ETA Hoffmann – Rüdiger Safranski

Wer wagt, durch das Reich der Träume zu schreiten, gelangt zur Wahrheit.

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ETA Hoffmann lebte von 1776 – 1822 in einer Zeit voller geistiger und historischer Umbrüche, ohne dessen Kenntnis die Bedeutung und das Verständnis seiner Werke nur schwer erfasst werden kann. Diese Biografie ist gleichzeitig sehr tiefgehend und dabei leicht lesbar, ich mochte sie stellenweise gar nicht aus der Hand legen. Hoffmann ist heute eigentlich fast ausschließlich durch sein literarisches Werk bekannt, dass er ein ebenso großer Musiker und Maler war, habe ich auch erst durch die Biografie erfahren. Jeder kennt wohl die Oper „Hofmanns Erzählungen“ oder das Ballett „Der Nußknacker und der Mäusekönig“ – dass diese aber von ETA Hoffmann verfasst wurden, wusste ich nicht.

Durch die Biografie bekommt man ein recht „persönliches“ Bild vom Autor. Er wuchs im Elternhaus seiner Mutter auf, die sich – ungewöhnlich für diese Zeit – recht früh von seinem Vater trennte. ETA wuchs dort mit den Schwestern seiner Mutter, seiner Großmutter und einem unverheirateten Onkel auf. Früh spürt Hoffmann die häusliche Enge, die finanziellen Mittel sind knapp und der hochintelligente Junge fühlt sich schon früh eingesperrt. Seine Familie drängt ihn, einen vernünftigen Brotberuf zu erlernen und er wird auch brav Jurist, genau wie sein Jugendfreund Hippel. Die umfangreiche Korrespondenz der beiden gibt Einblick in den Zwiespalt, den Hoffmann sein Leben lang spürt, der Zerrissenheit zwischen der Juristerei, die ihm Geld und gesellschaftlichen Halt verschafft und dem Bedürfnis, sein künstlerisches Ich auszuleben.

Er arbeite um 1800 als preußischer Regierungsrat in der polnischen Provinz, wo er bis zur Niederlage Preußens durch Napoleon 1806 blieb. Er hatte danach verschiedene Tätigkeiten inne als Komponist, Dirigent, Kritiker und Theaterdirektor. 1811 komponiert er das Ballet „Arlequin“ und 1816 die Oper „Undine“. Im Jahr 1813 ändert er seinen dritten Vornamen von Wilhelm zu Amadeus als Homage an Wolfgang Amadeus Mozart.

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1814-15 veröffentlicht Hoffmann die Phantasiestücke, die ihn als bekannten deutschen Autoren etablieren sollten. Er schrieb bis zu seinem Tod 2 Romane und mehr als 50 Kurzgeschichten, während er weiterhin seinem Broterwerb als Jurist  nachging. Insbesondere seine späteren Kurzgeschichten verschafften ihm großen Ruhm – insbesondere in England, den Vereinigten Staaten und Frankreich.

In seinen Geschichten kombiniert er Phantastisches mit lebendigen und überzeugenden Untersuchungen des menschlichen Charakters und Psychologie. Seine Protagonisten, oft Verrückte, Phantome, Geister oder Automaten, wandeln teils durch fiebrig mysteriöse Traumlandschaften, teils durch realistischen Alltag. Hoffmanns Kampf zwischen der idealen Welt der Kunst und seinem Alltag als Bürokrat macht sich in vielen seiner Geschichten bemerkbar.

„Du schwimmst regungs- und bewegungslos wie in einem festgefrorenen Äther, der dich einpreßt, sodaß der Geist vergebens deinem toten Körper gebietet.“

Seine beruflichen Stationen führen ihn aus der Provinz Polens über Warschau, Berlin, Bamberg nach Dresden, Leipzig und am Ende wieder nach Berlin, wo er im Jahr 1822 in Alter von nur 46 Jahren an einer fortgeschrittenen Lähmung starb, womöglich ausgelöst durch Syphilis oder ALS.

Safranski hat die Fähigkeit, komplexe Entwicklungen in ihren biografischen Kontexten spannend und unterhaltsam darzustellen. Ich habe bereits die eine oder andere weitere Biografie von ihm im Auge.

Ich glaube überdem, daß jede Einschränkung der Freiheit, sollte diese auch gemißbraucht werden, drückend, ja, als dem menschlichen Wesen schnurstracks entgegenstrebend, unausstehlich ist.

8 Kommentare zu “ETA Hoffmann – Rüdiger Safranski

  1. Darf ich den letzten Satz für meinen heutigen Blogeintrag verwenden, wenn ich auf dich verweise? Ich hab mal versucht E:T:A Hoffman zu lesen, hab es dann aber beiseite gelegt. Jetzt spielt die Jüngste im Theater beim „Sandmann“ mit und so kam auch ich wieder in Berührung. Die Biografie werde ich mir holen.

  2. So erklärt sich auch die Figur des Kapellmeisters Kreislers in E.T.A. Hoffmanns „Kater Murr“ – ich wusste auch nu´icht, dass er komponiert hat, nur, dass er der Musik sehr nahe stand.
    Danke für diese Besprechung.
    Herzliche Grüße
    Ulli

  3. Pingback: [Die Sonntagsleserin] April 2019 - Phantásienreisen

  4. Ach, sehr cool, wollte mich auch mal mehr mit E.T.A. Hoffmann beschäftigen, nachdem ich seinen „Sandmann“ gehört habe (als Hörbuch auf Spotify von Reclam). Was mich immer wieder verblüfft ist, dass ich durch die Schulzeit gekommen bin ohne über ihn zu stolpern. Und finde das sehr schade solche blinden Flecken auf der Landkarte zu haben.

  5. Pingback: ETA Hoffmann – Rüdiger Safranski — Binge Reading & More | Treffpunkt Phantastik

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