Wer träumt nicht davon, mal in der Oper in der zweiten Reihe zu sitzen, ohne jede Sichtbehinderung und die Sänger und Sängerinnen nicht nur zu hören sondern tatsächlich auch spielen zu sehen? In München meist unbezahlbar und häufig auch gar nicht zu bekommen die Plätze, selbst wenn das Kleingeld dafür da wäre. Das Nationaltheater Mannheim hat es mir bei „Alceste“ möglich gemacht. Was für ein Unterschied zu meinen sonstigen Plätzen und es hat sich so sehr gelohnt.
Wenn ich eines liebe, dann Barockopern. In der 1776 uraufgeführten Oper „Alceste“ von Christoph Willibald Gluck wetteifern zwei, die die große Liebe gefunden haben darum, wer jetzt für wen sterben darf. König Admète liegt im Sterben und seine liebende Frau ist außer sich vor Trauer. Der Oberpriester kennt einen Ausweg: Wenn sich jemand für den König opfert, kann dieser weiterleben. Alceste beschließt, ihren geliebten Mann durch ihren eigenen Tod zu retten – nur wie soll Admète diesen Verlust überstehen?
Foto: Nationaltheater Mannheim
Man erlebt ja des öfteren Liebende, die sich streiten, wer jetzt das Abendessen bezahlen darf, aber würde man tatsächlich für den Partner sterben? Schwierige Frage, diese beiden ringen auf jeden Fall heftigst miteinander, wessen Opferfreudigkeit nun größer ist.
Das Bühnenbild und die Kostüme aus der Zeit der Uraufführung sind phantastisch. Das Bühnenbild stellt einen Innenhof dar, im Hintergrund ein großes Tor. Dahinter erzeugen Videoprojektionen den Eindruck weiterer Gänge und Räumen, nur für Alceste und Admète gibt weder Ausgang noch Ausweg aus ihrer Situation. Das Volk schaut dem Seelenspektakel ihrer Herrscher freundlich interessiert zu und bekommt das melancholisch-düstere Ende serviert, das von Anfang an zu erwarten war.
Die Musik ist gelassen, elegant und melancholisch. Ruben Dubrovsky hat Solisten, Chor und Orchester zu einem Gesamtkunstwerk zusammengefügt. Galina Shesterneva hat insbesondere nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch überzeugt. Ein wundervoll düsterer klangprächtiger Abend – ich komme sehr gerne wieder, geniesse die erschwinglichen Ticketpreise, das musikalisch hohe Niveau und im Anschluß gibts dann wieder anspruchsvolle Cocktails im Speicher 7.
Schön ist aber auch, wenn man sich endlich mal ein Programmheft gönnt und es dann, bevor man es überhaupt gelesen hat, mit ’nem Stapel Wäsche in die Maschine stopft – seufz. Ich hätte es durchaus lieber gelesen als es jetzt über Wochen als nervige Mini-Fusseln aus meinen Klamotten zu pflücken.