Hirngymnastik Stoizismus

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“The aim of life is self-development. To realize one’s nature perfectly—that is what each of us is here for.”
Oscar Wilde

Die Hirngymnastik beschäftigt sich dieses Mal mit dem Stoizismus, einer Schule der Philosophie, die von Zenon von Kition etwa 301 vuZ gegründet wurde. Der Name Stoa geht auf eine Säulenhalle (Stoa) auf dem Marktplatz in Athen zurück, auf der Zenon seine Lehrtätigkeit aufnahm. Die frühen Stoiker wurden durch frühere philosophische Schulen und Denker beeinflusst, insbesondere durch Socrates, die Kyniker aber auch die Anhänger Platons und die Sophisten.

Die Stoiker waren vielleicht die eigentlichen Erfinder der Selbsthilfe-Bewegung. Neben der theoretischen Wissensvertiefung ging es ganz stark immer wieder um die Frage: „Wie lebe ich ein ethisch-moralisches gutes Leben?“. Es ist eine Gedankenschule, die immer auch das Gemeinwohl im Sinn hat, aber deutlich stärker auf das Individuum und dessen Weiterentwicklung ausgerichtet ist.

Der Stoizismus erreichte in seiner zweiten Periode (auch unter dem Begriff mittlere Stoa bekannt) das römische Reich. Cicero war einer der ersten, der sich mit dieser Philosophierichtung beschäftigte, ohne selbst ein Stoiker zu sein. In der dritten und letzten Phase verbreitete sich der Stoizismus weit im Römischen Reich und einige der bekanntesten und wichtigsten Schriftstücke des Stoizismus stammen aus dieser Zeit. Wichtige Stoiker waren Marcus Aurelius, Seneca, Epictetus sowie Gaius Rufus.

Als das Christentum die offizielle Religion des römischen Reiches wurde, begann der Stoizismus an Bedeutung zu verlieren, gemeinsam mit einigen anderen Gedankenschulen. Ihre Grundideen überlebten aber und beeinflussten viele historische Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Boethius, Thomas von Aquin, Erasmus, Montaigne, Descartes oder Spinoza. Auch die modernen Existentialisten wurden durch den Stoizismus beeinflusst. Es ist eine Philosophie, die aktuell eine Art Wiedergeburt erlebt und von modernen Methoden in der Logotherapie, der kognitiven Verhaltenstherapie beeinflusst wird und Überschneidungen mit dem Zen Buddhismus und dem Humanismus aufweist.

Für die Stoiker war die praktische Ethik der wichtigste Teil ihrer Philosophie: wie kann man sein Leben auf die bestmögliche Art leben? Gleichzeitig waren sie sich bewusst darüber wie schwer es ist, realistische und praktikable ethische Grundsätze für sich zu entwickeln, ohne zu verstehen wie die Welt funktioniert und die eigenen Grenzen und die Grenzen des menschlichen Verstandes zu akzeptieren.

Der Stoizismus beschäftigte sich daher mit drei Studienfeldern. Der Ethik, der Physik und der Logik. Unter Physik verstanden die Stoiker aber eher das, was wir heutzutage Naturwissenschaft und Metaphysik nennen würden. Natürlich sind viele der ursprünglichen stoischen Lehren durch die moderne Naturwissenschaft überholt worden. Das hätten die Stoiker der Antike allerdings auch erwartet, denn sie waren sich stets der Grenzen ihres Wissens bewusst und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüber stets aufgeschlossen.

Eine der wichtigen Grundideen des Stoizismus leitet sich aus dem Studium der Metaphysik und Naturwissenschaften ab – das Verständnis, dass wir der Natur entsprechend leben sollten. Ein „gutes Leben“ (eudaimonia) beinhaltet das Kultivieren seiner eigenen moralischen Werte um ein guter Mensch zu werden. Die vier Kardinalstugenden der Stoiker sind: Weisheit (sophia), Mut (andreia), Gerechtigkeit (dikaiosyne) und Gelassenheit (sophroysne).

Einem bedeutenden Vertreter des Stoizismus widmet sich das folgende Buch:

James Romm: „Seneca und der Tyrann“ – Die Kunst des Mordens ans Neros Hof

Es ist jetzt nicht so, als habe ich noch nie etwas mit Römischer Geschichte am Hut gehabt und natürlich habe ich von den dekadenten und intriganten Römern gehört, wie heftig es dort allerdings zuging, war mir irgendwie doch nicht klar. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals sagen würde, aber gelegentlich kam mir Trump schon fast wie ein Waisenknabe vor im Gegensatz zu Caligula, Nero und Co. Im alten Rom wurde nicht nur tagtäglich gelogen und betrogen, da wurde auch gemordet als gäbe es kein Morden. Vater, Mutter, Kind, jeder gegen jeden – da konnte auch der Stoizismus eines Seneca nicht mehr viel ausrichten und auch er war diesbezüglich kein Kind von Traurigkeit, wie uns James Romm Buch zeigt.

Man kann Seneca als Mann der Widersprüche bezeichnen, aber das wäre schon reichlich freundlich. Er wollte einfach immer alles gleichzeitig sein und leben: Die asketischen Werte der Stoiker, ohne aber auf das luxuriöse Leben eines römischen Multimillionärs zu verzichten. In seinen Essays schreibt er wieder und wieder über die heroische Freiheit, die der Selbstmord mit sich bringt, während er selbst als Politiker an Neros Hof und dessen persönlichem Philosoph Ermordungen dulden musste, die fast schon an der Tagesordnung waren, inklusive der Ermordung von Neros Mutter, einer einstigen Gönnerin Senecas.

„Von all den fesselnden, aber zugleich wenig schlüssigen Indizien für Senecas Seelenzustand ist dies sicherlich das fesselndste und zugleich auch das uneindeutigste. Wir entnehmen es einer Erzählung, die ein Mann mehrere Jahrzehnte nach dem Geschehen hörte und aufschrieb, ohne seiner Sache selbst sicher zu sein. Tacitus war freilich nicht bereit, diese Fußnote der Geschichte zu verwerfen, ebenso wenig, wie viele moderne Historiker dies tun wollen. Immerhin beschwört sie die fast unheimliche Vorstellung herauf, Seneca könnte sich trotz seines Zurückschreckens vor einer aktiven Teilnahme Hoffnungen gemacht haben, am Ende als neuer Princeps dazustehen – als erster gekrönter Philosoph der westlichen Welt.“

Ein antiker Historiker gibt Seneca gar die Schuld, aus Habgier heraus die Rebellion von Boudicca, der Krieger-Königin im antiken England, verschuldet zu haben, die mit 80.000 getöteten römischen Soldaten und mindestens ebenso vielen britischen Kriegern endete. Seneca watete quasi in Blut und konnte sich am Ende dann doch nicht zu Tode bluten. In seinem verzweifelten zweiten Selbstmordversuch versuchte er dann, den großen Socrates zu imitieren und einen Schierlingsbecher zu trinken, aber auch das brachte noch immer nicht das gewünschte Ergebnis, am Ende musste er sich zu Tode baden. Immer noch eine der abgefahrensten Todesursachen von denen ich bislang so hörte.

Frauen hatten nicht viel zu sagen. Weder in philosophischen Kreisen noch am römischen Hof. Sie waren dynastische Geburtsmaschinen, die nach man nach Belieben heiraten, betrügen, sich von ihnen scheiden lassen oder im schlimmsten Fall ermorden konnte. Nero machte nicht einmal vor seiner eigenen Mutter Agrippina halt, eine Frau die strategisch an Neros Machtübernahme mitwirkte und sicherlich auch kein Wässerchen trüben konnte.

Eine besondere Rolle spielte eine Konkubine und ehemalige Sklavin namens Epicharis:

„Das weit und breit einzige Exempel moralischer Festigkeit lieferte die Freigelassene Epicharis, die sich weigerte, Namen von Mitverschörern zu nennen. Die junge Frau, die Lukans Haushalt angehörte und das Komplott mit Feuereifer unterstützt hatte, befand sich noch in Haft, nachdem sie ihren Versuch, in Misenum Proculus für die Verschwörung zu gewinnen, abgestritten hatte. Nero befahl nun, die Frau zu foltern – mit rotglühenden Eisenplatten und auf der Streckbank. Er glaubte, den Widerstand einer Frau auf diese Weise brechen zu können. Epicharis ertrug indes die Qualen für viele Stunden stillschweigend. Ihr Körper war danach so übel zugerichet, dass sie am nächsten Tag auf einem Sessel in die Folterkammer getragen werden musste. Dennoch brachte sie es, in dem verriegelten Raum sich selbst überlassen, fertig, ihr Busenband zu lösen, es zu einer Schlinge zu knoten und sich an einer der Stützen, die den Baldachin des Sessels trugen, zu erhängen.“

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Romm schreibt wunderbar anschaulich und lebendig. Man taucht völlig ab in die römische Welt und leidet mit der armen Octavia, dem Britannicus oder den anderen unschuldigen Leuten, die sich häufig nichts weiter haben zu Schulden kommen lassen, als irgendwie doof – sprich gefährlich – in der Erblinie zu sitzen und daher aus dem Weg geräumt zu werden. Es ist üblich, im alten Rom die Leute zum Selbstmord aufzufordern. Das hat den Vorteil, dass es keinen Mörder gibt und der sich selbst Tötende die Hälfte seines Vermögens behalten kann und seine Familie in Sicherheit weiß.

„Unglaublich ist, was ich ertrug, als ich mich selbst nicht ertragen konnte“, schreibt er in für ihn typischer Zuspitzung. Dann ließ er seine Gedanken auf ihren gewohnten Wegen wandeln, hin zur Suche nach einem tugendhaften Leben, einem gewissenhaften Leben, Unpässlichkeiten verderben, so sinniert Seneca, den Leib auf dieselbe Weise, wie Laster und Dummheit die Seele verderben. Der Leidende weiß vielleicht nicht einmal, dass er leidet, so wie ein Mensch im Tiefschlaf nicht weiß, dass er schläft. Nur die Philosophie kann die Seele eines Menschen aus einem solchen Koma wecken. Die Philosophie, Lucilius, ist das, was du mit deinem ganzen Sein und Wesen betreiben musst. Lass alles sein außer der Philosophie, so wie du alle deine Angelegenheiten schleifen lassen würdest, wenn dich eine schwere Krankheit befiele“

Seneca selbst bleibt schwer zu fassen, Romm interpretiert dessen Gedanken und Emotionen aus Mangel an echten Quellen und vieles bleibt einfach unklar. Er ist eine interessante, vielschichtige Persönlichkeit der sich seiner Schwächen bewusst zu sein scheint. Es ist tragisch, wie Seneca am Ende dem apokalyptischen Leben am Hof nicht entkommen kann und er qualvoll auf sein tragisches Ende wartet. Ein großartiges Buch, das wich nur schwer aus der Hand legen konnte. Unbedingte Empfehlung.

Ich danke dem Beck-Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Im Rahmen dieser Hirngymnastik habe ich mich noch mit folgenden Werken großer Stoiker beschäftigt:

Meditations“ von Marcus Aurelius

Dieses ursprünglich auf griechisch verfasste Werk war nie für eine Veröffentlichung geplant. Die Tagebucheinträge des einzigen römischen Kaisers, der gleichzeitig auch Philosoph war, Marcus Aurelis (121-180 vuZ), vereinen eine Reihe spannender mentaler Denkübungen, Einsichten und Reflektionen. Marcus Aurelius arbeitet an sich, reflektiert, meditiert, denkt und versucht, sich und das Universum um sich herum zu verstehen. Die Einträge zeugen von seinen Zweifeln, seinen Ängsten aber auch seinen leidenschaftlichen und glücklichen Momenten. Er beschäftigt sich mit Ethik und Werten, menschlicher Rationalität, göttlicher Vorsehung und seinen eigenen Emotionen.

“The happiness of your life depends upon the quality of your thoughts.” 

“Dwell on the beauty of life. Watch the stars, and see yourself running with them.” 

“Waste no more time arguing about what a good man should be. Be one.”

“When you arise in the morning think of what a privilege it is to be alive, to think, to enjoy, to love …” 

Marcus Aurelius Tagebucheinträge haben sich zu einem der größten Werke der Philosophie entwickelt, die bis heute von Lesern, Denkern, Politikern gelesen, hinterfragt, bewundert und konsultiert werden. Ein Buch, das man wunderbar neben dem Bett liegen haben kann, morgens einfach aufschlagen einen kurzen Abschnitt lesen und man hat den ganzen Tag etwas, worüber man nachdenken kann. Perfekt.

“Das Buch vom geglückten Leben“ – Epiktet

Dieses Büchlein des Epictetus ist quasi ein stoisches Handbuch für ein moralisch-ethisches Leben. Zusammengestellt von einem seiner Schüler ist es ein zeitloses kleines Juwel mit Aphorismen und Gedanken, die einen guten Einblick in die Gedankenwelt der Stoiker bieten.

„Man darf das Schiff nicht an einen einzigen Anker und das Leben nicht an eine einzige Hoffnung binden.“

„Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen.“

 

“Von der Gelassenheit” – Seneca

Hier kommt Seneca selber noch einmal mit bedeutenden wirkungsvollen Einsichten in die Lebenskunst. Er schreibt über die Wichtigkeit von Vernunft und Moral und bietet profundes Wissen, Lehrsätze und eloquente, klarsichtige und zeitlose Weisheit an.

„Vor allem meide man Depressive und solche, die über alles und jedes jammern, denen jeder Anlaß für Klagen recht kommt. Mag solch ein Mensch einem auch treu und wohlgesinnt sein, er ist trotzdem ein Feind unserer Ruhe und Gelassenheit, ein Begleiter ohne seelisches Gleichgewicht, der ständig über alles seufzt und jammert.“

„Alle Grausamkeit entspringt der Schwäche.“

„Ich habe angefangen, mir selbst ein Freund zu sein. – Damit ist schon viel gewonnen, denn man kann dann niemals mehr einsam sein. Wisse auch, daß ein solcher Mensch allen ein rechter Freund sein wird.“

Auch wenn er selbst vielleicht selbst nicht in der Lage war, seinen eigenen Richtlinien immer zu folgen, es zu versuchen und jeden Tag ein bisschen besser zu werden, ist auf jeden Fall ein Anfang auf dem Weg zu einem glücklichen Leben.

Kluge Köpfe II

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Als sich vor ein paar Tagen „meine“ Siri Hustvedt mit Miriam Meckel in Zürich zum Gespräch traf, wurde ich vor lauter Neid schon ein bisschen ohnmächtig. Es gibt einfach Menschen mit wahnsinnig attraktiven Gehirnen und mit diesen beiden Damen würde ich liebend gerne mal ein paar Nächte durch diskutieren und über die Zukunft der menschlichen und künstlichen Intelligenz sprechen.

Miriam Meckel untersucht in ihrem Buch „Mein Kopf gehört mir“ in 14 Stationen die unterschiedlichen Wege, in denen die Menschen momentan versuchen, ihr Hirn zu tunen und sich mit Hilfe der Technologie in mehr oder weniger Cyborgs zu verwandeln. Dabei reicht es ihr bei weitem nicht, entsprechende Literatur darüber zu lesen, Frau Meckel startet eigentlich überall den Selbstversuch und führt protokollarisch Tagebuch über ihre Erlebnisse.

„Es wird unsere Aufgabe für die Zukunft sein, den Verbindungsbalken zwischen den Hemisphären des neuen Weltgeistes aus menschlicher und künstlicher Intelligenz zu bauen. Wenn es schlecht läuft, werden wir verlieren von dem, was unsere Welt und das Leben schön macht: Kreativität, Emotionen, geistige Einzigartigkeit und die Fähigkeit, Menschen und Dinge zu lieben. Wenn es gut läuft, wird es uns gelingen, die beiden Zustände zu verbinden und in einer großartigen Welt zu leben…“

Das geht von 24 Stunden in der Dunkelkammer, Neuro Enhancer Pillen und Stromstößen fürs Gehirn bis hin zu Spracherkennung über das Gedankenlesen. Nicht alle Versuche gingen spurlos an ihr vorbei und sie hat sich da weit aus ihrer Komfortzone rausgewagt.

Besonders gefiel mir, dass Meckel nie plakativ ins Schwarz-Weiße verfällt. Sie zeigt kritisch Gefahren auf, erklärt aber auch die durchaus bestehenden positiven Möglichkeiten, insbesondere für die Medizin. Immer wieder werden wir mit der Frage konfrontiert, sollen wir wollen, was wir können, was bedeutet das aus ethischer Sicht für die Menschen und wie weit können wir die möglichen Folgen absehen, weil aktuell vieles noch nicht durch Langzeitstudien erforscht ist?

Ein spannendes und unterhaltsames Buch, das ich sehr gerne gelesen habe und ich hoffe noch immer auf einen Besuch der Autorin in München. Mein Hirn war jedenfalls permanent on fire und ich könnte problemlos die ganze Nacht mit Frau Meckel diskutieren – auch ganz ohne Hirnboosting durch Stromzufuhr.

Ich bedanke mich beim Piper Verlag für das Rezensionsexemplar.

Verteidigung des liberalen Charakter

Dieses kleine Büchlein hatte unglaublich viele großartige Erkenntnisse geboten für mich, ich kam aus dem Unterstreichen überhaupt nicht mehr raus. Strenger führt aus, dass die Menschen ihre Freiheiten als selbstverständlich und naturgegeben ansehen und nicht als etwas, dass man sich erarbeiten muss und für das es sich zu kämpfen lohnt.

Wir sehen die politische Stabilität und die Menschenrechte zum Beispiel als eines unserer Grundrechte an und in dem Moment, wo irgendwer diese Rechte beschneidet oder uns ins Gehege kommt, kreiden wir das dem jeweiligen Politiker oder der Gesellschaft als solches an, sehen es aber in der Regel nicht als unser ureigenes Problem an, das wir proaktiv mit lösen müssen.

Die meisten sind so sehr damit beschäftigt, sich selbst zu optimieren durch Sport, die passende Ernährungsweise oder dem optimierten Schlafverhalten, dass neben Beruf und Selbstoptimierung maximal noch Zeit für Beruf und etwas Familie bleibt, aber für die Gesellschaft bleibt am Ende nichts übrig.

Wir haben meistens kein größeres Ziel, als uns selbst zu verbessern, was dazu führt, dass unsere gesellschaftlichen Systeme einknicken oder von rechts unterwandert werden. Wir sind zuviel mit uns selbst beschäftigt und haben keine Zeit und nicht genügend Interesse, der Gesellschaft etwas zurück zu geben. Eine Kritik, die ich mir auch persönlich gefallen lassen muss. Ich sehe einiges positiver als Strenger, aber grundsätzlich trifft er mit vielen Punkten ins Schwarze.

Die größte Leistung der westlichen Aufklärung liegt darin, dass sie den Menschen die Möglichkeit, gibt ihr Leben frei gestalten zu können und es heute mehr Auwahl gibt als je zuvor. Das ist aber nicht nur Anlass zur Freude, denn es bedeutet auch, dass die Menschen sich ihre existentiellen Fragen nach dem Warum, ihrer Identität, dem Sinn etc. selbst beantworten und ihrem Leben einen eigenen Sinn geben müssen. Manche Menschen befreit diese Freiheit, doch für einige bedeutet es ein zu viel an Verantwortung, Mut und Anstrengung und das auch noch ohne Erfolgsgarantie.

„Wo negative Freiheit als Freiheit von äußeren Zwängen definiert ist, besteht die positive darin, dass wir wirklich autonom sind. Wahre Selbstbestimmung erfordert Vernunft, Wissen und Disziplin. Mit negativer Freiheit ist durchaus vereinbar, dass wir zu Sklaven unserer Leidenschaften, Begierden oder auch äußerer Manipulation werden. Der Begriff der positiven Freiheit hingegen gibt einer starken menschlichen Intuition Ausdruck: Wahrhaft frei sind wir nur dann, wenn wir die negative Freiheit mit Inhalten füllen, für die wir uns bewusst entschieden haben.“

Die westlichen Gesellschaften werden nicht überleben können, wenn die Menschen nicht bereit sind, ihre persönliche und gesellschaftliche Freiheit zu verteidigen.

Mit eines der wichtigsten Bücher für mich, die ich dieses Jahr gelesen habe. Spannend und bringt das Hirn garantiert auf Hochtouren.

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Ich habe hier ja schon bis zum Abwinken seine beiden Bücher „Sapiens“ und „Homo Deus“ besprochen, beworben und vielfach verschenkt und zugegebenermaßen ist hier nichts neues drin, da es sich hier um einen Auszug aus seinen beiden Büchern handelt. Trotzdem. Es hat sich gelohnt, dieses Büchlein zu lesen.

Der erste Teil erzählt die Geschichte des Geldes. Wie und warum wurde es erfunden? Warum hat es so eine derart große Bedeutung in unserem Leben und macht es uns eher glücklich oder unglücklich? Im zweiten Teil entwickelt er Zukunftsszenarien zur Zukunft der Menschheit, des Individuums und der Gesellschaft. Wir befinden uns am Rande einer Revolution, ob wir das wollen oder nicht.

Seine brillianten Einsichten, Klarsicht und seine Weitsichtigkeit sorgen für Lektüre die den Leser aufrüttelt, zum Nachdenken bringt und wer sich bislang nicht sicher war, ob er seine beiden Bücher lesen sollte, spätestens nach diesem Auszug dürfte alles klar sein.

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Die beiden Essays machte Susan Sontag über Nacht zu einer literarischen Sensation und waren die ersten, die versucht die Grenzen zwischen der sogenannten „Hoch- und Trivialkultur“ zu überwinden.

„Camp“ auf Deutsch vielleicht mit dem Begriff „Kitsch“ oder „affektiert“ zu übersetzen ist eine bestimmte Form des Ästhetizismus. Eine bestimmte Art, die Welt zu sehen. Es hat nicht unbedingt mit Schönheit im klassischen Sinne zu tun, sondern mehr mit einer Versinnbildlichung der artifiziellen stilisierten Form.

The more we study Art, the less we care for Nature“

„The ultimate camp state means it’s good because it’s awful“

Mir hat der zweite Essay „One Culture and the New Sensibility“ vielleicht sogar noch besser gefallen. Es beschäftigt sich mit der nach wie vor aktuellen Debatte um den Bruch zwischen low und high brow Kultur und die Weiterentwicklung in die sogenannte nobrow Kultur.

„One important consequence of the new sensibility is that the distinction between high and culture seems less and less meaningful.“

4 Hirne und die daraus entstandenen Texte/Bücher, die garantiert den Blickwinkel erweitern und die eigenen Synapsen zum Glühen bringen. Hier die klugen Köpfe noch mal im Überblick:

  • Miriam Meckel „Mein Hirn gehört mir“ erschienen im Piper Verlag
  • Carlo Sprenger „Abenteuer Freiheit“ erschienen im Suhrkamp Verlag
  • Yuval Noah Harari „Money“ erschienen im Vintage Verlag
  • Susan Sontag „Notes on Camp“ erschien im Penguin Verlag

A Woman looking at Men looking at Women – Siri Hustvedt

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Siri und ich haben fast einen ganzen Monat miteinander verbracht, das war eine überaus spannende und intensive Zeit, ich habe so wahnsinnig viel gelernt und weiß gar nicht, wo ich mit meiner Rezension beginnen soll….

Siri Hustvedt versucht mit diesem Buch eine Brücke zu schlagen zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften und allein das finde ich so inspirierend und wunderbar. Für mich macht das eine ohne das andere fast keinen Sinn und ich mag die Verknüpfung sehr. Die Essays decken eine enorme Bandbreite an Themen: Kunst, Feminismus, Psychologie, Philosophie, Neurowissenschaften, Artifical Intelligence … und nach jedem Kapitel brauchte ich erst mal eine kurze Pause zum Durchschnaufen, googeln, um mich mit Hintergrundwissen zu den jeweiligen Künstlern, Philosophen etc. zu versorgen. Sie gesteht keiner der Disziplinen absolute Wahrheit zu und das genau macht ihre Essays so spannend.

Hustvedt hat sich immer schon für Biologie interessiert und dafür, wie Wahrnehmung und Erkenntnis funktioniert. Das Buch selbst ist in 3 Teile aufgeteilt. Der erste Teil „A Woman Looking at Men Looking at Women“ beschäftigt sich mit dem Thema Voreingenommenheit (Biases) mit Blick auf Wahrnehmung und Gender in der Kunst, der Literatur und der Welt im Allgemeinen. Dabei untersucht sie, Künstler wie Picasso, De Kooning, Louise Bourgoise, Susan Sontag, Karl Ove Knausgaard, Robert Maplethorpe und andere. Überaus spannend und gerade, weil ich von Kunst viel zu wenig Ahnung habe, viel Neues für mich. Louise Bourgoise insbesondere ist eine Künstlerin, deren Entdeckung ich Siri Hustvedt verdanke und die mich sehr fasziniert.

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Der zweite Teil „The Delusions of Certainty“ beschäftigt sich mit dem uralten Leib/Seele Problem, das der Menschheit schon seit den Zeiten der alten Griechen schlaflose Nächte bereitet. Es geht um das Bewusstsein und sie beleuchtet es aus einer Vielzahl an Perspektiven. Ist das Bewusstsein das Gleiche wie das Hirn und wenn nicht, wo genau sitzt das Bewusstsein im Körper? Und was genau hat das Bewusstsein mit dem Körper zu tun? Hier ist mir vom Denken gelegentlich schwindelig geworden – es ist klasse, wenn man quasi spürt, wie Gehirnzellen Sex haben und neue Gedanken produzieren.

“The best works of art are never innocuous: they alter the viewer’s perceptual predictions. It is only when the patterns of our vision are disrupted that we truly pay attention and must ask ourselves what we are looking at.” 

Im dritten und letzten Teil geht es um die Frage „What are we?“, Vorträge zum Thema Conditio Humana, neurologische Erkrankungen und um Hysterie. Sie stellt Forschungsergebnisse aus den Bereichen Soziologie, Neurobiolgoie, Geschichte, Genetik, Statistik und Psychologie vor und beschäftigt sich in diesem Kapitel auch sehr tiefgreifend mit dem Thema Suizid.

Beim Lesen ihrer Essays hat man das Gefühl, Siri persönlich kennenzulernen. Sie öffnet sich ihren Lesern sehr, lässt uns teilhaben an ihren Studien und ihrer persönlichen Weiterentwicklung. Sie hat eine wunderbare zugängliche Art zu schreiben, auch wenn die Lektüre teilweise alles andere als einfach war. Ich mochte ihre persönlichen Details die sie teilt, wenn sie über ihre Tochter schreibt oder ihre Eltern, wie sie aufgewachsen ist.

“The history of art is full of women lying around naked for erotic consumption by men.” 

Besonders interessant fand ich, dass sie an den Büchern von Steven Pinker (den ich ja kürzlich mit großer Begeisterung las) viel auszusetzen hat und gerade das fand ich interessant. Nachzuvollziehen, wo die unterschiedlichen Blickwinkel liegen, zu versuchen, gleichzeitig zwei unterschiedliche Thesen im Kopf zu behalten und dem Wunsch nach schwarz/weiß – richtig/falsch zu widerstehen, und sich stattdessen darauf einzulassen, einfach zu lernen, nicht final entscheiden zu müssen. Es ist Hustvedt ein großes Anliegen, die Kluft zwischen den beiden Disziplinen zu überbrücken, ein Anliegen, das mir auch sehr am Herzen liegt. Ich finde es soooo schade, wie viele Naturwissenschaftler wenig Interesse an Kunst und Kultur haben, fürchte aber, dass es „in der Kultur“ fast noch schlimmer aussieht, wo es fast schon en vogue ist, sich nicht für Physik, Mathematik oder andere Naturwissenschaften zu interessieren.

“In order to be accepted, women must compensate for their ambition and strength by being nice. Men don’t have to be nearly as much d as women. I do not believe women are natively nicer than men. They may learn that niceness brings rewards and hat names ambition is often punished. They may ingratiate themselves because such behavior is rewarded and a strategy of stealth may lead to better results than being forthright, but even when women are open and direct, they are not always seen or heard.” 

Ich fand es faszinierend darüber nachzudenken, wo und wie die Naturwissenschaft Einfluss auf uns im täglichen Leben hat mit Blick auf Computer, Mobiltelefone, Elektrizität, künstlicher Intelligenz und umgekehrt der Einfluss der Geisteswissenschaften auf unser Leben in der Literatur, der Kunst, Geschichte, Philosophie, Poesie, Tanz etc.

Wir müssen uns nicht zwischen den beiden entscheiden und ich wünschte mir, „Science + Art“ würden viel stärker miteinander arbeiten, statt gegeneinander.

Siri Hustvedts Essays sind auf keinen Fall leichte Kost, sie zwingen uns zum Nachdenken. Ich fand insbesondere die Frage spannend, warum die Naturwissenschaften immer als hart und maskulin, die Geisteswissenschaften als weich und feminin klassifiziert werden und welchen Einfluss das auf uns und unsere Voreingenommenheit hat.

Hustvedt kann sich ganz und gar nicht mit dem gängigen Gebrauch von Computer-Terminologie in Bezug auf unser Hirn anfreunden und sie zerlegt diese Argumente recht eindrucksvoll. Gleichermassen zerlegt sie Aussagen zu biologischen und psychologischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern.

Die Stärke und Klarheit von Hustvedts Denken gibt mir Zuversicht in unsere Spezies. Sie ermuntert uns, Vertrauen in unsere Instinkte zu haben, gleichzeitig aber kritisch auf mögliche Fehlinterpretationen zu achten und Bauchgefühl mit Daten zu untermauern. Wahrheiten können Fiktionen sein und es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass wir die Faktenlage kritisch checken und bereit sind, lieb gewonnene Überzeugungen zu hinterfragen.

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Ich habe mich beim Lesen ein bisschen in Siris Hirn verliebt und hoffe, ich habe noch mal Gelegenheit, sie live auf einer Lesung oder einem Vortrag zu treffen. Dieses Buch ist Hirngymnastik pur. Tun Sie sich und Ihrem Hirn einen Gefallen und lesen Sie es. Man spürt beim Lesen, wie die Synapsen qualmen, das Gehirn dehnt sich auf ungeahnte Ausmaße aus und kehrt danach nie wieder in seine ursprüngliche Form zurück.

“There is no perception without memory. But good art surprise us. Good art reorients our expectations, forces us to break the pattern, to see in a new way.” 

 

Books & Booze: Die Freiheit, frei zu sein – Hannah Arendt

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Schon Kierkegaard war ja der Meinung, dass eines der lächerlichsten Dinge am modernen Leben die Tatsache sei, dass der Mensch keine Zeit mehr habe zu reflektieren – das schein im 19. Jahrhundert also nicht großartig anders gewesen zu sein als heute. Cocktail Bars sind aber auf jeden Fall ein Ort, an dem man sich die Zeit und den Raum nehmen kann und nehmen sollte, nachzudenken und über den Lauf des Lebens zu reflektieren.

Philosophie und Cocktails haben eine lange und intime Geschichte, über die wir jetzt gerne noch deutlich mehr schreiben würde, das Problem ist, Hannah Arendt, über die wir heute Abend schreiben und der unser heutiger Cocktail gewidmet ist, partout keine Philosophin sein wollte.

Sie gilt als eine der einflussreichsten politischen Philosophinnen des 20. Jahrhunderts, auch wenn sie diesen Titel für sich selbst stets ablehnte. Ich habe mich ewig darüber gewundert, überlegt ob es in einer falschen Bescheidenheit begründet liegt, bis Thomas Meyer, Dozent für Philosophie an der LMU München, bei einer Veranstaltung im Literaturhaus München meinte, seiner Einschätzung nach habe sich Arendt mit dieser Äußerung einfach von der Philosophie distanzieren wollen, die sie bis zu einem gewissen Grad für die Gräueltaten des Holocaust und des Nationalsozialismus mit verantwortlich machte. Eine für mich neue, aber durchaus einleuchtende Theorie.

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Sie wirft der Philosophie vor, feindselig auf die Politik zu blicken und mit Blick auf die Gräueltaten des Holocaust und des Nationalsozialismus versagt zu haben. Sie kritisiert die künstliche Trennung zwischen praktischer und theoretischer Philosophie. Die politische Theorie stellte für sie eine mögliche Alternative zur Philosophie dar.

Der Text „Die Freiheit, frei zu sein“, der letztes Jahr wiederentdeckt wurde, ist erstaunliches Bestsellerlisten-Material. Er ist alles andere als zugänglich, es scheint, als wolle die Bevölkerung sagen „traut uns sowas Schwieriges zu“, „wir wollen nicht nur Leichtverdauliches“. Die Menschen wollen nicht mehr unterfordert werden und wehren sich gegen die sprachliche und intellektuelle Verwahrlosung unserer Zeit. Wollen einer konservativen Revolution etwas entgegensetzen, die allen voran ausgerufen wird von einem Typen, der das Wort „Freiheit“ nicht einmal buchstabieren kann.

Der Text ist das Transkript einer Rede, dass sie vor einem konservativen Think Tank in Chicago hielt, für die alles Denken und alle Philosophie nach Plato eigentlich nur noch eine Fußnote darstellte.

Gerade diesem steifen Publikum kommt Arendt – vermutlich charmant wie immer – gleich mit der Revolution ins Haus.

„Mein Thema heute ist, so fürchte ich, fast schon beschämend aktuell. Revolutionen sind inzwischen alltägliche Ereignisse, denn mit der Beendigung des Imperialismus haben sich viele Völker erhoben, um „unter den Mächtigen der Erde den selbständigen und gleichen Rang einzunehmen, zu dem die Gesetze der Natur und ihres Schöpfers es berechtigen.“

Revolutionen werden für die Freiheit gemacht. Aber Freiheit von was? In der Regel folgen auf Befreiungen erst einmal Terror und die wichtigste Frage ist nicht so sehr wie erlange ich Freiheit, sondern wie bewahre ich die Freiheit? Freiheit darf für Hannah Arendt nicht in der Passivität bleiben (noch einmal ein Wink mit dem Zaunpfahl nach Freiburg) Freiheit muss rückverankert in die Gesellschaft sein, es muss das Ziel jedes Einzelnen sein, Freiheitsräume zu schützen, denn Freiheit geht jeden an.

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Hannah Arendt hat mit diesem gut fünfzig Jahre alten Text ein Gegengift in die Welt gesetzt, dass uns hilft darüber nachzudenken, was in unserer Zeit und in unserer Gesellschaft erhaltenswert ist.

Der Text hat durchaus ein gewisses Mass an Reflektions-Komplexität, bietet uns aber einen so positiven Begriff von Freiheit, dass wir Hannah Arendt mit dieser Books & Booze Ausgabe einen eigenen Cocktail widmen wollen.

Die Münchner Küchenexperimente sind im Labor verschwunden und kamen dann mit dieser köstlichen und überaus süffigen Mischung wieder hervor:

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100 ml stark aufgebrühten grünen Tee

Tonic und Gin eurer Wahl

Eiswürfel

Den grünen Tee schön stark aufbrühen und dann abkühlen lassen. Mit den Eiswürfeln in ein Glas geben und mit Tonic und Gin nach Wunsch auffüllen.

Ladies and Gentlemen, versuchen Sie diesen Cocktail – ich bin sicher, Frau Arendt hätte ihn mit ihrer „Bae“ Mary McCarthy bei circa 20 Zigaretten lässig an einem Nachmittag weggeschlürft.

Es lebe die Freiheit und Hannah Arendt 😉

Wer noch mehr möchte – hier der link zu ihrem unvergesslichen Interview mit Günter Gaus:

Wer noch etwas mehr über Hannah Arendt wissen möchte, dem empfehle ich ihr „Last Interview„.

Enlightenment Now – Steven Pinker

Pinker

Optimismus und positives Denken sind einfach nicht cool, wer etwas auf sich hält, sieht die Welt als einen Ort voller ungelöster und unlösbarer Probleme und Risiken, wer die Welt positiver sieht, den hält man gerne schon mal für einen für einen naiven Deppen ohne jede Fähigkeit zum kritischen Denken.

Schon John Stuart Mill, ein eher optimistischer Philosoph, beobachtete das und schrieb dazu im Jahr 1828:

“I have observed that not the man who hopes when others despair, but the man who despairs when others hope, is admired by a large class of persons as a sage.”

Auch in Voltaires „Candide“ bekommt der Optimismus die Fresse voll, auch wenn es sich nach Pinkers Meinung gar nicht wirklich um Optimismus handelt in diesem Fall, denn wer glaubt, die Welt ist schon so gut wie sie nur sein kann, der denkt eher fatalistisch, dann akzeptiert man einfach was ist, ein echter Optimist würde eher sagen: „auch wenn die Welt nie perfekt sein wird, vieles kann verbessert werden wenn wir daran arbeiten.“ In diesem Sinne bin ich ein echter Optimist und habe mich sehr gefreut, in Herrn Pinker einen Verwandten im Geiste getroffen zu haben.

In “Enlightenment Now” argumentiert Pinker unterstützt durch Unmengen an Daten, dass unser Leben deutlich besser geworden ist und nicht deutlich schlechter, auch wenn viele das Gefühl haben. Die Menschen sind global gesehen gesünder, sicherer, weniger gewalttätig, besser gebildet, toleranter geworden, leben länger und haben in der Regel erfülltere Leben.

Es ist zwar krass, dass es überhaupt nötig, ist Prinzipien wie Vernunft, Humanismus, Wissenschaft und Fortschritt zu verteidigen, aber wo wären wir als Menschheit ohne diese Prinzipien. Wie weit wir bereits gekommen sind, zeigt Pinker in seinem Buch, in dem er diese Entwicklung chronologisch erklärt und damit den „common sense“ des Öfteren heftigst zum Vibrieren bringt.

Schleche Nachrichten sind überall, machen einfach die besseren Schlagzeilen und sind in aller Munde, auch viele Intellektuelle üben sich mittlerweile derart in Schwarzmalerei und versuchen uns davon zu überzeugen, dass die Welt ein immer schrecklicherer, dunkler, gefährlicherer Ort wird, wenn in Wirklichkeit genau das Gegenteil der Fall ist. Natürlich ist die Welt nicht perfekt, aber ein deutlich besserer Ort, als uns viele glauben machen wollen und das führt dann zu so katastrophalen Setbacks wie Trump oder dem Erstarken der Rechten, der neuen Gesellschaftsfähigkeit von rechtskonservativen Ideen oder auch für ganz Durchgeknallte wie die Klimawandel-Abstreiter oder Flat-Earthler. Wenn kritisches Denken in Wahn umkippt …

„If you had to choose a moment in history to be born, and you did not know ahead of time who you would be – you didn’t know whether you were going to be born into a wealthy family or a poor family, what country you’d be born in, whether you were going to be a man or a woman – if you had to choose blindly what moment you’d want to be born, you’d choose now.“ (Barack Obama)

Der Fortschritt hat das Leben nicht nur in westlichen Ländern verbessert, sondern weltweit. Das durchschnittliche Lebensalter weltweit war bis ins 19. Jahrhundert etwa 30 und liegt heute weltweit bei 71. Die Säuglingssterblichkeit ist deutlich gesunken und viele Infektionskrankheiten komplett ausgerottet. Es gibt deutlich weniger Hunger in der Welt, selbst in den ärmsten Ländern ist Übergewicht mittlerweile häufiger an der Tagesordnung, als Untergewicht. Im Durchschnitt sind die Menschen gesünder, mehr Menschen können lesen und schreiben, der IQ ist weltweit gestiegen und sie haben mehr Einkommen zur Verfügung. Was nicht bedeutet, wir können die Hände in den Schoss legen, aber doch immerhin den positiven Trend  anerkennen.

„For an American woman, being pregnant a century ago was almost as dangerous as having breast cancer today.“

Es mangelt weiter an Chancengleichheit für alle und wir müssen aufpassen, dass die Einkommensunterschiede nicht zu hoch werden, denn die Tatsache allein, dass es faktisch allen besser geht als früher, wird nicht reichen, um aus krassen Ungleichheiten entstehende Probleme zu bekämpfen.

Natürlich gibt es auch richtig große Probleme, die wir dringend angehen müssen und die Pinker klar bennent. Wenn wir es nicht schaffen, in kürzester Zeit unseren CO2 Level zu reduzieren und die Erderwärmung in den Griff bekommen, werden wir vor katastrophalen Problemen stehen, die wir eventuell nicht mehr händeln können. Pinker will das lösen, in dem wir weltweit auf Atomstrom umsatteln, denn nur so sei eine realistische Senkung des CO2 Ausstosses zu ermöglichen – eine Idee, die mir natürlich nicht gefallen hat, seine Argumentation hat mich diesbezüglich aber zumindest zum Nachdenken gebracht.

“To the Enlightenment thinkers the escape from ignorance and superstition showed how mistaken our conventional wisdom could be, and how the methods of science—skepticism, fallibilism, open debate, and empirical testing—are a paradigm of how to achieve reliable knowledge.”

Das Buch zeigt deutlich, dass wir hinter die Schlagzeilen gucken und unsere eigenen Vorurteile und Voreingenommenheiten auf den Prüfstand stellen müssen. Die humanistischen Kräfte müssen wir verteidigen und verstehen, dass sie hinter dem kontinuierlichen Fortschritt stehen, den wir bislang erlebt haben. Sicherlich werden einige Herrn Pinker als zu optimistisch und hoffnungsfroh empfinden, aber vielleicht ist das ein bisschen wie in der Schule. Für die einen war eine schlechtere Note im Halbjahreszeugnis der notwendige Ansporn, jetzt richtig Gas zu geben, für andere die Entscheidung, in das Fach gar nicht mehr zu investieren. Wer zu viel „Doom und Gloom“ verbreitet läuft meines Erachtens Gefahr, dass die Leute ganz aufgeben und den Kopf in den Sand stecken, weil es ja eh keinen mehr Sinn hat bzw. sie in die Arme von Populisten getrieben werden, die einfache Lösung für hoch komplexe Probleme bieten.

“The idea of a universal human nature brings us to a third theme, humanism. The thinkers of the Age of Reason and the Enlightenment saw an urgent need for a secular foundation for morality, because they were haunted by a historical memory of centuries of religious carnage: the Crusades, the Inquisition, witch hunts, the European wars of religion. They laid that foundation in what we now call humanism, which privileges the well-being of individual men, women, and children over the glory of the tribe, race, nation, or religion. It is individuals, not groups, who are sentient—who feel pleasure and pain, fulfillment and anguish. Whether it is framed as the goal of providing the greatest happiness for the greatest number or as a categorical imperative to treat people as ends rather than means, it was the universal capacity of a person to suffer and flourish, they said, that called on our moral concern.” 

Egal ob man mit Pinkers Thesen einverstanden ist (und ich hatte auch so manches, woran ich heftig geknabbert habe) dieses Buch ist wichtig und gehört zu Recht zu Bill Gates Lieblingsbüchern,  ich würde es sehr gerne einigen Leuten in die Hand drücken. Wir haben nur eine Chance, die riesigen Probleme in der Welt zu lösen, wenn wir den Werten der Aufklärung, Vernunft, Wissenschaft und Humanismus treu bleiben und diese auch verteidigen.

“But it’s in the nature of progress that it erases its tracks, and its champions fixate on the remaining injustices and forget how far we have come.”

Auf deutsch erscheint das Buch unter dem Titel „Aufklärung jetzt: Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt. Eine Verteidigung“ im September 2018 im S. Fischer Verlag

Hirngymnastik Wissenschaftsphilosophie

Hirngymnastik

Man nehme eine Portion Naturwissenschaft, füge etwas Philosophie hinzu, gut umrühren und fertig ist eine Hirngymnastik, die es mächtig in sich hat.

Von Wissenschaftsphilosophie wird man in der Regel direkt auf die Erkenntnistheorie verwiesen, die Wikipedia wie folgt erklärt:

„Die Erkenntnistheorie (auch Epistemologie oder Gnoseologie) ist ein Hauptgebiet der Philosophie, das die Fragen nach den Voraussetzungen für Erkenntnis, dem Zustandekommen von Wissen und anderer Formen von Überzeugungen umfasst. Dabei wird auch untersucht, was Gewissheit und Rechtfertigung ausmacht und welche Art von Zweifel an welcher Art von Überzeugungen objektiv bestehen kann.“

Eine wichtige Disziplin gerade heute, wo wir von alternativen Fakten und Fake News umgeben zu sein scheinen, die uns dabei, hilft abzuwägen, was zum jeweiligen Zeitpunkt als richtig gilt und was nicht. Überhaupt eine wichtige Sache zu lernen, seine eigenen Lieblingstheorien von Leuten mit eventuell gegenteiliger Meinung  auf Schwachstellen untersuchen zu lassen und immer bereit zu sein, sich theoretisch auch vom Gegenteil überzeugen zu lassen.

Wenn die eigenen Theorien solchen Prüfungen standhalten, dann hat sie Bestand, ansonsten sollte man sie überdenken. Deutlich leichter gesagt als getan, aber grundsätzlich richtig.

Bevor wir uns aber tiefer mit der erkenntnisphilosophischen Seite dieser Hirngymnastik befassen, lasse ich uns erstmal von Frau Anderl ins Universum entführen:

Sibylle Anderl – Das Universum und ich

Schon Ende Oktober letzten Jahres hatte ich die Gelegenheit, Sibylle Anderl in der Bayrischen Staatsbibliothek zu hören, die aus ihrem Buch „Das Universum und ich“ vorlas. Petra von „Elementares Lesen“ hatte mir schon ordentlich Lust gemacht auf die Kombi aus Astrophysik und Philosophie und die Lesung mit Vortrag und kurzer Fragerunde war mindestens so spannend, wie ich es mir erhofft hatte.

„Wir müssen uns also wohl oder übel damit abfinden, dass wir in Erdnähe festsitzen und nicht sehr viel tun können, um das Universum aktiv zu erkunden“ – das führt dazu, dass Kritiker wie Ian Hacking die Astrophysik für deutlich ungenauer und wissenschaftlich nur schwer erfassbar halten, als andere Naturwissenschaften.

Sibylle Anderl macht uns mit der Popper’schen Welt des universellen Zweifels bekannt und zeigt den Unterschied zu den experimentellen Wissenschaften auf. In ihrem recht persönlichen Buch erzählt sie von einer Tagung in der Uckermark mit Teilnehmern aus unterschiedlichsten Wissensgebieten wie der Astrophysik, Philosophie, Geschichte und Soziologie. Dort versuchte Anderl ihre Kollegen davon zu überzeugen, dass die Astronomie grundsätzlich anders als andere Wissenschaften arbeiten. Doch schon die noch immer bestehende Trennung und die Berührungsängste in den Wissenschaften in unterschiedliche Fachschaften machen es schwer, einen fächerübergreifenden Forschungsantrag zu stellen. Aus dem gemeinsamen Projekt wird daher nichts, doch das Treffen war mehr oder weniger der Anstoss für Anderls Buch, also keineswegs ein unnötiges Treffen in der Uckermark.

Auch wenn Anderl weiße Zwerge, rote Riesen und schwarze Löcher schlecht unters Mikroskop legen kann, das Universum hat seine ganz eigene Art, mit uns zu kommunizieren, z.B. durch die kaum wahrnehmbare, stets vorhandene Hintergrundstrahlung, die unglaubliche Entfernungen zurücklegen kann und die für uns messbar und damit hoch wissenschaftlich zur Verfügung steht. Genauso unsichtbar wie Mikrowellen oder die kürzlich entdeckten Gravitationswellen  – die Hintergrundstrahlung ist für die Astrophysik eine der wichtigsten Informationsquellen und gibt Auskunft über die Geburt von Sternen, über Kollisionen von Galaxien und wird oft auch als das Babyfoto des Universums bezeichnet, entstand die Hintergrundstrahlung doch ziemlich kurz nach dem Big Bang.

„Die Annahme, dass es Dunkle Materie geben muss, beruht darauf, dass man die allgemeine Relativitätstheorie für richtig hält. Tatsächlich hat diese Theorie mit beeindruckender Präzision alle bisherigen Tests bestanden. Wenn man aber in Betracht zieht, dass es eine andere Theorie zur Beschreibung der Gravitation geben könnte, dann kann man auch das Problem der Dunklen Materie umgehen. Über die Frage, ob andere Theorien wie beispielsweise MOND, „Modifizierte Newtonsche Dynamik“, die eine modifizierte der Newtonschen Gravitationstheorie bei geringen Beschleunigungen postuliert, wirklich eine attraktive Alternative darstellen, wird in Kosmologenkreisen leidenschaftlich gestritten.“

Astrophysiker sitzen übrigens deutlich häufiger am Schreibtisch und am Computer als man vermutet, aber wenn sie Glück haben, können Sie die Teleskope auch mal besuchen und selbst Daten aufnehmen. Das führt dann auch zu den deutlich spannenderen Geschichten über zwischenmenschliche Probleme zwischen Wissenschaftlern der unterschiedlichsten Kulturen, Anekdoten über gefährliche Banditen auf dem Weg zum Teleskop in Chile und Forschung an Sternenembryos.

Die Sherlock-Holmes Methode zeigt anschaulich, wie mühselig die Messungen teilweise sein können und wie schnell die Messergebnisse verfälscht werden können durch locker sitzende Kabel oder tieffliegende Flugzeuge. Als Astrophysiker braucht man also unbedingt eine Menge Geduld beim akribischen Sammeln und Auswerten von Daten.

Die Lesung mit Vortrag war äußerst spannend, wer die Gelegenheit hat, Sibylle Anderl live zu sehen, sollte diese nutzen. Sie hat mit viel Humor auch abstruseste Fragen beantwortet und trotz der Tatsache, dass sie KEIN Star Trek Fan ist, fand ich sie sehr sympatisch (ihren Vater irgendwie auch, obwohl ich ihn gar nicht kenne, aber wenn man das Buch liest, glaubt man irgendwann es sei so).

Ich drücke die Daumen für den Nobelpreis in ein paar Jahren, sie hat ja versprochen mir rechtzeitig Bescheid zu geben, dann wird gefeiert.

Hier geht es zu der spannenden Besprechung auf Elementares Lesen.

Karl Popper – Alles Leben ist Problemlösen

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Dies ist vermutlich der zugänglichste Einstieg in Poppers Werk, eine Sammlung an provokanten, nachdenklich stimmenden Aufsätzen und Reden. Die Artikel zeigen Poppers Arbeits- und Denkprozess bei der Erarbeitung seiner Schlüsseltheorien auf dem Gebiet der Wissenschaftsphilosopie sowie seine politischen Ansichten zum Stand der Welt nach dem Zusammenbruch des Kommunismus.

Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt. Teil 1 beschäftigt sich mit Fragen der Naturerkenntis, Teil 2 mit Gedanken zur Geschichte und Politik. Seine Ansichten zur wissenschaftlichen Erkenntnis stellt er als dreistufiges Modell vor, das nach der Versuch- und Irrtum-Methode funktioniert. Stufe 1 ist die Benennung des Problems, Stufe 2 die entsprechenden Lösungsversuche, Stufe 3 die Eliminierung von fehlgeschlagenen Lösungen.

„Wenn ein höherer Organismus zu oft in seinen Erwartungen getäuscht wird, so bricht er zusammen. Er kann das Problem nicht lösen; er geht zugrunde“

„Ich bin im allgemeinen ein großer Verehrer des gesunden Menschenverstandes; ich behaupte sogar, daß, wenn wir nur ein wenig kritisch sind, der gesunde Menschenverstand der wertvollste und verläßlichste Ratgeber in allen möglichen Problemsituationen ist. Aber er ist nicht immer verläßlich; und wenn es zu wissenschaftstheoretischen oder erkenntnistheoretischen Fragen kommt, dann ist es von der größten Wichtigkeit, ihm kritisch gegenüberzustehen.“

Popper sieht sich selbst als kritischen Rationalisten, Kantianer und Optimisten. Er ist gegen Utopien, Ideologien und intellektuelle Moderscheinungen jeglicher Art sind ihm ein Graus. Er kritisierte Intellektuelle häufig für ihre unverständliche Sprache und ihre Arroganz. Für ihn ist Wissenschaft die Möglichkeit für eine stetige Weiterentwicklung und -verbesserung der Welt durch die unermüdliche Suche nach der Wahrheit und zum Wohle der gesamten Menschheit.

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„Der Aufklärer spricht so einfach, wie es eben möglich ist. Er will verstanden werden. In dieser Hinsicht ist unter den Philosophen wohl Bertrand Russell unser unübertroffener Meister.“

„Einer der Gründe, warum der Aufklärer nicht überreden und nicht einmal überzeugen will, ist der folgende. Er weiß, daß man außerhalb des engen Gebietes der Logik und vielleicht der Mathematik nichts beweisen kann. Man kann wohl Argumente vorbringen, und man kann Ansichten kritisch untersuchen. Aber außerhalb der elementaren Teile der Mathematik ist unsere Argumentation niemals zwingend und lückenlos. Wir müssen immer die Gründe abwägen, wir müssen immer entscheiden, welche Gründe mehr Gewicht haben: die Gründe, die für eine Ansicht sprechen, oder die, die gegen sie sprechen. So enthält die Meinungsbildung in letzter Linie immer ein Element der freien Entscheidung. Und es ist die freie Entscheidung, die eine Meinung menschlich wertvoll macht.“

Mehrfach erwähnt Popper, wir leben in einer besseren und faireren Welt als je zuvor. Seiner Ansicht nach sollten fundamentale Einsichten so einfach und verständlich sein, dass sie allen zugänglich sind. Geschichte ist keine Entwicklung, die wir jemals werden voraussagen können.

Schon 1994 weist Popper darauf hin, das es keine Garantie gibt, dass die Freiheit wie wir sie kennen, in der Zukunft so weitergehen wird. Je länger die Menschen frei sind, desto mehr empfinden sie diese Freiheit als selbstverständlich und verteidigen sie weniger.

Im Gegensatz zu Bertrand Russell glaubt er nicht, dass wir wissenschaftlich zu klug aber moralisch nicht klug genug sind. Stattdessen ist er der Ansicht, dass die Menschen in der Regel sehr bemüht sind das richtige zu tun und moralisch zu agieren, sie seien allerdings nicht klug genug, die Folgen abzuschätzen, die aus den Handlungen folgt, die sich auf den Rat von moralischen Instanzen hin ausführen.

„Der Rationalist ist einfach ein Mensch, dem mehr daran liegt zu lernen, als Recht zu behalten“

Wir brauchen mehr Rationalisten.

Den letzten Band, den ich hier heute besprechen möchte, fällt nicht eigentlich in den Bereich der Wissenschaftsphilosophie, er hat aber thematisch gut zu den anderen beiden gepasst und ich habe ihn mit sehr großem Vernügen gelesen.

How we got to now – Steven Johnson

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Steven Johnson erforscht in seinem Buch die Geschichte von sechs Innovationen, die den Lauf der Welt beeinflussten (Glas, Kälte, Sound, Sauberkeit, Zeit und Licht) von ihrer Entdeckung durch Hobbyforscher, Amateure, Unternehmer und Wissenschafler zu den häufig komplett unbeabsichtigten historischen Folgen dieser Entdeckungen.

Das Buch ist voller überraschender Geschichte von zufälligen brillianten und genialen Fehlern, wie zum Beispiel der französische Verleger, der den Phonographen einige Jahre vor Edison entdeckte, aber komplett vergaß, eine Playback Funktion einzubauen oder die Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr, die bei der Entwicklung der Technologie, die hinter WiFi und Bluetooth steckt, federführend dabei war (hier geht es zu einer Rezension des wunderbaren Buches über Hedy Lamarr).

„How we got to now“ untersucht die Entstehungsgeschichte alltäglicher Gegenstände und zeigt die unerwarteten Verbindungen zwischen augenscheinlich unverwandter Wissensgebiete. Zum Beispiel, wie die Erfindung von Air-Conditioning für die größte Migration von Menschen in der Geschichte unserer Spezies verantwortlich war in bis dahin fast unbewohnbare Gebiete wie Phoenix/Arizona zum Beispiel. Oder wie Pendeluhren die industrielle Revolution vorantrieben oder auch wie sauberes Wasser die Herstellung von Computerchips möglich machte.

“A world without glass would strike at the foundation of modern progress: the extended lifespans that come from understanding the cell, the virus, and the bacterium; the genetic knowledge of what makes us human; the astronomer’s knowledge of our place in the universe. No material on Earth mattered more to those conceptual breakthroughs than glass.”

Johnsons Buch ist provokativ, informativ und eine kleine Warnung muss ich aussprechen, während der Lektüre kann es dazu kommen, dass man durch penetrantes Teilen von gerade entdeckten unglaublich spannenden Informationen in Gefahr gerät, für einen nervigen Klugscheißer gehalten zu werden – das Buch fordert es aber auch wirklich heraus.

“Humans had proven to be unusually good at learning to recognize visual patterns; we internalize our alphabets so well we don’t even have to think about reading once we’ve learned how to do it.”

Es gibt auch eine sehr spannende sechsteilige Serie zum Buch, die ich euch sehr ans Herz legen kann:

https://www.youtube.com/watch?v=eLMCtFon6E0

Hier noch mal die Bücher der Hirngymnastik im Überblick:

Sybille Anderl – Das Universum und ich erschienen im Hanser Verlag.

Karl Popper – Alles Leben ist Problemlösen erschienen im Piper Verlag

Steven Johnson – How we got to now auf deutsch unter dem Titel „Die Erfindung der Zukunft: Sechs Innovationen, die die Welt veränderten“ im Springer Verlag erschienen.

 

Durch die Nacht – Ernst Peter Fischer

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Der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer ist meistens eine sichere Bank für mich. Bei seinen Büchern langweile ich mich selten, er ist ein Wissensvermittler alter Schule und hat es sich zum Ziel gesetzt, die Naturwissenschaften unter kultureller Zuhilfenahme unter Volk zu bringen.

Auf den Band „Durch die Nacht – Eine Kulturgeschichte der Dunkelheit“ hatte ich mich besonders gefreut, habe schließlich eine Vorliebe für die dunkleren Seiten des Lebens und durchaus Lust, der Nacht einmal unter den Rock zu gucken.

Das für mich interessanteste, von dem ich bislang noch nie gehört hatte, war die Information, dass der Mensch früher in zwei Etappen geschlafen hat. Direkt nach dem Abendessen ging es damals ins Bett und dann so gegen Mitternacht stand man wieder auf, um für ein paar Stunden alles Mögliche zu unternehmen. Nachbarn besuchen, die Küche aufräumen, Nachwuchs zeugen etc. um dann gegen 3 oder 4 zurück in die Federn zu springen und bis zum Sonnenaufgang weiterzuschlafen.

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Fischer plädiert dafür, zum zweiphasigen Schlaf zurückzukehren, da er glaubt, dass der zweiphasige Schlaf der biologischen Neigung des Menschen eher entspreche. Für mich hört sich das ehrlich gesagt gar nicht verkehrt an. Ich bin auch am frühen Abend so gegen 20.00 Uhr sehr müde und je später der Abend, desto wacher werde ich.

Unser heutiger 7-8-stündiger Schlaf ist erst seit der Industrialisierung weitestgehend zur Norm geworden.

Ansonsten beschäftigt sich das Buch noch mit zu erwartenden Fragen wie „Ist der Nachthimmel wirklich schwarz? Warum schlafen wir überhaupt und welchen Sinn machen unsere Träume? Wieso haben wir im Dunkeln mehr Angst als im Hellen?“

„Mit der Romantik kommt die Spiegelwelt einer erfundenen Wirklichkeit zum Vorschein. Der Weg geht nach Innen als Weg zum Traum, der zum Schauplatz einer Universalisierung des Menschen wird, wie man emphatisch sagen kann. Im Schlaf ist die Zeit zwar aufgehoben, aber Welterfahrung wird nur durch den Traum vermittelt, was im Hintergrund zu bedenken bleibt. Indem der Traum eine zweite Version der Welt entwirft, wird die Verbindlichkeit der ersten, die man oft als Wirklichkeit kennt, in Zweifel gezogen. Das Material des Unbewussten entstammt der Einbildungskraft im Traum.“

Das Buch ist ein Exkurs in Philosophie, Biologie, Literatur und Religion, der auf unterhaltsame Weise die nächtlichen Aspekte unseres Alltags beleuchtet. Es ist durchaus informativ, gelegentlich zu sehr Anekdotensammlung, dennoch ein interessantes Buch für schlaflose Nächte.

„Durch die Nacht“ ist im Pantheon Verlag erschienen.

Existentialisten im Cafe, Meursault und eine Maschine die stoppt

Die Reihenfolge war eher zufällig, aber sie haben dann thematisch sehr gut zusammengepasst die drei Bände, die ich heute kurz vorstellen möchte. Den Anfang machte Sarah Bakewells „Das Café der Existentialisten“ – ein Buch auf das ich mich schon lange gefreut habe und das ich ganz langsam und genüsslich lesen wollte, denn ich hatte schon so eine Ahnung, dass das ein ganz besonderes Buch für mich sein würde.

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Bakewell zeigt, wie sehr sich die Grundideen der Phänomenologie und des Existentialismus in Kultur, Kunst, Literatur, Widerstandsbewegungen wiederfinden, häufig ohne das der eigentliche Ursprung der Ideen explizit klar ist. Sie glaubt, dass wir die Ideen der Phänomenologie und des Existentialismus unbedingt aus dem Archiv holen und abstauben sollten, weil die Fragen und Ideen dieser Philosophie-Fragen besonders geeignet sind, die Menschen zum Denken zu bringen.

Die Beschäftigung mit dem Existentialismus kann uns in der aktuellen Situation helfen, die richtigen Fragen zu stellen. Begriffe wie Freiheit, Handlungsfähigkeit und freier Wille haben schon die Besucher des Cafés in ihrem Roman umgetrieben und wir können uns an ihnen reiben, mit ihnen streiten oder übereinstimmen, wenn wir bei der Lektüre des Buches am Leben von Philosophen wie Simone de Beauvoir, Sartre, Camus, Heidegger, Merleau-Ponty, Murdoch und anderen teilhaben.
“…freedom may prove to be the great puzzle for the early twenty-first century…Science books and magazines bombard us with the news that we are out of control: that we amount to a mass of irrational but statistically predictable responses, veiled by the mere illusion of a conscious, governing mind…Reading such accounts, one gets the impression that we actually take pleasure in this idea of ourselves as out-of-control mechanical dupes of our own biology and environment. We claim to find it disturbing, but we might actually be taking a kind of reassurance from it—for such an idea lets us off the hook. They save us from the existential anxiety that comes with considering ourselves free agents who are responsible for what we do. Sartre would call that bad faith. Moreover, recent research suggests that those who have been encouraged to think they are unfree are inclined to behave less ethically, again suggesting that we take it as an alibi.”

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Wir sollten uns mit diesen Leuten beschäftigen, nicht weil sie immer Recht hatten, das wirklich nicht, aber weil sie unermüdlich versuchten, unsere Anwesenheit und unsere Handlungen in der Welt zu erklären. Mit außergewöhnlicher Klarheit und Dichte schafft sie es, die Kernpunkte der Phänomenologie und des Existentialismus herauszuarbeiten. Sie bringt den Leser dazu, sich mit sich selbst und seiner Rolle und Verantwortung in der Welt zu beschäftigen, gerade auch mit Blick auf die Technologie.

Bakewell bringt uns Menschen näher, die sich nicht einfach nur mit Philosophie beschäftigt haben, sondern die sie gelebt, damit gerungen, geatmet haben und nicht einfach nur darüber gesprochen oder geschrieben.

Sie ist durch und durch Philosophie-Fan und ihre Lust ist ansteckend. Sie schreibt so mitreissend, ich habe es nicht einmal bei Husserl oder Heidegger geschafft, mich zu langweilen, auch wenn ich immer mal wieder ein „???“ oder „So ein Quatsch“ an die Seite schrieben musste.

Unsere Philosophen-Freunde aus dem Buch durchlebten schwierige Zeiten und wir gucken ihnen dabei über die Schulter, wie sie sich so geschlagen haben, an den verschiedenen Weggabelungen der Geschichte. Heidegger, der den Nazis nicht widerstehen konnte, Sartre, der erst Stalin und die Gulags verteidigte und später Mao Tse Tung unterstützte, fast alle trafen schwere Fehlentscheidungen auf der Suche nach ihrer Rolle in der Welt.

“It is perfectly true, as philosophers say, that life must be understood backwards. But they forget the other proposition, that it must be lived forwards. And if one thinks over that proposition it becomes more and more evident that life can never really be understood in time because at no particular moment can I find the necessary resting-place from which to understand it.“

Ich könnte ellenlang weiterschreiben über dieses Buch, das ich so sehr mochte, ich hätte zu gerne mit der Autorin bei einem Aprikosen-Cocktail die Nacht durchdiskutiert, daraus wird leider nichts, obwohl eine theoretische Chance dazu bestünde, denn Ms Bakewell ist im März im Literaturhaus München, nur ich beruflich leider unterwegs und somit wird das leider nix.

Existentialistisch ging es im übrigen mit unserer Januar-Lektüre des Bookclubs weiter:

„The Meursault Investigation“ – Kamel Daoud

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Daoud hat, so habe ich es im Bookclub gelernt, eine Pallinade geschrieben. Also eine Antwort auf Camus „The Outsider / Der Fremde“. Daoud ein algerischer Autor und Journalist hat mit der Veröffentlichung einiges in Kauf genommen, da er zumindest zeitweise mit einer Fatwa belegt wurde, da das Buch recht religionskritisch ist.

„I’ll go so far as to say I abhor religions.“

„As for death, I got close to it years ago, and it never brought me closer to God.“

„I keep quiet here in the city, and my neighbors don’t like my independence, though they envy it and would be happy to make me pay for it.“

Ich hatte mich sehr auf „The Mersault Investigation“ gefreut, war sehr gespannt darauf, aber wir sind nicht wirklich warm geworden. Die ständigen Wiederholungen waren ermüdend, von Plot kann man eigentlich wenn überhaupt erst ab Seite 50 oder so sprechen, haben das Buch für mich zu Schwerstarbeit werden lassen.

Ich hatte erwartet, dass sein Buch Jean Rhys‘ „Wide Sargasso Sea“ ähneln würde, das wir vor ein paar Jahren im Bookclub gelesen hatten, die wirklich gute Nacherzählung von Jane Eyre aus der Sicht der verrückten in einer Kammer eingesperrten Ehefrau. Die Bücher haben durchaus ein paar Parallelen: Beide beschäftigen sich mit Fremdenfeindlichkeit, Kolonialismus und dem was aktuell „white-washing“ genannt wird, dennoch erreicht Daouds „The Meursault Investigation“ nicht annähernd Rhys‘ Klasse.

Vielleicht auch, weil der Autor sich einfach nicht recht entscheiden kann, was es sein soll. Eine Novelle, ein Meta-Roman oder eine Mischung?

Und insbesondere der erste Teil ist einfach irre langatmig, ohne jeglichen Plot und nervenzerrüttend repetitiv. Immer wieder habe ich mich beim Lesen dabei erwischt, wie die Gedanken total abschweifen, weil einfach überhaupt nix passiert ist. Das einem in einem so kurzen Buch so derart langweilig werden kann, hätte ich nicht geglaubt.

Eine Rezensentin auf Goodreads der es anscheinend ähnlich ging wie mir, hat die ersten 75 Seiten des Buches so zusammengefasst:

My brother is dead.
He was murdered.
He was murdered by a guy who wrote a famous book.
So now everyone cares about the murderer instead of my brother.
Who is dead.
Because he was murdered.
Specifically, by a guy who wrote a book about it.
And now the book is famous and nobody cares about my brother.
You know, the dead guy.
Who was murdered.

Ich möchte daher niemanden aktiv davon abhalten das Buch zu lesen, es ist definitiv interessant und es war spannend“Der Fremde“ und „The Meursault Investigation“ parallel zu lesen.

Nach soviel Existentialismus komme ich zum letzten Buch in der Runde, auf das ich bei Birgit von Sätze & Schätze aufmerksam wurde, wofür ich ihr sehr dankbar bin, denn das ist ein ganz besonderes kleines Juwel:

„The Machine stops“ – E. M. Forster

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Interessanterweise wird in Sarah Bakewells „Café der Existentialisten“ ebenfalls auf das Buch hingewiesen und daraus zitiert, also der typische Fall von erst hört man nie von etwas und nun sehe ich es überall.

E. M. Forster dürfte den meisten eher durch seine realistischen modernen Klassiker wie „A Passage to India“, „Howards End“ oder „A Room with a view“ bekannt sein. Science-Fiction, Dystopien etc gehörten nicht eigentlich zu seinem Genre. Um so gespannter war ich auf diese knapp 60-seitige Geschichte.

Forster berichtet im Vorwort das die Geschichte eine Reaktion auf Wells Zeitmaschine sei.  Im Gegensatz zu Wells‘ politischem Kommentar stellt Forster die Technik selbst als äußerste kontrollierende Instanz hin.

Die sollte man man auf gar keinen Fall lesen ohne vorher noch mal das Veröffentlichungsdatum zu überprüfen. „The Machine stops“ hat über 100 Jahre auf dem Buckel und ich habe die Geschichte glaube ich die ganze Zeit über mit erstaunt aufgerissenem Mund gelesen, so wenig konnte ich glauben, dass Forster unser Internet-Zeitalter so derart exakt vorhersehen konnte.

Um noch mal den Zeitstrahl zu bemühen: Forster hat „The machine stops“ 1909 geschrieben, also fast 25 Jahre vor Huxleys „Schöne neue Welt“ zum Beispiel und über 40 Jahre vor Orwells 1984. Meine einzige Erklärung ist – er hatte Zugriff auf HG Wells Zeitmaschine, denn die gab es immerhin seit 1895 bereits.

Die Geschichte erzählt von einer Zeit, in der die Menschen nicht mehr an der Erdoberfläche leben können, da die Luft verseucht ist, sondern unterirdisch isoliert in standardisierten wabenförmigen Räumen. Alle ihre Bedürfnisse werden durch eine omnipotente globale Maschine befriedigt (man denkt unweigerlich an Facebook, itunes, Kindle, Online-Vorlesungen etc)

Sie sind im Grunde völlig isoliert und leben wunschlos glücklich allein mit dem Internet. Reisen sind erlaubt, aber unnötig und äußerst unbeliebt, wie überhaupt jeglicher tatsächlicher Kontakt mit den Mitmenschen der als unsauber und unmodern gilt.

“Few travelled in these days, for, thanks to the advance of science, the earth was exactly alike all over. Rapid intercourse, from which the previous civilization had hoped so much, had ended by defeating itself. What was the good of going to Peking when it was just like Shrewsbury? Why return to Shrewsbury when it would all be like Peking? Men seldom moved their bodies; all unrest was concentrated in the soul.”

Die „Maschine“ wird mit nahezu religiösem Eifer verehrt und wie der Titel des Büchleins schon vermuten lässt, irgendwann ist die Kacke am Dampfen und die Maschine droht zu stoppen.

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Ich will hier gar nicht weiter viel verraten, denn ich wünsche dieser Geschichte so viele Leser wie möglich. Wird die Maschine unser Ende besiegeln, wenn wir es nicht schaffen ein vernünftiges Verhältnis zu Technologie zu entwickeln? Sie nicht komplett verteufeln, uns aber auch nicht vollkommen abhängig machen davon.

Abwägen, wann ich mir mit Google Maps den schnellsten und direktesten Weg zu einem Ziel anzeigen lasse und wann es vielleicht viel spannender und schöner ist, mich treiben zu lassen, unbekannte Umwege zu gehen und mich vielleicht auch mal zu verlaufen.

Und mit diesen Worten beende ich mein Wort zum Sonntag und höre mal in das neue Album „The Machine Stops“ von Hawkwind rein, die sich von der Geschichte haben inspirieren lassen:

Sarah Bakewell – Das Cafe der Existentialisten erschienen im Beck Verlag
Kamel Daoud – Der Fall Meursault; Eine Gegendarstellung erschienen bei KiWi
E. M. Forster – Die Maschine steht still erschienen bei Hoffmann & Campe

Hirngymnastik: Geschichte

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„Sapiens – A Brief History of Humankind“ – Yuval Noah Harari

 

Typischerweise wird die Geschichte der Menschheit mit den Humanoiden des Paläolithikums begonnen, zeichnet ihre Entwicklung zum modernen Menschen nach und beginnt dann üblicherweise die Anfänge der Zivilisation von der Landwirtschaft bis zur Gegenwart nachzuzeichnen. Soweit folgt auch Yuval Noah Harrari diesem Weg in seinem Buch „Sapiens“, dennoch hat er einige überraschende Wendungen auf Lager. Was dieses Buch zu einem unglaublich spannenden Geschichtswälzer macht ist das er einige unserer vorgefassten Meinungen und Vorstellungen ins Wanken bringt, und den einen oder anderen vielleicht auch mal ärgert, aber niemals aufhört unglaublich faszinierend zu sein.

Harari legt seinen Fokus auf die drei großen Revolutionen in der Menschheitsgeschichte: die kognitive, die landwirtschaftliche und die der Wissenschaft. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie ein eher unbedeutendes Lebewesen ohne großartige Signifikanz“ es schaffen konnte zur dominanten Lebensform auf unserem Planeten zu werden und inwieweit dessen Fähigkeit sich die Natur weitestgehend zum Untertan zu machen ein Segen oder vielleicht eher ein Fluch für den Planeten und die Menschheit selber sein wird.

Würden wir die Zeit seit Entstehung von Leben auf unserem Planeten als Uhr darstellen, wäre der heute Mensch gerade einmal zwei Minuten vor Mitternacht aufgetaucht, also gerade noch rechtzeitig um die Sektkorken knallen zu hören. Wie lange wir als Art erhalten bleiben, bleibt abzuwarten, viele unserer „Vorgängermodelle“ haben uns da einiges an Zeitspanne voraus.

In 20 wirklich brillianten Kapiteln fordert Harari den Leser dazu auf sich nicht nur mit der Frage zu beschäftigen wie wir wurden was wir sind, sondern was hätte passieren können, wenn die Dinge etwas anders abgelaufen wären. Er beschäftigt sich ausgiebig mit dem Thema Zufall und gelegentlich ist er ganz schön zynisch, aber mich hat das nicht weiter gestört, denn ich empfand den Grundton des Buches als durchaus optimistisch.

Harari hat einige meiner bisherigen Vorstellungen von den Anfängen unserer Spezies ordentlich durchgerüttelt, aber ich mag das, wenn man mich zum Nach- oder Umdenken bringt. Er beleuchtet die Anfänge der kognitiven Revolution und der immanenten Wichtigkeit von hypothetischen Geschichten die nötig sind um eine Gesellschaft zusammen zu schweissen. Geschichten an die jeder glaubt sind die Grundlage für unsere Fähigkeit zur Kooperation. Und sei es nur unser weltumspannender Glaube an so etwas fiktives wie Geld.

“How do you cause people to believe in an imagined order such as Christianity, democracy or capitalism? First, you never admit that the order is imagined.”

Die Mythen die wir erzeugen, können per se nie komplett logisch konsistent sein. Religion bietet den Menschen Trost von der Absurdität des Lebens und der Unmöglichkeit dem Tod zu entkommen. Die Wissenschaft dagegen macht genau das Gegenteil. Sie versucht, wie zum Beispiel im ausführlich besprochenen Gilgamesch Projekt Wege zu finden, den Tod und andere Unannehmlichkeiten zu überwinden statt sie zu akzeptieren.

“Culture tends to argue that it forbids only that which is unnatural. But from a biological perspective, nothing is unnatural. Whatever is possible is by definition also natural. A truly unnatural behaviour, one that goes against the laws of nature, simply cannot exist, so it would need no prohibition.”

Unser Wissen über die Welt kann und wird niemals universell sicher und konsistent sein und wir müssen lernen neben der immer größer werdenden Komplexität auch mit dem Fakt zu leben, das es keine eine reine Wahrheit gibt. Die Realität die wir sehen, ist immer nur unsere jeweilige, wie wir sie erleben und die ist unsicher, nicht fix und wird sich ändern.

“Consistency is the playground of dull minds.”

Wir müssen als Menschheit unbedingt verstehen lernen, dass Dinge an die wir glauben festlegen werden wer wir als Menschheit in Zukunft werden. Die Mythen denen wir beschließen zu folgen bestimmen was aus uns wird.

„Sapiens“ und auch der Nachfolger „Homo Deus“ sind zwei Bücher von denen ich mir wünschte, ich hätte sie geschrieben. Das ist allerdings ein Mythos den mir niemanden glauben würde, leider nicht einmal ich selber.

Ich hatte das Glück mich eine Woche auf Kreta in der Sonne und in der Hängematte liegend ausgiebig mit diesen beiden Büchern beschäftigen zu können. Verlassen haben wir Strand und Hängematte nur auf dem Rückweg um vor dem Abflug noch ausgiebig in den Ruinen von Knossos herumzustöbern. Ich bin aber sehr sicher, auch auf dem Sofa oder im Lesesessel sind diese beiden Bücher mit das Beste das ihr Eurem Hirn antun könnt 🙂

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„Homo Deus“ – Yuval Noah Harari

„Homo Deus“ ist ein Buch das stellenweise zutiefst schockiert, in dem Harari uns sehr effektiv dazu bringen will uns mit unserer heutigen Gesellschaft auseinander zu setzen. Es ist vordergründig ein Buch über die Zukunft der Menscheit, tatsächlich ist es aber auch ein Mittel um die aktuellen Trends in Wissenschaft, Technologie und der Entwicklung der Menschheit zu beleuchten. Es ist deutlich philosophischer und fordert den Leser dazu auf, sich zu überlegen ob wir wirklich wollen, dass es so weitergeht wie es momentan läuft.

Er macht immer wieder deutlich, dass seine Ausführungen zur Zukunft nur Hypothesen sind und andere Szenarien durchaus möglich sind, dass es trotzdem notwendig ist, sich heute mit diesen Möglichkeiten zu beschäftigen und versuchen die Zukunft aktiv in eine andere Richtung zu beeinflussen.

Neben dem Klimawandel kritisiert er auch insbesondere die Art und Weise wie wir mit Tieren umgehen. Wir sehen uns selbst als die Krone der Schöpfung, doch gerade der Bereich der selbstlernenden Computer, der künstlichen Intelligenz könnte uns in die gleiche Position bringen, in die wir alle anderen Lebewesen auf dem Planeten gebracht haben. Wir müssen anfangen andere Lebewesen deutlich besser zu behandeln, Massentierhaltung ist eine Schande für die Menschheit und unter keinen Umständen zu rechtfertigen.

“Centuries ago human knowledge increased slowly, so politics and economics changed at a leisurely pace too. Today our knowledge is increasing at breakneck speed, and theoretically we should understand the world better and better. But the very opposite is happening. Our new-found knowledge leads to faster economic, social and political changes; in an attempt to understand what is happening, we accelerate the accumulation of knowledge, which leads only to faster and greater upheavals. Consequently we are less and less able to make sense of the present or forecast the future. In 1016 it was relatively easy to predict how Europe would look in 1050. Sure, dynasties might fall, unknown raiders might invade, and natural disasters might strike; yet it was clear that in 1050 Europe would still be ruled by kings and priests, that it would be an agricultural society, that most of its inhabitants would be peasants, and that it would continue to suffer greatly from famines, plagues and wars. In contrast, in 2016 we have no idea how Europe will look in 2050. We cannot say what kind of political system it will have, how its job market will be structured, or even what kind of bodies its inhabitants will possess.”

Ich mochte dieses Buch auch deshalb, weil er Technologie kritisch hinterfragt ohne sie zu verdammen. Es geht ihm um eine vernünftigere Zukunft und nicht um eine rückschrittliche Abkehr und ein zurück auf die Bäume.

Zum Einstieg empfehle ich Hararis TED Talk:

„Noch wichtiger als das Wissen ist die Phantasie“ – Ernst Peter Fischer

„Das Schönste was wir erleben können ist das Geheimnisvolle“ schrieb Albert Einstein „Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Wissenschaft und Kunst steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen.“

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Die meisten von uns haben wissenschaftliche Methoden zusammen mit dem Periodensystem und dem sezierten Kuhauge weitestgehend mit dem Schulabschluß hinter uns gelassen. Wir brauchen aber (auch) gute wissenschaftliche Literatur, die uns hilft dem postfaktische Zeitalter in dem wir uns anscheinend befinden Widerstand zu leisten. Zum Glück gibt es da einige gute Autoren und schreibende Wissenschaftler und Ernst-Peter Fischer ist meiner Ansicht nach einer von ihnen, die die Gabe haben Fakten in guterzählte Geschichten zu verpacken, die der Wissenschaft das Staunen, das Entdecken und das Wissenwollen zurückgeben. Autoren die die Welt und die Wissenschaft nicht nur verständlich machen, sondern aufregend und interessant erscheinen lassen.

Fischer stellt uns in seinem Buch ein Ensemble an großen Wissenschaftlern und Universalgelehrten vor, die sich mit schwarzen Löchern, mit Quarks und Quasaren, mit Küken, Mais, Genen und vielem mehr beschäftigen und deren Geschichten es durchaus mit Sci-Fi-Thrillern oder Krimis aufnehmen können.

Anthologien sind in der Regel unterhaltend, spannend und so zugänglich, das man sie problemlos lesen kann ohne zu fürchten einer Gehirnschmelze zu erliegen. Doch ein wenig naturwissenschaftliches Grundwissen ist nicht verkehrt, um aus Fischers Buch möglichst viel mitzunehmen. Das Ergebnis ist eine Führung durch die Gedanken und Ideen einiger der größten Wissenschaftler. Jedem Kapitel ist ein Zitat vorangestellt und jedes Porträt drei, vier Seiten lang. Fischer begleitet den Leser bei seiner Reise durch die Erkenntnisse aus Astronomie und Physik, Mathematik und Informatik, Naturforschung und Biologie, Chemie und Medizin sowie Molekularbiologie und Genetik, er ist dabei ein freundlicher Reiseleiter der auf Interessantes hinweist und das Interesse des Lesers auf unerwartete und überraschende Erkenntnisse stupst.

Ich kann alle drei Bücher aus der Geschichts-Hirngymnastik vollumfänglich empfehlen und kann sie mir wunderbar unter einigen Weihnachtsbäumen als perfektes Geschenk vorstellen.

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Konnte ich Euch Lust auf die Geschichte der Menschheit, die Geschichte unserer Zukunft und der Wissenschaft machen? Ich würde mich riesig freuen.

  • „Sapiens – A brief history of humankind / Eine kurze Geschichte der Menschheit“ ist auf deutsch im Pantheon Verlag erschienen.
  • „Homo Deus“ ist auf deutsch im Beck Verlag erschienen.
  • „Noch wichtiger als das Wissen ist die Phantasie“ ist im Penguin Verlag erschienen.

Hirngymnastik Part I – Philosophie

“The search for something permanent is one of the deepest of the instincts leading men to philosophy.” 

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Bei allem, was mit Wissen und Lernen zu tun hat, bin ich ein echter Serientäter. Immer wieder packt mich ein Thema und dann beschäftige ich mich ein paar Wochen lang damit von allen Seiten. Ich lese darüber, höre mir Vorträge im Internet oder im Radio an und fülle seitenweise Notizbücher mit meinen Erkenntnissen. Philosophie war etwas, das mich als Kind schon interessierte und ich weiß nicht, wie oft ich mich mit Lehrern angelegt habe, die mir nicht erklären konnten, warum ich Religion aber keine Philosophie in der Schule lernen sollte.

Als ich in Kobe in dem einzigen kleinen Secondhand-Buchladen mit englischen Büchern Bertrand Russells „History of Western Philosophy“ entdeckte, hat mich das erwartungsgemäß auf direkten intensiven Philosophie-Kurs gebracht. Nach ein paar Wochen wurde das Fieber jetzt durch „Genetik“ abgelöst, aber dazu in einem späteren separaten Post mehr. Jetzt erst einmal zu Russells Buch.

Er beschäftigt sich in  “History of Western Philosophy” nicht nur mit Philosophie-Geschichte, sondern auch wie die Hauptströmungen der Philosophie in ihrer jeweiligen Zeit und Kultur verankert waren. Das hilft sehr bei der Einordnung  und beim Verständnis. Die für mich größte Erkenntnis war, das keine der Philosophie-Schulen in sich komplett logisch konsistent ist. Das Buch teilt sich in drei Teile: Antike Philosophie, Katholische Philosophie und Moderne Philosophie. Geschrieben hat er das Buch während des zweiten Weltkrieges und ab und an merkt man das auch, besonders in den Teilen, wo er sich mit Nietzsche beschäftigt. Der mittlere Teil zu „katholischer Philosophie“ hat mich erwartungsgemäß am wenigsten berührt, darüber gelesen zu haben ist aber sicherlich nicht das Schlechteste.

“Two things are to be remembered: that a man whose opinions and theories are worth studying may be presumed to have had some intelligence, but that no man is likely to have arrived at complete and final truth on any subject whatever. When an intelligent man expresses a view which seems to us obviously absurd, we should not attempt to prove that it is somehow true, but we should try to understand how it ever came to seem true. This exercise of historical and psychological imagination at once enlarges the scope of our thinking, and helps us to realize how foolish many of our own cherished prejudices will seem to an age which has a different temper of mind.” 

Das Schöne ist, dass man für das Buch weder ein großes Grundwissen an Philosophie noch an Geschichte mitbringen mus, um es zu verstehen und sich wunderbar darin zu verlieren. Russell ist ein unglaublich klarer, exzellenter Schriftsteller, was man bei Philosophen ja nun nicht immer unbedingt voraussetzen kann. Grandios wie er abstrakte Ideen eindringlich und klar rüberbringt, man merkt, dass er verstanden werden möchte. Es gibt so viele Autoren, bei denen man immer den Eindruck hat, sie wollen partout Eindruck schinden, bei den Lesern die Spreu vom Weizen trennen, was in meinen Augen häufig etwas mit mangelndem Selbstbewußtsein zu tun hat. Russell hat das nicht nötig und ich liebe seinen trockenen Humor.  Mir ist schon klar, dass Anhänger von Marx, Nietzsche oder Hegel höchstwahrscheinlich anders sehen. Denen verpasst er schon immer wieder mal eine im Vorbeigehen. Er geht auch Plato ziemlich an und ihn als „any contempary advocate of totalitarianism“ zu sehen, fand ich schon etwas hart, hat Plato doch meiner Ansicht nach im Grunde komplett allein die Grundlagen der politischen Philosophie geschaffen.

Ich glaube, ob man Russells Philosophie-Geschichte mag, hängt auch ein wenig davon ab, wie sehr einem Russells Theorien selbst gefallen, denn seine Ideen, seine Ansichten und Meinungen scheinen immer wieder durch an einigen Stellen. Ich mag Russell und daher hat mich das weniger gestört, es gibt aber sicherlich Leute, die ihn dafür kritisieren. Wobei ich finde, er schiebt seine Meinung nicht still und heimlich ein, sondern es ist eigentlich immer kristallklar wann und wo er das tut.

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Wo ich mich Russell wieder sehr verbunden gefühlt habe, war in seiner Ansicht, das die Aufklärung und Bildung der Menschen in Naturwissenschaft, Geistesweissenschaft, rationalem und kritischem Denken ein wichtiger Schritt ist, um künftige Kriege und Gräueltaten zu vermeiden. Auch wenn wir über 70 Jahre nach der Veröffentlichung seines Buches noch immer umringt sind von Kriegen, Terror und Schrecken, bleibe ich bei dieser Überzeugung.

“Almost everything that distinguishes the modern world from earlier centuries is attibutable to science, which achieved its most spectacular triumphs in the seventeenth century.” 

“Mathematics, rightly viewed, possesses not only truth, but supreme beauty—a beauty cold and austere, like that of sculpture, without appeal to any part of our weaker nature, without the gorgeous trappings of painting or music, yet sublimely pure, and capable of a stern perfection such as only the greatest art can show.” 

Ich wünschte, es gäbe noch viel mehr Bertrand Russells in der Welt. Das Buch zu lesen fühlt sich teilweise an, als würde man mit ihm eine wahnsinnig intelligente, spannende Unterhaltung führen. Russell war ganz bestimmt einer dieser Menschen, in deren Gegenwart man sich etwas intelligenter und größer fühlte. Eine Eigenschaft, die ich wie keine andere bewundere.

“A stupid man’s report of what a clever man says can never be accurate, because he unconsciously translates what he hears into something he can understand.” 

Ein sehr interessantes Interview mit Bertrand Russell findet ihr hier:

https://www.youtube.com/watch?v=1bZv3pSaLtY&t=622s

Passend zum Thema Philosophie habe ich mir das Buch „Aufklärung – Das europäische Projekt“ geschnappt das schon lange ungelesen und daher vorwurfsvoll aus dem Regal geschaut hat.

Vor 300 Jahren begann der Versuch, den Geist von religiösen Denk-Dogmen zu befreien und jeglichem Fundamentalismus die Freiheit des Verstandes entgegenzusetzen. Das Streben nach Wissen, nach Bildung und Erkenntis ist leider (noch?) keine Geschichte mit Happy End. Der Terror ist ein Kampf gegen aufklärerische Freiheitsgedanken und selten habe ich mich um die Freiheit so sehr gesorgt, wie im Moment. Der Ruf nach mehr Kontrolle, mehr Härte und weniger Liberalität wird immer lauter. Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, für Freiheit und Aufklärung zu kämpfen.

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Manfred Geier bringt dem Leser klar und gut lesbar eine Einführung in die Epoche der Aufklärung nahe. In sieben Kapiteln zeigt er die Entwicklungen in Form von Lebensbildern bedeutender europäischer Denker und einer Denkerin auf. Von den Engländern John Locke und Earl Shaftesbury geht es über die Franzosen Voltaire, Dideor und Rousseau zu Geier Moses Mendelsohn und Kant. Mit Olympe de Gouge stellt er eine – mir bis dahin unbekannte Persönlichkeit vor – die für ihren Freiheitskampf unter der Guilletoine endete. Den Abschluss bildet der Humanist und Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt.

Mir hat besonders der Teil zu Immanuel Kant gefallen, hat er mich doch Karl Popper entdecken lassen und auch Hannah Arendts Ansichten werden zu aktuellen weltgeschichtlichen Ereignissen in Kontext gesetzt.

Ein gelungener Einsteig in die europäische Aufklärung, die definitiv Lust auf mehr macht. Ein wunderbares Buch, das heute aktueller ist denn je.

„1961 hielt Popper im Bayrischen Rundfunk eine Rede zum Thema „Der Sinn der Geschichte“. Wieder erinnerte er einleitend an Kant, der die „Selbstbefreiung durch das Wissen“ zur Leitidee der Aufklärung erklärt hatte. Auch mit diesem „sapere aude!“ war keine geschichtliche Notwendigkeit verbunden. Kants Appel an den Mut, selbst zu denken, beschrieb keine Tatsache. Er war ein Hinweis auf das Denken mündiger Menschen, die sich selbst ein Ziel setzen und ihrem Leben einen vernünftigen Sinn geben können.“

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„Vor allem Kants erweiterte Denkungsart wurde als Prototyp des kritischen Denkens reflektiert, jene Fähigkeit des Menschen nämlich, sich in den Standpunkt anderer Menschen versetzen und die Welt auch aus deren Perspektive betrachten zu können.“

„Die reflektierende Urteilskraft. Die Urteilskraft ist das Vermögen, das Besondere im Verhältnis zum Allgemeinen denken zu können. Dann gilt es, selbst ein Gesetz oder eine Regel zu finden, um sich so das Besondere verständlich zu machen. Die Urteilskraft wird nicht zum Bestimmten, sondern zum Reflektieren angeregt. Es ist die Fähigkeit Besonderheiten zu beurteilen, ohne sie unter jene allgemeinen Regeln zu subsumieren, die gerlehrt und gelernt werden können, bis sie sich zu Gewohnheiten entwickeln, welche von anderen Gewohnheiten und Regeln ersetzt werden können.“

Falls ich Euch jetzt auch Lust auf mehr gemacht habe, hier zwei Philosophie-Kurse im Netz, die ein erster Aperitiv sind und einen guten Einstieg bilden, mehr geht immer. Das Internet ist voll von kostenlosen Kursen von Universitäten wie Harvard, Yale, Stanford etc und ich wünschte mir, jeder Tag hätte 72 Stunden, damit ich das alles absaugen kann 😉

Tamar Gendler: Philosophy and the Science of Human Nature

http://oyc.yale.edu/philosophy/phil-181#overview

Und wer sich bei diesem Gespräch nicht ein wenig in Karl Poppers Hirn verliebt dem ist nicht zu helfen:

Philosophie ist cool und macht wirklich Spaß, ich finde es immer wieder schade, wie viele Leute keine Lust darauf haben, es unzugänglich und verstaubt finden. Das muss echt nicht sein. Die Philosphie guckt dem Leben unter den Rock, habe ich mal irgendwo gelesen und das brauchen wir.

Wer Lust auf mehr Hirngymnastik hat, dem kann hier demnächst geholfen werden, wenn ich Euch von meinen Genetik-Abenteuern berichte 🙂

  • Bertrand Russell „History of Western Philosophy“ ist auf deutsch unter dem Titel „Philosophie des Abendlandes“ im Europa Verlag erschienen
  • Manfred Geier „Aufklärung das europäische Projekt“ ist im Rowohlt Verlag erschienen
  • Wolfgang Röd – „Der Weg der Philosophie“ ist im Beck Verlag erschienen