Juli Lektüre – Sommer Ausgabe

Was gibt es Schöneres als im Sommer im Urlaub am Meer, oder zu Hause im Gras, im Zug, auf dem Balkon, an der Isar oder im verdunkelten Schlafzimmer zu liegen und zu lesen? Ich lese zu jeder Jahreszeit gerne, aber dieses Sommerferiengefühl beim draußen lesen ist einfach was ganz Besonderes. Hier also der Rest der Juni sowie die Juli Lektüre. Wie immer kurz, knackig und in alphabetischer Reihenfolge.

Find Me – André Aciman auf deutsch „Finde Mich“ im dtv Verlag erschienen, übersetzt von Thomas Brovot

Die Geschichte von Elio und Oliver geht weiter. „Call Me by your name“ ist für mich einer der schönsten Sommerfilme und ich habe mich sehr auf die Fortsetzung gefreut. Elio lebt als Pianist in Rom. Seit der Trennung von seiner großen Jugendliebe Oliver ist er keine längere und ernsthafte Beziehung eingegangen. Oliver hingegen hat in New York geheiratet, ein bürgerliches Leben als Collegeprofessor begonnen, eine Familie gegründet. Doch insgeheim ist er über die Beziehung mit Elio nicht hinweggekommen. In seinem neuen Roman erweist sich André Aciman erneut als Meister des sinnlichen Erzählens. Die Suche nach dem einen Menschen im Leben, den man wahrhaftig liebt, kann lange dauern – doch sie ist nie vergebens.

Der Roman ist in drei Episoden aufgeteilt, wobei die eigentliche Fortsetzung von Elio und Oliver die kürzeste ist. Das als kleine Vorwarnung – wer einen Roman erwartet der sich umfänglich und vielleicht sogar ausschließlich den beiden widmet, würde hier enttäuscht werden.

Ich fand die drei ineinanderfließenden Episoden dieses eleganten Büchleins wundervoll. Ich liebe Acimans Schreibstil, er ist für mich die Verkörperung von Sprezzaturo in der Literatur.

Some people may be brokenhearted not because they’ve been hurt but because they’ve never found someone who mattered enough to hurt them.

Im Haus der Weisheit – Jim Khalili erschienen im S. Fischer Verlag, übersetzt von Sebastian Vogel

Die arabischen Fundamente unserer modernen Gesellschaft.

Im Haus der Weisheit“ von Jim Al-Khalili ist eine faszinierende und gut geschriebene historische Reise durch die Blütezeit der islamischen Wissenschaft im Mittelalter. Das Buch beleuchtet die unglaublichen Errungenschaften und den intellektuellen Reichtum der muslimischen Gelehrten im alten Bagdad, als diese Stadt das Zentrum des Wissens und der Kultur war.

Jim Al-Khalili präsentiert das Thema auf anschauliche Weise und vermittelt dem Leser eine klare Vorstellung von der erstaunlichen Vielfalt der wissenschaftlichen Disziplinen, die von den muslimischen Gelehrten studiert wurden, einschließlich Astronomie, Mathematik, Medizin, Philosophie und Literatur. Er zeigt, wie die Übersetzungen klassischer griechischer und indischer Werke sowie die originellen Beiträge der arabischen Gelehrten die Grundlage für viele spätere wissenschaftliche Entdeckungen in Europa und anderswo bildeten.

Besonders beeindruckend ist die Betonung der Zusammenarbeit zwischen Muslimen, Christen und Juden in diesem kulturell reichen Umfeld. Al-Khalili betont, wie dieses harmonische Zusammenleben die Wissensaneignung und den intellektuellen Fortschritt förderte.

Meine einzige Kritik ist, dass das Buch manchmal zu viele Informationen auf einmal präsentiert, was den Lesefluss beeinträchtigen kann. Dennoch ist „Im Haus der Weisheit“ insgesamt ein lesenswertes Werk für alle, die sich für die Geschichte der Wissenschaft und des Wissensaustauschs interessieren. Es bietet einen Einblick in eine Zeit, die oft in den Schatten gestellt wird und verdient es, mehr Beachtung zu finden.

Ein wahrhaft weiser Leser lädt dich nicht ein, das Haus seiner Weisheit zu betreten, sondern er führt dich an die Schwelle deines Geistes.

Khalil Gibran

Jews don’t count – David Baddiel erschienen im TLS Verlag, aktuell nicht auf deutsch erhältlich

„Jews Don’t Count“ ist ein Buch des britischen Autors David Baddiel, das 2020 veröffentlicht wurde. In diesem Werk behandelt Baddiel das Thema des Antisemitismus und wie die jüdische Bevölkerung oft nicht angemessen in den Diskurs über Rassismus und Diskriminierung einbezogen wird.

Die Kernthese des Buches ist, dass Antisemitismus häufig ignoriert, heruntergespielt oder nicht ernsthaft bekämpft wird, während andere Formen von Rassismus in der Gesellschaft breitere Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten. Baddiel argumentiert, dass Juden oft nicht als „echte Opfer“ des Rassismus angesehen werden, was zu einer Gefahr für ihre Sicherheit und Würde führt.

Er untersucht auch, wie einige politische Bewegungen und Gruppen den Antisemitismus in ihren Reihen nicht ausreichend bekämpfen, was wiederum zur Marginalisierung der jüdischen Erfahrung beiträgt.

Das Buch will ein Bewusstsein schaffen und dazu ermutigen, Antisemitismus als ernsthaftes Problem anzuerkennen und in den Kampf gegen Rassismus einzubeziehen, um eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft zu fördern.

Jews Don’t Count war für mich eine augenöffnende Lektüre die für mich eine neue Perspektive bot auf die Debatte um Identitätspolitik und Diskriminierung. Ein wichtiges Buch und stellenweise wirklich witzig, man merkt, dass Mr Baddiel hauptberuflich ein Comedian ist. Große Empfehlung!

Jews are somehow both sub-human and humanity’s secret masters. And it’s this racist mythology that’s in the air when the left pause before putting Jews into their sacred circle.

We live in a culture now where impact is more important than intent; where how things are taken is more significant than how they are meant.

Auerhaus – Bov Bjerg erschienen im Blumenbar Verlag

Bov Bjergs Roman „Auerhaus“ ist eine bewegende und tiefgründige Geschichte über Freundschaft, Jugend und die Suche nach dem Sinn des Lebens. Die Handlung dreht sich um eine Gruppe von Jugendlichen, die gemeinsam beschließen, aus ihrem tristen Alltag auszubrechen und eine Wohngemeinschaft im „Auerhaus“ zu gründen.

Bjerg gelingt es, tiefgründige Themen wie Depression, Verlust und die Suche nach Identität auf eine zugängliche und einfühlsame Weise zu behandeln. Dabei schafft er es, eine Balance zwischen ernsten Momenten und humorvollen Szenen zu finden, die den Leser gleichzeitig berühren und zum Schmunzeln bringen.

Die Stärke des Romans liegt auch in seiner Sprache und Erzählstruktur. Die klaren, einfachen Sätze und die kurzen Kapitel verstärken die emotionale Wirkung und machen das Buch zu einem fesselnden Leseerlebnis. Ich habe den Roman wirklich gerne gelesen, obwohl ich lange keine richtige Lust drauf hatte und danke der hartnäckigen Gattin, dass sie mich immer wieder an das Buch erinnert hat.

Ich wollte mich nicht umbringen. Ich wollte bloß nicht mehr leben. Ich glaube, das ist ein Unterschied.

The Girls – Emma Cline auf deutsch erschienen unter dem gleichen Titel im dtv Verlag, übersetzt von Nicolaus Stingl

The Girls“ von Emma Cline ist ein fesselnder Roman, der geschickt zwischen Coming-of-Age-Drama und Kriminalgeschichte jongliert. Die Geschichte ist in den späten 1960er Jahren in Kalifornien angesiedelt und zeichnet ein eindringliches Bild von der Anziehungskraft einer sektenähnlichen, manipulativen Gruppe auf junge Menschen.

Cline schreibt mit einer beeindruckenden Sprache und verleiht der Protagonistin, Evie, eine bemerkenswerte Tiefe. Wir folgen ihrer faszinierenden, aber erschreckenden Reise in die Welt der charismatischen Sektenführerin und ihrer Anhängerinnen. Die Darstellung der weiblichen Freundschaften und der Verwundbarkeit von Heranwachsenden ist äußerst realistisch und ergreifend.

Der Roman beleuchtet auch geschickt die historischen Ereignisse des Manson-Mordes, wodurch die Atmosphäre düsterer und beklemmender wird. Cline gelingt es, die Spannung während des gesamten Buches aufrechtzuerhalten, was den Leser in ihren Bann zieht.

„The Girls“ ist eine düstere Geschichte über Manipulation, Verführung und die Konsequenzen von Entscheidungen erzählt. Emma Cline hat mich mit ihrem Debüt sehr beeindruckt und ich freue mich schon auf weitere Romane von ihr

That was part of being a girl–you were resigned to whatever feedback you’d get. If you got mad, you were crazy, and if you didn’t react, you were a bitch. The only thing you could do was smile from the corner they’d backed you into. Implicate yourself in the joke even if the joke was always on you.

Lügen über meine Mutter – Daniela Dröscher erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag

Daniela Dröscher erzählt vom Aufwachsen in einer Familie, in der ein Thema alles beherrscht: das Körpergewicht der Mutter. Ist diese schöne, eigenwillige, unberechenbare Frau zu dick? Muss sie dringend abnehmen? Ja, das muss sie. Entscheidet ihr Ehemann. Und die Mutter ist dem ausgesetzt, Tag für Tag.

„Lügen über meine Mutter“ ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive: Was ist damals wirklich passiert? Was wurde verheimlicht, worüber wurde gelogen? Und was sagt uns das alles über den größeren Zusammenhang: die Gesellschaft, die ständig auf uns einwirkt, ob wir wollen oder nicht?

Schonungslos und eindrücklich lässt Daniela Dröscher ihr kindliches Alter Ego die Jahre, in denen sich dieses »Kammerspiel namens Familie« abspielte, noch einmal durchleben. Ihr gelingt ein ebenso berührender wie kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung und Fürsorge. Vor allem aber ist dies ein tragik-komisches Buch über eine starke Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen.

Dröscher gelingt es, den Leser durch eine poetische und einfühlsame Sprache in die Welt der Protagonistin einzuführen. Die Emotionen und Gedanken der Hauptfigur werden auf eine fesselnde Weise vermittelt, die den Leser in die Geschichte hineinzieht und mitfühlen lässt.

Die Thematik des Romans, die Suche nach der eigenen Identität und die Bewältigung von familiären Konflikten, wird auf eine ansprechende und tiefgründige Weise behandelt. Die Erzählung wirft Fragen nach der Wahrheit, dem Verlust und der Liebe auf und regt zum Nachdenken an.

Wenn Du nicht endlich redest, muss ich etwas erfinden. Ich muss lügen“, droht die Tochter, worauf die Mutter kontert: „Nur zu. Das ist ja dein Beruf.

This is How you lose the Time War – Amal El Mohtar & Max Gladstone bislang nicht auf deutsch erschienen

„This is how you lose the time war“ ist ein fesselndes und ziemlich unkonventionelles Buch, das von Amal El-Mohtar und Max Gladstone gemeinsam geschrieben wurde. Es ist eine einzigartige Mischung aus Science-Fiction, Liebesgeschichte und Zeitreiseabenteuer.

Die Geschichte dreht sich um zwei Zeitreise-Agentinnen, Red und Blue, die auf entgegengesetzten Seiten eines Krieges stehen. Als sie beginnen, sich Briefwechsel zu begegnen, entfaltet sich eine unerwartete Verbindung zwischen den beiden. Die Autoren präsentieren die Geschichte auf wunderbar poetische Weise, die den Leser in eine faszinierende Welt voller Intensität und Emotionen eintauchen lässt.

Die Prosa ist ganz wunderbar elegant, wodurch die Handlung trotz ihrer Komplexität leicht zugänglich bleibt. Die Beziehung zwischen Red und Blue wird voller Schönheit beschrieben und entfaltet sich auf eine Art und Weise, die einen bis zur letzten Minute des Hörbuches mitfiebern lässt. Es ist eine Geschichte über Liebe, Verlust und die Bedeutung von Verbindungen, die weit über Zeit und Raum hinausgehen.

Die Welt, die in „This is how you lose the time war“ geschaffen wird, ist ebenso beeindruckend wie verwirrend. Die Zeitreiseelemente können ab und an kompliziert sein, aber sie geben dem ganzen auch eine gewisse Tiefe und Raffinesse. Die Autoren lassen bewusst einige Fragen unbeantwortet, was die Fantasie des Lesers anregt und Platz für Interpretationen lässt. Ab und an war es mir doch etwas blumig und zu romantisch von der Sprache her, aber das hat meinem Hörvergnügen keinen großen Abbruch getan.

Ich lese schon länger den Newsletter von Amal El Mohtar und hatte ihre Buch daher schon länger auf der Wunschliste, ich bin aber froh, dass ich mich von dem Hype nicht habe abhalten lassen und gebe Bigolas Dickolas einfach mal recht – lest dieses Buch!

I love you. I love you. I love you. I’ll write it in waves. In skies. In my heart. You’ll never see, but you will know. I’ll be all the poets, I’ll kill them all and take each one’s place in turn, and every time love’s written in all the strands it will be to you.

The Hill we Climb – Den Hügel hinauf – Amanda Gorman erschienen als zweisprachige Ausgabe im Hoffmann und Campe Verlag, übersetzt von Kübra Gümüsay, Hadija Haruna-Oelker, Uda Strätling

„The Hill We Climb“ ist das Gedicht, das sie während der Amtseinführung von Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris am 20. Januar 2021 vorgetragen hat, damit war sie der jüngste Mensch der je bei einer solchen Amteinführung in den USA einen Vortrag hielt. Ihr Gedicht wurde weitgehend für seine optimistische und mutmachende Botschaft gelobt, besonders vor dem Hintergrund einer zutiefst gespaltenen Nation, die mit den Herausforderungen der COVID-19-Pandemie und politischen Turbulenzen zu kämpfen hatte.

„The Hill We Climb“ spricht Themen wie Einheit, Hoffnung und Widerstandsfähigkeit an und fordert die Menschen auf, trotz der Widrigkeiten zusammenzukommen und an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Gormans poetische Darbietung und starken Worte fanden weltweit Resonanz und machten sie zu einer sofortigen Sensation und einem inspirierenden Symbol für viele insbesondre junge Menschen.

When day comes, we step out of the shade of flame and unafraid.
The new dawn balloons as we free it.
For there is always light, if only we’re brave enough to see it.
If only we’re brave enough to be it.

Das Gedicht und die Performance von Amanda Gorman zeigen nicht nur ihr außergewöhnliches Talent als Dichterin, sondern dient auch als Hoffnungsschimmer in einer Zeit großer Unsicherheit. Sie ermutigt die Menschen, an ihre Fähigkeit zu glauben, gemeinsam Hindernisse zu überwinden und positive Veränderungen herbeizuführen.

Graue Bienen – Andrej Kurkow erschienen im Diogenes Verlag, übersetzt von Johanna Marx und Sabine Grebing

Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schießen. Er überlebt nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen – sich raushalten. Ihn interessiert nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung. Eines Frühlings bricht er auf: Er will die Bienen dorthin bringen, wo sie in Ruhe Nektar sammeln können.

Im dritten Frühling beschließt Sergej, seine Bienen aus der Kriegszone zu bringen. Sie sollen in Ruhe ausschwärmen, um ihren Nektar zu sammeln. Auf seiner Reise knüpft Sergej Freundschaften, stößt aber auch auf Misstrauen und Missgunst. Selbst auf der paradiesischen Krim fühlt er sich nicht wirklich willkommen. Und als sich sogar seine Bienen zu verändern scheinen, beschließt er, in sein Dorf zurückzukehren.

Habe vor Jahren einige Romane von Kurkow gelesen und sehr gemocht, dann rutschte er irgendwie von meinem Radar. Habe die Lektüre wieder sehr genossen und wieder literweise schwarzen Tee getrunken, auch wenn das zu den sommerlichen Temperaturen gar nicht so passen wollte. Ein sehr schönes Buch, das die Schrecken des Krieges in der Ukraine unfassbar nah werden lässt.

Er fühlte sich schon wie eine Biene in einem fremden Bienenstock. Und er wusste, wie Bienen mit Fremden umgingen!

Blanca – Mercedes Lauenstein erschienen im Aufbau Verlag

Die fünfzehnjährige Blanca will weg – weg von ihrer Mutter, die ständig auf gepackten Koffern sitzt, weg von den billigen WG-Zimmern, in denen sie an jedem neuen Ort unterkommen. Ihr Ziel: eine kleine Insel in Italien. Dort, bei Toni und seinem Vater Karl, war sie vor Jahren zum letzten Mal richtig glücklich. Ein Roadtrip quer durch das sommerglühende Land beginnt. Blanca reist als blinder Passagier nach Rom und schlägt sich zu Fuß bis ans Meer durch. Sie klaut in Cafés Essensreste von den Tischen, trifft auf einen Taxifahrer ohne Skrupel und einen zahnlosen Bauern, der sie zur Frau nehmen will. Mercedes Lauenstein entfaltet die Geschichte eines Mädchens, das seinen ganz eigenen Weg geht, ständig begleitet von der Frage, wie viel man vom Leben eigentlich erwarten kann.

Ein sehr bewegender Roman über ein Mädchen mit extrem schwierigen Startbedingungen, eine Kämpferin mit viel Street-Smartness von der man einfach weiß, dass sie ihren Weg machen wird und die mir unfassbar ans Herz gewachsen ist während der Lektüre.

Ich habe für die Schule mal einen Aufsatz mit dem Titel ‚Warum ist alles, wie es ist?‘ geschrieben. Wir sollten über etwas schreiben, das uns beschäftigt. Ich bekam den Aufsatz ohne Bewertung zurück. Die Lehrerin sagte, sie könne einen Aufsatz, der aus zehn Seiten hintereinanderweg geschriebener Fragen bestehe, aber keine einzige Antwort oder auch nur einen einzigen Satz mit Punkt am Ende enthalte, einfach keine Note geben, es tue ihr leid.

Der endlose Sommer – Madame Nielsen erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag, übersetzt von Hannes Langendörfer

Der Rausch eines Sommers – ein flirrender Roman, der die Grenzen des Erzählens sprengt.Die Geschichte einer kleinen Gruppe von Leuten, die im Spiel um die Liebe, die Freundschaft und die Kunst aus der Zeit in einen endlosen Sommer geworfen werden, in dem alles möglich und schicksalsentscheidend ist. Ein Roman wie ein Requiem, musikalisch, melancholisch, verführerisch, der den Leser trunken macht.

Ein junges Mädchen in einem weißen Herrenhaus in Dänemark, ihr Freund, der scheue und zarte Junge, der Stiefvater mit dem Gewehr und dem Misstrauen gegenüber seiner Frau, die beiden jüngeren Brüder – diese kleine Gemeinschaft wird durchgerüttelt, als zwei junge Portugiesen in den endlosen Sommer eintreten. Der eine ist Künstler und verliebt sich in die Mutter des Mädchens. Eine Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang, die so leidenschaftlich und gewaltig ist, dass alle, die in den Bannkreis dieser Amour Fou geraten, in einer Schicksalsgemeinschaft vereint sind, die auch noch besteht, als der endlose Sommer endet.

Der endlose Sommer – das ist dieser Ort, der nie existiert hat und an den wir nie zurückkehren können, d.h. dieser Augenblick der Jugend, in dem alles einfach und verwirrend zugleich erscheint und den wir alle noch einmal erleben möchten.

Madame Nielsen ist eine dänische Schriftstellerin und Künstlerin, deren Werke zeichnen sich durch besondere Sensibilität und Poesie auszeichnen. Ein flirrend-fiebriger Roman, bei dem ich nicht immer unbedingt wußte um wen es gerade geht, oder was genau passiert – aber es passte zu der Stimmung und ich habe den Roman sehr gerne gelesen.

Ein paarmal im Jahr besuchten sie ihre große blonden und blauäugigen Eltern, und sie präsentierte sie stolz ihren spanischen Freundinnen, denen sie vorkamen wie aus dem Märchen, wie Feen oder Engel. Die beiden hatten sich sehr jung kennengelernt, und als sie auf die zwanzig zugingen, begannen sie, sich auseinanderzuleben, genauer gesagt, die Mutter entwickelte sich weg von ihrem Freund…

Lolly Willowes – Sylvia Townsend-Warner erschienen im Dörlemann Verlag hier in der Büchergilden-Ausgabe, übersetzt von Ann Anders

„Lolly Willowes“ ist ein faszinierender Roman von Sylvia Townsend Warner, der erstmals 1926 veröffentlicht wurde. Der Roman erzählt die Geschichte von Laura „Lolly“ Willowes, einer unabhängigen und eigenwilligen Frau, die nach dem Tod ihres Vaters beschließt, ihr Leben in der engen Umgebung ihrer Familie und ihrer gesellschaftlichen Erwartungen hinter sich zu lassen. Sie zieht in das kleine Dorf Great Mop auf dem Land, um dort ein einfacheres, freieres Leben zu führen.

Sylvia Townsend Warner, geboren 1893, war eine englische Schriftstellerin, die als eine der bedeutendsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts gilt. Sie war eine starke Befürworterin der Frauenrechte und drückte in ihren Werken häufig feministische Ansichten aus. Als lesbische Frau lebte sie mit ihrer Lebensgefährtin, der Schriftstellerin Valentine Ackland, zusammen, was zu der Zeit nicht immer einfach war, da Homosexualität damals oft tabuisiert wurde.

„Lolly Willowes“ ist ein bemerkenswertes Werk, da es die Konventionen der Gesellschaft der damaligen Zeit in Frage stellt und eine subtile Kritik an den Rollen, die Frauen auferlegt wurden, bietet. Es erforscht die Idee der weiblichen Autonomie und der Suche nach persönlicher Erfüllung, was zu einer Zeit, in der die Geschlechterrollen streng vorgegeben waren, äußerst progressiv war.

Die Mischung aus literarischem Geschick und sozialem Kommentar macht den Roman zu einer lohnenswerten Lektüre. „Lolly Willowes“ eröffnet dem Leser eine fesselnde Welt und regt zum Nachdenken über die Bedeutung von Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung an. Die Verbindung zwischen Sylvia Townsend Warner und ihrem Werk verstärkt die Wirkung des Romans, da ihre eigene Lebenserfahrung in die Gestaltung der Charaktere und Themen einfließt.

Der Roman war die Juli Lektüre in unserem Bookclub, der Roman selbst wurde etwas durchwachsen besprochen, allerdings waren alle uneingeschränkt total von der Autorin fasziniert und ich werde mich auf jeden Fall auch auf die Suche nach einer Biografie dieser furchtlosen spannenden Frau machen.

Nach ein paar Monaten hörte sie auf, über die Dorfbewohner nachzugrübeln. Sie musste zugeben, dass sie etwas Unerklärbares an sich hatten, doch sie gab sich damit zufrieden, kein Teil dieses Geheimnis zu sein, was auch immer es sein mochte.

Ein seltsamer Ort – Banana Yoshimoto erschienen im Diogenes Verlag, übersetzt von Annelie Ortmanns

Die Zwillingsschwestern Mimi und Kodachi haben in Tokyo ein neues Leben begonnen, seit ihre Mutter in der Heimatstadt zwischen Bergen und Meer der Schlafkrankheit verfallen ist. Auf dem abgelegenen Ort lastet eine dunkle Sage. Eines Tages, als Kodachi die Mutter im Krankenhaus besuchen will, verschwindet sie plötzlich. Mimi macht sich besorgt auf die Suche. Alles deutet auf eine geheimnisvolle andere Welt hin.

Trotz des eigentlichen schweren Stoffes, den sie hier abliefert, ist der Roman leicht und fantastisch. Es mag um Familie und Verlust gehen, aber es geht auch um Jugend, Liebe und Magie. Es wimmelt von mystischen Kräften, Geistern und unerklärlichen Ereignissen. Es ist ein wahrer magischer Realismus, ganz im Sinne von Salman Rushdie oder ihrem japanischen Kollegen Haruki Murakami. Aber Yoshimotos Romane sind irgendwie wärmer als die Werke dieser beiden Autoren. Obwohl es phantastische Elemente gibt, ist es immer noch das normale Leben, mit dem sie sich beschäftigt.

Yoshimotos Stärke ist es, Momente perfekt zu beschreiben in denen man innehalten kann, um in Gedanken genau das festzuhalten, was einen für eine schöne und kurze Sekunde umgibt. Dies dürfte definitiv Yoshimotos experimentellster Roman. Ihre Werke werden oft als Teil der „Japanischen Literatur der Heisei-Ära“ betrachtet, die in der Zeit von 1989 bis 2019 stattfand. In dieser Zeit erlebte Japan eine Zeit des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels, und die Literatur spiegelte diese Entwicklungen wider. Yoshimotos Geschichten zeichnen sich durch eine moderne, zeitgenössische Erzählweise aus und erforschen die emotionale Tiefe ihrer Charaktere.

Sie hat sich mit diesem Roman mehr oder weniger in die Rente verabschiedet. Keine Ahnung wie ernst man diese Ankündigung nehmen muss, aber so sehr ich ihr die wohlverdiente Ruhe gönne, ich würde mich auch in Zukunft gerne wieder schwindelig lesen lassen von ihren seltsamen verstörenden skurillen Figuren. Frau Yoshimotos Bücher kann man nicht fassen, sie rutschen einem durch die Hände in dem Moment in dem man über sie sprechen will, aber genau das liebe ich sie an ihr.

Diese Stadt, so schön, so klein und fein wie ein Schmuckkästchen – und doch lag sie immer, wenn ich an sie dachte, hinter einem Filter der Traurigkeit

Huhu – ist überhaupt noch jemand da, der es bis hier runter geschafft hat oder habe ich euch unterwegs schon alle verloren? Das war echt ein ziemlicher Berg Bücher, aber sorry Urlaub und Zugfahrten und Balkon und so – da wird es schon mal mehr.

Würde natürlich auch dieses Mal gerne wieder wissen von euch – was kennt ihr, was mochtet ihr, was nicht – eure Eindrücke?

#WomeninSciFi (40) Find Me – Laura van den Berg

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„Find Me“ ist eine eine ziemlich surreale außergewöhnliche Dystopie. Ein aggressiver Virus bricht in den USA aus, der bei den Infizierten in kürzester Zeit zu komplettem Gedächtnisverlust, silbernem Ausschlag auf der Haut, rapidem Verlust jeglicher motorischer und kognitiver Funktionen und nach etwa 10 Tagen schließlich zum Tod führt.

Joy scheint als eine der Wenigen immun gegen den Virus zu sein und sie nimmt in einem Krankenhaus in Kansas an einer medizinischen Studie teil, die das Ziel hat ein Gegengift zu entwickeln. Sie wartet an diesem Ort gemeinsam mit anderen Patienten isoliert von der Außenwelt auf das Ende der Epidemie.

Joy wurde als Baby von ihrer Mutter im Stich gelassen und sie wächst in einer ganzen Reihe unterschiedlicher Kinderheime und Pflegefamilien auf. In einem dieser Familien trifft sie auf Marcus, einen Jungen den sie liebt, der immer eine Maske trägt um sein vernarbtes Gesicht zu verstecken. Der Roman ist keine typische Dystopie mehr eine Auseinandersetzung mit Einsamkeit und Identität die für Joy vor und während der Epdemie gleichbedeutend wichtig sind.

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“Is there any greater mystery than the separateness of each person?”

Auch nachdem sie das Krankenhaus irgendwann verlässt um sich auf die Suche nach ihrer biologischen Mutter zu machen, hat sie stets das Gefühl das ein Teil von ihr immer eingesperrt sein wird.

„Find Me“ ist ein Roman den man in kleinen Portionen genießen sollte. Eine Geschichte voller Geheimnisse und Dunkelheit. Das Buch fühlte sich für mich fast wie zwei unterschiedliche Romane an. Eine dunkle Dystopie die in dem bizarren abgeschiedenen Krankenhaus spielt und die Geschichte eines Road Trips durch ein seltsames zerbrochenes Land.

“Hope is a seductive thing,“ he says. „Hope can make people lose all sense.”

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Düstere Schönheit

 


Veronique Olmi – Meeresrand

Dieses Buch war ein Zufallskauf der Büchergilde und ich wollte eigentlich nur mal kurz reinblättern und schon mit dem ersten Satz „Wir fuhren mit dem Bus, dem letzten Bus am Abend, damit uns niemand sah“ hing ich in der Geschichte fest und konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, bis ich irgendwann wie aus einem düsteren Traum ziemlich verstört die letzte Seite umblätterte und mich erst einmal auf dem Balkon kurz durchpusten lassen musste.

Das hier ist harter Tobak, aber so unglaublich gut geschrieben, auch wenn man beim Lesen manchmal fast Beklemmungen verspürt. Eine alleinerziehende Mutter und ihre zwei Söhne, die eine Reise ans Meer unternehmen vom letzten bisschen Geld, das überhaupt noch vorhanden ist, damit die beiden wenigstens einmal das Meer gesehen haben. Von Anfang an spürt man, dass etwas nicht ganz in Ordnung ist. Die Mutter entgleitet, fällt schon seit einer Weile immer mehr aus der „Normalität“ heraus. Vage Andeutungen auf ihre Vorgeschichte, bevor die kleine Familie zu ihrem Ausflug aufbricht.

Die Autorin packt den Leser mitten in das Hirn und das Gemüt der Protagonistin, die ihre beiden Söhne über alles liebt, gleichzeitig aber immer mehr aus der Realität rutscht. Das gesamte Buch ist der innere Monolg einer depressiven, von Ängsten gepeinigten Mutter und diese kurze Novelle ist, trotz aller Klaustrophobie die man spürt, von einer düsteren poetischen Schönheit.

Die Mutter empfindet ihre gesamte Umwelt als schwierig, feindlich und nicht händelbar und die Autorin versteht es meisterhaft und überzeugend, den Leser diese Atmosphäre spüren zu lassen. Die Geschichte besticht durch unzählige Details und hervorragend herausgearbeitete Beschreibungen. Man spürt die Liebe der Mutter zu ihren zwei kleinen Jungen Stan und Kevin, die alles versucht haben, ihrer Mutter zu helfen.

„Hatte ich die letzte Nacht verbracht wie alle anderen? War es das, was die anderen jeden Abend erwartete, eine Belohnung, weil sie gut durch den Tag gekommen waren? Auf mich wartete nie eine Belohnung, mein Schlaf ist wie ein scharfes Messer, das die Seile durchtrennt, an die ich mich tagsüber klammere. Nachts werde ich losgemacht, abgeschnitten.“

Ein Buch, das einem wirklich weh tut beim Lesen und man möchte in das Buch hineinkriechen und dieser unglücklichen verlorenen Familie helfen. Das Buch ist absolut großartig, aber nicht für jeden. Ich halte nix von Trigger-Warnungen, aber ich weiß nicht, ob ich das Buch Menschen mit Depressionen empfehlen würden.

Zuletzt noch ein Wort über das Buch selber. Da hat die Büchergilde mal wieder ein wunderschönes kleines Büchlein hinbekommen. Das Cover ist wunderschön, elegant und einfach – ein echtes Schmuckstück.

 

Jürgen Bauer – Ein guter Mensch

„Ein guter Mensch“ ist ein heftiger, fesselnder Roman über eine mögliche Zukunft, in der uns in Europa das Wasser nahezu ausgegangen ist und die Menschheit kurz vor dem Ende steht. Und mitten in diesem Untergangsszenario treffen wir auf Marko, der versucht nicht aufzugeben und das Richtige zu tun.

„Ein kleines Leben. Ein einfaches Leben. Meinen Hass könnt ihr haben. Meine Verzweiflung wolltet ihr ja nicht.“

Die sozialen Strukturen brechen weg, die Kriminalität steigt und die Politik scheint vollkommen überfordert. Ein düsteres Zukunftszenario, in dem sich Jürgen Bauer überwiegend mit der philosophischen Frage beschäftigt, was einen guten Menschen ausmacht.

„Wie nennt man einen Fatalisten der immer Recht hat?“ fragt Aleksander. Und als keiner antwortet: „Na Realist.“

Ganz langsam verursacht das Buch ein schwüles Grauen, das ganz langsam in die Blutbahn gerät, wie ein heimtückisches Gift. Der krasse Horror in einer Welt gelandet zu sein, in dem jeder Schluck Wasser zur existentiellen Notwendigkeit wird, erscheint einem plötzlich so real wie das Licht, das beim Lesen des Buches durchs Fenster fällt.

Es hat mich ziemlich mitgenommen, wie nahezu unsichtbar die Trennlinie verläuft zwischen einer fiktiven und einer tatsächlich möglicherweise eintretenden Dystopie ist.

Das Buch läßt einen noch eine ganze Weile danach jedes Glas Wasser voller Dankbarkeit trinken, insbesondere, wenn solche Artikel einem zeigen, wie nah ein solches Zukunftszenario sein könnte:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/suedafrika-und-die-duerre-katastrophe-kapstadt-droht-das-wasser-abzustellen-a-1185541.html

Großes Lob auch an Jürgen Schütz vom Septime Verlag für das wunderschöne Cover, ein echter Hingucker. Überhaupt ein kleiner Verlag, den ich auf dem Radar behalten sollte.

Albert Sanchez Pinol – Im Rausch der Stille

Was ich eigentlich sehr gerne mag und in letzter Zeit viel zu selten getan habe, ist mich von einem Buch zum Nächsten treiben zu lassen. Immer habe ich schon eine ganze Reihe Bücher neben dem Bett liegen, die schnellstens gelesen werden „müssen“ und da verkneife ich mir viel zu oft, mich einfach das sorglose Weitertreiben zum nächsten.

Bei der Lektüre der „Area X“ Trilogie hat mich die Atmosphäre allerdings so sehr an ein anderes Buch erinnert, das ich vor einigen Jahren gelesen habe, dass ich sämtliche Lesezwänge über Bord geworfen habe und mich erneut dem „Rausch der Stille“  hingegeben habe.

Ich habe eine ziemliche Schwäche für Bücher mit wohlig-gruseliger melancholischer Atmosphäre. Dieses Buch ist bizarr, unheimlich und hat durchaus was von Lovecraft finde ich. Eine großartige Erkundung der Angst vor Unbekanntem, ein philosophischer Blick in die dunklen Ecken der Sehnsüchte und Triebe und das Ganze mit einem Schuß Abenteuerstory.

Ich habe das Buch glaube ich 2005 oder so gelesen und habe auch vor der erneuten Lektüre häufiger daran gedacht, was vielleicht am deutlichsten zeigt wie nachhaltig dieser Roman nachwirkt. Ich glaube man genießt die Geschichte am meisten, je weniger man vorab weiß, daher will ich nicht allzu viel verraten:

Der namenlose Protagonist landet auf einer winzigen Insel wo er einen Wetterbeobachter ablösen soll und seine Stelle für ein Jahr übernehmen. Nur findet sich keine Spur von ihm und das Schiff fährt ohne ihn zurück, der namenlose Protagonist bleibt. Der vorherige Wetterbeobachter bleibt nicht nur verschwunden, seine Behausung ist in kompletter Unordnung und verwahrlost. Er findet statt dessen im angrenzten Leuchtturm, dem einzigen anderen Gebäude auf der Insel einen Mann namens Gruner, seines Zeichens Leuchtturmwärter, der sich jedoch weigert auch nur eine einzige Frage zu beantworten.

Unser Protagonist lässt sich nicht beirren, bringt seine Behausung in Ordnung, packt aus und wird noch in der ersten Nacht angegriffen von seltsamen Wesen die absolut nicht menschlich zu sein scheinen….

„Die haben vielleicht mehr Verstand als Sie!“ sagte ich und tippte mit dem Finger an meinen Kopf. „Ja, vielleicht sind wir die einzigen Tiere auf dieser Insel! Wir beide und unsere Flinten und Gewehre und Munitionen und Explosionen? Töten ist sehr leicht, aber es ist sehr schwer, sich auf den Feind einzulassen!“

Ich habe übrigens darüber nachgedacht, ob ich aufgrund meiner gelegentlichen Vorliebe für Horrorfilme bereits so abgestumpft bin, dass auch beim zweiten Lesen das Schrecklichste für mich nach wie vor der Moment ist, wo unser Protagonist sich gezwungen sieht seine mitgebrachten Bücher abzufackeln, um sich vor den Eindringlingen zu schützen. An der Stelle muß ich jedes Mal fast ein bißchen weinen …

Eine skurille Mischung aus Abenteuer und Liebesroman mit einem Hauch von „Tentacle Sex“? 😉

Das Buch ist übrigens 2017 unter dem Titel „Cold Skin“ von dem französischen Regisseur Xavier Gens verfilmt worden. Hier der Trailer:

Den Abschluß der Mini-Reihe „Düstere Schönheit“ bildet Laura van den Bergs „Find Me“

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Das war eine ziemlich surreale außergewöhnliche Dystopie. Ein aggressiver Virus bricht in den USA aus, der bei den Infizierten in kürzester Zeit zu komplettem Gedächtnisverlust, silbernem Ausschlag auf der Haut, rapidem Verlust jeglicher motorischer und kognitiver Funktionen und nach etwa 10 Tagen schließlich zum Tod führt.

Joy scheint als eine der Wenigen immun gegen den Virus zu sein und sie nimmt in einem Krankenhaus in Kansas an einer medizinischen Studie teil, die das Ziel hat ein Gegengift zu entwickeln. Sie wartet an diesem Ort gemeinsam mit anderen Patienten isoliert von der Außenwelt auf das Ende der Epidemie.

Joy wurde als Baby von ihrer Mutter im Stich gelassen und sie wächst in einer ganzen Reihe unterschiedlicher Kinderheime und Pflegefamilien auf. In einem dieser Familien trifft sie auf Marcus, einen Jungen den sie liebt, der immer eine Maske trägt um sein vernarbtes Gesicht zu verstecken. Der Roman ist keine typische Dystopie mehr eine Auseinandersetzung mit Einsamkeit und Identität die für Joy vor und während der Epdemie gleichbedeutend wichtig sind.
“Is there any greater mystery than the separateness of each person?”
Auch nachdem sie das Krankenhaus irgendwann verlässt um sich auf die Suche nach ihrer biologischen Mutter zu machen, hat sie stets das Gefühl das ein Teil von ihr immer eingesperrt sein wird.
„Find Me“ ist ein Roman den man in kleinen Portionen genießen sollte. Eine Geschichte voller Geheimnisse und Dunkelheit. Das Buch fühlte sich für mich fast wie zwei unterschiedliche Romane an. Eine dunkle Dystopie die in dem bizarren abgeschiedenen Krankenhaus spielt und die Geschichte eines Road Trips durch ein seltsames zerbrochenes Land.

“Hope is a seductive thing,“ he says. „Hope can make people lose all sense.”

Hier die Bücher noch mal im Überblick:

Veronique Olmi – Meeresrand, Büchergilde Gutenberg
Jürgen Bauer – Ein guter Mensch, Septime Verlag
Albert Sanchez Pinol – Im Rausch der Stille, Fischer Verlag
Laura van den Berg – Find Me – bislang nicht auf deutsch erschienen