektiven stehen fast nebeneinander, ohne sich ganz zu verbinden.
„For a policeman, you’re very romantic.’ ‘For an artist, you’re very afraid,’ he said.”
Was mich zwischendurch etwas gestört hat: Tom bleibt erstaunlich blass. Als Leser*in versteht man kaum, was ihn wirklich bewegt. Er wird zum Projektionsobjekt für Marion und Patrick, bleibt aber selbst schwer fassbar. Vielleicht ist genau das gewollt – aber es hat mir den Zugang erschwert. In der Verfilmung war Tom etwas besser für mich zu greifen.
Was bleibt, ist das Bild einer verlorenen Generation, gefangen in gesellschaftlichen Konventionen, in der Liebe nicht frei gelebt werden durfte. Es ist bedrückend, wie viel zerstört wurde – und wie wenig Trost letztlich bleibt. Kein Happy End, kein kathartischer Moment. Eher ein leiser Rückblick auf verpasste Chancen.
Mädchen, Frau, Etc – Bernardine Evaristo erschienen im Klett-Cotta Verlag übersetzt von Tanja Handels
Ich habe Mädchen, Frau etc. als Hörspiel in der ARD Audiothek gehört – und kann das wirklich jederm nur wärmstens empfehlen. Schon nach wenigen Minuten war ich komplett eingetaucht in dieses außergewöhnliche Mosaik aus Stimmen, Geschichten und Leben. Die verschiedenen Sprecher*innen verleihen den Figuren so viel Tiefe und Lebendigkeit, dass ich beim Hören das Gefühl hatte, nicht nur dabei zu sein, sondern mittendrin. Es war, als hätte ich ein paar Tage mit diesen Frauen in London gelebt, gelacht, gestritten – und vor allem mitgelitten.
Evaristo erzählt die Geschichten von zwölf sehr unterschiedlichen Menschen, vor allem Schwarzen Frauen, aber auch queeren und nicht-binären Figuren, die auf den ersten Blick kaum etwas gemeinsam haben – und sich doch immer wieder kreuzen, berühren oder beeinflussen. Jede Figur bekommt ihren eigenen Raum, ihre eigene Stimme. Was sie verbindet, ist der Versuch, in einer oft rassistischen und patriarchalen Gesellschaft ihren Platz zu finden – mit all den Konflikten, Widersprüchen und Fragen, die das mit sich bringt.
„be a person with knowledge not just opinions“
Besonders beeindruckt hat mich, wie vielschichtig und menschlich diese Figuren gezeichnet sind. Sie sind weder Heldinnen noch Opfer, sondern alles dazwischen – widersprüchlich, manchmal unbequem, aber immer echt. Themen wie Identität, Feminismus, Herkunft, Zugehörigkeit oder politische Korrektheit werden hier nicht plakativ abgehandelt, sondern als Teil ganz alltäglicher Lebensrealitäten erzählt.
Auch formal ist das Buch ungewöhnlich: Evaristo verzichtet auf klassische Interpunktion und schafft so einen ganz eigenen Rhythmus – in der Hörspielfassung wird das durch die Sprechweise wunderbar transportiert. Es klingt fast poetisch, manchmal wie ein Gedicht, das sich entfaltet.
Am Ende bleibt kein abgeschlossenes Fazit, sondern ein Gefühl von Vielfalt, Verbundenheit und der Ahnung, dass es nicht die eine Geschichte Schwarzer Frauen gibt, sondern viele – und jede verdient es, erzählt zu werden. Mädchen, Frau etc. ist ein vielstimmiger, kluger, berührender Roman über das Leben, das Kämpfen und das Lieben. I love it!
Lebenslieder – Dana Schwarz-Hadereck erschienen im Adakia Verlag
Lebenslieder von Dana Schwarz-Hadereck, erschienen im Adakia Verlag, ist ein sehr persönlicher Gedichtband, in dem die Autorin eigene Texte mit feinsinnigen Illustrationen begleitet. Auch wenn mich die Gedichte inhaltlich und sprachlich nicht ganz erreicht haben, spürt man doch das Herzblut und die Authentizität, mit der dieses Buch entstanden ist. Eine liebevoll gestaltete Veröffentlichung, die sicherlich ihre Leser*innen finden wird.
Ich danke dem Adakia Verlag für das Rezensionsexemplar.
Respekt, wenn ihr bis hierhin durchgehalten habt. War schon eine Menge diesen Monat, das ist der eine positive Nebeneffekt vom „Nicht schlafen/durchschlafen“ – man bekommt eine Menge Literatur gelesen und gehört.
Der September hat sich als Lesemonat auch wirklich nicht lumpen lassen. 9 Bücher und ein Hörbuch – das kann sich sehen lassen und wieder kein wirklicher Ausfall dabei. Wie schön. Lasst uns loslegen, ich möchte euch auf ein paar wirklich schöne Bücher neugierig machen und bin auch sehr gespannt wie euer Lesemonat war. Was hat euch begeistert? Oder enttäuscht? Und ich bin gespannt, welche meiner Vorstellungen ihr bereits kennt oder auf welche ich euch Lust machen kann. Freue mich auf eure Rückmeldungen.
Artful – Ali Smith auf deutsch unter dem Titel „Wem erzähle ich das“ im Luchterhand Verlag erschienen, übersetzt von Silvia Morawetz
Ali Smiths Artful hat mich auf eine Weise bewegt, die ich nur schwer in Worte fassen kann. Es ist eines dieser Bücher, die einen sofort in ihren Bann ziehen, obwohl – oder vielleicht gerade weil – es sich jeder klaren Kategorisierung entzieht. Es ist weder ein Roman noch eine einfache Sammlung von Essays, sondern eine seltsame, faszinierende Mischung aus beidem. Die vier Kapitel basieren auf Vorlesungen, die Smith ursprünglich an der Universität Oxford gehalten hat, und doch fühlt sich das Buch eher wie ein poetischer, manchmal sogar traumähnlicher Dialog an – zwischen Leben und Tod, zwischen Kunst und Denken.
Die Erzählung, die sich durch das Buch zieht, handelt von einer Frau, die nach dem Tod ihrer Geliebten trauert und plötzlich von deren Geist heimgesucht wird. Diese Tote ist nicht nur ein vages Gespenst; sie ist chaotisch, unordentlich, sie spricht in Rätseln, stiehlt Gegenstände und verbreitet einen Geruch, der die Nachbarn beunruhigt. Was mich daran so fasziniert hat, war, wie natürlich und zugleich verstörend Smith diesen Übergang zwischen Leben und Tod beschreibt. Es ist nicht das Drama eines tragischen Verlustes, sondern eher eine leise, seltsam humorvolle Akzeptanz des Unerwarteten.
“We do treat books surprisingly lightly in contemporary culture. We’d never expect to understand a piece of music on one listen, but we tend to believe we’ve read a book after reading it just once.”
Gleichzeitig spielt Smith meisterhaft mit den Themen Zeit, Form und Kunst. Manchmal fühlte es sich an, als wäre ich in einem wilden Gedankenspiel gefangen, das von einem intellektuellen Abendessen zu stammen schien, bei dem Figuren wie Virginia Woolf, Freud und Shakespeare zusammenkommen. Die ständige Bewegung zwischen intellektuellem Diskurs und ganz persönlichen, emotionalen Momenten hat mich tief beeindruckt. Es ist, als würde Smith mit Leichtigkeit zwischen den Ebenen von Gedanken und Gefühlen hin- und herspringen und dabei eine emotionale Tiefe erreichen, die mich oft unvorbereitet getroffen hat.
Recitatif – Toni Morrison erschienen unter dem Titel „Rezitativ“ im Rowohlt Verlag übersetzt von Tanja Handels
Toni Morrisons „Rezitativ“ ist eine unglaubliche Geschichte, die mich einfach nicht loslässt. Sie erzählt von zwei Mädchen, Twyla und Roberta, die in einem Heim aufwachsen. Eine ist weiß, die andere schwarz – doch Morrison gibt uns nie klar zu erkennen, wer welche Hautfarbe hat. Und genau das macht den Reiz der Geschichte aus: Man glaubt ständig, die Lösung zu wissen, doch dann zweifelt man wieder. Die Vorurteile, die man selbst mitbringt, werden dabei auf subtile Weise herausgefordert.
Was mich am meisten beeindruckt hat, ist, wie Morrison es schafft, unsicher zu bleiben. Jede Szene scheint Hinweise zu liefern, und doch bleibt man bis zum Ende ratlos. Es geht dabei nicht nur um die Hautfarbe der Protagonistinnen, sondern um viel mehr: um Vorurteile, um Machtstrukturen und um die Art und Weise, wie wir Menschen in Schubladen stecken. Diese Unsicherheit zieht sich durch die gesamte Geschichte und sorgt dafür, dass man sie auch lange nach dem Lesen nicht aus dem Kopf bekommt.
“Difficult to “move on” from any site of suffering if that suffering goes unacknowledged and undescribed.”
Interessant fand ich auch das Nachwort von Zadie Smith, das mir nochmal eine neue Perspektive eröffnet hat: Weiße Leserinnen und Leser neigen dazu, die Protagonistin als weiß zu lesen, während schwarze Leserinnen und Leser sie oft als schwarz interpretieren. Es zeigt, wie stark unsere Wahrnehmung von den eigenen Erfahrungen geprägt ist.
„Rezitativ“ ist viel mehr als nur eine Geschichte über zwei Mädchen – es ist ein intensives Spiel mit Wahrnehmung und Identität. Es zwingt einen dazu, sich selbst und die eigenen Vorurteile zu hinterfragen. Für mich war es eine Lektüre, die nachhallt und die ich sicher noch mehrmals lesen werde. Ganz große Klasse von Toni Morrison!
So long, see you tomorrow – William Maxwell auf deutsch unter dem Titel „Also dann bis morgen“ im Hanser Verlag erschienen, übersetzt von Benjamin Schwarz
Maxwells Roman, der nur 134 Seiten umfasst, beginnt mit einer außerehelichen Affäre und einem Mord in einer kleinen Stadt in Illinois zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Ich-Erzähler schildert die Ereignisse um den Mord, versucht aber gleichzeitig, sich emotional davon zu distanzieren. Während er sich erinnert, reflektiert er über den Wandel der Welt seit seiner Kindheit.
Was mir besonders gut gefallen hat, ist Maxwells Fähigkeit, die Charaktere so lebendig und vielschichtig darzustellen. Obwohl die Handlung eher ruhig verläuft, sind es diese fein ausgearbeiteten Figuren, die das Buch tragen. Vor allem die Beziehung des Erzählers zu seinem Freund Cletus, dessen Vater den Mord beging, bleibt im Gedächtnis. Der Erzähler quält sich bis ins hohe Alter mit Schuldgefühlen, weil er Cletus nach dem Mord ignorierte, als sie sich in der Schule begegneten.
Maxwell erzählt eine leise Geschichte, die tief bewegt, die zeigt, wie stark Kindheitserinnerungen und Schuld das Leben eines Menschen prägen können. Für alle, die langsame, tiefgründige Romane mögen, ist So Long, See You Tomorrow absolut empfehlenswert.
„I had to find an explanation other than the real one, which was that we were no more immune to misfortune than anybody else, and the idea that kept recurring to me…was that I had inadvertently walked through a door that I shouldn’t have gone through and couldn’t get back to the place I hadn’t meant to leave.“
William Maxwell (1908–2000) war ein amerikanischer Schriftsteller und über 40 Jahre Lektor beim New Yorker. Neben seinen Romanen schrieb er auch Kurzgeschichten und Kinderbücher, und seine Werke sind bekannt für ihre sensible Darstellung zwischenmenschlicher Beziehungen.
The Last Supper – Rachel Cusk erschienen im Picador Verlag – bislang nicht auf deutsch übersetzt
Rachel Cusks „The Last Supper“ ist ein ungewöhnliches, persönliches Reisebuch, das mich auf eine eigenwillige und charmante Reise durch Italien mitgenommen hat. Es ist kein klassischer Reisebericht, in dem schöne Landschaften und sonnige Tage im Vordergrund stehen. Stattdessen widmet sich Cusk der Kunst, dem Alltag und ihren inneren Beobachtungen, und sie tut dies mit einer Sprache, die oft poetisch und metaphorisch ist. Ihre Beschreibungen der Renaissance-Kunstwerke, die sie mit ihrer Familie betrachtet, wirken oft fast spirituell, als ob die Figuren auf den Gemälden ihr eigene Geschichten zuflüstern.
Es geht in diesem Buch jedoch nicht nur um Kunst und Architektur. Was mich besonders faszinierte, ist, wie Cusk ihre Umgebung und ihre Erlebnisse durch ihre eigene, kritische Linse betrachtet. Sie hinterfragt die touristischen Klischees von Italien, die Vorstellung von der „italienischen Lebensart“ und auch die Simplizität des Essens, die oft romantisiert wird. Wiederholt essen sie und ihre Kinder dasselbe einfache Essen – Tomaten, Schafskäse, grobes Brot – und beginnen, die Vielfalt des Essens in ihrer Heimat als etwas fast Groteskes zu empfinden.
„I wish I could learn how to read the structure of life as a weathermen read the structure of clouds, where the future must be written, if only you knew what to look for“
Interessanterweise wird in The Last Supper Cusks Ehemann nicht ein einziges Mal erwähnt, obwohl ihre beiden Töchter eine wichtige Rolle in der Erzählung spielen. Sie sind präsent, sie reisen mit, sie reagieren auf die fremde Umgebung – aber der Mann, mit dem sie in Italien unterwegs ist, bleibt unsichtbar. Es wirkt fast so, als wäre er in ihrer Wahrnehmung bereits verblasst, obwohl das Buch während der Ehe geschrieben wurde. Nur wenige Jahre nach der Veröffentlichung ließen sich die beiden tatsächlich scheiden. Die Tatsache, dass er nicht auftaucht, verleiht der Geschichte eine subtile Spannung und lässt Raum für Spekulationen.
Rachel Cusk wurde 1967 in Kanada geboren, zog aber im Alter von acht Jahren mit ihrer Familie nach Großbritannien. Sie studierte Englische Literatur in Oxford und veröffentlichte 1993 ihren ersten Roman Saving Agnes, für den sie den Whitbread First Novel Award gewann.
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull – Thomas Mann erschienen im S. Fischer Verlag
Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ hat mich total überrascht. Eigentlich hatte ich erwartet, dass mich der Stil überfordern könnte, oder ich wie beim Zauberberg kurz vor Schluß einfach nicht mehr mag, aber genau das Gegenteil war der Fall: Die Sprache ist ein reiner Genuss! Mann schreibt mit einer Eleganz und Leichtigkeit, die mich sofort in die Geschichte hineingezogen hat.
Manns Sprache ist ein Hochgenuss – elegant, ironisch und dabei erstaunlich leicht zugänglich. Schon nach wenigen Seiten war ich ganz im Bann von Felix Krull, einem Hochstapler mit so viel Charme und Witz, dass man ihm einfach alles verzeihen will. Er stiehlt sich durch die Gesellschaft mit einer Leichtigkeit, die mich fasziniert hat, und gleichzeitig ist er so sympathisch, dass ich mich fast ertappt fühle, wie ich ihm innerlich zujubelte.
Felix Krull selbst ist eine faszinierende Figur. Er ist ein Hochstapler, ja, aber einer mit so viel Charme und einem goldenen Herz, dass man ihm seine Täuschungen fast schon verzeiht. Die Art, wie er sich durch die Gesellschaft bewegt, immer mit einem Augenzwinkern, ist so unterhaltsam, dass ich mir fast wünsche, ihm mal im echten Leben zu begegnen – idealerweise bei einem Glas Champagner. Trotz seiner Betrügereien bleibt er durchweg sympathisch, was vor allem an der Art liegt, wie Mann ihn darstellt: als jemanden, der die Regeln der Gesellschaft geschickt ausnutzt, ohne dabei wirklich boshaft zu sein.
„Es war der Gedanke der Vertauschbarkeit. Den Anzug, die Aufmachung gewechselt, hätten sehr vielfach die Bedienenden ebensogut Herrschaft sein und hätte so mancher von denen, welche, die Zigarre im Mundwinkel, in den tiefen Korbstühlen sich rekelten – den Kellner abgeben können. Es war der reine Zufall, daß es sich umgekehrt verhielt – der Zufall des Reichtums; denn eine Aristokratie des Geldes ist eine vertauschbare Zufallsaristokratie.“
Interessant ist auch, dass Felix Krull schon früh in Manns Leben eine Rolle spielte. Bereits 1911 tauchte die Figur erstmals in einer Erzählung auf, und Mann kehrte später zu ihr zurück, als er sich mehr dem Humor und der Leichtigkeit zuwandte. Im Gegensatz zu vielen anderen seiner Werke, die oft von existenziellen Themen durchzogen sind, ist „Felix Krull“ ein eher heiteres und spielerisches Werk – fast so, als hätte Mann hier eine Pause vom Ernst des Lebens machen wollen. Ich kann im Übrigen auch die Verfilmung aus dem Jahr 1957 von Kurt Hoffmann mit Horst Buchholz in der Hauptrolle empfehlen – hat mir sehr gefallen.
Unbedingte Empfehlung – jetzt hab ich richtig Lust auf die Buddenbrocks bekommen.
Wie sieht es bei euch aus? Thomas Mann – yeahhh oder mehhh?
Brian – Jeremy Cooper erschienen bei Fitzcarraldo Editions, bislang nicht auf deutsch übersetzt
Ich hatte eigentlich nur vor, mal kurz in Jeremy Coopers Roman Brian reinzulesen, bin aber direkt hängengeblieben. Das Buch hat mich einfach reingezogen. Der Fitzcarraldo Verlag ist ein faszinierender Verlag aus London mit interessanten Romanen oft in Übersetzung bei dem ich oft fündig werde.
Cooper erzählt die Geschichte von Brian, einem einsamen Mann, der sein Leben um seine täglichen Routinen herum gebaut hat – ein Job im Camden Council, Mittagessen im Café Il Castelletto und zurück in seine kleine Wohnung. Alles läuft in geordneten Bahnen, bis Brian eines Tages das BFI (British Film Institute) entdeckt und das Kino zu einem festen Teil seines Lebens wird. Ab da sieht er sich fast jeden Abend Filme an, von Ozu über Fellini bis zu Varda, und findet so endlich eine Gemeinschaft, eine Gruppe von gleichgesinnten Filmfans. Es ist eine so schöne Idee, wie das Kino für ihn zu einem Zufluchtsort wird, wo er Freundschaft und Zugehörigkeit erlebt – etwas, das ihm sein bisheriges Leben nicht bieten konnte.
Die Art, wie Cooper die innere Welt von Brian beschreibt, ist so nah und gleichzeitig distanziert, dass man den Charakter förmlich vor sich sieht. Und ja, ich ertappe mich jetzt schon dabei, dass ich mich im Kino umsehe, ob Brian vielleicht irgendwo sitzt. Es ist ein Charakter, der einem einfach nicht aus dem Kopf geht.
„All his life, everywhere he went, Brian had shunned attention, the scars unhealed from being singled out at school in Kent as different and blamed for being so, by teachers, by other boys and by his mother. To ease his hurt he had made himself an expert at forgetting, a skill now matured, able most of the time to erase unwelcome thoughts and happenings. It did mean that he needed to hold himself on constant altert, ready to combat the threat of being taken by surprise, a state-of-being he had managed to achieve without the tension driving him crazy. There had been costs, by now discounted and removed from memory.“
Ich finde, das Buch macht auf eine sanfte, unaufgeregte Weise klar, wie stark Kunst – und in diesem Fall eben Filme – unser Leben bereichern und uns zu uns selbst führen kann. Brian erlebt das durch seine Filmleidenschaft, und ich denke, das ist etwas, womit sich viele identifizieren können, die im Kino einen besonderen Ort gefunden haben.
Wer Filme liebt und sich für das Zwischenmenschliche interessiert, sollte Brian unbedingt lesen. Es ist ein leises, aber nachhallendes Buch, das riesige Lust aufs Kino macht und meine Filmliste ist um etliches länger geworden. Große Empfehlung!
Wandering Souls – Cecile Pin erschienen im Atlantik Verlag, übersetzt von Maria Hummitzsch
Cecile Pins Debütroman Wandering Souls ist ein bewegender Roman, der die vietnamesische Flüchtlingserfahrung und die psychischen Belastungen der Assimilation einfängt. Es war mir in der Buchhandlung ins Auge gefallen, habe kurz reingelesen und konnte es gar nicht mehr aus der Hand legen. Pin nimmt uns mit auf die Reise der 16-jährigen Anh und ihrer jüngeren Brüder Minh und Thanh, die sich nach dem Vietnamkrieg auf die gefährliche Flucht nach Hongkong begeben. Die Familie ist gezwungen, auf zwei verschiedenen Booten zu reisen, und nur die drei älteren Geschwister erreichen ihr Ziel. Ihre Eltern und vier weitere Geschwister kommen auf tragische Weise ums Leben.
„Die Vietnamesen haben diese Tradition“, sagte er. „Sie glauben, dass man die Toten angemessen in ihrem Heimatort beerdigen muss. Tut man das nicht, sind Ihre Seelen dazu verdammt, als Geister auf der Erde herumzuirren.“
Die Geschichte setzt drei Jahre nach dem Abzug der US-Truppen ein, als Vietnam in politischem und wirtschaftlichem Chaos versinkt. Anh, Minh und Thanh landen nach vielen Stationen – darunter Flüchtlingslager und Ablehnung durch die US-Einwanderungsbehörde – in London. Dort kämpfen sie in den 1980er Jahren mit den Herausforderungen des Lebens in einer neuen, oft feindseligen Umgebung. Besonders Anh trägt als älteste Schwester die Last der Verantwortung, während Minh in Schwierigkeiten gerät und Thanh versucht, sich in der neuen Kultur zurechtzufinden.
Der Roman schafft es, sowohl die emotionalen Wunden der Flucht als auch die Herausforderungen der Assimilation in einer neuen Gesellschaft eindrucksvoll darzustellen. Dabei setzt Pin nicht nur auf emotionale Tiefe, sondern auch auf historische Genauigkeit. Man merkt wie sehr sie für diesen Roman recherchiert hat. Es gibt Momente großen Schmerzes, schrecklicher Grausamkeiten und der Verzweiflung, aber auch Zusammenhalt, Liebe und Hoffnung.
Der Autor begibt sich auf eine tiefgründige und bewegende Spurensuche, die mir noch lange nach dem Lesen im Gedächtnis bleiben wird. Das Buch erzählt die erschütternde Geschichte eines der schlimmsten Kriegsverbrechen in Österreich – das Massaker von Rechnitz – und verbindet diese düstere Vergangenheit mit Batthyanys eigener Familiengeschichte.
Was mich an diesem Buch besonders berührt hat, ist die Ehrlichkeit, mit der Batthyany die Geschehnisse aufarbeitet. Er scheut sich nicht, sich selbst und seine Familie kritisch zu hinterfragen. Auf eindringliche Weise erzählt er, wie er erst als Erwachsener von dem Massaker erfuhr und wie er sich daraufhin entschloss, der Wahrheit über seine eigene Familie auf den Grund zu gehen. Diese Recherche zieht sich über sieben Jahre und führt ihn an verschiedene Orte, von Ungarn über Sibirien bis nach Buenos Aires. Dabei werden Fragen aufgeworfen, die oft unbeantwortet bleiben – das macht die Geschichte umso eindringlicher und verstörender.
Besonders die Darstellung der Gräfin Margit Thyssen-Batthyány, Batthyanys Großtante, hat mich zum Nachdenken angeregt. Ihre Rolle in der Nacht des Massakers bleibt unklar, doch der Autor macht deutlich, dass sie eine Mitwisserin war, die mit den Tätern feierte. Diese Ambivalenz zwischen Festlichkeit und Grauen ist ein starkes Motiv des Buches. Es ist erschreckend zu sehen, wie das Schweigen über die Vergangenheit selbst in der eigenen Familie weitergegeben wurde, und Batthyanys Entschlossenheit, das zu durchbrechen, ist inspirierend.
„Die Schweiz war für sie immer nur ein Spieleland, das Leben kein echtes, jedenfalls keines mit Höhen und Tiefen, mit Glück und Leid. Denn wer nicht mindestens ein paar Verwandte im Krieg verloren, wer nie miterlebt hatte, wie eine fremde Besatzungsmacht, seien es Deutsche oder Russen, alles umstürzte, der durfte nicht von sich behaupten, wirklich etwas vom Leben zu verstehen.“
Sacha Batthyany wurde 1972 in Zürich geboren und ist Journalist und Autor. Heute arbeitet er als Korrespondent in Washington. Seine journalistische Laufbahn umfasst eine Vielzahl von Themen, wobei er oft gesellschaftliche und historische Fragestellungen aufgreift. „Und was hat das mit mir zu tun?“ ist sein Debüt in der literarischen Sachbuchszene, und es zeigt eindrucksvoll, wie persönliche Geschichte und historische Ereignisse miteinander verwoben sind.
„Und was hat das mit mir zu tun?“ ist nicht nur ein Geschichtsbuch, sondern auch eine tiefgreifende persönliche Auseinandersetzung mit Schuld, Verantwortung und dem Umgang mit der Vergangenheit. Batthyanys ehrlicher und verletzlicher Schreibstil zieht einen in seinen Bann. Es ist ein Buch, das man gelesen haben sollte, um die schmerzhaften Wahrheiten über die eigene Geschichte und die Geschichte der anderen nicht zu vergessen.
Lessons – Ian McEwan erschienen unter dem Titel „Lektionen“ im Diogenes Verlag, übersetzt von Bernhard Robben
Die Geschichte um Roland Baines, dessen Leben sich durch Zufälle und historische Ereignisse immer wieder in unerwartete Bahnen lenkt hat mich sehr begeistert. Die Art, wie McEwan über das Leben, die Liebe und die Last der Vergangenheit schreibt, ist mir stellenweise richtig nah gegangen – ich hätte so viele Sätze am liebsten direkt unterstrichen! Die philosophischen Gedanken und feinen Beobachtungen über menschliche Beziehungen und politische Umbrüche wirken nie aufgesetzt, sondern weben sich organisch in Rolands Lebensweg ein. Ich hatte das Gefühl, mit ihm gemeinsam durch die Jahrzehnte zu reisen und die Welt aus seiner Perspektive zu erleben.
Besonders gut gefallen hat mir McEwans Fähigkeit, alltägliche Momente so zu beschreiben, dass sie plötzlich eine ganz neue Bedeutung erhalten. Es sind oft die kleinen, beiläufigen Szenen, die einem noch lange im Kopf bleiben. Gleichzeitig stellt das Buch aber auch große Fragen: Wie beeinflussen uns die großen politischen und gesellschaftlichen Umbrüche unserer Zeit? Wie sehr bestimmt die Vergangenheit unser Handeln in der Gegenwart? Ich habe das Gefühl, dass ich das Buch irgendwann unbedingt noch einmal lesen muss, weil man sicher viele Details erst beim zweiten Mal so richtig erfasst.
“His accidental fortune was beyond calculation, to have been born in 1948 in placid Hampshire, not Ukraine or Poland in 1928, not to have been dragged from the synagogue steps in 1941 and brought here. His white-tiled cell – a piano lesson, a premature love affair, a missed education, a missing wife – was by comparison a luxury suite. If his life so far was a failure, as he often thought, it was in the face of history’s largesse.”
Die Stimme des Sprechers hat perfekt zur Stimmung gepasst und die melancholischen, aber auch hoffnungsvollen Töne des Romans wunderbar transportiert. Insgesamt ist „Lektionen“ für mich ein nachdenkliches und intensives Werk, das lange nachhallt.
Ian McEwan mausert sich immer mehr zu einem meiner Lieblings-Autoren zu dessen Werken man fast blind greifen kann und man einfach sicher sein kann, nicht nur gut unterhalten zu werden, eine Menge zu lernen sondern die einem auch noch lange im Gedächtnis bleiben und mit deren Fragestellungen man sich noch eine ganze Weile beschäftigen wird.
Lesen im Sommer kann eine Herausforderung sein. Überall zu heiß! In der Dachgeschoßwohnung hält man es nicht aus, auf der Picknick Decke ist es sehr schnell unbequem und im Liegestuhl muss man alle paar Minuten in den Schatten rutschen – es ist ein Elend 😉 Es sollte klimatisierte Leseräume in jeder Straße geben! Trotzdem habe ich mich – nur für euch – durch einen kleinen Literaturberg gefräst und stelle euch den hier kurz und knackig vor, in alphabetischer Reihenfolge. Los geht’s:
Paula Barbosa & Dominik Bollow – Yuri und Vincent. Ein Papagei will nicht fliegen erschienen im Round not Square Verlag für Buchrollen
Das war ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk. Eine Buchrolle! Eine Geschichte auf 14m. Da musste ich anfangs erst mal schauen, wie man eine Buchrolle eigentlich liest. Der Verlag sitzt in Berlin und druckt jedes Buchrolle auf Bestellung.
Die Geschichte von Yuri und Vincent war absolut bezaubernd und ich freue mich schon aufs gemeinsame Lesen mit dem kleinen Neffen – aber ich habe schon mal vorgelesen und weiß, worauf er sich freuen kann. Große Empfehlung!
Vincent lebt in einer Kiste. Freiwillig, und wie er findet mit gutem Grund. Denn Vincent ist ein Papagei, der nicht fliegen will. Für ihn ist es einfacher, zu behaupten er sei ein Elefant. Von denen erwartet nämlich niemand, dass sie fliegen.
Yuri, der Maus, ist das eigentlich egal. Alles was er will, ist mit seinem besten Freund spielen. Ob Vincent nun ein Papagei ist oder ein Elefant … wen interessiert das schon.
Auch Vincent war traurig. Es fühlte sich blöd an, seinen Freund anzulügen. Aber er konnte ihm ja nicht sagen, dass er gar kein Elefant ist. Solange niemand wußte, dass er eigentlich ein Papagei war wollte ihn auch niemand fliegen sehen
Aber Vincent verfängt sich immer mehr in Ausreden und erfundenen Wahrheiten und fühlt sich dabei so unwohl, dass sich schließlich Yuri auf die Reise macht. Denn wäre es nicht schön noch andere Elefanten zu finden, die so außergewöhnlich sind wie Vincent? Dann würde sich Vincent doch bestimmt besser fühlen.
Das Glück liegt näher als Yuri und Vincent ahnen können, aber manchmal bedarf es einer Reise um es zu finden.
Trust Exercise – Susan Choi auf deutsch erschienen unter dem Titel „Vertrauensübung“ im Kjona Verlag übersetzt von Tanja Handels und Katharina Martl
Gleich vorneweg das Buch habe ich abgebrochen – das hat mich echt genervt irgendwann. Ich habe es so schnell in den offenen Bücherschrank gestellt, dass ich ganz vergessen habe ein Foto zu machen. Ich war nicht die einzige die ihre Schwierigkeiten mit dem Buch hatte und auf Goodreads sah ich diese Rezension die meinen Eindruck des Buch komplett wiedergibt:
ME to SUSAN CHOI: “I did not enjoy this book.” Susan Choi: “You did not enjoy this book.”
“I did not enjoy this book.” “You did not enjoy this book.”
“I did not enjoy this book.” “You did not enjoy this book.”
“I did not enjoy this book.” “You did not enjoy this book.”
I DID NOT ENJOY THIS BOOK!
Das College – Penelope Fitzgerald übersetzt von Christa Krüger erschienen im Suhrkamp Verlag
Ein Buch das mich sehr an J. L. Carrs „Ein Monat auf dem Land“ erinnerte und ich erfreut im Nachwort entdeckte, dass Fitzgerald und Carr befreundet waren. Ich hatte im August Lust auf Campus Romane und habe mich daher viel in Oxford und Cambridge herumgetrieben. Penelope Fitzgerald war eine britische Schriftstellerin, die in verschiedenen Genres geschrieben hat. Ihre Romane sind bekannt für ihren subtilen Humor, ihre präzise Sprache und ihre scharfsinnige Beobachtungsgabe. Am bekanntesten ist wahrscheinlich ihr Roman „The Bookshop“ der auch vor einigen Jahren erfolgreich verfilmt wurde.
Cambridge 1912: Ein harmloser Fahrradunfall bringt die wohlgeordnete Welt des jungen Wissenschaftlers Fred durcheinander. Er verliebt sich in eine unbekannte junge Frau – und das lässt sich mit den Gesetzen der Physik nicht erklären …
Im Jahr 1911 hatte die Aerated Bread Company im Oberstock ihrer Tee-Stuben ein Damenzimmer eingerichtet. In London begann man nämlich allmählich die Tatsache anzuerkennen, daß es inzwischen viele arbeitende Frauen gab, die auch manchmal in Frieden irgendwo sitzen und das selbstverdiente Geld ausgeben wollten, auch wenn es auch vielleicht nur für eine Scheibe Toast reichte.
Fred ist Physiker, er hat sich ganz der Wissenschaft verschrieben und führt den Statuten gemäß ein Junggesellendasein – bis er eines stürmischen Abends in einen Fahrradunfall verwickelt wird. Er findet sich in einem fremden Bett wieder, an seiner Seite eine junge Frau: Daisy, eine Krankenschwester aus dem Londoner Armenviertel. Sie ist charmant, pragmatisch und bildhübsch. Für Fred ist es Liebe auf den ersten Blick! Doch so unerwartet, wie Daisy in sein Leben getreten ist, so schnell verschwindet sie wieder. Und während ganz Cambridge heftig die entstehende Nuklearforschung und das Frauenwahlrecht diskutiert, nimmt Fred die Suche nach Daisy auf …
Maurice – E. M. Forster auf deutsch unter dem gleichen Titel erschienen im S. Fischer Verlag
„Maurice“ ist ein Roman von E. M. Forster, der 1913 geschrieben wurde, aber erst posthum im Jahr 1971 veröffentlicht wurde, da das Thema Homosexualität zu dieser Zeit als kontrovers galt. Die Geschichte spielt im England des frühen 20. Jahrhunderts und erzählt von Maurice Hall, einem jungen Mann aus der englischen Oberschicht, der seine homosexuellen Gefühle entdeckt und damit konfrontiert wird. Achtung ich spoilere im hier gleich etwas, wer sich überraschen lassen möchte wie das Buch endet – Augen zu 😉
Die Handlung verfolgt Maurices inneren Konflikt, da er in einer repressiven Gesellschaft lebt, die Homosexualität ablehnt. Maurice erlebt Beziehungen zu anderen Männern, darunter Clive Durham, sein Freund an der Universität, der ihre Beziehung aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung beendet. Später begegnet Maurice Alec Scudder, einem unterprivilegierten Mann, und die beiden entwickeln eine Beziehung. Trotz der Risiken und gesellschaftlichen Widerstände entscheidet sich Maurice, seine Liebe zu Alec zu leben.
I am an unspeakable of the Oscar Wilde sort.
Die Geschichte endet mit einem optimistischen Ton, da Maurice und Alec einen Weg finden, zusammen zu sein und ihre Liebe zu leben, wenn auch im Verborgenen. „Maurice“ ist eine wichtige literarische Arbeit, da sie das Thema Homosexualität und die Herausforderungen, denen LGBTQ+-Menschen in einer intoleranten Gesellschaft gegenüberstehen, einfühlsam behandelt und eine Botschaft der Hoffnung und Selbstakzeptanz vermittelt.
The Go-Between – L. P. Hartley erschienen im Suhrkamp Verlag übersetzt von Maria Wolff
„The Go-Between“ von L.P. Hartley ist ein Roman, der 1953 veröffentlicht wurde. Die Geschichte handelt von einem jungen Mann namens Leo Colston, der als 13-Jähriger im Sommer 1900 auf das Landgut eines Freundes seiner Mutter eingeladen wird.
Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, man macht die Dinge anders dort
Während der Sommerferien auf dem Landgut der Eltern seines Schulfreundes wird der dreizehnjährige Leo zum Überbringer heimlicher Liebesbotschaften zwischen Ted, dem Pächter und Marian, der schönen Tochter des Schloßherrn, deren Verlobung mit Lord Trimingham kurz bevorsteht. Doch gegen seinen Willen zieht es Leo immer tiefer in den Strudel des gefährlichen Spiels von Verlangen und Verrat, von versprochener und verbotener Liebe und schließlich steht er vor der ersten großen Gewissensentscheidung seines jungen Lebens. The Go-Between ist ein raffiniert konstruierter Roman über die Strapazen des Erwachsenwerdens und die Gefühlsverwirrungen der Jugend, eine fein beobachtete Gesellschaftsanalyse und eine wunderbare Liebesgeschichte.
Last Night at the Telegraph Club – Malinda Lo erschienen im Hodder & Stoughton Verlag. Bislang noch nicht auf deutsch erschienen
„Last Night at the Telegraph Club“ von Melinda Lo ist ein Roman, der im Jahr 1954 in San Francisco spielt. Die Geschichte folgt der Hauptfigur Lily Hu, einer chinesisch-amerikanischen Teenagerin, die in einer Zeit lebt, in der die LGBTQ+-Community stark unterdrückt wird.
Lily entdeckt den Telegraph Club, einen Untergrund-Lesbenclub, und verliebt sich in Kath, ein Mädchen aus ihrer Schule. Diese Liebe führt zu einer tiefen Selbstentdeckung und stellt Lily vor die Herausforderung, ihre sexuelle Identität in einer konservativen Gesellschaft zu akzeptieren und auszuleben.
Here was her mother sitting down across from her, reaching for her hands and chafing them as if she were frozen. She felt the rub of her mother’s wedding ring against her skin, and her mother’s face swam into focus, her brown eyes full of the sharp worry of love, and Lily thought, You will never look at me like this again.
Während des Buches erleben Lily und Kath die sozialen und politischen Herausforderungen der 1950er Jahre, insbesondere im Zusammenhang mit der Unterdrückung von Homosexualität und rassistischer Diskriminierung gegenüber chinesisch-amerikanischen Gemeinschaften. Das Buch zeigt, wie Lily und Kath ihre Liebe trotz dieser Hindernisse erkunden und ihre Identität akzeptieren.
„Last Night at the Telegraph Club“ ist ein berührender Roman über Liebe, Identität und die Suche nach Akzeptanz in einer schwierigen Zeit. Er beleuchtet die Erfahrungen von LGBTQ+-Personen und ethnischen Minderheiten in den USA der 1950er Jahre. Ich wünschte es hätte diesen Roman gegeben als ich in Lilys Alter war;)
Die Geschichte von Blue – Solomonica de Winter erschienen im Diogenes Verlag
Welch ein Talent: Die erst 17-jährige Solomonica de Winter erzählt die Geschichte von Blue, die ihren Vater früh verloren hat, deren Mutter in ihrer eigenen Welt lebt und die sich in einen Menschen verliebt, der vom gleichen Buch besessen ist wie sie: dem ›Zauberer von Oz‹. Wie Dorothy im Buch macht sie sich auf, um jenseits des Regenbogens wieder eine Art Zuhause zu finden – und den Mörder ihres Vaters. Ein Roman mit doppeltem Boden, Drive, Chuzpe und einer völlig eigenen Poesie.
Das ist die Geschichte von Blue, die ihren Vater früh verloren hat, deren Mutter in ihrer völlig eigenen Welt lebt und die sich in einen Menschen verliebt, der vom gleichen Buch besessen ist wie sie: dem ›Zauberer von Oz‹. Wie Dorothy im Buch macht sie sich auf, um jenseits des Regenbogens wieder eine Art Zuhause zu finden – und den Mörder ihres Vaters. Eine Suche, die an einen ganz anderen Ort hinführt, als man am Anfang erwartet.
Glück ist ein komisches Wort, wenn man gar nichts mehr spürt. Wie eine versunkene Insel, eine vergessene Welt, die einmal eine Bedeutung hatte.
Ein beachtliches Debüt einer so jungen Autorin, die ich vor einer Weile auf der Frankfurter Buchmesse mal live erleben konnte. Bei den Mengen an Autoren-Genen die sie abbekommen hat mit Jessica Durlacher und Leon de Winter als Eltern vielleicht kein Wunder, aber sie hat eine ganz eigene Stimme und es wird nicht der letzte Roman von ihr gewesen sein, den ich gelesen habe.
Hintergrund für Liebe – Helen Wolff erschienen im Weidle Verlag
Hintergrund für Liebe, der Roman eines Sommers, entstanden 1932/33, erzählt die Geschichte des Beginns einer großen Liebe während einer Flucht auf Zeit aus den kippenden Verhältnissen in Deutschland: »Hie Cointreau, hie Pernod rufen die Plakate – Hitler und Hindenburg sind weit«.
Der zwanzig Jahre ältere Mann, ein Bonvivant und Ladies‘ Man, muß von der jungen Frau , die mit ihm im Auto nach Südfrankreich reist, erst verlassen werden, damit er begreift, was in dieser Beziehung – und im Leben – wirklich zählt. Sie verzichtet auf ihn, zieht sich nach Saint-Tropez in ein winziges Häuschen im Schilf zurück, lebt ihr eigenes Leben, findet neue Freundschaften und Ruhe in sich selbst. Der Mann trifft sie zufällig wieder und ist beeindruckt von ihrer Kraft und Unabhängigkeit. Doch leicht macht sie ihm den Beginn eines gemeinsamen Lebens nicht. Sie fordert von ihm grundsätzliche Veränderungen in seiner Haltung zu sich und der Welt und eine Rückkehr zur Einfachheit.
Ich will leben, und du willst Dich amüsieren. – Nein, Lieber, nicht mit mir.
Am Schluß hat die junge, mittellose, unerfahrene Frau dem älteren, wohlhabenden, erfahrenen Mann den Hintergrund für Liebe, den er ihr zum Geschenk machen wollte, einfach aus der Hand genommen, radikal verändert und ihm zurückgeschenkt. Marion Detjen ergänzt diesen deutlich autobiographischen Roman Helen Wolffs mit einem Essay, der die Situation Kurt und Helen Wolffs in den ersten Jahren ihres gemeinsamen Lebens und Arbeitens schildert.
Helen Wolff (1906-1994) ist vor allem als legendäre Verlegerin bekannt. Ihre eigenen Theaterstücke und Romane, die in den frühen dreißiger Jahren entstanden, hielt sie unter Verschluß. In München arbeitete sie seit 1928 für den Kurt Wolff Verlag. 1933 heiratete sie Kurt Wolff und emigrierte mit ihm nach Frankreich. Im New Yorker Exil baute sie 1942 gemeinsam mit Kurt Wolff den Verlag Pantheon Books auf. Als Verlegerin eroberte sie nach dem Zweiten Weltkrieg mit zahlreichen deutschen und europäischen Schriftstellern (so Günter Grass, Max Frisch, Uwe Johnson, Italo Calvino) den US-amerikanischen Buchmarkt. Ab 1961 veröffentlichte sie die Werke ihrer Autoren in der Reihe »Helen and Kurt Wolff Books« bei Harcourt, Brace & World, für die sie – Kurt Wolff starb 1963 – bis 1981 verantwortlich war. Das Manuskript des Romans Hintergrund für Liebe aus ihrem Nachlaß wird nun zum ersten Mal veröffentlicht.
„Der Club“ von Takis Würger ist ein Roman, der 2017 veröffentlicht wurde. Die Geschichte handelt von einem jungen Mann namens Hans Stichler, der von einem deutschen Elite-College nach Cambridge geschickt wird, um dort undercover in einem exklusiven Geheimbund, „Der Club“, zu ermitteln.
Beim Hunger war es ein Loch gewesen, das ich im Bauch gespürt hatte. Die Einsamkeit war ein Loch, das ich in meinem ganzen Körper spürte, als wäre von mir nur die Hülle eines Menschen übrig geblieben.
Hans freundet sich mit Mitgliedern des Clubs an und taucht in die Welt der Elite, des Luxus und der Geheimnisse ein. Dabei entdeckt er, dass der Club ein dunkles Geheimnis verbirgt, das mit einer Vergewaltigung in der Vergangenheit in Verbindung steht. Hans steht vor der moralischen Herausforderung, zwischen seiner Loyalität zu seinen neuen Freunden und der Suche nach der Wahrheit zu wählen.
Der Roman behandelt Themen wie Macht, Privilegien, Loyalität und die Schwierigkeit, sich in einer Welt voller Geheimnisse und Intrigen zurechtzufinden. Es ist eine Geschichte über die Suche nach Identität und die Konfrontation mit den Schattenseiten einer exklusiven Gesellschaft.
Letters of Note. Briefe die die Welt bedeuten herausgegeben von Sean Usher erschienen im Heyne Hardcore Verlag
Letters of Note ist eine Sammlung von 125 der unterhaltsamsten, inspirierendsten und ungewöhnlichsten Briefe der Weltgeschichte. Das Buch basiert auf der sensationell populären Website gleichen Namens – einer Art Online-Museum des Schriftverkehrs, das bereits von über 70 Millionen Menschen besucht wurde.
Von Virginia Woolfs berührendem Abschiedsbrief an ihren Mann bis zum höchsteigenen Eierkuchen-Rezept von Queen Elizabeth II. an US-Präsident Eisenhower, vom ersten aktenkundigen Gebrauch des Ausdrucks »OMG« in einem Brief an Winston Churchill bis zu Gandhis Friedensersuch an Adolf Hitler und von Iggy Pops wundervollem Brief an einen jungen weiblichen Fan in Not bis hin zum außergewöhnlichen Bewerbungsschreiben von Leonardo da Vinci zelebriert und dokumentiert Letters of Note die Faszination der geschriebenen Korrespondenz mit all dem Humor, der Ernsthaftigkeit, der Traurigkeit und Verrücktheit, die unser Leben ausmachen.
Das war ein toller Fund im Bücherschrank und eigentlich wollte ich nur mal kurz reinlesen und zack bin ich so derart hängengeblieben das ich erst Stunden später wieder in der Realität zurück war und ich das Buch bereits über die Hälfte durch hatte. Das perfekte Buch für alle die gerne Briefe bekommen, die sich an gelungenen Formulierungen erfreuen können und die Spaß haben an überraschenden und teilweise für mich komplett unbekannten Episoden aus der Weltgeschichte.
So geschafft! Konnte ich euch für das eine oder andere Buch interessieren? Welches davon kennt ihr schon und mochtet ihr oder mochtet ihr vielleicht auch nicht? Freue mich immer über Rückmeldung. Und jetzt wünsche ich euch einen schönen September. So gerne ich Frühling und Sommer mag, ich freue mich auch immer wenn die ‚ber Monate losgehen 😉
Ein spannender atmosphärischer Lesemonat liegt hinter mir. Keine wirklichen Ausfälle dabei, eine gute Mischung aus Sachbuch bei dem ich immens viel gelernt habe, ein paar zur November Stimmung passende Romane, ein wunderbares Wiederlesen und eine Bookclub-Lektüre die uns in die Sumpf- und Marschgebiete North Carolinas mitnahmen.
Hier wieder in alphabetischer Reihenfolge ein kurzer Einblick in die Bücher, in der Hoffnung euch auf das eine oder andere Lust machen zu können.
Auf See – Theresa Enzensberger erschienen im Hanser Verlag, gehört als Audible Hörbuch
Yada wächst als Bürgerin einer schwimmenden Stadt in der Ostsee auf. Ihr Vater, ein libertärer Tech-Unternehmer, hat die Seestatt als Rettung vor dem Chaos entworfen, in dem die übrige Welt versinkt. In den Jahren seit ihrer Gründung ist der Glanz vergangen, Algen und Moos überwuchern die einst spiegelnden Flächen. Yadas Vater fürchtet, sie könne das Schicksal ihrer Mutter ereilen, die vor ihrem Tod an einer rätselhaften Krankheit litt. Und Yada macht eines Tages eine Entdeckung, die alles ins Wanken bringt. Klug, packend und visionär erzählt Theresia Enzensbergers großer Roman von den utopischen Versprechen neuer Gemeinschaften und dem Glück im Angesicht des Untergangs.
Ich fand die Geschichte und vor allen Dingen die Ideen spannend, visionär und definitiv zum Nachdenken und Recherchieren anregend. Nur als Hörbuch fand ich es aufgrund der Sprecherin nicht ganz so gelungen, hätte es glaube ich lieber gelesen als gehört. Vielleicht besorge ich es mir noch mal als Buch. Das wird nicht das letzte Buch von Frau Enzensberger sein, mir gefällt ihr Stil und ihre Art zu denken sehr.
Das Ende des Kapitalismus – Ulrike Herrmann erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag
Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist mein absolutes November Highlight. Eines von den Büchern bei denen ich nicht mehr aufhören kann davon zu erzählen und ich zur Buch-Missionarin werde und jedem fast mit Einzelhaft und Liebesentzug drohe, wenn die Menschen mir nicht auf der Stelle versprechen es umgehend zu lesen und danach mit mir darüber zu diskutieren.
Das es ein Rezensionsexemplar ist und auch noch von der Autorin für mich signiert wurde auf der Buchmesse hat damit wirklich nichts zu tun. Es hat mich einfach massiv zum Nachdenken gebracht, ich habe tonnenweise interessante Dinge gelernt und dazu geführt, dass ich jetzt nicht mehr sofort und automatisch den Wirtschaftsteil der Zeitung in die Papiertonne werfe.
Die Klimakrise verschärft sich täglich, aber konkret ändert sich fast nichts. Die Treibhausgase nehmen ungebremst und dramatisch zu. Dieses Scheitern ist kein Zufall, denn die Klimakrise zielt ins Herz des Kapitalismus. Wohlstand und Wachstum sind nur möglich, wenn man Technik einsetzt und Energie nutzt. Leider wird die Ökoenergie aus Sonne und Wind aber niemals reichen, um weltweites Wachstum zu befeuern. Die Industrieländer müssen sich also vom Kapitalismus verabschieden und eine Kreislaufwirtschaft anstreben, in der nur noch verbraucht wird, was sich recyceln lässt.
Aber wie soll man sich dieses grüne Schrumpfen vorstellen. Das beste Modell ist ausgerechnet die britische Kriegswirtschaft ab 1940.
„Damals zeigte sich erstmals ein Paradox, das den Kapitalismus bis heute prägt: Nur wenn das Risiko weitgehend ausgeschlossen ist, werden Investitionen gewagt.“
Our Missing Hearts – Celeste Ng auf deutsch erschienen unter dem Titel „Unsere verschwundenen Herzen“ erschienen im dtv Verlag übersetzt von Brigitte Jakobeit
Ich hatte den Roman schon auf dem Radar, nachdem wir vor einiger Zeit „Everything I never told you“ im Bookclub gelesen hatte und ihr neuer Roman auch noch unter „Dystopie“ firmierte. Frau Ngs Lesung im Amerikahaus in München wertete ich dann als finales Zeichen, dass ich diesen Roman unbedingt dringend lesen möchte.
Celeste Ng ist eine überaus kluge, interessante Frau der ich problemlos noch Stunden hätte zuhören können. Our Missing Hearts ist perfekte Winterlektüre. Dystopisch und düster, aber mit viel viel Hoffnung versehen und davon können wir alle momentan glaube ich eine doppelte Portion gebrauchen.
Der zwölfjährige Bird lebt mit seinem Vater in Harvard. Seit einem Jahrzehnt wird ihr Leben von Gesetzen bestimmt, die nach Jahren der wirtschaftlichen Instabilität und Gewalt die »amerikanische Kultur« bewahren sollen. Vor allem asiatisch aussehende Menschen werden diskriminiert, ihre Kinder zur Adoption freigegeben. Als Bird einen Brief von seiner Mutter erhält, macht er sich auf die Suche. Er muss verstehen, warum sie ihn verlassen hat. Seine Reise führt ihn zu den Geschichten seiner Kindheit, in Büchereien, die der Hort des Widerstands sind, und zu seiner Mutter. Die Hoffnung auf ein besseres Leben scheint möglich. Eine genauso spannende wie berührende Geschichte über die Liebe in einer von Angst zerfressenen Welt.
Librarians, of all people, understood the value of knowing, even if that information could not yet be used.
Where the Crawdads sing – Delia Owens auf deutsch erschienen unter dem Titel „Gesang der Flusskrebse“ im Hanser Verlag, übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Unser November Bookclub Buch hat mir um Einiges besser gefallen als ich dachte. Aus irgendeinem Grund befürchtete ich eine furchtbar schmalzige Schmonzette, aber die Naturbeschreibungen und die Protagonistin Kya haben mir auf jeden Fall ein spannendes Lesevergnügen beschert. Die Diskussion im Bookclub drehte sich natürlich auch stark um Delia Owens Rolle zu ihrer Zeit in Afrika, die Kontroversen die es um ihre Person und die ihres Ex-Mannes gibt. Es war eine intensive und sehr spannende Diskussion. Habe auch den Film gesehen und gemocht – großartige Naturaufnahmen, eine Ecke der Welt die ich unbedingt irgendwann mal sehen möchte.
Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Delia Owens erzählt intensiv und atmosphärisch davon, dass wir für immer die Kinder bleiben, die wir einmal waren. Und den Geheimnissen und der Gewalt der Natur nichts entgegensetzen können.
Das ist übrigens ein Buch, das ich wahrscheinlich besser in der deutschen Übersetzung gelesen hätte. Der lokale Dialekt der im Buch wiedergegeben wird, hat mich stellenweise an meine Grenzen gebracht. Solide Unterhaltung, kann man sicherlich gut zu Weihnachten verschenken, auch wenn gefühlt alle Menschen die gerne lesen das Buch wahrscheinlich bereits besitzen.
Autumn leaves don’t fall, they fly. They take their time and wander on this their only chance to soar.
Harry Potter and the Philosopher’s Stone / Harry Potter and the Chamber of Secrets / Harry Potter and the Prisoner of Azkaban – JK Rowling auf deutsch erschienen im Carlsen Verlag übersetzt von Peter Needham.
Zu Harry Potter muss ich wahrscheinlich nicht viel schreiben. Hatte schon eine Weile Lust mal wieder einzutauschen in die magische Welt der Zauberschüler*innen rund um Hogwarts, hatte aber irgendwie auch Schiss, ob es mir beim Wiederlesen noch gefallen würde. Man kann sich ja auch wirklich was kaputt machen, wenn die Magie beim Wiederlesen nicht überspringen will. Brauchte aber keine Sorge zu haben. Bin noch genauso ein Potterhead wie in den 90ern – möchte immer noch nach Hogwarts, trage stolz mein Ravenclaw Shirt und nach jedem Buch schaue ich mir direkt den Film dazu an, denn ich habe vor ein paar Jahren die Harry Potter Filmbox gewonnen und bin Besitzerin sämtlicher Filme in einer sehr sehr hübschen Box.
OK – genug angegeben. Frau Rowling und ihre anstrengende Transphobie nervt, aber davon lass ich mir meinen Harry Potter nicht kaputt machen und die Darsteller*innen sehen es ja zum Glück genau so.
Im Dezember geht es weiter mit den restlichen Bänden und danach möchte ich entweder noch mal nach Osaka wo wir vor ein paar Jahren im Universal Picture Park die Wizarding World of Harry Potter besucht haben oder vielleicht nach London in die Warner Brothers Filmstudios? Wofür ich mich auch immer entscheide, es braucht jede Menge Überzeugungsarbeit, denn die Bingereader-Gattin kann mit Harry Potter leider gar nix anfangen 😉
The Lamplighters – Emma Stonex auf deutsch erschienen unter dem Titel „Die Leuchtturmwärter“ im Fischer Verlag übersetzt von Eva Kemper
Durch das Dezember Bookclub Buch bin ich nur so durchgerauscht und habe die Lektüre sehr sehr genossen. Passt einfach perfekt zu nebelig-düsteren Winterwochenenden. Ein Pageturner im wahrsten Sinne des Wortes, konnte es gar nicht aus der Hand legen. Die Geschichte um das Verschwinden der drei Leuchtturmwärter beruht auf eine wahren Geschichte, was die Recherche rund ums Buch noch mal spannender macht.
In der Silvesternacht verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Männer spurlos von einem Leuchtturm. Die Tür ist von innen verschlossen. Der zum Abendessen gedeckte Tisch unberührt. Die Uhren sind stehen geblieben. Zurück bleiben drei Frauen, die auch zwei Jahrzehnte später von dem rätselhaften Geschehen verfolgt werden. Die Tragödie hätte Helen, Jenny und Michelle zusammenbringen sollen, hat sie aber auseinandergerissen. Als sie zum ersten Mal ihre Seite der Geschichte erzählen, kommt ein Leben voller Entbehrungen zutage – des monatelangen Getrenntseins, des Sehnens und Hoffens. Und je tiefer sie hinabtauchen, desto dichter wird das Geflecht aus Geheimnissen und Lügen, Realität und Einbildung.
In all my years I’ve realized there are two kinds of people. The ones who hear a creak in a dark, lonely house, and shut the windows because it must have been the wind. And the ones who hear a creak in a dark, lonely house, light a candle, and go to take a look.
Es hört nie auf, dass man etwas sagen muss – Antje Rávic Strubel erschienen im Fischer Verlag.
Antje Rávic Strubel ist auch so eine Autorin an deren Bücher ich einfach nicht vorgehen kann, wenn sie etwas neues geschrieben hat. Und dieses Buch hier ist ja wohl zusätzlich auch noch ein phänomenaler Hingucker. Ein kleiner Essay-Band voller kluger Gedanken zu Virginia Woolf, Astrid Lindgren, Selma Lagerlöf, Gendergewändern, Theodor Fontane und Elche kommen auch vor. Ein elegantes Büchlein bei man das Gefühl hat mit jeder Zeile ein kleines wenig klüger zu werden.
Pointiert nimmt Antje Rávik Strubel die aktuelle gesellschaftliche Lage unter die Lupe. Mit engagierter und zugleich poetischer Stimme widerspricht sie dem Gezerre und Gezeter. Sie plädiert für einen spielerischen, abenteuerlichen, wagemutigen Umgang mit Sprache, für ein emphatisches und aufmerksames Miteinander und eine Vielfalt der Lebens- und Liebesweisen. Sie erzählt von Virginia Woolf und Selma Lagerlöf, von dem Griff nach den Sternen und dem Aufbruch ins Unbekannte. Diese kritischen, literarischen und persönlichen Reden und Essays spannen den Bogen vom Ende des 19. Jahrhunderts zum Beginn des 21. Jahrhunderts und blättern mit dem nötigen feministischen Hintersinn andere Seiten der gesellschaftlichen Landkarte auf.
Die unfassbar schöne Covergestaltung haben wir im Übrigen Judith Schalansky zu verdanken.
Ankleben verboten! 1. Halte dich nicht zurück. 2. Widersprich dir. 3. Widersteh der Versuchung, Bedeutsames zu sagen. 4. Vernachlässige dich selbst. 5. Betrachte die Wirklichkeit aus der Schräglage 6. Deine Sitze sind die Wirklichkeit, trau ihnen nicht. 7. Verschleier dein Anliegen. 8. Lösch deine Spuren. 9. Benutze deine Zweifel, um Sätze zu bilden. 10. Sei viele. Sei jung und alt, weiblich und männlich, hell und dunkel zugleich. 11. Mach dich unabhängig von Lob. 12. Kehr um und entwirf deine eigenen Regeln. 13. Ertränke deine Leser und deine Vögel im Licht.
The Bass Rock – Evie Wyld auf deutsch erschienen unter dem Titel „Die Frauen“ im Rowohlt Verlag übersetzt von Tanja Handels.
Noch ein unfassbar gutes, spannendes und atmosphärisches Buch bei dem ich mir nicht mehr sicher bin, wie ich auf diesen Titel gekommen bin. Habe es als Hörbuch gehört und habe den schottischen Akzent der Sprecherin sehr geliebt. Die Geschichte ist düster und sicherlich kein Wohlfühl Schauerroman, aber ein spannend konstruierter Roman, der einem noch lange nachgeht.
Der Bass Rock wirft seit Jahrhunderten einen Schatten auf North Berwick und seine Bewohner. Neu unter ihnen: Ruth Hamilton, die in den Jahren nach dem Krieg mit ihrem Mann und zwei Stiefsöhnen in ein zugiges Haus am Meer zieht. Ruth ist zum ersten Mal schwanger und zusehends allein: die Kinder im Internat, der Mann über Wochen in seiner Londoner Kanzlei. Als Großstädterin hadert sie mit der Abgeschiedenheit und auch mit den sonderbaren Gebräuchen der einheimischen Gesellschaft. Ein Strandpicknick mitten im Winter? Die Frauen eigenartig kostümiert? Ruth passt sich an, ein wenig. Bis sie begreift: Das hier passiert nicht nur ihr. Es ist ein altes Spiel. Sie soll es nicht gewinnen.
Ein halbes Jahrhundert später, das Anwesen am Bass Rock steht zum Verkauf, kommt wieder eine Frau in den Norden. Viv hadert mit ihrem Single-Dasein, aber auch mit den Gelegenheiten, es zu beenden. Außerdem schläft sie schlecht, in jedem der Betten in dem alten Haus. Ihr ist, als würde sie heimgesucht von dunklen Geschichten. Geschichten von aufsässigen Frauen, von Frauen in Bedrängnis. Und ihre Stiefgroßmutter Ruth ist nur eine davon.
My mother has found being alone a new beginning. Her house is tidy. She eats what she wants, when she wants: nothing for a day and then a dressed crab at eleven at night, or a bowl of frozen peas, uncooked, which she eats like peanuts for breakfast. I admire the singleness that she has embraced since Dad died. I think I could aspire to that, but without having to be widowed first. Sometimes, though, it would be nice to fuck and to be fucked.”
War echt eine Menge los im November – war irgendwas dabei, wofür ich euch begeistern konnte? Habt ihr schon etwas davon gelesen? Habt ihr Meinungen zu den vorgestellten Büchern? Freue mich sehr von euch zu hören.