Als englischsprachiger Bookclub lesen wir eher selten deutschsprachige Bücher, es war also eine schöne Abwechslung und wir hatten eine spannende Diskussion über das Buch.
„Eine blaßblaue Frauenschrift“ ist die Geschichte über die Konsequenzen einer Affäre, die lange her ist, aber nie wirklich vergessen wurde. Leonidas stellt etwas dar, ein schöner Mann, der elegant mit seiner reichen Gattin abends in der Oper sitzt und sich seines Aufstiegs erfreut. Er, der aus einfachsten Verhältnissen stammt, hat eine glanzvolle Karriere im Staatsdienst hingelegt und dank einer ungemein guten Partie mit Amelie, seiner „größten Errungenschaft“, ist er auch gesellschaftlich an der Spitze angelangt.
Die Erzählung bringt die antisemitische Atmosphäre in Wien kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges herüber. Leonidas, der Protagnoist erhält eines Morgens mit der Post einen Brief seiner ehemaligen jüdischen Geliebten Dr. Vera Wormser. Nur ein knappes Jahr nach seiner Heirat trifft er sie zufällig in einer Pension und beginnt eine heftige Affäre mit ihr. Er überschüttet sie mit Geschenken, macht ihr Versprechungen und als sein Aufenthalt zu Ende geht, steigt er einfach in den Zug und meldet sich nie wieder bei ihr.
Das komfortable Leben an der Seite seiner Frau ist ihm wichtiger als seine Liebe zu Vera, die ihm aber sein ganzes Leben nicht aus dem Kopf gehen wird. Seine Frau erfährt von dieser Affäre nichts, auch nicht von irgendeiner anderen seiner Affären.
… er belobte sich selbst mit einiger Melancholie, weil er, ein anerkannt schöner und verführerischer Mann, außer der leidenschaftlichen Episode mit Vera nur noch neun bis elf gegenstandslose Seitensprünge in seiner Ehe sich vorzuwerfen hatte.
Ein paar Jahre später, während eines Urlaubs mit seiner Frau erhält Leonidas einen Brief von Vera. Aus Angst vor schlechten Nachrichten und auch aus Furcht, sein armseliges Verhalten vor Augen geführt zu bekommen, zerreisst er den Brief ungelesen.
Nach all den Jahren der Funkstille nun über 15 Jahre später wieder ein Brief von Vera. Aschfahl flüchtet er auf die Toilette, um den Brief dort heimlich zu lesen. Vera Wormser auf dem Weg ins Exil und bittet Leonidas um Hilfe für einen begabten jüdischen Jungen, der im NS-Deutschland nicht die Schule beenden darf.
Leonidas Leben gerät an dem Tag aus dem Gleichgewicht. Der Verlust seines Reichtums, seines inszenierten noblen Lebens, ist undenkbar für ihn. Er glaubt, dass es sich bei dem jungen Mann um seinen Sohn handelt und einige Stunden lang ist er bereit auf all seinen Luxus zu verzichten, seiner Frau zu beichten und sich zu seinem Sohn und Vera zu bekennen.
Er trifft sich mit Vera, die ihn warten lässt, nicht im geringsten mehr an ihm oder gemeinsamen Erinnerungen interessiert ist. Er sichert ihr Hilfe zu, aber seine edlen Pläne seiner Frau aufrichtig gegenüber zu sein, sind da bereits begraben.
Abends sitzt er in der Oper „Während er unter der drückenden Kuppel dieser stets erregten Musik schläft, weiß Leonidas mit unaussprechlicher Klarheit, dass heute ein Angebot zur Rettung an ihn ergangen ist, dunkel, halblaut, unbestimmt, wie alle Angebote dieser Art. Er weiß, dass er daran gescheitert ist. Er weiß, dass ein neues Angebot nicht wieder erfolgen wird.“
Nur seine Frau sieht, das er im Laufe des Tages um Jahre gealtert ist, der einzige Hinweis, dass dieser Tag nicht spurlos an ihm vorbeigegangen ist.
Dieser Roman ist ein Meisterwerk, großartig die subtile Sprache berührend und eindringlich.
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Eines meiner Lieblingsbücher,den Film mochte ich auch sehr, u.a. wegen Herrn von Thun (sonst bin ich eigentlich nicht sein Fan – aber für diese Verfilmung war er die Idealbesetzung). Allerdings steht auf dem youtube-Video die Jahreszahl 2009, mein Gefühl sagt er ist wesentlich älter (Tante Google sagt: 1984) und ich würde ihn gerne mal wieder sehen.
Das stimmt, die Verfilmung ist aus dem Jahr 1984 🙂 Ich glaube 2009 wurde der Ausschnitt hochgeladen. Ich habe den Film bisher noch nicht gesehen, ist aber auf meiner Liste.
Ich habe ihn nur einmal gesehen, muss in den 90igern gewesen sein, aber er geht mir nicht mehr aus dem Kopf, einzelne Szenen sind immer noch total präsent. Allerdings suche ich nicht danach, ich habe Angst das eine Erinnerung oder ein Eindruck zerstört wird, den Ausschnitt habe ich auch nicht geguckt. 😉