Niemand quält sich schöner beim Reflektieren als Joan Dideon. Dieses dünne Büchlein ist eine erbarmungslose Sezierung der Protagonistin, Maria Wyeth, und der kalifornischen Gesellschaft der späten 60er Jahre. Joan Dideon geht sparsam mit ihren Worten um. Sie schreibt, was geschrieben werden muss und erwartet, dass der Leser mithilft, mitarbeitet. Der Leser muss die Verbindungen erkennen und seine eigenen Schlüsse ziehen. Wie mit einem Skalpell entfernt sie eine Schicht nach der nächsten, bis Marias Psyche, ihre Emotionen und ihr Leben komplett offenliegen.
“One thing in my defense, not that it matters: I know something Carter never knew, or Helene, or maybe you. I know what „nothing“ means, and keep on playing.”
Mir tat sie zutiefst leid, es war kaum auszuhalten, wie ihr die Kraft zum Leben und Kämpfen langsam aber sicher abhanden kam, sie immer müder wurde, einfach keine Kraft mehr hatte. Die Geschichte springt immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit, die Kapitel fügen sich nach und nach wie Puzzle-Teile zusammen. Maria war selten in ihrem Leben glücklich. Ein schlimmes Erlebnis jagt das nächste, aber grundsätzlich fehlt ihr auch ein wenig das Talent zum Glücklich sein.
Muss man Glück haben um glücklich sein zu können und ist Glück immer das Privileg der Stärkeren?
“Tell me what matters,“ BZ said.
Nothing,“ Maria said.”
Maria ist häufig auf der Flucht und meistens vor sich selbst. Sie ist 31, Schauspielerin und ihr Ruhm verblasst bereits. Die Scheidung vom Vater ihrer Tochter scheint unabwendbar und ihre Tochter befindet sich in einer Einrichtung für entwicklungsgestörte Kinder. Niemand kämmt dort ihre Haare und bei jedem Besuch versucht Maria, die traurig verknoteten Strähnen zu entwirren, die bezeichnend sind für das eigene Chaos und die Leere in ihrem Leben.
Dideon zeichnet erbarmungslos das Bild einer depressiven Frau in einer Gesellschaft, in der es gilt, den Schein zu wahren, keine unbequemen Fragen zu stellen und schon gar nicht unglücklich oder langweilig zu sein. Eine Welt, die der ach so wilden pseudo-liberalen Sex, Drug and Rock’n’Roll Ära den Spiegel vorhält.
Dieses Chaos ist eine Lähmung. Das Leben lähmt sie durch die Bedeutungslosigkeit ihrer Karriere, die leeren Beziehungen, die Unehrlichkeit und Kälte um sie herum. Freunde und Liebhaber werden aus Langeweile gewechselt wie getragene Unterwäsche, nichts bedeutet wirklich etwas. Sie wird schwanger, ist nicht ganz sicher von wem und lässt sich überzeugen, das eigentlich gewünschte Kind abzutreiben.
“By the end of the week she was thinking constantly about where her body stopped and the air began, about the exact point in space and time that was the difference between Maria and other.”
Was ihr Halt gibt sind die einsamen Spritztouren auf den Autobahnen rund um Los Angeles. Nur wenn sie Asphalt unter den Reifen spürt, hat sie das Gefühl, ihr Leben ein wenig unter Kontrolle zu haben.
Ich finde es schwer nachvollziehbar, dass viele Leute das Buch für steril und Maria kalt und unnahbar empfinden. Ich fand es vielschichtig, ehrlich und verdammt herzzerreissend. Je mehr ich von Ms Dideon lese, desto besser gefällt sie mir. Da muss wohl Nachschub her 😉
Das Buch wurde 1972 von Frank Perry verfilmt mit Anthony Perkins und Tuesday Weld in den Hauptrollen. Möchte mir den unbedingt noch anschauen, bis dahin hier mal ein Ausschnitt:
Das Buch erschien auf deutsch unter dem Titel „Spiel dein Leben“ im Droemer Knaur Verlag.
Hallo, diese Autorin klingt ja interessant. Musste gleich nachforschen…danke für den Tipp 🙂 Viele Grüße, Sarah
Huhu,
danke für den Link zu deiner Rezension, sie ist ausgesprochen lesenswert und da ich die Schriftstellerin erst vor kurzem für mich entdeckt habe, bin ich auf alle anderen Bücher und Werke von ihr gespannt. Diese Frau ist so analytisch und gleichzeitig schafft sie es Gefühle so zu schilder, dass es etwas im Leser auslöst. Einfach toll!!
Liebe Grüße wünsch ich! Freu mich echt deinen Blog gefunden zu haben!