Juli Lektüre – Sommer Ausgabe

Was gibt es Schöneres als im Sommer im Urlaub am Meer, oder zu Hause im Gras, im Zug, auf dem Balkon, an der Isar oder im verdunkelten Schlafzimmer zu liegen und zu lesen? Ich lese zu jeder Jahreszeit gerne, aber dieses Sommerferiengefühl beim draußen lesen ist einfach was ganz Besonderes. Hier also der Rest der Juni sowie die Juli Lektüre. Wie immer kurz, knackig und in alphabetischer Reihenfolge.

Find Me – André Aciman auf deutsch „Finde Mich“ im dtv Verlag erschienen, übersetzt von Thomas Brovot

Die Geschichte von Elio und Oliver geht weiter. „Call Me by your name“ ist für mich einer der schönsten Sommerfilme und ich habe mich sehr auf die Fortsetzung gefreut. Elio lebt als Pianist in Rom. Seit der Trennung von seiner großen Jugendliebe Oliver ist er keine längere und ernsthafte Beziehung eingegangen. Oliver hingegen hat in New York geheiratet, ein bürgerliches Leben als Collegeprofessor begonnen, eine Familie gegründet. Doch insgeheim ist er über die Beziehung mit Elio nicht hinweggekommen. In seinem neuen Roman erweist sich André Aciman erneut als Meister des sinnlichen Erzählens. Die Suche nach dem einen Menschen im Leben, den man wahrhaftig liebt, kann lange dauern – doch sie ist nie vergebens.

Der Roman ist in drei Episoden aufgeteilt, wobei die eigentliche Fortsetzung von Elio und Oliver die kürzeste ist. Das als kleine Vorwarnung – wer einen Roman erwartet der sich umfänglich und vielleicht sogar ausschließlich den beiden widmet, würde hier enttäuscht werden.

Ich fand die drei ineinanderfließenden Episoden dieses eleganten Büchleins wundervoll. Ich liebe Acimans Schreibstil, er ist für mich die Verkörperung von Sprezzaturo in der Literatur.

Some people may be brokenhearted not because they’ve been hurt but because they’ve never found someone who mattered enough to hurt them.

Im Haus der Weisheit – Jim Khalili erschienen im S. Fischer Verlag, übersetzt von Sebastian Vogel

Die arabischen Fundamente unserer modernen Gesellschaft.

Im Haus der Weisheit“ von Jim Al-Khalili ist eine faszinierende und gut geschriebene historische Reise durch die Blütezeit der islamischen Wissenschaft im Mittelalter. Das Buch beleuchtet die unglaublichen Errungenschaften und den intellektuellen Reichtum der muslimischen Gelehrten im alten Bagdad, als diese Stadt das Zentrum des Wissens und der Kultur war.

Jim Al-Khalili präsentiert das Thema auf anschauliche Weise und vermittelt dem Leser eine klare Vorstellung von der erstaunlichen Vielfalt der wissenschaftlichen Disziplinen, die von den muslimischen Gelehrten studiert wurden, einschließlich Astronomie, Mathematik, Medizin, Philosophie und Literatur. Er zeigt, wie die Übersetzungen klassischer griechischer und indischer Werke sowie die originellen Beiträge der arabischen Gelehrten die Grundlage für viele spätere wissenschaftliche Entdeckungen in Europa und anderswo bildeten.

Besonders beeindruckend ist die Betonung der Zusammenarbeit zwischen Muslimen, Christen und Juden in diesem kulturell reichen Umfeld. Al-Khalili betont, wie dieses harmonische Zusammenleben die Wissensaneignung und den intellektuellen Fortschritt förderte.

Meine einzige Kritik ist, dass das Buch manchmal zu viele Informationen auf einmal präsentiert, was den Lesefluss beeinträchtigen kann. Dennoch ist „Im Haus der Weisheit“ insgesamt ein lesenswertes Werk für alle, die sich für die Geschichte der Wissenschaft und des Wissensaustauschs interessieren. Es bietet einen Einblick in eine Zeit, die oft in den Schatten gestellt wird und verdient es, mehr Beachtung zu finden.

Ein wahrhaft weiser Leser lädt dich nicht ein, das Haus seiner Weisheit zu betreten, sondern er führt dich an die Schwelle deines Geistes.

Khalil Gibran

Jews don’t count – David Baddiel erschienen im TLS Verlag, aktuell nicht auf deutsch erhältlich

„Jews Don’t Count“ ist ein Buch des britischen Autors David Baddiel, das 2020 veröffentlicht wurde. In diesem Werk behandelt Baddiel das Thema des Antisemitismus und wie die jüdische Bevölkerung oft nicht angemessen in den Diskurs über Rassismus und Diskriminierung einbezogen wird.

Die Kernthese des Buches ist, dass Antisemitismus häufig ignoriert, heruntergespielt oder nicht ernsthaft bekämpft wird, während andere Formen von Rassismus in der Gesellschaft breitere Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten. Baddiel argumentiert, dass Juden oft nicht als „echte Opfer“ des Rassismus angesehen werden, was zu einer Gefahr für ihre Sicherheit und Würde führt.

Er untersucht auch, wie einige politische Bewegungen und Gruppen den Antisemitismus in ihren Reihen nicht ausreichend bekämpfen, was wiederum zur Marginalisierung der jüdischen Erfahrung beiträgt.

Das Buch will ein Bewusstsein schaffen und dazu ermutigen, Antisemitismus als ernsthaftes Problem anzuerkennen und in den Kampf gegen Rassismus einzubeziehen, um eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft zu fördern.

Jews Don’t Count war für mich eine augenöffnende Lektüre die für mich eine neue Perspektive bot auf die Debatte um Identitätspolitik und Diskriminierung. Ein wichtiges Buch und stellenweise wirklich witzig, man merkt, dass Mr Baddiel hauptberuflich ein Comedian ist. Große Empfehlung!

Jews are somehow both sub-human and humanity’s secret masters. And it’s this racist mythology that’s in the air when the left pause before putting Jews into their sacred circle.

We live in a culture now where impact is more important than intent; where how things are taken is more significant than how they are meant.

Auerhaus – Bov Bjerg erschienen im Blumenbar Verlag

Bov Bjergs Roman „Auerhaus“ ist eine bewegende und tiefgründige Geschichte über Freundschaft, Jugend und die Suche nach dem Sinn des Lebens. Die Handlung dreht sich um eine Gruppe von Jugendlichen, die gemeinsam beschließen, aus ihrem tristen Alltag auszubrechen und eine Wohngemeinschaft im „Auerhaus“ zu gründen.

Bjerg gelingt es, tiefgründige Themen wie Depression, Verlust und die Suche nach Identität auf eine zugängliche und einfühlsame Weise zu behandeln. Dabei schafft er es, eine Balance zwischen ernsten Momenten und humorvollen Szenen zu finden, die den Leser gleichzeitig berühren und zum Schmunzeln bringen.

Die Stärke des Romans liegt auch in seiner Sprache und Erzählstruktur. Die klaren, einfachen Sätze und die kurzen Kapitel verstärken die emotionale Wirkung und machen das Buch zu einem fesselnden Leseerlebnis. Ich habe den Roman wirklich gerne gelesen, obwohl ich lange keine richtige Lust drauf hatte und danke der hartnäckigen Gattin, dass sie mich immer wieder an das Buch erinnert hat.

Ich wollte mich nicht umbringen. Ich wollte bloß nicht mehr leben. Ich glaube, das ist ein Unterschied.

The Girls – Emma Cline auf deutsch erschienen unter dem gleichen Titel im dtv Verlag, übersetzt von Nicolaus Stingl

The Girls“ von Emma Cline ist ein fesselnder Roman, der geschickt zwischen Coming-of-Age-Drama und Kriminalgeschichte jongliert. Die Geschichte ist in den späten 1960er Jahren in Kalifornien angesiedelt und zeichnet ein eindringliches Bild von der Anziehungskraft einer sektenähnlichen, manipulativen Gruppe auf junge Menschen.

Cline schreibt mit einer beeindruckenden Sprache und verleiht der Protagonistin, Evie, eine bemerkenswerte Tiefe. Wir folgen ihrer faszinierenden, aber erschreckenden Reise in die Welt der charismatischen Sektenführerin und ihrer Anhängerinnen. Die Darstellung der weiblichen Freundschaften und der Verwundbarkeit von Heranwachsenden ist äußerst realistisch und ergreifend.

Der Roman beleuchtet auch geschickt die historischen Ereignisse des Manson-Mordes, wodurch die Atmosphäre düsterer und beklemmender wird. Cline gelingt es, die Spannung während des gesamten Buches aufrechtzuerhalten, was den Leser in ihren Bann zieht.

„The Girls“ ist eine düstere Geschichte über Manipulation, Verführung und die Konsequenzen von Entscheidungen erzählt. Emma Cline hat mich mit ihrem Debüt sehr beeindruckt und ich freue mich schon auf weitere Romane von ihr

That was part of being a girl–you were resigned to whatever feedback you’d get. If you got mad, you were crazy, and if you didn’t react, you were a bitch. The only thing you could do was smile from the corner they’d backed you into. Implicate yourself in the joke even if the joke was always on you.

Lügen über meine Mutter – Daniela Dröscher erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag

Daniela Dröscher erzählt vom Aufwachsen in einer Familie, in der ein Thema alles beherrscht: das Körpergewicht der Mutter. Ist diese schöne, eigenwillige, unberechenbare Frau zu dick? Muss sie dringend abnehmen? Ja, das muss sie. Entscheidet ihr Ehemann. Und die Mutter ist dem ausgesetzt, Tag für Tag.

„Lügen über meine Mutter“ ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive: Was ist damals wirklich passiert? Was wurde verheimlicht, worüber wurde gelogen? Und was sagt uns das alles über den größeren Zusammenhang: die Gesellschaft, die ständig auf uns einwirkt, ob wir wollen oder nicht?

Schonungslos und eindrücklich lässt Daniela Dröscher ihr kindliches Alter Ego die Jahre, in denen sich dieses »Kammerspiel namens Familie« abspielte, noch einmal durchleben. Ihr gelingt ein ebenso berührender wie kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung und Fürsorge. Vor allem aber ist dies ein tragik-komisches Buch über eine starke Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen.

Dröscher gelingt es, den Leser durch eine poetische und einfühlsame Sprache in die Welt der Protagonistin einzuführen. Die Emotionen und Gedanken der Hauptfigur werden auf eine fesselnde Weise vermittelt, die den Leser in die Geschichte hineinzieht und mitfühlen lässt.

Die Thematik des Romans, die Suche nach der eigenen Identität und die Bewältigung von familiären Konflikten, wird auf eine ansprechende und tiefgründige Weise behandelt. Die Erzählung wirft Fragen nach der Wahrheit, dem Verlust und der Liebe auf und regt zum Nachdenken an.

Wenn Du nicht endlich redest, muss ich etwas erfinden. Ich muss lügen“, droht die Tochter, worauf die Mutter kontert: „Nur zu. Das ist ja dein Beruf.

This is How you lose the Time War – Amal El Mohtar & Max Gladstone bislang nicht auf deutsch erschienen

„This is how you lose the time war“ ist ein fesselndes und ziemlich unkonventionelles Buch, das von Amal El-Mohtar und Max Gladstone gemeinsam geschrieben wurde. Es ist eine einzigartige Mischung aus Science-Fiction, Liebesgeschichte und Zeitreiseabenteuer.

Die Geschichte dreht sich um zwei Zeitreise-Agentinnen, Red und Blue, die auf entgegengesetzten Seiten eines Krieges stehen. Als sie beginnen, sich Briefwechsel zu begegnen, entfaltet sich eine unerwartete Verbindung zwischen den beiden. Die Autoren präsentieren die Geschichte auf wunderbar poetische Weise, die den Leser in eine faszinierende Welt voller Intensität und Emotionen eintauchen lässt.

Die Prosa ist ganz wunderbar elegant, wodurch die Handlung trotz ihrer Komplexität leicht zugänglich bleibt. Die Beziehung zwischen Red und Blue wird voller Schönheit beschrieben und entfaltet sich auf eine Art und Weise, die einen bis zur letzten Minute des Hörbuches mitfiebern lässt. Es ist eine Geschichte über Liebe, Verlust und die Bedeutung von Verbindungen, die weit über Zeit und Raum hinausgehen.

Die Welt, die in „This is how you lose the time war“ geschaffen wird, ist ebenso beeindruckend wie verwirrend. Die Zeitreiseelemente können ab und an kompliziert sein, aber sie geben dem ganzen auch eine gewisse Tiefe und Raffinesse. Die Autoren lassen bewusst einige Fragen unbeantwortet, was die Fantasie des Lesers anregt und Platz für Interpretationen lässt. Ab und an war es mir doch etwas blumig und zu romantisch von der Sprache her, aber das hat meinem Hörvergnügen keinen großen Abbruch getan.

Ich lese schon länger den Newsletter von Amal El Mohtar und hatte ihre Buch daher schon länger auf der Wunschliste, ich bin aber froh, dass ich mich von dem Hype nicht habe abhalten lassen und gebe Bigolas Dickolas einfach mal recht – lest dieses Buch!

I love you. I love you. I love you. I’ll write it in waves. In skies. In my heart. You’ll never see, but you will know. I’ll be all the poets, I’ll kill them all and take each one’s place in turn, and every time love’s written in all the strands it will be to you.

The Hill we Climb – Den Hügel hinauf – Amanda Gorman erschienen als zweisprachige Ausgabe im Hoffmann und Campe Verlag, übersetzt von Kübra Gümüsay, Hadija Haruna-Oelker, Uda Strätling

„The Hill We Climb“ ist das Gedicht, das sie während der Amtseinführung von Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris am 20. Januar 2021 vorgetragen hat, damit war sie der jüngste Mensch der je bei einer solchen Amteinführung in den USA einen Vortrag hielt. Ihr Gedicht wurde weitgehend für seine optimistische und mutmachende Botschaft gelobt, besonders vor dem Hintergrund einer zutiefst gespaltenen Nation, die mit den Herausforderungen der COVID-19-Pandemie und politischen Turbulenzen zu kämpfen hatte.

„The Hill We Climb“ spricht Themen wie Einheit, Hoffnung und Widerstandsfähigkeit an und fordert die Menschen auf, trotz der Widrigkeiten zusammenzukommen und an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Gormans poetische Darbietung und starken Worte fanden weltweit Resonanz und machten sie zu einer sofortigen Sensation und einem inspirierenden Symbol für viele insbesondre junge Menschen.

When day comes, we step out of the shade of flame and unafraid.
The new dawn balloons as we free it.
For there is always light, if only we’re brave enough to see it.
If only we’re brave enough to be it.

Das Gedicht und die Performance von Amanda Gorman zeigen nicht nur ihr außergewöhnliches Talent als Dichterin, sondern dient auch als Hoffnungsschimmer in einer Zeit großer Unsicherheit. Sie ermutigt die Menschen, an ihre Fähigkeit zu glauben, gemeinsam Hindernisse zu überwinden und positive Veränderungen herbeizuführen.

Graue Bienen – Andrej Kurkow erschienen im Diogenes Verlag, übersetzt von Johanna Marx und Sabine Grebing

Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schießen. Er überlebt nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen – sich raushalten. Ihn interessiert nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung. Eines Frühlings bricht er auf: Er will die Bienen dorthin bringen, wo sie in Ruhe Nektar sammeln können.

Im dritten Frühling beschließt Sergej, seine Bienen aus der Kriegszone zu bringen. Sie sollen in Ruhe ausschwärmen, um ihren Nektar zu sammeln. Auf seiner Reise knüpft Sergej Freundschaften, stößt aber auch auf Misstrauen und Missgunst. Selbst auf der paradiesischen Krim fühlt er sich nicht wirklich willkommen. Und als sich sogar seine Bienen zu verändern scheinen, beschließt er, in sein Dorf zurückzukehren.

Habe vor Jahren einige Romane von Kurkow gelesen und sehr gemocht, dann rutschte er irgendwie von meinem Radar. Habe die Lektüre wieder sehr genossen und wieder literweise schwarzen Tee getrunken, auch wenn das zu den sommerlichen Temperaturen gar nicht so passen wollte. Ein sehr schönes Buch, das die Schrecken des Krieges in der Ukraine unfassbar nah werden lässt.

Er fühlte sich schon wie eine Biene in einem fremden Bienenstock. Und er wusste, wie Bienen mit Fremden umgingen!

Blanca – Mercedes Lauenstein erschienen im Aufbau Verlag

Die fünfzehnjährige Blanca will weg – weg von ihrer Mutter, die ständig auf gepackten Koffern sitzt, weg von den billigen WG-Zimmern, in denen sie an jedem neuen Ort unterkommen. Ihr Ziel: eine kleine Insel in Italien. Dort, bei Toni und seinem Vater Karl, war sie vor Jahren zum letzten Mal richtig glücklich. Ein Roadtrip quer durch das sommerglühende Land beginnt. Blanca reist als blinder Passagier nach Rom und schlägt sich zu Fuß bis ans Meer durch. Sie klaut in Cafés Essensreste von den Tischen, trifft auf einen Taxifahrer ohne Skrupel und einen zahnlosen Bauern, der sie zur Frau nehmen will. Mercedes Lauenstein entfaltet die Geschichte eines Mädchens, das seinen ganz eigenen Weg geht, ständig begleitet von der Frage, wie viel man vom Leben eigentlich erwarten kann.

Ein sehr bewegender Roman über ein Mädchen mit extrem schwierigen Startbedingungen, eine Kämpferin mit viel Street-Smartness von der man einfach weiß, dass sie ihren Weg machen wird und die mir unfassbar ans Herz gewachsen ist während der Lektüre.

Ich habe für die Schule mal einen Aufsatz mit dem Titel ‚Warum ist alles, wie es ist?‘ geschrieben. Wir sollten über etwas schreiben, das uns beschäftigt. Ich bekam den Aufsatz ohne Bewertung zurück. Die Lehrerin sagte, sie könne einen Aufsatz, der aus zehn Seiten hintereinanderweg geschriebener Fragen bestehe, aber keine einzige Antwort oder auch nur einen einzigen Satz mit Punkt am Ende enthalte, einfach keine Note geben, es tue ihr leid.

Der endlose Sommer – Madame Nielsen erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag, übersetzt von Hannes Langendörfer

Der Rausch eines Sommers – ein flirrender Roman, der die Grenzen des Erzählens sprengt.Die Geschichte einer kleinen Gruppe von Leuten, die im Spiel um die Liebe, die Freundschaft und die Kunst aus der Zeit in einen endlosen Sommer geworfen werden, in dem alles möglich und schicksalsentscheidend ist. Ein Roman wie ein Requiem, musikalisch, melancholisch, verführerisch, der den Leser trunken macht.

Ein junges Mädchen in einem weißen Herrenhaus in Dänemark, ihr Freund, der scheue und zarte Junge, der Stiefvater mit dem Gewehr und dem Misstrauen gegenüber seiner Frau, die beiden jüngeren Brüder – diese kleine Gemeinschaft wird durchgerüttelt, als zwei junge Portugiesen in den endlosen Sommer eintreten. Der eine ist Künstler und verliebt sich in die Mutter des Mädchens. Eine Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang, die so leidenschaftlich und gewaltig ist, dass alle, die in den Bannkreis dieser Amour Fou geraten, in einer Schicksalsgemeinschaft vereint sind, die auch noch besteht, als der endlose Sommer endet.

Der endlose Sommer – das ist dieser Ort, der nie existiert hat und an den wir nie zurückkehren können, d.h. dieser Augenblick der Jugend, in dem alles einfach und verwirrend zugleich erscheint und den wir alle noch einmal erleben möchten.

Madame Nielsen ist eine dänische Schriftstellerin und Künstlerin, deren Werke zeichnen sich durch besondere Sensibilität und Poesie auszeichnen. Ein flirrend-fiebriger Roman, bei dem ich nicht immer unbedingt wußte um wen es gerade geht, oder was genau passiert – aber es passte zu der Stimmung und ich habe den Roman sehr gerne gelesen.

Ein paarmal im Jahr besuchten sie ihre große blonden und blauäugigen Eltern, und sie präsentierte sie stolz ihren spanischen Freundinnen, denen sie vorkamen wie aus dem Märchen, wie Feen oder Engel. Die beiden hatten sich sehr jung kennengelernt, und als sie auf die zwanzig zugingen, begannen sie, sich auseinanderzuleben, genauer gesagt, die Mutter entwickelte sich weg von ihrem Freund…

Lolly Willowes – Sylvia Townsend-Warner erschienen im Dörlemann Verlag hier in der Büchergilden-Ausgabe, übersetzt von Ann Anders

„Lolly Willowes“ ist ein faszinierender Roman von Sylvia Townsend Warner, der erstmals 1926 veröffentlicht wurde. Der Roman erzählt die Geschichte von Laura „Lolly“ Willowes, einer unabhängigen und eigenwilligen Frau, die nach dem Tod ihres Vaters beschließt, ihr Leben in der engen Umgebung ihrer Familie und ihrer gesellschaftlichen Erwartungen hinter sich zu lassen. Sie zieht in das kleine Dorf Great Mop auf dem Land, um dort ein einfacheres, freieres Leben zu führen.

Sylvia Townsend Warner, geboren 1893, war eine englische Schriftstellerin, die als eine der bedeutendsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts gilt. Sie war eine starke Befürworterin der Frauenrechte und drückte in ihren Werken häufig feministische Ansichten aus. Als lesbische Frau lebte sie mit ihrer Lebensgefährtin, der Schriftstellerin Valentine Ackland, zusammen, was zu der Zeit nicht immer einfach war, da Homosexualität damals oft tabuisiert wurde.

„Lolly Willowes“ ist ein bemerkenswertes Werk, da es die Konventionen der Gesellschaft der damaligen Zeit in Frage stellt und eine subtile Kritik an den Rollen, die Frauen auferlegt wurden, bietet. Es erforscht die Idee der weiblichen Autonomie und der Suche nach persönlicher Erfüllung, was zu einer Zeit, in der die Geschlechterrollen streng vorgegeben waren, äußerst progressiv war.

Die Mischung aus literarischem Geschick und sozialem Kommentar macht den Roman zu einer lohnenswerten Lektüre. „Lolly Willowes“ eröffnet dem Leser eine fesselnde Welt und regt zum Nachdenken über die Bedeutung von Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung an. Die Verbindung zwischen Sylvia Townsend Warner und ihrem Werk verstärkt die Wirkung des Romans, da ihre eigene Lebenserfahrung in die Gestaltung der Charaktere und Themen einfließt.

Der Roman war die Juli Lektüre in unserem Bookclub, der Roman selbst wurde etwas durchwachsen besprochen, allerdings waren alle uneingeschränkt total von der Autorin fasziniert und ich werde mich auf jeden Fall auch auf die Suche nach einer Biografie dieser furchtlosen spannenden Frau machen.

Nach ein paar Monaten hörte sie auf, über die Dorfbewohner nachzugrübeln. Sie musste zugeben, dass sie etwas Unerklärbares an sich hatten, doch sie gab sich damit zufrieden, kein Teil dieses Geheimnis zu sein, was auch immer es sein mochte.

Ein seltsamer Ort – Banana Yoshimoto erschienen im Diogenes Verlag, übersetzt von Annelie Ortmanns

Die Zwillingsschwestern Mimi und Kodachi haben in Tokyo ein neues Leben begonnen, seit ihre Mutter in der Heimatstadt zwischen Bergen und Meer der Schlafkrankheit verfallen ist. Auf dem abgelegenen Ort lastet eine dunkle Sage. Eines Tages, als Kodachi die Mutter im Krankenhaus besuchen will, verschwindet sie plötzlich. Mimi macht sich besorgt auf die Suche. Alles deutet auf eine geheimnisvolle andere Welt hin.

Trotz des eigentlichen schweren Stoffes, den sie hier abliefert, ist der Roman leicht und fantastisch. Es mag um Familie und Verlust gehen, aber es geht auch um Jugend, Liebe und Magie. Es wimmelt von mystischen Kräften, Geistern und unerklärlichen Ereignissen. Es ist ein wahrer magischer Realismus, ganz im Sinne von Salman Rushdie oder ihrem japanischen Kollegen Haruki Murakami. Aber Yoshimotos Romane sind irgendwie wärmer als die Werke dieser beiden Autoren. Obwohl es phantastische Elemente gibt, ist es immer noch das normale Leben, mit dem sie sich beschäftigt.

Yoshimotos Stärke ist es, Momente perfekt zu beschreiben in denen man innehalten kann, um in Gedanken genau das festzuhalten, was einen für eine schöne und kurze Sekunde umgibt. Dies dürfte definitiv Yoshimotos experimentellster Roman. Ihre Werke werden oft als Teil der „Japanischen Literatur der Heisei-Ära“ betrachtet, die in der Zeit von 1989 bis 2019 stattfand. In dieser Zeit erlebte Japan eine Zeit des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels, und die Literatur spiegelte diese Entwicklungen wider. Yoshimotos Geschichten zeichnen sich durch eine moderne, zeitgenössische Erzählweise aus und erforschen die emotionale Tiefe ihrer Charaktere.

Sie hat sich mit diesem Roman mehr oder weniger in die Rente verabschiedet. Keine Ahnung wie ernst man diese Ankündigung nehmen muss, aber so sehr ich ihr die wohlverdiente Ruhe gönne, ich würde mich auch in Zukunft gerne wieder schwindelig lesen lassen von ihren seltsamen verstörenden skurillen Figuren. Frau Yoshimotos Bücher kann man nicht fassen, sie rutschen einem durch die Hände in dem Moment in dem man über sie sprechen will, aber genau das liebe ich sie an ihr.

Diese Stadt, so schön, so klein und fein wie ein Schmuckkästchen – und doch lag sie immer, wenn ich an sie dachte, hinter einem Filter der Traurigkeit

Huhu – ist überhaupt noch jemand da, der es bis hier runter geschafft hat oder habe ich euch unterwegs schon alle verloren? Das war echt ein ziemlicher Berg Bücher, aber sorry Urlaub und Zugfahrten und Balkon und so – da wird es schon mal mehr.

Würde natürlich auch dieses Mal gerne wieder wissen von euch – was kennt ihr, was mochtet ihr, was nicht – eure Eindrücke?

Mai Lektüre

Heute habe ich mir beim Wandern ziemlich das Fell verbrannt, war anscheinend doch nicht vollumfänglich eingecremt. Daher verstecke ich mich jetzt auf der schattigen Terrasse vor der Sonne und schreibe jetzt endlich mal meinen Mai Rückblick, aufgrund der – nach wie vor nicht behobenen – Internetprobleme zu Hause war das vor dem Urlaub ja nicht mehr möglich.

Jetzt wieder im Sauseschritt und in alphabetischer Reihenfolge die Kurzvorstellungen der von mir im Mai gelesenen und zum Teil gehörten Bücher.

Birnam Wood – Eleanor Catton bislang noch nicht auf deutsch erschienen.

Es geht auch direkt mit einem Hörbuch los, einem das zu meinen bisherigen Jahres-Highlights gehört.

Vor fünf Jahren gründete Mira Bunting eine Guerrilla-Gartengruppe: Birnam Wood. Als nicht angemeldeter, nicht regulierter, manchmal krimineller, manchmal philanthropischer Zusammenschluss von Freunden pflanzt dieses Aktivistenkollektiv Pflanzen dort an, wo sie niemand bemerkt: an Straßenrändern, in vergessenen Parks und vernachlässigten Hinterhöfen. Seit Jahren kämpft die Gruppe darum, die Kosten zu decken. Dann stößt Mira auf eine Lösung, eine Möglichkeit, die Gruppe endlich langfristig aufzustellen: Ein Erdrutsch hat den Korowai-Pass geschlossen und die Stadt Thorndike abgeschnitten. Die Naturkatastrophe hat eine Gelegenheit geschaffen: eine große, scheinbar verlassene Farm.

Aber Mira ist nicht die einzige, die sich für Thorndike interessiert. Robert Lemoine, der rätselhafte amerikanische Milliardär, hat sich die Farm geschnappt, um dort seinen Endzeitbunker zu bauen – zumindest erzählt er das Mira, als er sie auf dem Grundstück erwischt. Er ist fasziniert von Mira, Birnam Wood und ihrem Unternehmergeist und schlägt ihnen vor, das Land zu bewirtschaften. Aber können sie ihm vertrauen? Und können sie sich gegenseitig vertrauen, während ihre Ideale und Ideologien auf die Probe gestellt werden?

“There’s something so joyless about the left these days,’ Tony continued, ‘so forbidding and self-denying. And policing. No one’s having any fun, we’re all just sitting around scolding each other for doing too much or not enough – and it’s like, what kind of vision for the future is that? Where’s the hope? Where’s the humanity? We’re all aspiring to be monks when we could be aspiring to be lovers.”

Birnam Wood ist ein fesselnder psychologischer Thriller des mit dem Booker Prize ausgezeichneten Autors von The Luminaries, der in seinem Witz, seiner Dramatik und der Vertiefung der Charaktere an Shakespeare erinnert. Es ist eine brillant konstruierte Betrachtung von Absichten, Handlungen und Konsequenzen und eine unnachgiebige Untersuchung des menschlichen Impulses, unser eigenes Überleben zu sichern.

Ein Buch bei dem ich teilweise bereut habe, dass ich es „nur“ als Hörbuch höre, denn ich hätte jede Menge Sätze anstreichen wollen. Ein überaus kluges, zum Nachdenken anregendes Buch mit dem ich mich noch immer beschäftige. Wird sich garantiert bei meinen Highlights 2023 wiederfinden.

Der Komponist und seine Richterin – Patricia Duncker übersetzt von Barbara Schaden erschienen im Berlin Verlag

Am Neujahrstag werden die Leichen entdeckt: sechzehn Tote im frisch gefallenen Schnee. Die Erwachsenen liegen steif im Halbkreis, die Kinder in Pyjamas und Mänteln zu ihren Füßen.

Als er den Bericht erhält, weiß Kommissar Andre Schweigen genau, wen er anrufen muss: Richterin Dominique Carpentier, auch bekannt als „Sektenjägerin“. Sie ist die anerkannte Expertin auf diesem Gebiet, brillant und unerbittlich rational, aber Schweigen hat seine eigenen Gründe, warum er sie für seinen Fall haben möchte. In dem verlassenen Chalet entdecken die Ermittler ein verschlüsseltes Buch mit Himmelskarten, das sie zu dem ungastlichen Komponisten Friedrich Gross führt. Doch während die skeptische Sektenjägerin das Vertrauen des Komponisten gewinnt, wird sie in eine Welt komplexer Familienbande und uralter kosmischer Überzeugungen hineingezogen, aus der sie nicht entkommen kann – und zunehmend auch nicht will -.

Der seltsame Fall des Komponisten und seines Richters ist ein metaphysisches Mysterium von außerordentlicher Kraft, das Glauben, Unsterblichkeit und Leidenschaft in Frage stellt.

Patricia Duncker ist eine wirklich spannende Autorin, die meines Erachtens viel mehr Beachtung verdient hätte. Dieser Roman reicht für mich nicht ganz an „The Deadly Space between“ heran, ist aber auch ein origineller Roman mit starken Bildern. Ich freue mich schon auf mein nächstes Patricia Duncker Buch, das bereits bereitliegt: Die Germanistin

The Shards – Bret Easton Ellis unter dem gleichnamigen Titel erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag, übersetzt von Stephan Kleiner

Mein erster Easton Ellis und ich war selten so hin- und hergerissen bei einem Buch ob ich es lesen soll oder nicht. Ja, denn ich mochte den Film „American Psycho“ – nein, weil Menschen auf deren Meinung ich viel Wert lege mir davon abhielten weil zu frauenfeindlich und blutrünstig. Ja, weil Buddy Donna Tartts die ich ungemein schätze, nein siehe oben. Die Entscheidung wurde mir dann abgenommen, da wir das Buch als Gastgeschenk mitgebracht bekamen und dann war es natürlich entschieden – ich wollte den Roman umgehend lesen und mir eine Meinung bilden.

Mir hat er ausgesprochen gut gefallen, man fällt beim Lesen in einen gruselig-wohligen 1980er Sommer, hat leichte Stephen King Assoziationen, aber nicht Kleinstadt sondern Los Angeles und das Buch hat einen ganz tollen Soundtrack.

Bret Easton Ellis‘ neuer Roman erzählt eine traumatische Geschichte: Während seiner eigenen Schulzeit war ein Serienmörder in L.A. eine Bedrohung für die Jugendlichen.

Der siebzehnjährige Bret ist in der Oberstufe der exklusiven Buckley Prep School, als ein neuer Schüler auftaucht. Robert Mallory ist intelligent, gutaussehend und charismatisch und zieht Bret magisch an. Bret ist sich sicher, dass Robert ein düsteres Geheimnis hat, und kann dennoch nicht verhindern, dass Robert Teil seiner Freundesgruppe wird. Als der Trawler, ein Serienmörder, der Jugendliche auf bestialische Weise umbringt, immer näher an ihn und seine Clique heranrückt, gerät Bret zunehmend in eine Spirale aus Paranoia und Isolation. Doch wie zuverlässig ist Bret als Erzähler?

Because movies were a religion in that moment, they could change you, alter your perception, you could rise toward the screen and share a moment of transcendence, all the disappointments and fears would be wiped away for a few hours in that church: movies acted like a drug for me. But they were also about control: you were a voyeur sitting in the dark staring at secret things, because that’s what movies were—scenes you shouldn’t be seeing and that no one on the screen knew you were watching.

„The Shards“ ist eine faszinierende Mischung aus Fakten und Fiktion, aus Realität und Fantasie, die auf brillante Weise das emotionale Gefüge von Brets Leben als Siebzehnjähriger auslotet – Sex und Eifersucht, Besessenheit und mörderische Wut. Fesselnd, raffiniert, spannend, eindringlich – nur wer seine Romane mit hübsch ordentlich sortierten Handlungsenden bevorzugt mag mit dem eher mehrdeutigen Ende vielleicht nicht ganz glücklich werden. Für mich war der Roman einer meiner Highlights.

Ewig Sommer – Franziska Gänsler erschienen im Kein & Aber Verlag

Eine junge Mutter kommt mit ihrer Tochter in ein Hotel, in dem schon lange keine Gäste mehr abgestiegen sind. Seitdem die Brände im benachbarten Wald toben, hat der einstige Kurort seinen Reiz verloren. Für Iris, die Besitzerin des Hotels, ist der unerwartete Besuch gleichzeitig willkommene Abwechslung und Grund zur Sorge: Irgendetwas scheint mit der Fremden nicht zu stimmen. Ist sie auf der Flucht vor ihrem Mann? Sollte sie der Frau, die sich nicht immer angemessen um ihre Tochter zu kümmern scheint, helfen? Oder müsste sie das Kind vor ihr schützen? Mit der Zeit kommen sich die beiden Frauen näher und fangen an, die Schatten ihrer Vergangenheit auszuleuchten. Iris ahnt, dass dieser Besuch früher oder später ein jähes Ende finden wird – unklar ist nur, aus welcher Richtung wirklich die Gefahr droht.

Eine Hitze. Das ist der Weltuntergang. So geht’s zu Ende mit uns

Franziska Gänsler schafft eine dystopische Atmosphäre in ihrem gelungenen Debüt, das einem dank der Hauptfiguren dennoch Zuversicht und Hoffnung vermitteln.

Mittagsstunde – Dörte Hansen erschienen im Penguin Verlag

Die Wolken hängen schwer über der Geest, als Ingwer Feddersen, 47, in sein Heimatdorf zurückkehrt. Er hat hier noch etwas gutzumachen. Großmutter Ella ist dabei, ihren Verstand zu verlieren, Großvater Sönke hält in seinem alten Dorfkrug stur die Stellung. Er hat die besten Zeiten hinter sich, genau wie das ganze Dorf. Wann hat dieser Niedergang begonnen? In den 1970ern, als nach der Flurbereinigung erst die Hecken und dann die Vögel verschwanden? Als die großen Höfe wuchsen und die kleinen starben? Als Ingwer zum Studium nach Kiel ging und den Alten mit dem Gasthof sitzen ließ? Mit großer Wärme erzählt Dörte Hansen vom Verschwinden einer bäuerlichen Welt, von Verlust, Abschied und von einem Neubeginn.

Man hatte hier als Mensch nicht viel zu melden. Man konnte gern rechts ranfahren, aussteigen, gegen den Wind anbrüllen und Flüche in den Regen schreien, es brachte nichts. Es ging hier gar nicht um das bisschen Mensch.

Mit dem Roman hat mich Dörte Hansen jetzt echt erwischt. Ich mochte das „Alte Land“ ganz gern, mit „Zur See“ bin ich nicht völlig warm geworden, aber die „Mittagsstunde“ die ist mein bislang liebster Roman von ihr. Danke noch mal an meine liebe Freundin Barbara, die ihn mir schenkte und schickte, weil sie mein lauwarmes Urteil zu Hansens neuestem Roman so nicht stehen lassen wollte und sie hatte ja auch wirklich Recht damit. Ein durch und durch norddeutsches Buch mit einem ganz eigenen Sound und Figuren mit denen ich jederzeit mal den einen oder anderen Schnapps kippen würde.

Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt – Jaroslav Kalfar übersetzt von Barbara Heller erschienen im Klett-Cotta Verlag

Der Roman war meine Begleitlektüre nach Karlovy Vary und ich habe hier schon kurz über den Roman geschrieben. Das war eine beglückende Lektüre und ich freue mich schon auf weitere Bücher des Autoren.

Salem’s Lot – Stephen King auf deutsch erschienen unter dem Titel „Brennen muss Salem“ im Heyne Verlag, übersetzt von Peter Robert

„Brennen muss Salem“ von Stephen King ist eine packende und gruselige Vampirgeschichte, die den Leser sehr schnell in seinen Bann zieht. Die Handlung spielt in der kleinen Stadt Jerusalem’s Lot und folgt dem Schriftsteller Ben Mears, als er zurückkehrt, um seine Kindheitsdämonen zu konfrontieren. Doch bald entdeckt er, dass die Stadt von einer finsteren Macht übernommen wird, die sich an den Bewohnern labt und sie in blutdurstige Kreaturen der Nacht verwandelt.

Kings meisterhafte Erzählweise und seine detaillierten Charaktere machen ‚Brennen muss Salem‘ zu einer wahrhaft unheimlichen Lektüre. Die atmosphärischen Beschreibungen und das Gefühl der Bedrohung durchdringen jede Seite und schaffen eine beunruhigende Stimmung, die noch lange nach dem Lesen des Buches anhält. Die vielfältige und fehlerhafte Besetzung von Charakteren verleiht der Geschichte Tiefe, und ihr Kampf gegen die herannahende Dunkelheit sorgt für eine fesselnde Handlung.

The basis of all human fears, he thought. A closed door, slightly ajar.

Mit seiner Mischung aus übernatürlichem Horror und psychologischem Spannungsbogen zeigt ‚Brennen muss Salem‘ Kings Fähigkeit, in die dunkelsten Ecken der menschlichen Natur einzutauchen. Es ist eine klassische Vampirgeschichte, die den Leser gleichermaßen erschreckt und fesselt und Kings Ruf als Meister des Genres festigt.

Habe nach der Lektüre die gleichnamige Verfilmung aus dem Jahr 1979 gesehen und fand die deutlich gruseliger als erwartet:

Intimacies – Katie Kitamura auf deutsch unter dem Titel „Intimitäten“ erschienen im Hanser Verlag, übersetzt von Kathrin Razum

Was braucht ein Ort, um zu einem Zuhause zu werden? Die heimatlose Erzählerin verlässt New York, um am Gerichtshof in Den Haag als Dolmetscherin zu arbeiten. Als sie Adriaan kennenlernt, scheint die Stadt zur Antwort ihrer Sehnsüchte zu werden. Doch dann verschwindet er zu seiner Noch-Ehefrau und hinterlässt nichts als Fragen. Fragen, die sich zu einem existenziellen Abgrund auftun, als sie für einen angeklagten westafrikanischen Kriegsverbrecher dolmetschen muss und zweifelt: Was ist kalkulierte Lüge, was Wahrheit? Glauben nur noch die Naiven an Gerechtigkeit? Wer kann über wen richten? Katie Kitamuras subtiler Roman ist ein anregendes intellektuelles Vergnügen mit hypnotischer Sogwirkung.

Interpretation can be profoundly disorienting, you can be so caught up in the minutiae of the act, in trying to maintain utmost fidelity to the words being spoken first by the subject and then by yourself, that you do not necessarily apprehend the sense of the sentences themselves: you literally do not know what you are saying. Language loses its meaning

Ein leiser Roman der eine Frau porträtiert die zwischen unterschiedlichen Wahrheiten gefangen ist. Die Mai Lektüre unseres Bookclubs hat allgemein Anklang gefunden, das interessante Einblicke in die Tätigkeit von Übersetzer*innen an einem Gerichtshof bietet, fürchte aber ich werde das Buch nicht sehr lange im Gedächtnis behalten.

The End of Men – Christina Sweeney-Baird auf deutsch unter dem Titel „Die andere Hälfte der Welt“ im Diana Verlag erschienen, übersetzt von Carola Fischer

Der Roman beginnt in London, wo Catherine, eine Sozialanthropologin mit einer glücklichen Ehe und einem bezaubernden 3-jährigen Sohn, eine Fruchtbarkeitsbehandlung vermeidet, weil sie einem zweiten Kind skeptisch gegenübersteht. Ein großer Fehler. Fünf Tage später, an „Tag 1“, stirbt ein Mann ohne ersichtlichen Grund in einem Krankenhaus in Glasgow. Nachdem zwei Tage später ein zweiter Mann dort stirbt und weitere erkranken, wittert die behandelnde Ärztin Amanda, selbst Ehefrau und Mutter zweier Söhne, eine nahende Katastrophe. Sie wendet sich an die kürzlich unabhängig gewordenen schottischen Gesundheitsbehörden, die ihre Bedenken abtun. Am 5. Tag ist „die Pest“, obwohl sie immer noch auf Schottland beschränkt ist, „alles, worüber man in London reden kann“. Und so breitet sich die Pest aus, Tag für Tag, in acht Abschnitten, die die Stadien von AUSBRUCH über PANIK und ANPASSUNG bis zur ERINNERUNG beschreiben. Obwohl Frauen Überträgerinnen sein können, erkranken nur Männer (jeden Alters), fast immer tödlich.

Die Überlebenden, d. h. die Frauen, erleben, was Überlebende heute erleben – Verlust, Isolation, Angst, Schuldgefühle, körperliche Schäden, finanzielle Krisen und gelegentlich auch Glück. Catherine und Amanda, die früh die Männer und Jungen in ihrem Leben verlieren, stehen im Mittelpunkt, während sie ihr Leben rekonstruieren. Doch die britische Autorin Sweeney-Baird wechselt den Fokus auf immer mehr Charaktere – wohlhabend, aus der Arbeiterklasse, in der Stadt, auf dem Land, weiß, schwarz, asiatisch, heterosexuell, LGBTQ+, britisch, amerikanisch, kanadisch, philippinisch – als hätte sie Angst, irgendeine soziale Untergruppe auszulassen. Eine oberflächliche Charakterentwicklung ist unvermeidlich. Aber eine fesselnde Besonderheit ist die Darstellung der brillanten schwulen kanadischen Wissenschaftlerin Lisa, einer Schurkin und viel gehassten Retterin, die die Pandemie als Sprungbrett zu Reichtum und Ruhm nutzt. In der Zwischenzeit werfen der Verlust des größten Teils der männlichen Weltbevölkerung und die Art und Weise, wie die Regierungen auf die Seuche reagieren, komplizierte ethische Fragen auf.

I have never felt so powerful. This must be what men used to feel like. My mere physical presence is enough to terrify someone into running. No wonder they used to get drunk on it.

Sweeney-Baird hat wohl sowas wie den Aktualitäts-Jackpots gewonnen. Sie hat das Buch bereits 2018 vor der Covid-19 Epidemie geschrieben.

Das Ende der Menschen ist ein intelligenter, unheimlich vorausschauender Roman, der gleichzeitig nachdenklich und hochemotional ist.

The end of the world running club – Adrian J Walker auf deutsch im Fischer Tor Verlag erschienen unter dem Titel „Am Ende aller Zeiten“ übersetzt von Nadine Püschel und Gesine Schröder

Adrian J Walker hat mit ›Am Ende aller Zeiten‹ einen postapokalyptischen Roman geschrieben, in dem ein ganz normaler Familienvater vor die größte Herausforderung seines Lebens gestellt wird.

Edgar Hill ist Mitte dreißig, und er hat sein Leben gründlich satt. Unzufrieden mit sich und seinem Alltag in Schottland als Angestellter, Familienvater und Eigenheimbesitzer, fragt er sich vor allem eins: Hat das alles irgendwann einmal ein Ende? Er ahnt nicht, dass sich die Katastrophe bereits anbahnt.
Als das Ende kommt, kommt es von oben: Ein dramatischer Asteroidenschauer verwüstet die Britischen Inseln. Das Chaos ist gigantisch, die Katastrophe total. Ganze Städte werden ausgelöscht. Straßen, das Internet, die Zivilisation selbst gehören plötzlich der Vergangenheit an. England liegt in Schutt und Asche. Ist dies der Weltuntergang?

That beast inside you, the one you think is tethered tightly to the post, the one you’ve tamed with art, love, prayer, meditation: it’s barely muzzled. The knot is weak. The post is brittle. All it takes is two words and a siren to cut it loose.

Edgar und seine Familie werden während der Evakuierung voneinander getrennt, und ihm bleibt nur eine Wahl: Will er Frau und Kinder jemals wiedersehen, muss er 500 Meilen weit laufen, durch ein zerstörtes Land und über die verbrannte Erde, von Edinburgh nach Cornwall. Zusammen mit einigen wenigen Gefährten begibt sich Edgar Hill auf einen Ultra-Marathon durch ein sterbendes Land. Doch sein Weg ist gefährlich: Im postapokalyptischen England kämpft jeder gegen jeden ums blanke Überleben.

Edgar ging mir ziemlich auf die Nerven. Ein rumheulendes Kind in der Gestalt eines Mannes, den ich mehrfach einfach nur schütteln wollte. Es wurde deutlich weniger gerannt als ich es vermutet hätte bei dem Titel. Es gibt noch einen Folgeband bei dem die Geschichte aus Sicht von Edgars Frau beschrieben wird – mal schauen, ob ich noch mal Lust und Energie dafür aufbringe. Wollte eigentlich die meiste Zeit rufen „run away from him“ 😉

So das wars jetzt aber mit der Mai Lektüre. Viel Dystopisch-gruseliges unter sonnigem Himmel – insgesamt ein guter Lesemonat. Welche Bücher kennt ihr, auf welche konnte ich euch Lust machen?

Lektüre Juli 2022

Im Juli waren wir mit lieben Freund*innen in Berlin zum Billie Eilish Konzert und haben es auch fast bis auf die Pfaueninsel geschafft, leider fiel unser Besuch dort für den ich das Buch als Berlin Lektüre dabei hatte im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Es fing so unfassbar heftig an zu regnen, dass wir die Fähre ohne uns fahren liessen und uns ins Wirtshaus zur Pfaueninsel flüchteten, in der Hoffnung es läßt nach. Tat es aber nicht. Dafür habe ich aber sehr liebe Freundinnen in Berlin getroffen, das hat mich dann wieder versöhnt und wir haben sogar einen kleinen Ausflug in den Spreewald gemacht.

Ansonsten war der Juli sehr heiß, von leider vielen Bruder-Dramen geprägt, ich war aber auch ganz wunderbar mit dem kleinen Neffen Karussell fahren, habe eine Arbeitswoche im Rheinland verbracht und habe daher viel in Zügen, in Hotelzimmern, auf dem Balkon und im kühlen Bettchen gelesen. War ein guter Lesemonat.

Den Anfang machen zwei Bücher, die ich von lieben Freund*innen bekommen habe, die literarisch Abhilfe oder zumindest doch Unterhaltung für meine schlaflosen Nächte schaffen sollten:

Anders Bortne – Schlaflos übersetzt von Sabine Richter erschienen im Mairisch Verlag

Anders Bortne leidet seit 16 Jahren an Schlaflosigkeit. Viele Nächte schläft er überhaupt nicht, manchmal findet er für wenige Stunden Ruhe auf der Couch. Teilweise ist er so müde, dass er seine Kinder nicht im Auto zur Kita bringen kann, aus Angst davor, am Steuer einzuschlafen. Wie er selbst leiden auch seine Familie und sein Umfeld unter seinen Stimmungsschwankungen. Bortne erkennt, dass es so nicht weitergeht, er will eine dauerhafte Lösung für sein Schlafproblem finden und zwar ohne Medikamente.

Und so nimmt uns der Autor mit auf eine Odyssee, bei der er Wissen über Schlaf und Insomnie aus der ganzen Welt zusammenträgt, Ärzte und Schlafforscher besucht und an deren Ende er wirklich eine Lösung für seine Schlafprobleme findet. Ein klug und unterhaltsam erzähltes Buch für alle, die ihren Schlaf besser verstehen und vielleicht endlich einmal wieder fest schlafen möchten.

Habe ich sehr gerne gelesen und auch den einen oder anderen Tipp für mich in den Alltag integriert.

Alle anderen schlafen, jede Nacht, das ganze Leben über. Fünf Stunden, sechs, sieben, acht, neun…
Wäre es nicht Schlaf, sondern Essen, das mir so über sechzehn Jahre hinweg genommen worden wäre, würde ich jetzt aussehen wie eine wandelnde Leiche.

Bernd Brunner – Das Buch der Nacht erschienen im Galiani Verlag

Bernd Brunner streift durch die wundersamen Stunden zwischen Dämmerung und Morgengrauen und beleuchtet unser Verhältnis zur Nacht auf dem Grenzgebiet zwischen Geschichte, Mythologie, Biologie und Literatur.

Jahrtausendelang gab die Natur einen festen Rhythmus vor. Am Tag herrschte rege Geschäftigkeit – doch nach Sonnenuntergang sank alles in die Welt des Schlafs und der Träume. Nur nachtaktive Geschöpfe und leidenschaftliche Noctivaganten wie Goethe, der bei Mondschein schwimmen ging, genossen die Dunkelheit.

Echte Finsternis finden wir heutzutage nur an entlegenen Orten oder paradoxerweise in künstlich geschaffenen Umgebungen, die den Tag zur Nacht machen: Nachttierhäuser oder Dunkelrestaurants, die sich großer Beliebtheit erfreuen.

In Bernd Brunners »Buch der Nacht« begegnen wir mystischen Nachtgestalten, Aberglaube und Bräuchen und begeben uns auf eine Entdeckungsreise, die uns darüber staunen lässt, welche Geheimnisse die Nacht bis heute birgt.

Für den Schriftsteller Alberto Manguel entwickeln die Bücher seiner Bibliothek bei Nacht „Stimmen“, die viel über die Welt, den Platz der Bücher in derselben sowie die Menschen erzählen, die die Bücher geliebt, verteufelt, verbannt oder sogar verbrannt haben. „Bei Licht lesen wir das, was andere ersonnen haben; in der Dunkelheit erfinden wir unsere eigenen Geschichten.“ Und er schrieb: „Die Bibliothek, die in den Morgenstunden die Sehnsucht nach einer streng an Vernunftprinzipien orientierten Weltordnung widerspiegelt, taucht nachts voller Freude ein in das elementare, fröhliche Durcheinander der Welt.“

Emily M. Danforth – Plain Bad Heroines erschienen im William Morrow Verlag mit Illustrationen von Sara Lautman

Mein Hörbuch diesen Monat. Hat mir richtig gut gefallen. Ein düster atmosphärisches Sommerbuch, eine seltene Kombination.

Die Geschichte beginnt im Jahr 1902 an der Brookhants School for Girls. Flo und Clara, zwei Schülerinnen, sind hin und weg: voneinander und von einer spannendenden jungen Schriftstellerin namens Mary MacLane, deren Werk sie verschlingen. Um ihre Verehrung für Mary zu zeigen, gründen die Mädchen ihren eigenen Club und nennen ihn „The Plain Bad Heroine Society“. Sie treffen sich heimlich in einer nahe gelegenen Apfelplantage, dem Ort an dem sie die schönsten Stunden erleben, am Ende aber leider auch auf schreckliche Weise zu Tode kommen. Ihre Leichen werden neben einem Exemplar von Marys Buch gefunden wo sie Opfer eines Schwarms von wütenden Wespen wurden. Weniger als fünf Jahre später schließt die Brookhants School for Girls für immer ihre Pforten – nach dem drei weitere Menschen auf mysteriöse Weise auf dem Gelände sterben, jede auf höchst beunruhigende Weise.

Eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte und mit wunderbaren Schwarz-Weiß-Illustrationen die ich zum Glück im Internet finden konnte, die beim Hörbuch natürlich fehlen. Toller Sommer-Gothic-Noir-Thriller mit einigen gruseligen Momenten, einem leider etwas schwachen Ende und nach der Lektüre hat man noch weniger Lust auf Wespen als eventuell vorher schon.

Emily M. Danforths erstes Buch „The Miseducation of Cameron Post“ wurde ein riesiger Erfolg der auch verfilmt wurde – Buch und Film stehen ganz weit oben auf meiner Liste…
Große Lust hat mir der Roman auch auf Mary MacLanes Buch „Ich erwarte die Ankunft des Teufels“ – würde sich sicherlich perfekt in Kombination mit „Plain Bad Heroines“ lesen.

Eleanor Faderman knew many books. But never before had she read a book that seemed to know her.

Adeline Dieudonné – Bonobo Moussaka übersetzt von Sina de Malafosse erschienen im dtv Verlag

Weihnachten ist das Fest der Familie. Daher nimmt sie ihre beiden Kinder mit zu ihrem Cousin, der die alleinerziehende Mutter großmütig eingeladen hat, sich mit seiner Musterfamilie und der Familie eines befreundeten Bankers an den üppig gedeckten Tisch zu setzen. Ein Essen in seliger Eintracht? Nicht ganz … Denn lauscht man dieser jungen Frau von heute (die Adeline Dieudonné gar nicht so unähnlich ist), offenbart sich, was sie angesichts der virulenten Themen unserer Gesellschaft fühlt und denkt. Doch sie wird sich nicht unterkriegen lassen. Schließlich hat sie zwei Kinder in diese Welt gesetzt und wird alles dafür tun, dass sie eine Zukunft haben.

Selten wechseln Lachanfälle und Momente in denen einem krass das Lachen im Hals stecken bleibt so rasant wie in diesem kleinen Büchlein. Definitiv eines das noch lange nachhallt und sich hartnäckig in den Gehirnwindungen festsetzt und von dem ich sicher bin, dass es demnächst auf der Theaterbühne zu sehen sein wird.

Lustigerweise entspricht das Haus genau der Definition von einem „sehr hübschen Haus am Stadtrand“. Es würde sich sehr gut auf dem Werbebanner einer Immobilienfirma machen, die eine neue Wohnsiedlung plant. Auf mich macht das Haus allerdings eher einen eher traurigen Eindruck

Viktor E. Frankl – Man’s search for meaning auf deutsch unter dem Titel „Trotzdem ja sagen zum Leben“ im Penguin Verlag.

Mehrere Jahre musste der österreichische Psychologe Viktor E. Frankl in deutschen Konzentrationslagern verbringen. Doch trotz all des Leids, das er dort sah und erlebte, kam er zu dem Schluss, dass es selbst an Orten der größten Unmenschlichkeit möglich ist, einen Sinn im Leben zu sehen. Seine Erinnerungen, die er in diesem Buch festhielt und die über Jahrzehnte Millionen von Menschen bewegten, sollen weder Mitleid erregen noch Anklage erheben. Sie sollen Kraft zum Leben geben.

Viktor E. Frankl, geboren 1905, war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien und Professor für Logotherapie u. a. in San Diego, Kalifornien. Er war Inhaber von 29 Ehrendoktoraten, und seine Bücher wurden in 22 Sprachen übersetzt. Die Erinnerungen an seine Zeit im Konzentrationslager – haben seit Erscheinen 1946 Millionen von Lesern bewegt. Viktor E. Frankl starb 1997 in Wien.

Wir haben das Buch gemeinsam im Bookclub gelesen und sind gemeinsam zu dem Schluß gekommen, dass das wirklich eines der wichtigsten Bücher unserer Zeit ist. Unfassbar wieviel ein Mensch aushalten kann.

Everything can be taken from a man but one thing: the last of the human freedoms—to choose one’s attitude in any given set of circumstances, to choose one’s own way.

Thomas Hettche – Pfaueninsel erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag

Eine Insel außerhalb der Zeit

Die Pfaueninsel in der Havel ist ein künstliches Paradies. In seinem opulenten, kundigen und anrührenden Roman erzählt Thomas Hettche von dessen Blüte, Reife und Verfall aus der Perspektive des kleinwüchsigen Schlossfräuleins Marie, in deren Lebenslauf sich die Geschichte eines ganzen Jahrhunderts verdichtet.Es mutet an wie ein modernes Märchen, denn es beginnt mit einer Königin, die einen Zwerg trifft und sich fürchterlich erschrickt. Kaum acht Wochen nach dieser Begegnung auf der Pfaueninsel, am 19. Juli 1810, ist die junge Königin Luise tot – und der kleinwüchsige Christian und seine Schwester Marie leben fortan weiter mit dem entsetzten Ausruf der Königin: »Monster!« Damit ist die Dimension dieser Geschichte eröffnet.

Am Beispiel von Marie, die zwischen den Befreiungskriegen und der Restauration,zwischen Palmenhaus und Menagerie, Gartenkunst und philosophischen Gesprächen aufwächst und der königlichen Familie bei deren Besuchen zur Hand geht, erzählt Thomas Hettche von der Zurichtung der Natur, der Würde des Menschen, dem Wesen der Zeit und der Empfindsamkeit der Seele und des Leibes.Dabei geht es um die Gestaltung dieses preußischen Arkadiens durch den Gartenkünstler Lenné und um all das, was es bevölkerte: Palmen, Kängurus und Löwen, Hofgärtner, Prinzen, Südseeinsulaner, Riesen, Zwerge und Mohren – und es geht um die Liebe in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen.Thomas Hettche ist das Kunststück gelungen, mit dem historisch verbürgten Personal seiner Geschichte von uns Heutigen zu erzählen. Atmosphärisch, detailgetreu und voller Lust an der phantasievollen Ausschmückung.

Wundervoller Roman, der zurecht vor ein paar Jahren den Deutschen Buchpreis gewonnen hat. Habe ich sehr gerne gelesen und nun fehlt nur noch der Besuch auf der Pfaueninsel, aber das wird sicherlich irgendwann einmal klappen.

Alles Künstliche verschwand in dem Moment, in dem der Wille verschwand, es zu erhalten, und was eben noch modern gewesen war und Versprechen einer neuen Zeit, sank lautlos und kraftlos als Mode zurück ins Vergessen. Das Vergehen der Zeit, dachte sie, war ja vor allem ein Vergehen von Zukunft und ein Sieg der Vergangenheit.

Irene Vallejo – Papyrus. Die Geschichte der Welt in Büchern übersetzt von Maria Meinel und Luis Ruby erschienen im Diogenes Verlag

„Papyrus“ erzählt die Geschichte des Buches, eines Artefakts, das die Menschheit seit fast dreitausend Jahren fasziniert und das es in den unterschiedlichsten Formen gegeben hat: aus Rauch, Stein, Ton, Schilf, Seide, Leder, Holz und neu auch aus Kunststoff und Licht. Auf ihrer Entdeckungsreise führt uns Irene Vallejo von den Schlachtfeldern Alexanders des Großen und den Palästen der Kleopatra über die ersten Buchhandlungen bis in das unterirdische Labyrinth des heutigen Oxford und verbindet dabei gekonnt klassische Werke mit der Gegenwart: Seneca mit postfaktischer Wahrheit, Aristophanes mit der Provokation durch Karikaturen oder Sappho mit dem weiblichen Blick. Ein Sachbuch, das sich liest wie ein Abenteuerroman – und eine leidenschaftliche Hommage an die Welt der Bücher.

Die Leidenschaft des Büchersammlers gleicht der eines Reisenden. Jede Bibliothek ist eine Reise; jedes Buch ist ein Fahrschein mit unbegrenzter Gültigkeit. Alexander zog durch Afrika und Asien, ohne sich von seinem Exemplar der Illias zu trennen; Historikern zufolge suchte er darin Rat und nährte seine Sehnsucht nach höherer Bedeutung. Die Lektüre eröffnete ihm, wie ein Kompass, Wege ins Unbekannte

Große Empfehlung für alle Bücher-Verrückten und Menschen mit Interesse für die Antike. Eine außergewöhnliche Weltgeschichte die meine Leseliste wieder immens befüllt hat. Ein Buch das sich auch ganz wunderbar verschenken läßt.

Klaus Cäsar Zehrer – Das Genie erschienen im Diogenes Verlag

1886 landet der junge ukrainische Einwanderer Boris Sidis in New York. Er hat keinen Cent in der Tasche, aber einen brillanten Geist und den großen Ehrgeiz, die Welt von Dummheit und Krieg zu befreien – durch Bildung. Wenige Jahre später, Boris ist inzwischen Harvard-Absolvent und ein berühmter Psychologe, wird sein Sohn geboren. Boris will an ihm demonstrieren, dass sich jedes Kind zum Genie erziehen lässt, wenn es von Anfang an die richtige Förderung bekommt. Der Erfolg ist durchschlagend: Der kleine William James bricht alle Rekorde, macht mit acht Jahren seinen High-School-Abschluss und wird als »Wunderjunge von Harvard« gefeiert. Doch als Erwachsener hat William nur noch einen Wunsch: ein selbstbestimmtes Leben nach seinen Vorstellungen zu führen, auch wenn er dafür mit den Erwartungen seiner Eltern und der Gesellschaft brechen muss. Kein einfaches Ziel in einer Zeit, in der Unangepasstheit nicht sonderlich geschätzt wird und zwei Weltkriege sowie eine schwere Wirtschaftskrise die Welt erschüttern. Ein biographischer Roman über die faszinierende, wahre Lebensgeschichte des exzentrischen Genies William James Sidis (1898–1944), bewegend und verblüffend aktuell.

Am besten, dachte er, wäre es, wenn man für jede wiederkehrende Situation im Leben eine eindeutige Handlungsanweisung hätte. Dann müsste man nie mehr überlegen, was man tun soll und wie. Er nahm ein Notizbuch und schrieb auf, wie er sich künftig verhalten wollte.

Krasse Geschichte und hätte ich nicht gewusst, dass es sich um einen biografischen Roman handelt, ich hätte niemals geglaubt, dass irgendjemand sein Kind erzieht wie es Boris Sidis mit seinem Sohn gemacht hat. Habe ich ebenfalls sehr gerne gelesen und kann es absolut empfehlen.

Das war ein sehr guter Lesemonat mit keinerlei Enttäuschungen.

Welches der Bücher kennt ihr bereits, auf welches konnte ich euch Lust machen? Freue mich immer sehr, von Euch zu hören.

21 aus 21

Die liebsten, die spannensten, die mich am meisten zum Nachdenken angeregt haben und es fehlen im Bild die verliehenen oder die, die ich als Hörbuch gehört habe:

Was waren eure liebsten in 2021? Ich freue mich auf ein weiteres Jahr mit Euch und danke für die Treue, die Kommentare, das Feeback, die Freundschaft. Ich wünsche Euch allen von Herzen ein tolles 2022 mit viel Glück, Gesundheit und Zeit zum lesen und nachdenken.

13. Türchen: Nerds von Sibylle Berg

Noch ein garantiert schlauer machendes Buch.

„Verloren in der Gegenwart kurz vorm Untergang? Dieses Buch hilft!

Permanent sind wir mit Meldungen aus aller Welt konfrontiert, die wir weder einordnen noch anständig bewerten können. Und zum Handeln befähigen sie uns auch nicht. Was soll man gegen den aufkommenden Faschismus tun? Gegen schmelzende Gletscher? Gegen Überwachung und Verknappung des Wohnraums? Sibylle Berg versucht es in Gesprächen mit Wissenschaftler*innen herauszufinden. Während der Arbeit an ihrem Roman »GRM« sprach Sibylle Berg über zwei Jahre hinweg mit Expert*innen aus den verschiedensten Disziplinen – mit Systembiolog*innen, Neuropsycholog*innen, Kognitionswissenschaftler*innen, Meeresökolog*innen, Konflikt- und Gewaltforscher*innen. Über den Zustand in ihren Fachgebieten. Und über Ideen für eine Zukunft, die sich nicht wie ein Albtraum ausnimmt. Wie sich wehren gegen Parolen, die den Verstand beleidigen? Wie verhalten wir uns zu der Politik des Spaltens und Herrschens, die gerade weltweit ein Erfolgsmodell zu sein scheint? Was bedeutet die digitale Revolution, und gibt es eigentlich noch Hoffnung? Dieses Buch ist das Richtige für alle, die sich auch solche Fragen stellen und besser gewappnet sein wollen für das, was auf uns zukommt.“

Gespräche mit:
Jürgen Schmidhuber – Lorenz Adlung – Jens Foell – Odile Fillod – Hedwig Richter – Matthias Schuler – Lynn Hersham Leeson – Dirk Helbing – Jutta Weber –Iddo Magen –Valerie M. Hudson – Avi Loeb – Carl Safina – Robert Riener – Wilhelm Heitmeyer – Anja Thierfelder

3. Türchen: Frauenliteratur von Nicole Seifert

Hinter dem 3. Türchen verbirgt sich heute eines meiner Lieblingsbücher 2021. Ich habe es verschlungen, die Leseliste wurde immer länger und es ist das Buch, das ich dieses Jahr wohl am häufigsten verschenken werde.

Banal, kitschig, trivial – drei Adjektive, mit denen das literarische Schaffen von Frauen seit Jahrhunderten abgewertet wird. Während Autoren tausende von Seiten mit Alltagsbeschreibungen füllen und dafür gefeiert werden, wird Schriftstellerinnen, die Ähnliches unternehmen, Befindlichkeitsprosa vorgeworfen. Nicole Seifert ist angetreten, die frauenfeindlichen Strukturen im Literaturbetrieb aufzuzeigen. Denn von vielen von Frauen verfassten Büchern hören wir erst gar nicht, weil Zeitungs-, Radio- und Fernsehredaktionen und noch davor Buchverlage eine entsprechende Vorauswahl treffen. Vom Deutschunterricht bis zum Germanistikstudium ist der Autorinnenanteil noch immer verschwindend gering, und so lernen wir von Anfang an: Was literarisch wertvoll ist, stammt von Männern. Nachdem Nicole Seifert drei Jahre lang ausschließlich Literatur von Frauen – Klassiker wie Zeitgenössisches, Bekanntes wie Unbekannteres – gelesen hat, ist klar: Die vielbeschworene »Qualität« ist nicht das Problem. Im Gegenteil: Wir verpassen das Beste, wenn wir in unseren Bücherregalen nicht endlich eine Frauenquote einführen.

Welche Bücher von Frauen haben euch ganz besonders geprägt im Leben? Dieser Frage werde ich in einer neuen Reihe 2022 mal nachgehen.

Erlesener Sommer – die August Bücher

Draußen war nicht immer so viel Sommer, wie ich es mir gewünscht hätte, aber ich habe mir den Sommer auf jeden Fall mit einer ganzen Reihe Bücher herbeigelesen. Der August war ein guter Lesemonat mit interessanten Entdeckungen, erneuten Begegnungen und ohne Ausfälle.

Ich starte gleich mal mit einer meiner größten überraschenden Entdeckungen. Ein Buch, das mir garantiert durch die Lappen gegangen wäre, hätte mich die wunderbare Susanne vom Diogenes Verlag nicht zu einer Autorinnen-Lesung/Zoom-Runde eingeladen. Leseexemplar bestellt, aufgrund vom Klappentext erst mal gar nicht so viel erwartet und dann war ich aber – peng – komplett umgehauen, von diesem überraschenden, ungewöhnlichen, bild- und sprachgewaltigen Werk:

Ohne Fürsorge und Liebe wächst der 11-jährige Martin am Rande eines Dorfes auf. Er hat nur seinen schwarzen Hahn und wird gemieden von den Dörflern, die das Tier für den Teufel halten. Doch nutzen sie den Jungen aus, wann immer sich die Möglichkeit bietet. Martin jedoch verfügt über ein reines Herz und einen wachen Verstand, der ihn Verbrechen erkennen lässt. Als er mit ansehen muss, wie ein schwarzer Reiter, der der Legende nach jedes Jahr Kinder entführt, ein Mädchen raubt, steht für ihn fest, dass er die verschwundenen Kinder finden und dem Spuk ein Ende setzen muss. Mit dem Maler verlässt Martin sein Dorf und bricht auf zu einer Odyssee, auf der er nicht nur menschlichen Abgründen nachspürt, sondern auch seinen Fähigkeiten.

Ein Roman über die Hoffnung in einer dunklen Welt, über Mut und den Sieg der Rationalität über Aberglauben und Hass. Großartige Sprache – unvergessliche Bilder, dieses Buch wird, glaube ich, durch die Decke gehen und ich würde mich für die sympatische Autorin von Herzen freuen.

Witziger Zufall war die Verknüpfung, die in meinem Hirn passierte zwischen dem Maler in diesem Buch, der irgendwann im Mittelalter in einer Kirche ein Wandgemälde anfertigt und dem Roman „Ein Monat auf dem Land“, in dem ein junger Restaurateur in den 1920er Jahren ein Wandgemälde aus dem Mittelalter in einer Kirche freilegt. Was für ein witziger Zufall…

„Alles an ihm wirkt ruhig und bedacht. Und das macht ihn den Leuten im Dorf unbequem. Sie haben es nicht gern, dass einer zu lebendig ist oder zu ruhig.“

Ich danke dem Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar.

Ein wunderschöner Roman über eine besondere Freundschaft, die Ruhe auf dem Lande und den Einfluss der Vergangenheit. Die junge Sally ist von zu Hause weggelaufen und trifft auf Liss, die einen eigenen Bauernhof betreibt. Liss nimmt Sally bei sich auf und zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine Beziehung, die sie nicht erwartet hatten.

Vor allem die Beschreibungen der Landschaft und des Geschehens auf dem Hof schaffen eine gewisse Ruhe beim Lesen. Die Langsamkeit, mit der Liss und Sally mit ihren Händen Birnen und Trauben pflücken, Kartoffeln ausgraben und all die anderen Arbeiten verrichten, spiegelt sich auch im Schreibstil des Romans wider. In aller Ruhe. Der ruhige Bauernhof, das friedliche Dorf mit seinen Kirchenglocken, das Tal, in dem der Nebel verweilt… Die Atmosphäre der Umgebung ist wunderschön wiedergegeben.

Ein Buch, das garantiert blutdrucksenkende Wirkung hat und man es kaum abwarten kann zum Markt zu kommen, um verschiedene Birnensorten zu kaufen, die man während des Lesens verzehrt. Das perfekte Spätsommerbuch und ein Autor, von dem ich sehr gerne noch mehr lesen möchte.

Vielleicht würde Sonnenlicht so schmecken, wenn es durch das Laub alter Bäume direkt auf die Zunge fiele.

Tom Birkin wird beauftragt, ein mittelalterliches Wandgemälde in einer Kirche freizulegen und zu restaurieren, das vor über vierhundert Jahren verdeckt wurde. Als er die Kalk- und Schmutzschichten fachmännisch abblättert, findet er an den Wänden unerwartete Motive von berauschender Qualität. Auch was er über die Menschen, insbesondere über sich selbst, erfährt, ist unerwartet: Der Prozess der Restaurierung ist für ihn der Beginn einer Transformation und wunderbar erholsam.

Und Erholung hat er bitter nötig. Der 1. Weltkrieg hat ihn an Leib und Seele zerstört, er kehrt entfremdet in sein altes ziviles Leben zurück. Während seine Gefühle in der heutigen Zeit auf eine posttraumatische Belastungsstörung zurückgeführt werden können, hatte Birkin 1920 kein Ventil für seine Gefühle. Seine Frau Vinny hatte ihn wegen eines anderen Mannes verlassen, desillusioniert vom Leben als ungewollter Single in London nimmt Birkin den Restaurantions-Job in einem kleinen Dörfchen namens Oxgodby an.

J.L. Carr schafft es auf elegante Weise, eine große Bandbreite und Tiefe auf nur 102 Seiten zu vereinen: Geheimnisse, Liebe, Tragödie, Humor, soziologische Analysen, verlorene Chancen, Freundschaft, Kunst und allgemeine Schönheit. Es ist eine nuancierte Mischung, die geschickt ein paar dunkle Untertöne in eine ländliche Idylle einwebt.

Ja, es wird ein einziger Monat beschrieben, mit wenig Plot und es passiert auch nicht viel, aber Birkin verlässt Oxgodby verwandelt, verändert und auch verbessert und ich hatte das Gefühl tatsächlich auch. Ein Buch, das einen ein kleines bisschen besser macht.

Ein wunderbarer leiser Roman, der ganz große Lust auf Sommerabende in der englischen Countryside macht.

Das mag ein bisschen nach Larifari klingen, aber genau darum geht es: Wenn man sehen oder sich ausmalen kann, was für ein Kommen und Gehen an einem Ort vom ersten Tageslicht bis zur Abenddämmerung geherrscht hat, wie die Menschen vor den Bildern niederkauerten und andächtig nickend Brüste und Köpfe mit Fingern berührten, die gerade noch mit schmutzigen Kochtöpfen hantiert hatten, wie sie mit ihren ungewaschenen Gesichtern zu dem einzigen Gemälde hinaufstarrten, das sie ihr Leben lang zu Gesicht bekommen würden – nun, dann legt man sich noch ein bisschen mehr ins Zeug, dann macht man sich nicht nur mit alkoholischer Salzsäurelösung, sondern auch mit Gefühl ans Werk.

Als Iris zur Beerdigung ihrer Großmutter nach Hause zurückkehrt, stellt sie erstaunt fest, dass diese ihr das Haus vererbt hat, obwohl ihre Mutter und ihre beiden Schwestern noch leben. Während sie in dem Haus wohnt und versucht zu entscheiden, ob sie es behalten will, wird sie von den Erinnerungen an die Sommer, die sie dort verbracht hat, überrollt.

Eine Geschichte über das Erinnern und das Vergessen, denn vor ihrem Tod litt ihre Großmutter an Alzheimer. Ein trauriger und ergreifender Blick auf eine Frau, die sich jeden Tag ein bisschen mehr verliert.

Schillernd und magisch sind die Erinnerungen an die Sommerferien bei der Großmutter, geheimnisvoll die Geschichten der Tanten. Katharina Hagena erzählt von den Frauen einer Familie, mischt die Schicksale dreier Generationen.

Ein genussvoller kluger Roman der nach Sommer duftet und Lust auf Äpfel, Johannisbeeren und Marmeladekochen macht und mich sehr an lange warme Sommertage mit meiner Oma erinnert hat.

Wer wie ich ohne Vater aufwächst, muß erst durch Beobachtung lernen, was das eigentlich ist, so ein Vater. Als Kind studierte ich neugierig, aber mit sicherem Abstand die Väter in den Familien meiner Freundinnen. Insgeheim fand ich sie interessant, aber auch ein wenig unheimlich.

Da, wo bei anderen der Vater einfach angewachsen ist, stehe ich stets aufs Neue vor einem fremden Geräteteil, von dem man nicht weiß, wo es in meinem Apparat hingehört. Es fällt bei jeder Erschütterung von mir ab. Im Grunde brauche ich es nicht.

Mely Kiyak schreibt darüber was Frausein bedeutet, sie erzählt von den Gesprächen über Weisheit und Nichtwissen, die sie als Mädchen mit dem Vater führte. Von den Cousinen, die vom Begehren erzählten. Vom Aufwachsen zwischen Ländern und Klassen, zwischen „Herkunftsgepäck“ und Neugier auf unbekannte Erfahrungen. Vom Alleinsein, von Selbsterkundung, von Familie. Was ist Weiblichkeit, wenn man den öffentlichen Blick überwindet und zurückbleibt mit sich selbst? Aufrichtig, lebenslustig, zärtlich und entwaffnend klug erinnert Mely Kiyak daran, dass es die Verhältnisse sind, die einem beibringen, wie man liebt und lebt.

Wieviel man in einem so schmalen Buch anstreichen kann, was für eine poetische Sprache – ein Buch das klüger macht, dem ich wunderbare Gedanken verdanke und das einen gleichzeitig beglückt und tieftraurig zurück läßt. Eines meiner Lese-Highlights 2021.

Das Erlesen der Welt stürzte mich regelmäßig in gedankliche Krisen. Das eigene Erleben hingegen hatte kaum Auswirkung auf meine psychische Stabilität.

Das Lesen der Bücher aus der Stadtbibliothek war ein Vergnügen. Das Lesen der Seminarliteratur ist eine Qual. Ich hätte jemanden gebraucht, der mich betreut und mir die Sätze erklärt, die ich las. Ich war mit Sufismus aufgewachsen, mit altorientalischer Dichtung, mit politischen Theorien, mit einer Kultur, verwoben mit Elementen, die nicht einmal als Schatten in den Fächern vorkamen, die ich studierte. Plötzlich war ich umgeben von Studenten, die immer alles bereits kennen. Sie sind gebildete Kinder gebildeter Eltern.

Ich weiß, jede Silbe in diesem Satz ist wahr: Wer eine Schule eröffnet, schließt ein Gefängnis.

Ein Haus an einem märkischen See ist das Zentrum, fünfzehn Lebensläufe, Geschichten, Schicksale von den Zwanzigerjahren bis heute ranken sich darum. Das Haus und seine Bewohner erleben die Weimarer Republik, das Dritte Reich, den Krieg und dessen Ende, die DDR, die Wende und die Zeit der Nachwende. Jedem einzelnen Schicksal gibt Jenny Erpenbeck eine eigene literarische Form, jedes entfaltet auf ganz eigene Weise seine Dramatik, seine Tragik, sein Glück. Alle zusammen bilden eine Art kollektives literarisches Gedächtnis des letzten Jahrhunderts, geformt in einer Literatur, die nicht nur großartige Sätze und Bilder zu bieten hat, sondern die auch Wunden reißt, verstört, beglückt, verunsichert und versöhnt.

Ein Roman, den ich gemeinsam mit Miss Booleana auf Goodreads gelesen habe, was mir wieder großen Spaß gemacht hat. Der Roman selbst konnte mich allerdings nicht so in seinen Bann ziehen, wie ich es aufgrund des Themas eigentlich erwartet hätte und auch im Vergleich zu Erpenbecks „Gehen, Ging, Gegangen“, das mich förmlich umgehauen hatte.

Ich wurde nicht warm mit dem Buch. Es springt durch die Zeiten, ich wußte oft nicht wo ich mich gerade befinde, wer gerade spricht und die einzelnen Hausbewohner blieben mir leider fast alle recht fremd und distanziert.

Wo der neue Mensch anfangen soll, kann er nur aus dem alten wachsen.“

Jana hat ihren Vater nie kennengelernt. Alles, was sie über ihn weiß, ist, dass er als Kapitän auf der MS Mozart arbeitet, einem eher wenig glamourösen Kreuzfahrtschiff auf der Donau. Also bucht sie sich kurzerhand eine Woche dort ein. Ob sie sich ihm zu erkennen geben wird, weiß sie noch nicht. Mit knapp hundert Gästen im Seniorenalter und der trinkfesten Bordbesatzung beginnt die Fahrt von Passau nach Wien. Mit großer Sensibilität erzählt Ilona Hartmann die Geschichte einer jungen Frau auf der Suche nach den eigenen Wurzeln. Ein Roman voller Situationskomik und ungewöhnlicher Begegnungen, aber auch der Beginn einer zärtlichen, emotionalen Annäherung zwischen Vater und Tochter, die gerade erst lernen, was es heißt, einander Familie zu sein.

„Emanzipation war im Dorf eine Freizeitbeschäftigung. Eine, der man sich als Frau nur zuwandte, wenn man im klassischen Modell versagt oder sich bewusst dagegen verweigert hatte, also selber Schuld war. “

Noch eine große positive Überraschung. Der Autor war mir völlig unbekannt, wieder ein Roman, der seltsam zeitlos wie „Der Junge mit dem schwarzen Hahn“ irgendwo in einer unbestimmten Zeit im Mittelalter spielt und von Anfang an an einen Folk-Horror Film erinnert.

Ein abgelegenes, von Wäldern umschlossenes Dorf. Einige Bauern führen hier ein einsames und zufriedenes Dasein, das von Ereignissen kaum berührt wird. Eines Tages geschieht etwas vermeintlich Belangloses: Einer der Bauern findet auf einer Wiese am Dorfrand ein Seil. Er geht ihm nach, ein Stück in den Wald hinein, kann jedoch sein Ende nicht finden. Neugier verbreitet sich im Dorf, ein Dutzend Männer beschließt, in den Wald aufzubrechen, um das Rätsel des Seils zu lösen. Ihre Wanderung verwandelt sich in ein ebenso gefährliches wie bizarres Abenteuer: Das Ende des Seils kommt auch nach Stunden nicht in Sicht – und die Existenz des ganzen Dorfes steht auf dem Spiel.

Konnte es gar nicht aus der Hand legen, spannend, atmosphärisch, düster und wunderbar.

Wenn das Glück zu groß wird, wird es zu einem Leid.

Ein verhafteter französischer Rechtsanwalt im besetzten Paris des II. Weltkriegs versucht der willkürlichen Hinrichtung zu entgehen. Jean-Pierre Chavel kann sich während der Besatzungszeit durch die Deutschen sein Leben von einem Mithäftling, der sich für ihn hinrichten läßt, erkaufen. Dafür überschreibt er der Familie des todkranken Mithäftling Geld und Besitz. Nach Kriegsende kehrt Chavel auf sein Gut zurück und verdingt sich unter falschem Namen bei den neuen Besitzern. Er verliebt sich in die Schwester des für ihn Hingerichteten, die ihm von ihrem Hass auf Chavel berichtet. Als ein gesuchter Kollaborateur auftaucht und sich als Chavel ausgibt, führt das zur Katastrophe.

“An artist paints his picture not in a few hours but in all the years of experience before he takes up the brush, and it is the same with failure.”

„The Tenth Man“ war unsere August Lektüre im Book Club und es war wieder eine spannende und durchaus kontroverse Diskussion. Wir wissen jetzt, welche unserer Bookclub Kolleginnen uns eher geopfert hätten in einem ähnlichen Szenario, wer sich hingegen für die anderen aufgeopfert hätte 😉

Man merkt diesem schmalen Roman an, dass er ursprünglich als Film-Script für MGM gedacht war und dort aus welchen Gründen auch immer in einer Schublade vor sich hinmoderte, bis er in den 1980er Jahren zufällig entdeckt und endlich veröffentlicht wurde. Mir hat er gut gefallen, ein klassischer Graham Greene – allerdings kommt er nicht an meine Lieblingsbücher von ihm „The End of the Affair“ und „Stamboul Train“ heran.

Das Buch wurde 1988 mit Anthony Hopkins und Kristen Scott Thomas verfilmt und ist derzeit in ganzer Länge auf YouTube zu finden. Mir hat er gut gefallen:

OK – jetzt ihr: Welches der Bücher kennt ihr bereits, teilt ihr meine Begeisterung, konnte ich euch auf irgendwas besonders Lust machen? Lasst doch mal hören:

Hier noch mal die Bücher im Überblick:

  • Junge mit dem schwarzen Hahn – Stefanie vor Schulte erschienen im Diogenes Verlag
  • Alte Sorten – Ewald Arenz erschienen im Dumont Verlag
  • Ein Monat auf dem Land – J. L. Carr erschienen im Dumont Verlag
  • Der Geschmack von Apfelkernen – Katharina Hagena erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag
  • Frau sein – Mely Kiyak erschienen im Hanser Verlag
  • Heimsuchung – Jenny Erpenbeck erschienen im Penguin Verlag
  • Land in Sicht – Ilona Hartmann erschienen im Blumbenbar Verlag
  • Das Seil – Stefan aus dem Siepen erschienen bei DTV
  • The Tenth Man – Graham Greene erschienen im Penguin Verlag

Was wir voneinander wissen – Jessie Greengrass

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„Was wir voneinander wissen“ erzählt davon, was wir über unseren Körper, uns selbst oder einander wissen können und ist das Thema des Debütromans von Jessie Greengrass. Der Roman erzählt von einer namenlosen jungen Frau, die, schwanger mit ihrem zweiten Kind, über den Tod ihrer Mutter und dessen Folgen meditiert, über ihre Beziehung zu ihrer psychoanalytischen Großmutter und darüber, wie schwierig es war, sich für ihr erstes Kind zu entscheiden. Die Erzählung streicht in der Zeit hin und her und bringt unerwartete Verbindungen an die Oberfläche.

Der Roman entführt uns ins Paris des 19. Jahrhunderts, als die Brüder Lumière zum ersten Mal ihre Kinofilme zeigen. In derselben Epoche erfindet der deutsche Physiker Wilhelm Röntgen das Röntgengerät, dessen Schwarz-Weiß-Bilder seiner Frau Bertha wie der Blick auf ihren eigenen Tod erscheinen. Das Thema, wie Reflexion und Analyse entweder aufklären oder verkümmern können, zieht sich als roter Faden durch den Roman.

Dies wird in späteren Abschnitten, die sich mit Freuds Studien zur Psychoanalyse befassen, noch deutlicher. Zum Beispiel bei dem kleinen Jungen, der sein Haus nicht mehr verlassen will, nachdem er gesehen hat, wie ein Pferd auf der Straße tot umgefallen ist – eine interessante Fallstudie, in der Freud Parallelen zu dem Pferd und dem Vater des Jungen zieht.

Die Erzählerin ist definitiv für die Analyse prädestiniert,  mit ihrer unglücklichen und distanzierten alleinerziehenden Mutter und ihrer gleichfalls distanzierten Psychiater-Oma. „Doktor K“ nutzt sie des Öfteren als Versuchsperson und vermittelt ihrer Enkelin von klein auf die Fähigkeit zur Reflexion. Das hat ihr zwar ein ausgeprägtes moralisches Gespür gegeben, auf der anderen Seite aber hat sie die instinktiven Freuden der Kindheit verpasst. Nichts wird je ohne vorheriges intensives Nachdenken getan. Als sie Johannes begegnet und sich in ihn verliebt – den der Leser durch die Erzählperspektive des Erzählers nur am Rande kennenlernt – droht die Entscheidung über die Mutterschaft.

„Dieses Tagebuch, sagte sie, sei zwar für die Selbstanalyse nicht zwingend notwendig, das Führen eines solchen aber dennoch eine nützliche Methode, eine Möglichkeit, den Verstand zur Rede zu stellen, ähnlich dem Beten eines Rosenkranzes.“

Der Erzählerin ist von Anfang an klar, dass sie sich ein Kind wünscht, aber sie ist zutiefst unsicher, ob sie eine gute Mutter abgeben würde. Greengrass bringt dieses interessante philosophische Thema mit Leichtigkeit auf den Punkt und zieht den Leser mit einer Stimme in den Bann, die gleichzeitig intelligent und stets auf der Suche ist.

„Nun, da wir davor stehen, das Ganze ein zweites Mal zu durchleben, frage ich mich bisweilen, ob es meiner Muter genauso ergangen sein mochte, oder Doktor K oder Max Graf bei seinem Sohn Hans oder Freud bei seiner Tochter Anna; und wenn ja, wie sie es schafften, sie zu verbergen, wie wir alle sie verbergen, diese schier überwältigende Furcht davor, es zu versauen, die uns ergreift, wenn wir Kinder bekommen, die Erkenntnis, dass wir unmöglich vermeiden können, ihnen zu schaden, ein Gefühl, als fiele man in eine uferloses Gewässer, und dazu die quälende Einsicht, dass es im Erfolgsfall aussieht, als wäre man verlassen worden – doch welche Alternative gibt es?“

Wunderschöne Atmosphäre, klare Sprache – große Empfehlung

Ich danke dem Kiepenheuer & Witsch Verlag für das Rezensionsexemplar.

Ach, Virginia – Michael Kumpfmüller

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Es ist gar nicht so einfach, eine Autorin des 20. Jahrhunderts zu finden, die mehr Bewunderung erfährt, als Virginia Woolf. Ihre atmosphärische, aufrüttelnde Art zu schreiben, hat ihr Unmengen an Fans beschert. Kaum eine Autorin ist zentraler für das Verständnis des Modernismus und sie ist gleichzeitig irgendwie überall und nirgends.

Sie hatte natürlich auch ein wahrhaft ikonisches Leben. Eine talentierte Frau inmitten des Bloomsbury Circles, die ganz unverhohlen ein Verhältnis mit einer anderen berühmten Frau hatte zu einer Zeit, in der so etwas alles andere als selbstverständlich war. Es gab auch eine Menge Dunkelheit in ihrem Leben und dann natürlich noch ihr tragischer Selbstmord – kein Wunder, dass es Unmengen an Biografien über sie gibt.

Michael Kumpfmüller hat sich in seinem Roman „Ach, Virginia“  mit den letzten Tagen im Leben der Autorin beschäftigt. Im März 1941 gerät Virginia Woolf in ihre letzte große Krise: Sie hat soeben ein neues Buch beendet, über das kleine Cottage im Süden Englands, das sie mit ihrem Mann Leonard bewohnt, fliegen deutsche Bomber. Sie führt das Leben einer Gefangenen, die nicht weiß, wie und wohin sie ausbrechen soll – und am Ende entscheidet sie sich für den Fluss.

Diese letzten Tage Virginia Woolfs beschwört Michael Kumpfmüller in seinem neuen Roman eindrücklich herauf. Er zeichnet das Bild einer Person, die keinen Halt mehr finden kann und beschreibt ihre quälende Konfusion.  Es ist der Versuch einer Annäherung, die meines Erachtens aber nicht völlig gelungen ist.

Gelungen ist ihm, die letzten Tage im Leben der großen Autorin nachvollziehbar zu machen und nach nur wenigen Sätzen ist man mitten in der Geschichte. Mir ist es stellenweise zu kitschig und zu pathetisch (den flüsternden Engel fand ich wirklich too much) aber die größten Bauchschmerzen hat mir die Idee des Autors verursacht, Virginia Woolfs Suizid als erotische Fantasie darzustellen:

Sie möchte dem Fluss eine schöne Geliebte sein, jung und geschmeidig, sie möchte, dass er sie sieht und birgt, nackt und entgegenkommend, wie sie jetzt ist. Ja, Liebster, sagt oder flüstert sie, so man wortlos flüstern kann, und man scheint es zu können.

Ich habe den Roman dennoch im Großen und Ganzen mit einigen Abstrichen gerne gelesen. Auf jeden Fall habe ich Lust bekommen, ihre veröffentlichten Tagebücher zu lesen und mich noch eingehender mit ihrer Gedankenwelt zu beschäftigen.

Ich danke dem Kiepenheuer & Witsch Verlag für das Rezensionsexemplar.

Book-a-Day-Challenge Day 17

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OK it looks to me as if Sorokin is the illegitimate brainchild of David Lynch, Dostojewski and Shirley Jackson. It all starts idyllic enough with a country doctor named Garin being stuck in a snowstorm in a little village without any horses for his vehicle. He is on his way to a remote village with some medicine for the people there who face an outbreak of a mysterious plague. But things quickly begin to take a completely different turn when Gorin and the naïve coachman Kosma meet dwarfs and giants on their sledge ride (pulled by tiny tiny horses), the plague turns people into Zombies, the radio is showing live pictures, a paste lets felt grow and more weird things are happening.

Sorokin created a fairy tale with some ingredients of a high tech science fiction world. He shows a grotesque imaginary Russia on the brink of times. An optimistic and at the same time highly disturbing book which I tremendously enjoyed.

“Vodka after tea keeps the soul frost-free!” 

Highly recommended and an especially great read if you are sitting on the train and there is a bit of a snow storm outside.

Have you read anything by Sorokin? What else could you recommend?

Check out Daphne du Maurier’s “Ein Tropfen Zeit“ which has an equally weird atmosphere and of course the master of the new weird genre Jeff Vandermeer with his Area X trilogy.