Here I Am – Jonathan Safran Foer

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Vor ein paar Monaten war ich auf einer Lesung von Jonathan Safran Foer im Literaturhaus München und schwer überzeugt davon, dass ich sein neues Buch „Here I Am“ nicht kaufen und lesen werde. Zu dick, zu viel Religion, die Besprechungen in anderen Blogs überzeugten mich eigentlich immer mehr: garantiert ein tolles Buch, aber nicht für mich.

Bis ich dann in der Lesung saß und einfach nicht anders konnte, mich dem Sog von Foers Sprache und Wortwitz ergab (Steven Spielbergs Penis war wahrscheinlich auch nicht unschuldig daran) und ich die Gattin zum Buchkauf an den Büchertisch vor dem Saal entsendete, während ich mich brav wartend in die lange Reihe der Autogramm-Bittsteller einreihte.

Foer wird immer gerne wieder als überschätzt und elitär betitelt, mir erschließt sich einfach nicht warum, mittlerweile ist es mir aber sehr egal, vielleicht es es für mich sogar eher ein hilfreiches Label, mit dem ich Autoren finden kann, die mir gut gefallen.

In „Here I am“ geht es um eine Familie, die in Washington DC lebt. Jacob und Julia Bloch sind seit 16 Jahren verheiratet und haben drei Söhne, Sam, der mitten in der Pubertät und kurz vor seiner Bar Mitzvah steht, die er eigentlich auf gar keinen Fall machen möchte, den elfjährigen Max und den fünfjährigen altklugen, wunderbaren Benjy, den ich am liebsten adoptiert hätte. Die Jungs sind definitiv häufig deutlich weiser als ihre Eltern, die sich mehr und mehr voneinander entfernen.

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Die Geschichte dreht sich um das dann doch irgendwie plötzliche Ende der Ehe, Sams ungewollter Bar Mitzvah sowie den Unruhen und Kriegswirren in Israel. „Here I Am“ ist ein Familien-Puzzle, raffiniert zusammengefügt, mit wunderbaren Dialogen und cleveren Sätzen, ich kam aus dem Unterstreichen gar nicht mehr heraus.

“In sickness and in sickness. That is what I wish for you. Don’t seek or expect miracles. There are no miracles. Not anymore. And there are no cures for the hurt that hurts most. There is only the medicine of believing each other’s pain, and being present for it.”

Ich habe selten eine so glaubhafte, realistische Beschreibung über die Auflösung einer Beziehung gelesen und ich wußte schon nach den ersten Sätzen wieder, warum ich Foer so gerne lese. Mir lief es vor Begeisterung oft eiskalt den Rücken runter, ich war ganz fassungslos, wie er es immer wieder schafft Situation in Worte zu fassen, die mir irgendwie klar waren, die ich aber bis dahin einfach nicht hätte formulieren können.

“Without context, we’d all be monsters.”

The difference between conceding and accepting is depression.”

“Good people don’t make fewer mistakes, they’re just better at apologizing.”

“Between any two beings there is a unique, uncrossable distance, an unenterable sanctuary. Sometimes it takes the shape of aloneness. Sometimes it takes the shape of love.”

Über die irre komische Passage rund um den Penis von Steven Spielberg habe ich hier ja schon mal ausführlicher berichtet. Es ist nicht die einzige Stelle, die den berühmten jüdischen Humor wunderbar zur Geltung bringt.

Seit meinem Besuch in Israel Anfang des Jahres machten die Kapitel rund um Politik und Nahost-Krise und den daraus entstehenden Konsequenzen für mich deutlich mehr Sinn. Dennoch hat mich die Familiengeschichte selbst etwas mehr interessiert und mir hat sich die Vermischung dieser beiden Storylines nicht hundertprozentig erschlossen.

Es ist nicht einfach, diesen Roman nicht teilweise als Dramatisierung seiner eigenen Trennung von Nicole Krauss zu lesen. Ein kluger, unterhaltsamer sehr persönlicher Roman, melancholisch und zum Ende hin schon ganz schön heartbreaking. Vielleicht ein bisschen viel Religion für meinen Geschmack, aber das ist schon rumnörgeln auf hohem Niveau. Unbedingt lesen 🙂

Eine weitere positive Rezension findet ihr bei Buzzaldrins.

Das Buch ist auf deutsch unter dem Titel „Hier bin ich“ bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.

12 Kommentare zu “Here I Am – Jonathan Safran Foer

  1. Here I am habe ich zwar noch nicht gelesen – aber Extrem laut und Unglaublich nach und Alles ist erleuchtet sind so wunderbare Romane, dass ich nie verstehen werde, wenn jemand über JSF meckert…. Freue mich auch auf die Lektüre dieses Wälzers, wird aber wohl noch dauern 🙂

  2. die von Dir ausgewählten Zitate musste ich alle zwei Mal lesen, ein zweites Mal nachdem beim ersten Mal eine Ahnung von der Aussage angekommen war. Danke allein dafür schon mal als Pausenbrot bevor ich das Buch (scheint ein Mehrgänge-Catering für mehrere Tage zu sein) ganz lesen werde. Danke für die Rezension.

  3. Hm, der Roman steht zwar schon im Regal, aber ich bin eigentlich schon beim Entschluss des Nicht-Lesens gewesen, tausend schöne Ausreden haben für ein behagliches Zurücklehnen gesorgt: zu dick, viel zu viel Familiengeschichte, zu negative Besprechungen auf anderen Blogs usw. Und nun kommst du! Nun muss ich die Situation doch glatt noch einmal neu bewerten… ;).
    Viele Grüße, Claudia

  4. Beim feinen Buchstoff haben wir Foer auch geliebt. Er ist großartig 😉 kann alles so unterschreiben wie du es empfandest.

  5. Schön dass das Buch auch Einzug in Deine gelesene Galerie gehalten hat. Ich hatte auch die Möglichkeit ihn in einer Lesung in Hamburg zu sehen und er machte überhaupt keinen elitären Eindruck auf mich – ganz im Gegenteil. Ich liebe dieses Buch und die humorvolle Art und Weise wie er mit einerTrennung umgeht.

    • Ich war auch auf einer Lesung, in Köln. Leider mit einem an diesem Abend völlig uninspirierten, das Buch vermutlich nicht mögenden (oder nicht kennenden) Dennis Scheck. Foer war dennoch sehr sxmpathisch, sehr authentisch. Und ich reihte mich auch in die Schlange ein. Und ich habe es nicht bereut. Tolles Buch!

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