Eine Liebe Swanns – Marcel Proust

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Eine Liebe Swanns ist eine Liebeserklärung auf 300 Seiten, bei der man irgendwann merkt, dass das Objekt dieser Liebe überhaupt keine Wichtigkeit hat, nur das Lieben an sich ist wichtig.

Ich bin primär einmal froh, dass ich dieses Buch tatsächlich geschafft habe. Es war zu gleichen Teilen ein beglückendes Erlebnis aber auch wahnsinnig frustrierend.

Es ist der erste Teil – wenn ich mich nicht täusche – von Prousts Monumentalwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ und kann als Novelle für sich stehen. Dennoch hatte ich beim Lesen oft das Gefühl, mir fehle der Kontext.

Die Sprache ist natürlich wunderschön, da sind brilliante Sätze, aber ganz ehrlich – Swann ist ein ziemlicher Idiot. Das, was er Liebe nennt, hat für mich nicht wirklich etwas mit Liebe zu tun, es handelt sich eher um eine ungesunde Besessenheit, eine eifersüchtige, unehrliche, ja kranke Liebe.

Mich nervte, dass er von Odette nicht lassen konnte, dass sie beide dieses irrsinnige Spiel permanent weiterführen. Aber gut, dass ist wohl die Macht der Liebe, auch wenn es sich um eine ziemlich korrumpierte Form handelt. Menschen können sich auf abenteuerlichste Weise selbst hinters Licht führen und wenn sie genug Zeit haben, finden sie dennoch rationale Erklärungen für ihr Verhalten.

„Von allen Arten der Erzeugung von Liebe, von allen Wirkkräften zur Verbreitung der heiligen Krankheit, ist sicher dieser gewaltige Erregungssturm, der uns manchmal erfasst, eine der zuverlässigsten. Dann fällt das Los unweigerlich auf die Person, mit der wir im Augenblick gerade gern zusammen sind; sie ist es, die wir lieben werden. Es ist dabei gar nicht nötig, dass sie uns bis dahin mehr oder auch nur ebensosehr wie andere gefiel. Es musste nur dazu kommen, dass unsere Neigung für sie plötzlich ausschließlich wurde.“

Bewundernswert ist Prousts Gabe, die sozialen Feinheiten herauszuarbeiten, die Beschreibung des Salons der Verdurins und die vielen feinen Haarrissen gleichenden Brüchen in den Begegnungen der Salonbesucher, ihrer Konflikte, Geheimnisse und wie er vorsichtig und fast zärtlich ihre jeweiligen Schwächen herausarbeitet.

Proust, der Chirurg mit der Feder, spielt natürlich auch auf vielschichtige Weise mit der Macht der Erinnerung. Mal unabhängig vom berühmten Madeleine Beispiel, ist es in „Eine Liebe Swanns“ die Macht der Musik, die kaum versteckten Tiefen im Bewußtsein des Protagonisten freizulegen. Das Freisetzen von Erinnerungen durch die Kunst ist das eigentliche Herz dieser Geschichte.

Ich freue mich, endlich etwas von Proust gelesen zu haben, brauche jetzt aber dringend etwas Abstand vom „Fin de Siecle“, wobei so einen Salon hätte ich ja schon auch gerne 😉

Habt Ihr Proust gelesen? Wie war euer Leseerlebnis?

7 Kommentare zu “Eine Liebe Swanns – Marcel Proust

  1. Ich habe Proust mal mit 15, 16 angefangen und fand ihn da ungeheuerlich langweilig. War einfach wohl noch nicht reif genug. Und nun schreckt mich das Volumen etwas ab. Ich habe mir das für die Rente auf. Tapfer, dass du da Vorleserin warst – aber ich habe eine Ahnung, mir ginge es mit dem Buch wohl genauso. Ich habe andere französische Schriftsteller jener Jahre gelesen, die sich kürzer hielten, wohl aber ähnlich verkopft vergeistigt an das Thema Liebe herangingen – das ist nicht so ganz meins. Wie erfrischend, dass du dich einfach traust, Swann einen Idioten zu nennen – aber das ist er wohl auch 🙂

  2. Eine Liebe Swanns: Dieses Buch habe ich sogar (räusper) zweimal gelesen. ist aber schon eine Weile her. Dann auch Im Schatten junger Mädchenblüte, der zweite Teil, ab dem ein Ich-Erzähler aus eigener Perspektive schreibt. Danach entnervtes Beenden der Lektüre. Die seitenlange Beschreibung von Kunstwerken, Kleidung und anderen Details gefallen mir sehr gut. Ebenso die ewigen Tagträumereien. Was mich schier zu Raserei brachte, war diese gnadenlose Verfeinerung der Charaktere, die sich außerhalb jeder Lebenstüchtigkeit befinden und nix entscheiden können, allen voran der Ich-Erzähler (im zweiten Band als Knabe). Thomas Mann Figuren sind im Vergleich rustikal zu nennen. Mal sehen, ob ich diese Abscheu in diesem Leben (mit Birgit auf Verrentung warten?) noch einmal überwinden kann, denn mir ist klar, dass Proust auf der einen Seite die Sache schon äußerst weit treibt, auf der anderen Seite aber auch eine empfindliche Seite in mir berührt wird, die mich so zornig werden läßt. Mein direkte Antwort: Wenn Du schon Swann einen Idioten nennst (und dazu gibt es Gründe), dann treffe lieber nicht den Ich-Erzähler.

    • Liebe Lena,
      die gnadenlose Verfeinerung und Lebensuntüchtigkeit: Damit bringst du es auf den Punkt. Das trifft aber eben wohl etwas in uns als Leserinnen, die wir, so nehme ich es auch bei Dir an, eher alltagstauglich und lebenspraktisch veranlagt sind.
      Das Projekt mit dem Rentenlesezirkel kam übrigens bzgl. Proust wie mir jetzt bei deinem Kommentar wieder einfiel, schon einmal auf, das war zu Urzeiten meines Blogs (damals als noch diskutiert wurde 🙂 ) während der Verschämten Lektüren. Vielleicht lässt sich diese Truppe dann reaktivieren, Sabine als Organisationstalent nimmt das sicher in die Hand.

      • Das klingt nach einer sehr guten Idee und die Organisation nehme ich sehr gerne in die Hand.
        Wollte auch nur noch mal klarstellen, mit Idiot meinte ich tatsächlich Swann nicht Proust, das traue ich mich denn doch nicht 😉
        Das etwas lebensuntüchtige und die Ennui hat Herr Murakami ja schon auch, überlege gerade, warum es mich bei ihm weniger stört.
        Womit ich tatsächlich nicht so viel anfangen kann, sind endlose Beschreibungen von seidenraschelnden Klamotten, von Hüten, Vorhängen, Möbel. Püh da driften meine Gedanken schon häufiger mal ab ….

      • Super! Ich verlasse mich da voll auf dich 🙂
        Mir war übrigens schon klar, dass du Swann meinst und nicht Proust (aber wie weit kann man Werk und Autor trennen?). Und vielleicht ahnst du jetzt auch, warum ich mit deinem Murakami manchmal so meine Schwierigkeiten habe…

  3. Gelesen & seitdem in meiner regelmäßigen Hörbuch-Rotation. Das Hörbuch habe ich mir leider zugelegt, kurz bevor sich der Preis etwa halbierte. Swann ist sicher noch der unproblematischste Liebende in diesem Buch, alle Beziehungen sind – bewusst – hochgradig beschädigt, besonders aber Protagonist Marcel ist bei näherer Betrachtung einer der gruseligsten Bösewichte der Literaturgeschichte. Darüber habe ich im vergangenen Jahr geschrieben: https://soerenheim.wordpress.com/2018/11/22/marcel-der-verhinderte-killer-das-unheimliche-an-die-suche-nach-der-verlorenen-zeit/
    Das ist überhaupt das hochinteressante an der Romankonzeption bis in den Sprachstil hinein, dass sie das Monströse zugleich kenntlich macht UND zudeckt, und so die fast unendliche Bereitschaft des Menschen, das Grausame zu verdrängen, spiegelt…

    • Das ist ein hochinteressanter Aspekt Sören (und wer um den Plot weiß erkennt, dass da etwas dran sein könnte), aber aus den oben genannten Gründen komme ich nicht bis dahin, um das als Leserin erfahren zu können. Wenn ich irgendwann noch einen Versuch starten werde (bin sicher, dass das der Fall sein wird), werde ich vorher Deinen Beitrag lesen.

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