Hier wurde schon viel zu lange nicht mehr stilvoll getrunken, es wird Zeit für eine neue Ausgabe von Books & Booze.
Eine seltsam hypnotisch wirkende kurze Erzählung, welche wir uns sehr gut als Theaterstück vorstellen könnte. Die Akteure sind Ruth, eine junge etwas naive Literaturliebhaberin; ihre Eltern, die verwöhnte alternde Schauspielerin Helen und ihr schwächlicher Ehemann George, der ohne Rückrat durchs Leben geht und sich als Buchhändler von raren Büchern durchs Leben schlägt und Mrs Cutler, die kettenrauchende scharfzüngige Haushälterin.
Am Anfang des Buches wird uns Dr Ruth Weiss als akademische Mittvierzigerin und Junggesellin vorgestellt, der Großteil des Romans handelt hingegen von ihrer Kindheit und Jugend. Von frühester Kindheit an fühlt sich Ruth von ihren Eltern mehr oder weniger übersehen. Die beiden sind so sehr mit sich selbst und ihren banalen Problemen beschäftigt, so dass Ruth sich meist selbst überlassen bleibt, für sich selbst sorgt und die meiste Zeit mit ihren Büchern verbringt.
“Dr Weiss, at forty, knew that her life had been ruined by literature”
Als Jugendliche beschäftigt sie die Idee von romantischer Liebe, ihre Versuche, diese Liebe aber aus der Welt der Bücher in die Realität zu überführen, scheitern. Einmal war sie ihrer Vorstellung von Liebe schon recht nah gekommen, an dem Abend an dem sie ihren Kommilitonen Richard zum Essen zu sich einlädt. Er gilt als hübsch, hat jedoch ein Magengeschwür, um das man sich essenstechnisch kümmern muss.
Der Abend endet jedoch in einer Katastrophe und Ruth flieht nach Paris. Dort lebt sie in einer ziemlich düsteren Dienstbotenkammer bei einem älteren Ehepaar, Freunden ihrer Eltern. Ruth, die eine große Balzac-Verehrerin ist, beschäftigt sich intensiv mit der Frage von Tugend und Laster. Interessant fanden wir, wie schwierig es ist, den Roman zeitlich einzuordnen. Manchmal wirkt er immens modern, dann wieder sehr antiquiert.
Man erfährt beim Lesen nicht nur viel über Ruth, sondern auch über die anderen Protagonisten. Über ihren Vater George, der eine Affäre beginnt mit seiner mütterlichen Angestellten, von der er sich bekochen und betüddeln lässt. Über Ruths Mutter Helen, die nach und nach immer seltener die Wohnung verlässt, sich selbst vernachlässigt und ihrer vergangenen Karriere nachtrauert und Mrs Cutler, die eines Tages beschließt auf ihre älteren Tage doch noch zu heiraten und sich über ein Eheschließungsbüro einen Ehemann aussucht. Brookner ist eine sehr feine Beobachterin, die präzise und sehr genau beschreibt. Äußerlichkeiten wie Einrichtungsgegenstände ebenso wie Charaktereigenschaften.
Es ist nicht einfach zu beschreiben, worum genau es in diesem kleinen Büchlein geht, es hatte einen magischen Sog und man muss einfach immer weiterlesen. Ruth ist eine unspektakuläre Heldin, die in der Tat keinen besonders guten „Start in Life“ hatte und die am Ende der Geschichte dort landet wo sie begann.
“We shall none of us ever make love again, she thought, and did not much care. Life had not been too harsh; the sea would still be there at the end. She was nearly ready.”
Mrs Cutler war meine (Bingereaderin) eigentliche Heldin in dem Roman, irgendwie mochte ich sie trotz ihrer bissigen Bemerkungen. Stets ketterauchend war sie der Kitt zwischen den auseinander driftenden Eheleuten. Sie war es, die Helens Schlafzimmer in einen Salon umwandelte, in dem die drei jeden Nachmittag bis in die Nacht hinein Unmengen an Cocktails, Gin & Tonics und andere Alkoholika becherten, so dass ich beim Lesen gelegentlich das Gefühl hatte, von all dem Zigarettenrauch und dem Alkohol einen Kater zu bekommen.
Die Bingereader-Gattin hatte das Buch vor mir gelesen und es mir sehr ans Herz gelegt und sie bastelte im Labor der Münchner Küchenexperimente einen entsprechenden Cocktail . Hier das Rezept für einen
Start in Life – Cocktail
der bestens zum Buch passt.
Für 6 Gläser:
ein paar Scheiben Blutorangen
Blutorangensaft
Saft einer 1/2 Zitrone
ein paar Minzblätter
60 ml Ginger Beer
30 ml Wodka
Sekt
Wodka, Zitronensaft und Ginger Beer auf die Gläser aufteilen, dann 50:50 mit Blutorangensaft und Sekt aufgießen. Garnieren mit Minze und einer Scheibe Blutorange pro Glas.
Cheers 🙂
Auf deutsch ist das Buch unter dem Titel „Ein Start ins Leben“ im Eisele Verlag erschienen.