Zwischen Isarplätschern und spätsommerlichem Blätterrauschen fand im wunderschönen Schleusenhäuschen das Münchner Buchfest statt – eine winzige, aber feine Buchmesse unabhängiger Münchner Verlage. Hier konnte man in aller Ruhe stöbern, plaudern und kleine verlegerische Schätze entdecken. Dabei stolperte ich (wie so oft über das Beste im Leben) ganz zufällig über die Graphic Novels des WEERD Verlags – und ging schließlich mit gleich zwei beeindruckenden Werken von Barbara Treskati nach Hause: Die schwarze Spinne von Jeremias Gotthelf und Lenz von Georg Büchner.
Mir haben die beiden Graphic Novels auf jeden Fall Lust gemacht, in meinen Regalen zu stöbern und nach weiteren illustrierten Klassikern zu schauen und ich bin da ganz gut fündig geworden, ich werde euch diese in einer losen Reihe hier vorstellen. Zumal ich auf der Münchner Bücherschau direkt noch mal fündig geworden bin und zwar im wunderbaren Verlag Edition Hibana, die ich euch als nächstes vorstellen werde.
Sich mit dem Teufel einzulassen, ist ein uraltes Motiv – in Märchen, Mythen und Geschichten aller Zeiten. Doch diese Geschichte aus dem Jahr 1842 ist mehr als nur eine moralische Parabel: Sie zeigt, wie alles miteinander verknüpft ist, wie jede Generation die Last der Entscheidungen der vorherigen tragen muss – und wie sich Arroganz und Selbstüberschätzung am Ende gegen uns selbst richten
Inhaltlich beginnt Die schwarze Spinne in einer friedlichen Schweizer Landschaft, wo die Sonne golden über Feldern liegt. Doch der Frieden bröckelt, als den Dorfbewohnern eine unmögliche Aufgabe gestellt wird. Da tritt ein unheimlicher Fremder in grüner Jägertracht aus dem Schatten – ein diabolischer Handel liegt in der Luft. Seine Hilfe ist schnell gewährt, doch der geforderte Preis – ein unschuldiges Kind – wird nicht bezahlt. Was folgt, ist ein Albtraum: Aus einem verfluchten Kuss wächst eine schwarze Spinne, klein wie ein Mohnkorn, aber tödlich wie die Pest. Sie kriecht über Wangen und in Nacken, sticht und tötet, bis ganze Häuser leer stehen und der Tod über den Feldern hängt. Die Plage schwillt an, von Generation zu Generation, bis ein Opfer so groß ist, dass es das Böse in hölzernen Bann schlägt – doch das bedrohliche Klopfen aus dem Innern verstummt nie ganz.
Treskatis Umsetzung ist ein Fest für die Augen – wenn auch ein düsteres. Der Bildstil in Schwarz und Rot ist von einer Wucht, die perfekt zur beklemmenden Atmosphäre passt. Jede Seite atmet Bedrohung, jedes Panel scheint von der Verführungskraft dunkler Kräfte durchzogen. Vorne erwartet uns die Graphic Novel, hinten der vollständige Originaltext von Gotthelf – ein großartiger Brückenschlag zwischen klassischer Literatur und moderner Bildsprache.
Mit Lenz wendet sich Treskati Georg Büchners berühmter Erzählung zu – der fiebrigen, fragmentarischen Schilderung eines Mannes, der unaufhaltsam in den Wahnsinn gleitet. Wir folgen Lenz durch verschneite Berge, durch das flackernde Spiel von Licht und Schatten, in Gesprächen, die zwischen Klarheit und Wahn taumeln. Treskatis Zeichenstil fängt diesen seelischen Abgrund meisterhaft ein: verzerrte Perspektiven, harte Kontraste, Linien, die mal scharf schneiden, mal im Nichts verlaufen. Man spürt förmlich, wie Lenz’ Realität sich auflöst, wie Stimmen lauter und Gedanken dunkler werden, bis kein Halten mehr ist.
Zwei Klassiker, zwei Erzählungen, die auf ganz unterschiedliche Weise an den Rand des menschlichen Daseins führen – die eine als düstere Allegorie über Schuld, Natur und Hybris, die andere als erschütternd nahes Porträt psychischen Zusammenbruchs. Und beide so eindrucksvoll gezeichnet, dass Bild und Text untrennbar miteinander verschmelzen. Barbara Treskatis hat hier nicht nur Klassiker adaptiert, sondern sie in eine visuelle Sprache übertragen, die lange nachwirkt – schwarz, rot und tief unter die Haut gehend.
Ich danke dem Weerd Verlag für die beiden Rezensionsexemplare.



