Hirngymnastik – Genetik und Evolution

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Ich finde alles, was mit der Entstehung und Entwicklung des Lebens zu tun hat, unglaublich spannend. Schon lange beschäftigte mich daher die Frage, wie aus der Ursuppe die ersten Gene entstanden sind und wie im Laufe von Milliarden Jahren dann irgendwann so in den letzten 5 Minuten der Zeit der Mensch in seiner heutigen Form erschien.

Durch die komplette Entschlüsselung des Genoms, die unglaublich faszinierende CRISPR Cas-Methode und nicht zuletzt natürlich durch meine Lieblings-Science-Serie „Orphan Black“ wurde ich dazu animiert, mich eine Zeit lang deutlich intensiver mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Willkommen zum zweiten Teil der Hirngymnastik und los gehts:

Matt Ridley – Genome

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Matt Ridley ist meines Erachtens einer der besten Autoren im naturwissenschaftlichen Bereich. Das dieses Buch hier schon über 15 Jahre alt ist, merkt man ihm nicht an, es hat nichts an Aktualität, Anspruch und Bedeutsamkeit verloren. Habe es vor vielen Jahren mal gelesen und es wurde dringend Zeit für eine neue Runde. Ridley widmet jedes der 23 Kapitel einem spezifischen Gen, die an den 23 Chromosomen Paaren zu finden sind. Das Buch soll kein Buch über Krankheiten sein, dennoch sind insbesondere Erbkrankheiten ein wichtiges Thema des Buches. Die letzten Kapitel beschäftigen sich mit allgemeineren Themen wie genetischem Determinismus, Eugenik, Erbschaftslehre und der immer wieder spannenden Frage von Nature vs. Nurture. Sind wir und unsere Körper und unser Hirn in bestimmter Art und Weise vorprogrammiert für bestimmte Vorlieben?

“Imagine that the genome is a book.

There are twenty-three chapters, called CHROMOSOMES.
Each chapter contains several thousand stories, called GENES.
Each story is made up of paragraphs, called EXTONS, which are interrupted by advertisements called INTRONS.
Each paragraph is made up of words, called CODONS.
Each word is written in letters called BASES.” 

Das Buch gibt einen spannenden Einblick in die Geschichte der Menschheit, wie wir wurden, was wir sind. Das Humangenomprojekt hat unser komplettes Genom komplett entschlüsselt und es den Menschen erstmals ermöglicht, die Ursache von Krankheiten und mögliche Therapien zu entdecken und die Lebensqualität zu verbessern. Dieses Wissen, das durch die Genforschung entsteht, ist wichtig und notwendig, wie wir dieses Wissen dann später nutzen, ist eine komplett andere und ebenfalls sehr sehr wichtige Diskussion.

Ridley glaubt an den freien Willen und ist daher fest davon überzeugt, dass Vererbung nicht automatisch Unveränderlichkeit bedeutet. Du selbst und nicht Deine Gene kontrollieren Dein Leben.

“The fuel on which science runs is ignorance. Science is like a hungry furnace that must be fed logs from the forests of ignorance that surround us. In the process, the clearing we call knowledge expands, but the more it expands, the longer its perimeter and the more ignorance comes into view.”

Gregory E. Pence „What we talk about when talk about Clone Club“

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Als Mitglied im Clone Club und weltgrößter Fan der Science-SciFi-Klon-Serie „Orphan Black“ durfte dieses Buch natürlich nicht fehlen. Es ist aber nicht nur eine unbedingte Empfehlung für Fans der Serie, sondern für alle, die sich für Bioethik und Genetik interessieren.

Pence beschäftigt sich in seinem Buch mit Bioethik, einem Feld, das sich mit wissenschaftlichen und medizinischen Fragen beschäftigt. Wer die Serie kennt, wird sich vermutlich mit der Frage beschäftigt haben, wieviel Science steckt da wirklich drin und wie realistisch ist diese dargestellt. Was sind die moralischen und rechtlichen Implikationen, wenn wir über Klone nachdenken. „I am not your property“ war einer der Sätze, die sich mit der Frage beschäftigte, wem gehören DNA Patente? Dazu sollte man sich auch unbedingt einmal diesen TED Talk angucken:

https://www.ted.com/talks/tania_simoncelli_should_you_be_able_to_patent_a_human_gene

Wie ist es möglich, dass Klone, die dem gleichen Baukasten entspringen, so unterschiedlich sind mit Blick auf Aussehen, Verhalten und der Art und Weise zu denken? Pence beschäftigt sich mit den Themen Geschlechtsidentität, Fragen der sexuellen Orientierung mit Blick auf „Lifestyle Choices“, die in der Serie thematisiert werden und mit der Frage, was das Klonen mit der dunklen Geschichte der Eugenetik zu tun hat sowie mit psychologischen, rechtlichen und medizinischen Aspekten.

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Cosima: „You know your clones, we call each other sister.
Kendall: Call yourselves what you want. You’re just a bad copy of me. 
Cosima: We’re kind of over the whole bad copy thing. It’s way more accurate for us to call you older sister.“

Pence schafft es, die Wissenschaft hinter Orphan Black zugänglich zu machen und ich habe einiges gelernt bei der Lektüre. Beispielsweise war mir vorher nicht klar, dass eineiige Zwillinge sich genetisch ähnlicher sind als Klone. Durch Umwelteinflüsse und kleine Unterschiede in der Zusammensetzung der mitochondrialen Gene in der Eizelle, die den Nukleus des Klons beherbert, und unterschiedlich verlaufende Schwangerschaften sind der Grund dafür, dass Klone etwas unterschiedlicher sind als eineiige Zwillinge. Also, auch wenn Rachel und Cosima zum Beispiel 99% identisch sein mögen, ist die Übereinstimmung zwischen den Zwillingen Sarah und Helena denoch höher.
Der Autor macht Lust, sich mit den bioethischen Fragen zu beschäftigen, die Wissenschaft hinter der Serie zu ergründen und man merkt, dass er ebenfalls stolzes Mitglied im Clone Club ist und seine Begeisterung ist definitiv ansteckend.

Richard Dawkins – „The Selfish Gene“

Richard Dawkins – The Selfish Gene

Noch ein Klassiker, dem man seine 30+ Jahre, die es auf dem Buckel hat nicht anmerkt. Dawkins Bücher sind sehr zugänglich, nicht nur durch die eingängige Sprache, sondern seine Art, komplizierte Dinge mit passenden Methaphern zu bestücken. Spieltheorie spielt eine große Rolle, wenn man Genetik verstehen will. In diesem Buch hat Dawkins auch den Begriff „Meme“ zum ersten Mal gebraucht, der selbst zur Meme wurde. Eine „Meme“ ist das kulturelle Pendant zum biologischen Gen. Meme versuchen, sich durch Verbreitung selbst zu erhalten und passen sich ebenfalls durch Mutationen an, wenn dies ihrer Selbsterhaltung zuträglich ist.

Hier einer meine Lieblings-TED Talks zum Thema Memen:

http://www.ted.com/talks/susan_blackmore_on_memes_and_temes

Dawkins beschäftigt sich im Buch unermüdlich mit dem Gegensatz zwischen dem Egoismus der Gene, der notwendig ist zum Überleben, und dem Altruismus der gleichzeitig ein großer Teil unserer Menschlichkeit ist. Wie erklärt sich Altruismus? Dawkins findet sich im Buch oft in der Rolle des Störenfriedes und Spaßverderbers, denn immer wenn wir glauben, dass der Mensch tief drinnen doch echt ein gutes Wesen ist, zeigt er uns wieder und wieder, dass positives Verhalten von unseren Genen gesteuert wird und denen am Ende immer zu Gute kommt.

“Let us try to teach generosity and altruism, because we are born selfish. Let us understand what our own selfish genes are up to, because we may then at least have the chance to upset their designs, something that no other species has ever aspired to do.”

Es ist ein absolut faszinierendes Buch das ich jedem empfehlen würde der sich für Genetik, Evolution und Soziologie interessiert. Es macht Spaß zu lesen, ist nicht schwierig und man lernt permanent mehr über sich und unseren Ursprung.

“In the beginning was simplicity.” 

Dawkins erfährt in letzter Zeit viel Ablehnung, da er einer der entschiedensten und offensivsten Atheisten ist und das vielen nicht passt. Religiöse Leute lesen seine Bücher wahrscheinlich ohnehin nicht, falls sie es tun, sollten sie allerdings tatsächlich ein etwas dickeres Fell haben, denn er fasst sie nicht mit Samthandschuhen an. Er ist ein leidenschaftlicher Anhänger von Darwins Evolutionstheorie und hat für Kreationisten absolut nichts übrig.

“The meme for blind faith secures its own perpetuation by the simple unconscious expedient of discouraging rational inquiry.” 

Solange man keine Chance hat, in Amerika Präsident zu werden, solange man nicht irgendeiner Religion angehört (und vermutlich in einer ganzen Reihe anderer Länder), solange sind bekennende und offensive Atheisten nötig.

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Charles Darwin – Hosts of Living Forms

Dieses kleine Büchlein war alles andere als leichte Kost. Habe mich ganz schön gequält, denn so sehr mich Darwins Ideen im Buch auch faszinieren, die Sprache musste ich erst einmal knacken, um an den Kern vorzudringen.

Er beschäftigt sich hier überwiegend mit der Unzulänglichkeit der Fossilien und wie identische Spezies teilweise über riesige zeitliche und räumliche Entfernungen existieren können, wie Fossilien entstehen und wie lang es braucht, bis Landmasse erodiert.

Ein Buch, das vermutlich etwas zugänglicher wird, wenn man ein bisschen was geraucht hat. Ansonsten ist Darwin im Original eher was für Fortgeschrittene.

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„I look at the natural geological record, as a history of the world imperfectly kept, and written in a changing dialect; of this history we possess the last volume alone, relating only to two or three countries. Of this volume, only here and there a short chapter has been preserved; and of each page, only here and there a few lines. Each word of the slowly-changing language, in which the history is supposed to be written, being more or less different in the interrupted succession of chapters, may represent the apparently abruptly changed forms of life, entombed in our constructive, but widely separated, formations.“

Neben den Büchern habe ich mich noch mit Hank Greens Crash Course Biology beschäftigt

und die Episode „The Evolutionary Epic“ in dem es um Evolution ging:

 

Beides wirklich empfehlenswert. Der nächte Teil der Hirngymnastik beschäftigt sich voraussichtlich mit Physik – tune in for more Fun with Facts 😉

Matt Ridley – „Die Geschichte des Genoms“ erschienen im Claasen Verlag
Gregory E. Pence – „What we talk about when we talk about Clone Club“
Richard Dawkins – „Das egoistische Gen“ erschienen im Springer Verlag
Charles Darwin – „Hosts of Living Form“ erschienen im Penguin Verlag