„Was the young man’s fate really controlled entirely but the nobleman? Or was being controlled by the nobleman the young man’s fate?“
Während unseres Urlaubs in Japan hatte ich zeitweise Panik, nicht genug Bücher dabei zu haben und obwohl Japan ein absolutes Buch-Mekka ist, musste ich nach einem Laden, der auch englischsprache Bücher führt, ganz schön Ausschau halten. Als ich dann einen fand, war der gigantisch und ich hätte mich ohne Probleme tagelang darin verirren können.
Murakami und Yoshimoto hatte ich natürlich reichlich dabei, es musste also etwas anderes frisches japanisches her und da stolperte ich über Fuminori Nakamura, dessen Bücher mir in zahllosen japanischen Läden aufgefallen waren und den ich dort auch in englischer Ausgabe fand. Letztlich hatte ich doch genug zu lesen dabei, Nakamura flog also ungelesen mit mir zurück und da gleich nach meiner Rückkehr unsere jährliche Bücherwahl im Bookclub anstand, schlug ich Nakamura vor und er wurde auch prompt gewählt, allerdings musste ich jetzt fast ein Jahr warten, bis er endlich dran war.
Aber gleich vorneweg – das Warten hat sich gelohnt: Nakamura beschert uns mit dem Tokioer Taschendieb Nishimura einen Anti-Helden par excellence und beschäftigt sich darüberhinaus auf interessante Weise mit den Themen Schicksal und Manipulation.
In diesem Noir-Thriller hat die Unterwelt wenig von dem düsteren Glamour, der sonst häufig in der Anti-Helden Welt zu finden ist. Hier werden sowohl die Kriminellen als auch deren Opfer vom Schicksal ordentlich in die Mangel genommen. Nakamura zeichnet ein emphatisches Porträt eines einsamen Mannes, dessen Lebenswille erzwungenermaßen im letzten Moment wieder rausgekitzelt wird.
Der Dieb ist ein Künstler seines Faches und dabei ein heimlicher Robin Hood. Er stiehlt nur von den Reichen, ohne Gewalt anwenden zu müssen und schickt die gestohlenen Brieftaschen per Post zurück, nachdem er das Geld heraus genommen hat. Für den besonderen Kitzel nimmt er manchmal auch nur einen Teil des Geldes raus und steckt die Brieftasche zurück, ohne dass das Opfer merkt bestohlen worden zu sein.
Nishimura hat seine Prinzipien und eines davon ist seine Unabhängigkeit. So wenige persönliche Bindungen wie möglich. Seine verheiratete Liebhaberin hat ihn gerade verlassen, als er auf eine junge Mutter mit ihrem Sohn trifft. Er überrascht die beiden beim Ladendiebstahl und hilft ihnen, den Detektiv loszuwerden. Der kleine Sohn ist einigermassen talentiert und zöglichlich nimmt er den Jungen unter seine Fittiche. Wenn er ihn nicht dazu bringen kann aufzuhören mit dem Stehlen, dann will er ihn zumindest vernünftig ausbilden.
„If you can’t stop the light from shining in your eyes, it’s best to head back down in the opposite direction“
Als Nishimura mit den Yakuza, der japanischen Mafia, in Kontakt kommt (meine Interpretation, die Organisation wird nicht explizit genannt) gerät er in eine Spirale der Gewalt und der Düsterkeit.
Man erfährt meist nur Bruchstücke und der unzuverlässige Erzähler der Geschichte bleibt durch die Geschichte hindurch distanziert. Die Sprache ist kühl und einfach, die Geschichte düster, streckenweise liest es sich wie ein Filmscript und ich hoffe auch sehr auf eine Verfilmung.
Eine verstörender Einblick in eine einsame, sich teilweise selbstverleugnende Persönlichkeit. Das Buch wollte mich gar nicht mehr loslassen. Dies wird nicht mein letzter Nakumara bleiben. Ich freue mich, dass bereits 4-5 weitere Bücher von ihm übersetzt wurden.
Im deutschen ist das Buch unter dem Titel „Der Dieb“ im Diogenes Verlag erschienen.
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