Als großer Fan von Agatha Christie, Literatur im Allgemeinen und atemberaubenden Landschaften war ich ganz besonders gespannt auf diese Ecke Großbritanniens. Schon die Anreise nach Devon war ein Highlight für sich. Mit dem Zug fuhren wir entlang der Küste, wobei die Gleise stellenweise so nah am Meer verliefen, dass man den Strandspaziergängern fast die Hand geben konnte. Die Aussicht aus dem Fenster war atemberaubend – so eine Zugfahrt hatten wir tatsächlich noch nie erlebt!



Torquay selbst ist zwar ein Ort, der seine besten Tage hinter sich hat. Einst ein elegantes Seebad, wo die Londoner ihre Sommer verbrachten, hat sich das Bild seit den 80er und 90er Jahren stark gewandelt. Heute ist Torquay eher ein Ziel für englische Touristen, die auf der Suche nach günstigen Partys sind. Stag- und Hen-Night-Tourismus prägen das Stadtbild, was leider viel vom alten Charme der Stadt überdeckt. Dennoch gibt es in Torquay viel zu entdecken, besonders für Fans von Agatha Christie. Wir haben uns die paar Tage in unserer kleinen Ferienwohnung sehr wohl gefühlt und die Landschaft um den Ort herum hat alles wett gemacht.









Agatha Christie wurde 1890 in Torquay geboren als Agatha Mary Clarissa Miller. Sie ist nach wie vor ist eine der bekanntesten und meistgelesenen Autorinnen der Kriminalliteratur weltweit. Sie wurde in eine wohlhabende und behütete Familie hineingeboren. Ihre Kindheit in Torquay war geprägt von einer engen Beziehung zu ihrer Mutter, Clara Miller. Clara spielte eine entscheidende Rolle in Agathas Leben und Entwicklung. Sie förderte die Vorstellungskraft ihrer Tochter und erzählte ihr oft fantasievolle Geschichten, was Agathas Kreativität anregte und sie dazu inspirierte, selbst Geschichten zu schreiben. Clara glaubte fest daran, dass Kinder nicht zu früh lesen lernen sollten, und ließ Agatha deshalb weitgehend ohne formelle Ausbildung aufwachsen, was ihr reichlich Zeit zum Spielen und Träumen ließ.
Die enge Bindung zu ihrer Mutter zeigte sich auch später im Leben. Nach dem Tod von Agathas Vater übernahm Clara die Rolle der Hauptverantwortlichen und Unterstützerin in der Familie. Diese starke Mutter-Tochter-Bindung war eine Quelle der Stabilität und Ermutigung für Agatha, insbesondere während der schwierigen Phasen ihres Lebens und ihrer Karriere.
Agathas frühe Jahre waren geprägt von vielen Reisen, darunter längere Aufenthalte in Frankreich, wo sie eine Internatsschule besuchte. Diese Erfahrungen machten sie früh zu einer Kosmopolitin und fanden später ihren Weg in viele ihrer Romane.
Christie begann ihre schriftstellerische Karriere während des Ersten Weltkriegs, als sie in einem Krankenhaus und einer Apotheke arbeitete, was ihr umfangreiches Wissen über Gifte vermittelte – ein wiederkehrendes Thema in ihren Romanen. Ihr erster Roman, „Das fehlende Glied in der Kette“ (The Mysterious Affair at Styles), erschien 1920 und führte den legendären Detektiv Hercule Poirot ein.
Sie schrieb insgesamt 66 Kriminalromane und 14 Kurzgeschichtensammlungen. Darüber hinaus verfasste sie 6 Romane unter dem Pseudonym Mary Westmacott. Ihre bekanntesten Figuren sind Hercule Poirot und Miss Marple, die wir überraschend händchenhaltend in Torquay trafen!






Gleich am ersten Morgen ging es auf zu unserer vorab gebuchten privaten Agatha Christie Tour durch Torquay. Unsere Tour begann am Grand Hotel, wo Agatha Christie 1914 ihre Flitterwochen verbrachte. Weiter ging es zur Torre Abbey, einem historischen Gebäude, das im 1. Weltkrieg zur Unterbringung belgischer Kriegsgefangener genutzt wurde und ihr dort die Idee zur Figur des Hercule Poirot kam. Besonders beeindruckend ist der langgestreckte Princess Pier, wo die junge Agatha oft spazieren ging oder mit ihren Freundinnen Rollschuh fuhr und die vornehmen Bad-Besucher*innen nervte 😉 Meadfoot Beach war ein weiterer wichtiger Ort in ihrem Leben, ein Strand an dem sie regelmässig schwimmen ging, während ihr Vater im Segelclub oberhalb des Strandes saß, einen kleinen Cocktail trank oder zwei und dabei von oben auf Agatha beim Schwimmen „aufpasste“. Anfangs ging Agatha noch mittels einer „Bathing Machine“ ins Wasser; sie war eine immens sportliche Frau und es gibt tolle Bilder von ihr die sie zB beim Surfen zeigen. Sie war insgesamt eine sehr mutige, unkonventionelle wenn auch teilweise ziemlich konservative Frau – wer mehr über sie erfahren möchte, dem würde ich auf jeden Fall die Biografie von Barbara Sichtermann ans Herz legen.
Torquay und die umliegende Region haben nicht nur Agatha Christie inspiriert. Viele andere große Autoren haben hier Zeit verbracht und ihre Spuren hinterlassen. Mary Shelley, die Autorin von „Frankenstein“, verbrachte einige Zeit in Torquay, ebenso wie James Joyce, der berühmte irische Schriftsteller. Elisabeth Barrett-Browning erholte sich in der milden Seeluft von Torquay, und Oscar Wilde fand hier Inspiration für einige seiner Werke. Die Englische Riviera war und ist ein Magnet für kreative Köpfe.
Einer der Höhepunkte unserer Reise war die Wanderung entlang des South West Coast Path von Torquay nach Babbacombe. Die Strecke bot uns einige der schönsten Ausblicke, die wir je gesehen haben. Die steilen Klippen und das tiefblaue Meer erinnerten uns an die Küstenlandschaften Griechenlands. Während unserer Wanderung konnten wir auch einige Manöver der jährlich in Paignton stattfindenden Flugshow sehen. Die Flugakrobatik über unseren Köpfen war ziemlich spektakulär und wir haben so manches Mal die Luft angehalten. Unsere Fotos sind leider nix geworden, bei Interesse kann man mal hier vorbeiklicken.








Von Torquay aus unternahmen wir einen Tagesausflug nach Dartmouth, einem putzigen kleinen Ort, bei dem ich permanent das Gefühl hatte, gleich kommen die 5 Freunde samt Timmy um die Ecke. Die Anreise mit dem Dampfzug war phänomenal! Ich liebe Züge und Dampfzüge noch mal mehr. Ich fühlte mich wie Agatha Christie im Orientexpress, es war der perfekte nostalgische Rahmen für unseren Devon Trip.






Nicht weit von Dartmouth entfernt liegt Greenway, Agatha Christies Sommerresidenz. Leider konnten wir die Villa nicht besichtigen, die Anreise geht nur per Boot und Fußweg und es war uns alles doch einen Hauch zu aufwendig, so dass ich hier nur ein Wikipedia-Bild zeigen kann und zur Webseite von Greenway verlinke. Angeschaut hätte ich mir das natürlich schon sehr gerne.

Den Tag ließen wir in einer kleinen italienischen Bar am Hafen ausklingen. Bei einem Glas Wein und mit Blick auf die anmutigen Segelboote war es leicht zu verstehen, warum dieser Ort so viele Schriftsteller inspiriert hat.





Die Englische Riviera/Devon ist ein Reiseziel, das ich wärmstens empfehlen kann – man sollten in jedem Fall ein Stück des South West Coast Path’s gehen – das war einer unserer absoluten Highlights im Urlaub. Die literarische Reiselektüre liegt hier klar auf der Hand denke ich 😉
Der nächste Stop ist dann Cornwall und ich hoffe, ihr habt weiterhin Lust dabei zu sein?
