Wir haben knapp 15.000 km hinter uns gelassen und sind in Chile gelandet. Ich hatte mit 17,18 eine heftige Isabell Allende Phase und wenn mich damals jemand gefragt hätte, welche Länder ich einmal im Leben garantiert bereist haben werde, hätte ich sicherlich ohne Zögern Chile gesagt. Ich wollte da so unbedingt hin, fand es faszinierend, landschaftlich total reizvoll und einfach spannend. Was soll ich sagen? Bin viel gereist in meinem Leben, aber nach Südamerika habe ich es leider nie geschafft. Hätte ich echt nicht gedacht.
Daher auch hier eine etwas umfassendere Einführung in Geschichte, Geographie und Kultur bevor wir uns mit dem Buch beschäftigen, das ich für Chile ausgewählt habe.
Chile erstreckt sich entlang der Westküste Südamerikas über eine Länge von etwa 4.300 Kilometern, während es an seiner schmalsten Stelle nur etwa 90 Kilometer breit ist. Diese außergewöhnliche Geografie umfasst atemberaubende Kontraste, von der trockensten Wüste der Welt, der Atacama, im Norden, über die fruchtbaren Täler Zentralchiles bis hin zu den eisigen Fjorden und Gletschern Patagoniens im Süden. Chile grenzt im Osten an die Anden und im Westen an den Pazifik.
Die Hauptstadt Santiago liegt zentral und ist das wirtschaftliche, politische und kulturelle Herz des Landes. Chiles besondere Lage macht es zudem anfällig für Erdbeben und Vulkanausbrüche, da es entlang des sogenannten Pazifischen Feuerrings liegt.





Fotos: Pixabay
Chile war ursprünglich Heimat verschiedener indigener Völker, darunter die Mapuche, die auch heute noch eine bedeutende kulturelle und politische Rolle spielen. Mit der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert begann die Kolonialisierung, und Chile wurde ein Teil des spanischen Kolonialreichs. 1818 erlangte das Land seine Unabhängigkeit.
Im 20. Jahrhundert erlebte Chile eine wechselvolle politische Geschichte. Besonders prägend war die Zeit um Salvador Allende, der 1970 als erster demokratisch gewählter marxistischer Präsident der Welt in sein Amt trat. Seine Regierung setzte auf umfassende Sozialreformen und eine verstaatlichte Wirtschaft, was auf erheblichen Widerstand sowohl innerhalb Chiles als auch international, insbesondere seitens der USA, stieß. Am 11. September 1973 wurde Allende durch einen von General Augusto Pinochet angeführten Militärputsch gestürzt. Allende beging während des Angriffs auf den Regierungspalast angeblich Suizid.
Die anschließende Diktatur unter Pinochet dauerte bis 1990 und war geprägt von brutaler Unterdrückung, Menschenrechtsverletzungen und wirtschaftlicher Liberalisierung nach neoliberalen Prinzipien. Heute ist Chile eine stabile Demokratie, wenngleich die Gesellschaft weiterhin mit den Nachwirkungen der Diktatur und sozialen Ungleichheiten ringt.
Chile besitzt eine reiche literarische Tradition und hat zwei Literaturnobelpreisträger hervorgebracht: Gabriela Mistral (1945) und Pablo Neruda (1971). Isabel Allende, die Nichte von Salvador Allende, ist eine der bekanntesten zeitgenössischen Autorinnen des Landes. Sie ist durch Werke wie Das Geisterhaus, Die Geschichten der Eva Luna oder Paula international berühmt geworden. Die meisten ihrer Werke sind stark autobiografisch gefärbt. Meine Ausgabe von „Das Geisterhaus“ ist noch die original DDR-Ausgabe vom Aufbau-Verlag aus dem Jahr 1986 oder 1987 glaube ich (es steht tatsächlich kein Erscheinungsjahr im Buch) und wurde von Anneliese Botond übersetzt.
Die chilenische Küche ist geprägt von ihrer geografischen Lage: Fisch und Meeresfrüchte sind zentrale Bestandteile. Weitere traditionelle Gerichte sind empanadas, curanto (ein Eintopf aus Fleisch, Fisch und Gemüse). Wir haben versucht Empanadas zu basteln, aber irgendwie wollte es nicht klappen – daher gibt es dieses Mal leider Fotos aus der Pixabay-Konserve und nix selbstgekochten – ich gelobe Besserung! Gibt auch wirklich sehr selten chilenische Restaurants, oder?
Hier noch ein paar Fakten zu Chile:
- Fläche: Chile ist etwa 756.000 km² groß, fast doppelt so groß wie Deutschland mit 357.000 km².
- Einwohnerzahl: Chile hat etwa 19,5 Millionen Einwohner (Stand: 2023), deutlich weniger als Deutschland mit etwa 84 Millionen.
- Bevölkerungsdichte: Mit etwa 25 Einwohnern pro km² ist Chile sehr dünn besiedelt, während Deutschland eine Bevölkerungsdichte von rund 235 Einwohnern pro km² aufweist.
Jetzt aber zu einem der wohl berühmtesten Romane des Landes: Isabel Allendes „Roman „Das Geisterhaus „(La Casa de los Espíritus, 1982) ist ein Meisterwerk des magischen Realismus und erzählt die Geschichte der Familie Trueba über vier Generationen hinweg. Der Roman verknüpft die persönlichen Schicksale der Figuren mit den politischen und sozialen Umwälzungen in einem fiktiven Land, das an Chile angelehnt ist.
Im Zentrum steht Esteban Trueba, ein patriarchaler, ehrgeiziger Großgrundbesitzer, dessen Leben und Handeln die Entwicklung der Familie prägen. Seine Ehefrau Clara, die über spirituelle Fähigkeiten verfügt, repräsentiert das Herz der Familie und den Kontrast zu Estebans Materialismus. Die Geschichte verfolgt die Schicksale ihrer Kinder und Enkelkinder, insbesondere ihrer Enkelin Alba, die sich in einer von politischen Unruhen geprägten Zeit für Gerechtigkeit und Freiheit einsetzt.
Der Roman schildert die zunehmende Politisierung der Gesellschaft, den Aufstieg einer sozialistischen Regierung (die an Salvador Allendes Präsidentschaft erinnert) und den darauffolgenden Militärputsch, der von einem brutalen Regime geprägt ist. Alba wird während der Diktatur verhaftet und gefoltert, überlebt jedoch durch ihre innere Stärke und die Hilfe ihres Großvaters Esteban, der schließlich Einsicht in seine Fehler gewinnt.
Das zentrale Thema des Romans ist der Konflikt zwischen Tradition und Wandel, zwischen persönlicher Schuld und gesellschaftlicher Verantwortung. Gleichzeitig steht die Familie als Mikrokosmos für die chilenische Gesellschaft, die in dieser Zeit durch tiefe Spaltungen geprägt war.
Der Putsch von 1973 und die anschließende Militärdiktatur unter Augusto Pinochet hatten einen direkten Einfluss auf Isabel Allende und ihr Schreiben. Viele der brutalen Ereignisse, die im Roman geschildert werden, spiegeln die politische Realität in Chile während und nach Salvador Allendes Präsidentschaft wider. Die Verhaftung und Folter Albas steht symbolisch für das Leid vieler Oppositioneller während der Diktatur. Allendes magischer Realismus dient dazu, die Verbindung zwischen individueller Erfahrung und historischen Prozessen auf eine poetische Weise auszudrücken.
Das Geisterhaus ist somit nicht nur eine Familiengeschichte, sondern auch ein literarisches Monument, das die Herausforderungen und Traumata einer ganzen Nation einfängt. Ein paar Jahre lang habe ich nahezu fanatisch jeden Roman gelesen, den Isabel Allende herausbrachte, aber irgendwann bin ich nicht nur aus ihr, sondern allgemein aus den lateinamerikanischen Romanen und dem Magic Realism herausgewachsen. Frau Allende ist aber nach wie vor eine großartige, spannende Frau und ich folge ihr gerne auf Instagram.
Auch wenn „Das Geisterhaus“ 1993 mit großer Starbesetzung verfilmt wurde, ist mein Film-Tipp für euch das Drama „Una Mujer Fantástica/A fantastic woman“ (Sebastián Lelio) der 2018 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt und von Marina handelt, einer trans Frau, die nach dem plötzlichen Tod ihres Partners gegen Vorurteile und Diskriminierung kämpfen muss. Großartiger Film der einen ganz schön mit nimmt.
Musikalisch habe ich zwei Tipps für euch und zwar „Baikonur“ eine Post Rock Band aus Santiago die auch vor ein paar Jahren auf dem DUNK! Festival auftrat:
und die Trip Hop / Electronic Band Dënver, ein Duo das allerdings seit 2013 getrennt ist:
Kennt ihr das Geisterhaus oder andere Bücher von Isabel Allende? Habt ihr andere Lieblingsautor*innen aus Chile oder seid ihr vielleicht sogar schon mal dort gewesen? Könnt ihr es als Reiseland empfehlen? Was verbindet ihr mit dem Land? Bin sehr gespannt auf eure Rückmeldungen.
Danke schon mal für eure Rückmeldungen und ich werde auf die Kommentare auch noch separat eingehen. Fast hätte ich aber vergessen euch noch ein paar weitere Buchempfehlungen zu geben, denn ich habe ein paar richtig gute Bücher aus Chile gelesen. Hier meine Empfehlungen (außer dem Geisterhaus):
- Maniac – Benjamin Labatut
- When we cease to understand the world – Benjamin Labatut
- Das Geisterhaus – Isabel Allende
- Mit brennender Geduld – Antonio Skármeta



Sehr empfehlen kann ich den Roman „Mein Name ist Estela“ der Chilenin Alia Trabucco Zerán. Und natürlich Pablo Neruda, die Gedichte und die Autobiographie „Ich bekenne, ich habe gelebt“.
Von Isabelle Allende hatte ich „Die Insel unter dem Meer“ gelesen, war von diesem Roman jedoch nicht so beeindruckt. „Das Geisterhaus“ kenne ich auch in der Verfilmung nicht.
Ich hatte mal einige Zeit in Argentinien verbracht. Damals stand ich auf der Grenze zu Chile, mitten in den Anden. In Chile selbst war ich aber leider noch nicht.
Ich habe das Geisterhaus geliebt mehrmals gelesen und halte es immer noch für einen absolut großartigen Roman, deswegen die Verfilmung verkniffen
Wie schön, dass du jetzt endlich in Chile bist. Ich war mehrmals dort und bin nach wie vor fasziniert von dem Land. Das Geisterhaus von Allende ist natürlich unschlagbar aber nicht alle Romane gefallen mir von ihr. Trotz allem ist sie eine tolle Geschichtenerzählerin, was sie auch immer live unter Beweis stellt. Neben Allende gibt auch viele andere tolle SchriftsterInnen: Die großen sind sicher Robert Bolaño, Antonio Skarmeta, Gabriela Mistral und Pablo Neruda … Aber es gibt viele neue Talente, eine neue Generation: Nona Fernández ist eine von ihnen. Sie beschäftigt sich sehr intensiv mit der Diktatur. María José Ferrada und Alia Trabucco Zerán möchte ich auch gern noch nennen. Schau dich gern mal bei mir um. Mein Schwerpunkt ist Literatur aus Lateinamerika. Und noch was ganz wichtiges: 2027 ist Chile Gastland zu Frankfurter Buchmesse, so dass wir uns auf ganz viele Autoren und Autorinnen in Deutschland freuen dürfen! Ich wünsche dir noch einen wunderbaren Aufenthalt. Ich war damals ganz angetan vom Valle del Elqui und die drei Häuser von Neruda fand ich auch ganz spannend. Du hast auf jeden Fall viel zu entdecken. Viel Spaß!!
Saludos 🙂
oh nein der Blog ist ja inaktiv – wie schade 😦
Komisch, dass er nicht verlinkt wird. Ich poste es einfach hier https://buecherliebhaberin.wordpress.com/
Liebe Grüße
ahh super – jetzt funktioniert es 🙂 DANKE!
Jetzt sehe ich, dass du gar nicht vor Ort bist 😂. Nun gut, nicht schlimm. Die Autorinnen und Autoren bleiben gleich gut.
Auf jeden Fall und danke für deine Tipps. Die werde ich auf jeden Fall berücksichtigen, falls es mich tatsächlich einmal nach Chile verschlagen sollte.
Ich freue mich auf jeden Fall deinen Blog wiederentdeckt zu haben, denn ich kann mich erinnern, dass ich regelmässige Leserin war und irgendwie muss er mir dann aus dem Blog Feeder geflogen sein. Wie schön, dass ich ihn wieder habe.
Ganz liebe Grüße!
Von „Das Geisterhaus“ kenne ich nur die Verfilmung und habe es geschaut ohne zu wissen, worum es geht. Ich nahm tatsächlich an, dass es eine Schauergeschichte sein müsste. Nur um dann zu lernen, dass Politik und starke Überzeugungen oftmals eher das schaurige sind … leider kann ich mich an sehr wenig erinnern. Ich habe noch gar nichts von Isabel Allende gelesen und sollte das wohl mal nachholen.
„A fantastic woman“ habe ich auch gesehen und fand den Film absolut klasse – und wie du schon sagst an manchen Stellen zum Verzweifeln hart. Aber ich erinnere mich, dass ich auch vieles andere mochte und optimistisch sehen konnte.
Chile habe ich (obwohl ein Bekannter von mir aus Chile stammt) immer an Literatur und Medien gemessen etwas vernachlässigt. Treffe ich meinen Bekannten, reden wir meist über Anime XD Südamerika und spanischsprachige Staaten hatten einen großen Anime-Boom in den 90ern … das ist es. Das ist mein unnützes Wissen zu Chile.
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Sergio Villegas: Das Stadion ist ein Buch dass die Zeit unter Pinochet thematisiert.
Das Geisterhaus ist ein grandioser Roman.
Ah – danke für den Tipp! Schau ich mir gleich mal an 🙂
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