Südkorea – ein Land, das oft für seine technologische Innovationskraft und Popkultur gefeiert wird, aber zugleich eine bewegte Geschichte und eine faszinierende Tradition besitzt. Wir waren schon in einigen Ländern Ostasiens unterwegs, aber ein Besuch in Südkorea hat sich bisher nicht ergeben. Ich habe aber große Lust das Land einmal zu besuchen.
Südkorea, offiziell die Republik Korea, liegt auf der südlichen Hälfte der koreanischen Halbinsel und grenzt im Norden an Nordkorea. Die Hauptstadt Seoul ist nicht nur das wirtschaftliche Zentrum, sondern auch eine pulsierende Metropole voller Kontraste – von hypermodernen Wolkenkratzern bis hin zu jahrhundertealten Palästen wie Gyeongbokgung. Neben Seoul gibt es weitere bedeutende Städte wie Busan, bekannt für seine Strände und Filmfestivals, oder Daegu, ein Zentrum der Textil- und Elektronikindustrie.




Die Geschichte Koreas reicht Jahrtausende zurück. Bereits in der Antike existierten Königreiche wie Goguryeo, Baekje und Silla, die ihre Spuren in Form von beeindruckenden Tempeln und Festungen hinterlassen haben. Im 20. Jahrhundert wurde Korea von Japan kolonialisiert und erst 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg wieder befreit – allerdings nur, um kurz darauf in zwei Staaten geteilt zu werden. Der Koreakrieg (1950–1953) verfestigte diese Trennung und hinterließ eine der am schwersten bewachten Grenzen der Welt, die Demilitarisierte Zone (DMZ). Bis heute sind Nord- und Südkorea technisch gesehen im Kriegszustand, da nie ein offizieller Friedensvertrag unterzeichnet wurde.
Politisch ist Südkorea heute eine Demokratie, aber nicht ohne Herausforderungen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Massenproteste gegen Korruption, und das Land hat eine komplexe Beziehung zu seinen Nachbarn – sei es China, Japan oder natürlich Nordkorea. Wirtschaftlich hat Südkorea eine beeindruckende Entwicklung hingelegt: Von einem armen Agrarstaat in den 1950ern ist es zur zwölftgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen, mit Konzernen wie Samsung, Hyundai oder LG, die global führend sind. Gleichzeitig gibt es soziale Probleme wie Misogynie, Überarbeitung, eine hohe Suizidrate und eine rigide Arbeitskultur, die viele junge Menschen unter Druck setzt.




Die Kultur Südkoreas ist unglaublich lebendig und weltweit einflussreich. Die koreanische Welle („Hallyu“) hat mit K-Pop, K-Dramen und koreanischem Kino eine riesige Fangemeinde gewonnen. Bands wie BTS oder Blackpink brechen Rekorde, während Filme wie „Parasite“ internationale Preise abräumen. Auch die koreanische Literatur gewinnt zunehmend an Bedeutung. Han Kang, die mit ihrem Roman „Die Vegetarierin“ den Man Booker International Prize gewann, gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen Autor*innen. Auch Kim Young-ha ist für seine kritischen Gesellschaftsanalysen bekannt. Klassische Werke wie „Der neunte Raum“ von Cho Chong-rae oder „Der Fluss“ von Choe In-ho beleuchten die koreanische Geschichte und Gesellschaft mit tiefgründiger Intensität. Ein weiteres zentrales Thema in der koreanischen Literatur ist die Teilung des Landes: Romane wie „Der alte Garten“ von Hwang Sok-yong oder „Das Generalsekretariat“ von Yi Mun-yol thematisieren die psychologischen und sozialen Folgen der Spaltung. Besonders bemerkenswert ist auch die wachsende Zahl junger Autorinnen wie Nam-joo Cho, die mit „Kim Jiyoung, geboren 1982“ ein gesellschaftskritisches Werk geschaffen hat, das feministische Debatten in Südkorea angestoßen hat.
Sportlich gesehen ist Südkorea besonders stark in Disziplinen wie Taekwondo, E-Sports und Bogenschießen. Die Olympischen Spiele 1988 in Seoul und die Fußball-WM 2002, die gemeinsam mit Japan ausgetragen wurde, haben das Land international als Sportnation gefestigt. Doch wie in vielen Bereichen Südkoreas gibt es auch hier eine strenge Leistungskultur, die mit einem hohen Erwartungsdruck einhergeht.
Neben all der Modernität bietet Südkorea auch beeindruckende Naturlandschaften: von den Bergen des Seoraksan-Nationalparks bis zu den Stränden der Insel Jeju. Traditionelle Feste wie Chuseok (das Erntedankfest) oder Seollal (das koreanische Neujahr) sind tief in der Gesellschaft verwurzelt und zeigen die enge Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Fläche: Südkorea (100.363 km²) ist etwas größer als Bayern (70.550 km²), aber deutlich kleiner als Deutschland (357.022 km²).
Bevölkerung: Südkorea hat etwa 51,7 Millionen Einwohner, während Deutschland rund 84 Millionen zählt.
Bevölkerungsdichte: Mit etwa 516 Personen/km² ist Südkorea fast doppelt so dicht besiedelt wie Deutschland (233 Personen/km²).
Wirtschaft: Südkorea ist die zwölftgrößte Volkswirtschaft der Welt und bekannt für seine Hightech-Industrie und Popkultur.
Für Südkorea habe ich natürlich Han Kang gelesen, eine Autorin die ich seit ihrem Roman „Die Vegetarierin“ sehr sehr schätze.
Weiß – Han Kang erschienen im Aufbau Verlag, übersetzt von Ki-Hyang Lee
Han Kang, eine der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen Südkoreas, hat sich mit ihrem international gefeierten Roman Die Vegetarierin als radikale Erzählerin des Verstörenden und Poetischen etabliert. Ihr Werk kreist um die Fragilität menschlicher Existenz, die Grenzen des Körpers und die tief sitzenden Wunden individueller wie kollektiver Traumata. Ihr Buch Weiß ist eine introspektive Meditation über Verlust, Erinnerung und die Bedeutung der Farbe Weiß.
In Weiß setzt sich Han Kang mit dem Tod ihrer früh verstorbenen älteren Schwester auseinander. Die Erzählerin reist nach Warschau, eine Stadt, die nach ihrer nahezu vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg originalgetreu wieder aufgebaut wurde. Die Kulisse dieser wiedergeborenen Stadt wird zum Sinnbild für das zentrale Thema des Buches: Erinnerung und das fortwährende Ringen mit der Vergangenheit. In kurzen, fast lyrischen Fragmenten reflektiert Han Kang über weiße Dinge – von Schnee, Salz und Milch bis zu Totenhemden und Knochen – und verknüpft diese Assoziationen mit der eigenen Geschichte und dem Verlust ihrer Schwester.
Die Sprache in Weiß ist reduziert, aber hochgradig poetisch. Jede Seite ist durchzogen von einer fast meditativen Stille, die sich zwischen den Wörtern entfaltet. Dabei ist das Buch weniger eine durchgehende Erzählung als eine Sammlung von Gedanken und Erinnerungsbildern, die lose miteinander verwoben sind. Diese Struktur kann auf manche Leser*innen fragmentarisch oder gar unzusammenhängend wirken, doch genau darin liegt ihre Kraft: Han Kang erfasst das Wesen von Erinnerung – flüchtig, sprunghaft, immer wieder neu geformt.
Die Farbe Weiß steht in diesem Werk sowohl für Reinheit als auch für Abwesenheit. Sie symbolisiert Unschuld, aber auch Tod, Schmerz und das Verblassen von Leben. Die Erzählerin sucht nach einem Weg, ihre verstorbene Schwester in der Welt zu verankern, ihr eine Existenz zu verleihen, die über die wenigen Stunden ihres Lebens hinausgeht. So entsteht ein poetisches Gedenken, das sich mit der Frage beschäftigt, wie man einen Menschen erinnern kann, der kaum die Möglichkeit hatte, Spuren zu hinterlassen.
Verglichen mit Die Vegetarierin, das eine explosive Wucht besitzt und mit erschütternder Intensität in psychische und körperliche Abgründe vordringt, ist Weiß ein stilleres, intimeres Buch. Es fällt weniger durch narrative Radikalität auf, sondern vielmehr durch seine leisen Töne und seine meditative Sprache. Während Die Vegetarierin mit gesellschaftlichen Normen und Gewaltmechanismen bricht, ist Weiß ein tiefpersönliches, beinahe spirituelles Werk – eine Art poetische Trauerarbeit.
Han Kang gelingt es, mit minimalistischem Stil eine große emotionale Tiefe zu erzeugen. Die scheinbare Schlichtheit des Textes trägt eine existenzielle Schwere, die lange nachhallt. Die Übersetzung von Deborah Smith erfasst dabei die Eleganz und Subtilität von Hans Prosa meisterhaft, sodass die Bedeutungsebenen und der Rhythmus der Sprache erhalten bleiben.
Weiß ist kein Roman im klassischen Sinne, sondern eher eine literarische Reflexion, die zwischen Essay, Lyrik und autobiografischer Prosa changiert. Es ist ein Buch für Leser*innen, die sich auf eine introspektive Reise begeben möchten, die mehr Fragen stellt als beantwortet. Obwohl es mich nicht so nachhaltig erschüttert hat wie Die Vegetarierin, hat es mich dennoch berührt und beeindruckt. Es ist ein stilles, intensives Buch, das sich mit der Vergänglichkeit des Lebens auseinandersetzt – und mit der Möglichkeit, Erinnerungen durch Sprache zu bewahren.
Unmöglicher Abschied – Han Kang erschienen im Aufbau Verlag, übersetzt von Ki-Hyang Lee
In „Unmöglicher Abschied“ kehrt Han Kang zu ihrer bewährten Thematik von Trauma, Erinnerung und Schmerz zurück und entfaltet eine meisterhafte Erzählung, die sich mit der historischen Tragödie des Jeju-Massakers von 1948 auseinandersetzt. Ich habe „Unmöglicher Abschied“ als Hörbuch gehört (aktuell in der ARD Audiothek). Die Hauptfigur Kyungha wird von ihrer Freundin, die verletzt in einem Krankenhaus liegt auf eine eigentlich nicht großartig dramatische Mission geschickt: Sie soll während eines Schneesturms auf die Insel Jeju reisen, um den Vogel ihrer Freundin Inseon zu versorgen. Doch ihre Reise nimmt zunehmend surreale Züge an, während sie in einen Raum des Schmerzes und der Erinnerungen eindringt, in dem sich Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Wirklichkeit untrennbar vermischen.
Die Struktur des Romans ist ungewöhnlich und fragmentarisch, wobei jede Bewegung in der Erzählung einer Verschiebung des Bewusstseins gleicht. Während in Die Vegetarierin verschiedene Perspektiven um die zentrale Figur kreisen, bleibt die Erzählung „in We Do Not Part“Unmöglicher Abschied“ bei Kyungha – jedoch verändert sich ihr innerer Zustand so tiefgreifend, dass sich der Roman fast wie eine Abfolge unterschiedlicher Realitäten liest. Die poetische und karge Sprache Han Kangs schafft dabei eine dichte, fast meditative Atmosphäre, die sich mit jeder Seite weiter verdichtet.
Besonders beeindruckend ist der Umgang mit Farbe und Naturbildern. Schnee, Licht und Schatten durchziehen die Erzählung als zentrale Motive, die sowohl für Reinheit als auch für das Vergessen und die Kälte des Todes stehen. Han Kang verwebt diese Bilder mit erschütternden historischen Details über die Massaker, die auf Jeju stattfanden, und zeigt, wie tief sich kollektives Trauma in Landschaften, Körper und Erinnerungen einbrennt.
„Unmöglicher Abschied“ ist ein herausforderndes, aber zutiefst bewegendes Werk. Die Szenen im Krankenhaus rund um die Fingerkuppen haben mir total zugesetzt, da kommt für mich kein Horrorfilm mit. Aber insgesamt verbindet der Roman lyrische Schönheit mit schonungsloser Aufarbeitung von Gewalt und Geschichte. Han Kangs Fähigkeit, Schmerz in poetische Bilder zu übersetzen, macht den Roman zu einem eindrucksvollen literarischen Ereignis, das mich noch immer beschäftigt. Es ist ein Buch, das ich unbedingt noch einmal im Winter lesen möchte, wenn die Stille und Kälte der Jahreszeit seine Atmosphäre noch verstärken.
Einen Film für Südkorea aussuchen ist echt gar nicht so einfach. Bei vielen Ländern hab ich eher das Problem noch gar keinen Film aus dem Land gesehen zu haben oder es dauert bis ich einen finde, den ich irgendwo ansehen kann, nicht so Südkorea. Hier ist es eher die Qual der Wahl. Soll ich Parasite nehmen, den ich sehr mochte oder doch „The Host“ – ich habe mich dann aber für Burning von Lee Chang-dong entschieden, ein Film den ich vor ein paar Jahren im Kino gesehen habe und der auf einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami beruht.
Mit K-Pop kann ich persönlich nicht so viel anfangen. Ich mag aber zum Beispiel die Band „Wings of the Isang“ sehr gerne:
Typisch für koreanisches Essen ist das gemeinsame Essen am Tisch, oft mit einem Grill in der Mitte. Witzigerweise haben wir die koreanische Küche vor allem in Japan kennengelernt, denn dort gab es unfassbar viele koreanische Restaurants die häufig deutlich günstiger waren als die japanischen. Ich esse sehr gerne koreanisch und mag auch die BBQs sehr gerne. Kimchi könnte ich täglich essen. Wir haben schon mal versucht es selbst zu machen, hat aber nicht so wirklich funktioniert.
Ich hoffe unser Ausflug nach Südkorea hat euch gefallen? Jetzt verlassen wir Asien erst einmal und begeben uns mal wieder auf den afrikanischen Kontinent.
Wer noch mal die zurückliegenden Stationen besuchen will:
Wer jetzt Lust auf weitere Lektüre aus Südkorea bekommen hat, dem empfehle ich die folgenden Romane:
- Die Vegetarierin – Han Kang
- Menschenwerk – Han Kang
- Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah – Nam-Joo Cho
- Kim Jiyoung, geboren 1982 – Nam-Joo Cho
Kennt ihr Südkorea? Habt ihr Lieblingsautor*innen oder Lieblingsfilme? Freue mich auf eure Rückmeldungen.


