Her mit den schönen Büchern

Schönheit liegt ja immer im Auge des Betrachters, aber bei diesen kleinen Schmuckstücken kann man nicht anders als schwach zu werden und zuzugreifen. Ich hatte schon immer eine Schwäche für schöne Bücher, damit hat mich die Büchergilde schon vor gefühlten 100 Jahren zur Mitgliedschaft überzeugen können.

Ich habe hier schon des Öfteren Bücher vorgestellt, die nicht nur inhaltlich schön waren, sondern die auch optisch etwas Besonderes waren, deswegen wurde es höchste Zeit für eine eigene Rubrik auf dem Blog, die ich hiermit feierlich eröffne und in meinem gewohnten Anglizismus-Wahn „Bookporn“ nenne.

Als ich kürzlich (zum ersten Mal im Übrigen) in der Buchhandlung Perthel am Gasteig in München war, wollte ich eigentlich nur ein Geburtstagsgeschenk für eine Freundin kaufen (zu stepanini winkt) und konnte mich dann absolut nicht mehr von gleich mehreren Schmuckstücken trennen und schwer bepackt verließ ich einen neuen „Liebling“. Die Ausbeute möchte ich euch hier kurz vorstellen.

Anfangen möchte ich aber mit dem Buch, das ich vorab schon zum Geburtstag bekam, Franz Kafkas „Ein Landarzt“ mit Illustrationen von Kat Menschik, zu der ich glaube ich nicht mehr viel sagen muss. Der Band erhält ein paar sehr schön ausgewählte kleine Erzählungen von Kafka, wobei nur die erste, „Der neue Advokat“, neu für mich war, vielleicht habe ich sie deshalb zu meinem Favoriten in dieser Ausgabe erklärt.

Galliani ist ein Verlag, der immer wieder wunderschöne Bücher herausbringt und bei diesem Bändchen und der Zusammenarbeit mit der wunderbaren Kat Menschik handelt es sich um ein ganz besonderes Schmuckstück, das in keiner Sammlung fehlen sollte.

Hier eine Übersicht der Erzählungen:

  • Der neue Advokat
  • Ein Landarzt
  • Auf der Galerie
  • Ein altes Blatt
  • Vor dem Gesetz
  • Schakale und Araber
  • Ein Besuch im Bergwerk
  • Das nächste Dorf
  • Eine kaiserliche Botschaft
  • Die Sorge des Hausvaters
  • Elf Söhne
  • Ein Brudermord
  • Ein Traum
  • Ein Bericht für eine Akademie

Bei der übrigen Beute aus dem Buchladen handelte es sich um drei Bände aus der Insel-Bücherei.

Mario Vargas Llosa: „Sonntag“

Vargas Llosa erzählt in dieser kleinen Novelle von den typischen „Rites of Passage“, die junge Peruaner der Oberklasse durchlaufen, bevor sie zum Mann werden. Miguel, der Protagonist der Geschichte, erlebt seinen Männlichkeitstest, wenn er mit einem Rivalen um das Herz seiner Angebeteten Flora um die Wette schwimmt. Es ist eine zarte melancholische Geschichte voll beklommener Langeweile um jugendliche Unsicherheit, Verzweiflung und Mutproben, die Llosa erzählt und die wiederum von Kat Menschik wunderbar illustriert wurde.

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In Stanislaw Lems „Professor A. Donda“ geht um einen Wissenschaftler der vermutet, es gäbe eine Äquivalzenz zwischen Information und Materie ähnlich der von Energie und Materie. Information ist ein Ordnungszustand von Materie und um diese zu ordnen braucht man Energie.

Das ganze wird in einer atemlos durchgeknallten Geschichte erzählt, perfekt für Freunde satirischer Sci-Fi. Der Illustrator Benjamin Courtault hat mich sehr beeindruckt, den behalte ich mal auf dem Radar, seine Arbeiten gefallen mir sehr:

Max Frischs „Questionnaire“ kann zwar nicht mit Illustrationen aufwarten, aber mit schlichtem Design und vor allen Dingen einfach die unglaublich guten Fragen. Ich liebe Fragen. Ich war immer schon deutlich mehr an Fragen als an Antworten interessiert und diese 10 Fragebogen kreisen jeweils um ein konkretes Thema: Ehe, Frauen, Humor, Geld, Freundschaft, Vatersein, Heimat, Eigentum und die Erhaltung des Menschengeschlechts.

Meine Lieblingsfrage war: „Are you disconcerted by an intelligent Lesbian“ ?!?

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Natürlich geht Inhalt vor Optik, aber es gibt keinen Grund, warum gute Bücher nicht auch schön sein sollten und diese vier sind ein paar wunderbare Beispiele dafür.

Ein paar weitere besonders schöne Bücher findet ihr hier auf meinem Blog:

 

Welche Eurer Bücher findet ihr am schönsten oder welches hättet ihr noch gerne?

 

Meine Woche

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Gesehen: „A Girl walks home alone at Night“ – von Ana Lily Amirpour wundervoll atmosphärischer schwarz-weiß Vampirfilm aus dem Iran mit irre schönem Soundtrack.

Sufragette“ von Sarah Gavron. Unbedingt angucken, gut inszeniert und toll besetzt. Das Thema erscheint gleichzeitig so weit weg und aktueller denn je.

Surviving Picasso“ von James Ivory. Nachdem ich kürzlich über das Leben von Francoise Gilot las, mußte ich mir den Film natürlich anschauen. Hat mir gut gefallen.

Mad Max Fury Road“ von George Miller. Krasse Action mit einer überragenden Charlize Theron

Gehört: Radio Teheran „Gelaye„, Federale „Sarcophagus„Tim Hecker „Chimeras„, Shooter Jennings ft Marilyn Manson „Cat People„,  White Lies „Death

Gelesen: diesen Artikel im New Yorker über Patricia Highsmith, über diese Astronautinnen die sich auf eine Mars-Mission vorbereiten, über die Bücher die Obama geprägt haben, diesen Artikel über Bruce Lee und diesen Artikel über Atheismus

Getan: im Literaturhaus das Gespräch zwischen Miriam Meckel und Rebekka Reinhardt zur „Philosophie der Macht“ sehr interessiert verfolgt, eine Geburtstagsparty unter der Woche gefeiert und zuviel getanzt, im Bookclub über den Inhalt von Handtaschen diskutiert, spannende Unterhaltungen bei Paella und Rotwein geführt, ganz ganz viel mit Bonnie geknuddelt und erfolgreich eine schulische Auseinandersetzung begleitet

Gegessen: ein sehr leckeres Süßkartoffel-Papaya-Curry und Paella

Getrunken: zuviel

Gefreut: Bonnie ist wieder da für ein Wochenende 🙂

Geärgert: falsches Wort. Diese Bus-Plärrer haben mich sprachlos entsetzt gemacht

Gelacht: ich sag nur Noodling – googlen müsst ihr das selber

Geplant: zum Massive Attack Konzert zu gehen, in den Kammerspielen „Reichstheaterkammer“ anschauen und im Literaturhaus den Wintermix besuchen und meinen Artikel zu „Holacracy“ fertigstellen

Gewünscht: diese gemütliche Ecke, BB8, dieses Haus

Gekauft: ein Ticket für das Digital Bauhaus Summit

Gefunden: nix

Geklickt: auf diese Architektur Dokuserie, auf diesen Talk über Vincent van Gogh, auf diesen Artikel über ein Leben ohne Sachen, auf diese Library-Bars und diesen Ted Talk von Regina Hartley warum der ideale Kandidat ggf nicht unbedingt den tollsten CV haben muß – sollte jeder Recruiter/Personaler mal gesehen haben.

Gewundert: wie wenig ich diese Woche geschafft habe

2015 – The Year in Books

Ja nee hat super geklappt mit meiner Wahl der 10 Lieblingsbücher. Ich kann mich partout nicht entscheiden und schicke jetzt immer zwei ins Rennen. Die Kombi ist eventuell nicht immer einleuchtend, gibt aber schönen Einblick in meine abstrusen Synapsen-Schaltungen.

Es sind die Bücher, die mich am intensivsten beschäftigt haben in diesem Jahr, nicht automatisch die, die mir am besten gefallen haben. Habe nicht viele Bücher gelesen, die mir gar nichts gesagt haben oder die ich schlichtweg schlecht fand.

Vielleicht könnt ihr mir ja helfen mit der Entscheidung. Unter allen die in den Kommentaren hier oder bei Facebook abstimmen verlose ich eines der zur Wahl stehenden Bücher hier (nach Wunsch). Am 10.1. guck ich dann mal, ob es Entscheidungen und einen Gewinner gibt.

Hier kommen die Teilnehmer:

https://bingereader.org/2015/01/31/the-goldfinch-donna-tartt/

oder

https://bingereader.org/2015/06/07/die-kunst-des-feldspiels-chad-harbach/

https://bingereader.org/2015/02/16/fahrenheit-451-ray-bradbury/

oder

https://bingereader.org/2015/04/22/the-bone-clocks-david-mitchell/

https://bingereader.org/2015/12/14/geliebtes-wesen-briefe-von-vita-sackville-west-an-virginia-woolf-louise-desalvo-mitchell-a-leaska/

oder

https://bingereader.org/2015/03/16/anais-nin-die-tagebucher-1927-1929-und-1931-1934/

https://bingereader.org/2015/12/03/the-master-and-margarita-mikhail-bulgakov/

oder

https://bingereader.org/2015/11/07/the-strange-library-die-unheimliche-bibliothek-haruki-murakami/

https://bingereader.org/2015/03/27/9-stories-j-d-salinger/

oder

https://bingereader.org/2015/03/21/meistererzahlungen-stefan-zweig/

https://bingereader.org/2015/03/23/the-paying-guests-sarah-waters/

oder

https://bingereader.org/2015/11/03/auf-den-koerper-geschrieben-jeannette-winterson/

https://bingereader.org/2015/07/05/cannery-row-john-steinbeck/

oder

https://bingereader.org/2015/09/09/der-susan-effekt-peter-hoeg/

https://bingereader.org/2015/11/20/die-frau-die-nein-sagt-francoise-gilot/

oder

https://bingereader.org/2015/04/14/bossypants-tina-fey/

Was wirklich Spaß macht ist, sich die jeweiligen „Konkurrenten“ bei einem Treffen vorzustellen. JD Salinger und Herr Zweig beim gediegenen Whisky im Club-Sessel oder Tina Fey die der vornehmen Madame Gilot versehentlich ein Glas Rotwein über die Hose kippt…

Francoise Gilot Die Frau, die nein sagt – Malte Herwig

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Francoise Gilot war eine junge 21-jährige Malerin in Paris, als sie dem 62-jährigen Picasso zum ersten Mal begegnete. Sie sollte 10 Jahre lang seine Geliebte, sein Model und seine Muse bleiben, sowie die Mutter zweier seiner Kinder werden, Claude und Paloma. Außerdem war auch die einzige Frau, die Picasso jemals verlassen hat. Üblicherweise war das sein Job und er hat auch bis zuletzt nicht wirklich geglaubt, sie würde es durchziehen. „Keine Frau verlässt einen Mann wie mich“, hatte Picasso selbstsicher behauptet. „Einen Mann, so reich und berühmt“. Francoise bewies das Gegenteil und erwiderte, „dann sei sie eben die erste Frau, die es fertigbrächte“.

„Picasso tobte. Beladen mit Koffern, zwei Kindern und einer jungen Frau fuhr das Taxi vor der Villa La Galloise in Vallauris an. Bald war der Wagen nur noch eine Staubwolke auf der südfranzösischen Landstraße in Richtung Paris, und Picasso stampfte wütend zurück in das leere Haus. Sie hatte es tatsächlich getan, hatte Wort gehalten und war mit den beiden Kindern – seinen Kindern! – fortgefahren für immer. Es war ein Unding, nicht vorgesehen und nicht vorhersehbar im Lebensplan des alten Meisters.“

Kein geringerer als Robert Capa setzte dem außergewöhnlichen Paar mit diesem weltberühmten Foto ein Denkmal:

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Gilot ist ein unabhängiger Geist, die selbst ihren Liebhabern und engsten Vertrauten gegenüber stets undurchschaubar blieb.

„Selbst Picasso kannte mich trotz unserer zehn gemeinsamen Jahre nie, denn ich habe mich verschlossen. Ich enthülle mich nie, warum sollte ich das? Ich drücke mich in meinen Bildern aus“

Ihr Lebensmotto, das irgendwie zu ihren „accont circonflexe Augenbrauen“ passt, lautet: „Wenn du etwas riskierst, erlebst Du auch schlimme Dinge, aber du lebst und verstehst immer mehr. Vor allem wirst du nicht langweilig. Das ist das Allerschlimmste: langweilig werden“

Gilot ist 90 Jahre alt, als sich der SZ-Reporter Malte Herwig bei ihr meldet und sie um ein Interview bittet.

Aus einem geplanten Interview werden über Jahre andauernde fast freundschaftliche Gespräche. Sie philosophieren gemeinsam über den Zauber des Schreibens mit Tinte, über das Kunstgeschäft, die Rolle der Frauen in der Kunst und natürlich immer wieder um das Malen.

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Sie erzählt ihm von ihrem Leben an Picassos Seite und zeigt einen cholerischen, herrschsüchtigen Picasso, der liebevoll aber auch äußerst grausamsein konnte. Lange hat die zarte Gilot seine Ausbrüche ertragen. Picasso verstand sich darauf, seine Frauen auch finanziell von ihm abhängig zu machen. Dies sollte ihm bei Gilot nicht gelingen, der Ausdruck „Die Frau, die nein sagt“ ist ein fast resigniert klingendes Zitat Picassos über Francoise.

Malte Herwig ist sicherlich nicht immer objektiv in seinem Buch, denn er ist ganz verzaubert von der weisen, junggebliebenen Gilot. Ich kann es ihm nicht verdenken, mir wäre es genauso gegangen. Sie wächst einem ans Herz, diese zarte starke Frau.

Ich habe unglaublich viel aus dem Buch herausgeschrieben. Francoise Gilot hat sehr viel zu sagen und ich habe dieses Buch mit ganz unglaublichem Genuß gelesen – es ist wirklich grandios.

In den Museen sind nur verhältnismässig wenige Bilder von Gilot zu finden. Viele befinden sich in Privatbesitz. Sie ersteigert hin und wieder eines ihrer Bilder zurück.

In den 6oer Jahren schrieb sie eine Art Enthüllungsbuch über Picasso – „Leben mit Picasso“ – das den Meister gründlich erboste und sie eine zeitlang im Kunstbetrieb ziemlich aufs Abstellgleis beförderte.

Geblieben war Francoise Gilet aus ihrer Zeit mit Picasso eine Zeichnung und das berühmte Femme-Fleur Porträt, das er von ihr angefertigt hatte (allerdings erst als Matisse Gilot bat, ihm Modell zu sitzen). Der Verkauf des Bildes hat ihr die Atelierswohnung in New York in der Nähe des Central Parks beschert, ein weiterer Garant ihrer Unabhängigkeit.

Interessant fand ich auch, wie sehr auch heute noch Künstlerinnen im Schatten ihrer männlichen Kollegen stehen. Das teuerste Nachkriegsgemälde des Künstlers Marc Rothko erzielte 86,9 Millionen Dollar, das teuerste Kunstwerk einer Frau – Louise Bourgeois – dagegen nur 10,7 Millionen. Krass. Das Verhältnis in Ausstellungen, Museen und Galerien möchte ich gar nicht genau wissen.

Der für mich wichtigste Satz in dem Buch war einer, der meiner Lebensphilosophie entspricht und den ich selbst leider nie so auf den Punkt hätte bringen können:

„Du darfst nie etwas ausradieren! Du zeichnest eine Linie und Du mußt dafür sorgen, dass sie etwas bedeutet. Wenn sie da ist, ist sie da, und du mußt etwas daraus machen.

Aber wenn ich einen Fehler mache?

Dann mußt du damit arbeiten, bis der Fehler einen Sinn bekommt.

Am Ende ist ein Fehler kein Fehler mehr, weil du ihm einen Platz und eine Bedeutung im großen Ganzen gegeben hast.“

Ich bin so froh, auf der Buchmesse nicht nur den Ankerherz-Verlag, sondern auch dieses Buch entdeckt zu haben. Es ist nicht nur inhaltlich schön, es ist auch gestalterisch wundervoll. Der helltürkisgrüne Leinenumschlag mit Goldprägung – so so schön.

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Und wenn ein Verlagsgründer dann auch noch so wunderschöne inks hat, dann hat der Bingereader wohl einen neuen Lieblingsverlag gefunden 😉

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Hier ist ein interessantes kurzes Video über einen Besuch in Francoise Gilots Studio:

Das Buch erschien im Ankerherz Verlag.