Women in Science (26) Janna Levin

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Janna Levin ist Professorin für Physik und Astronomie am Barnard College der Columbia Universität. Sie beschäftigt sich in ihrer Forschung hauptsächlich mit dem frühen Universum, mit der Chaos-Theorie und Schwarzen Löchern.

Schwarze Löcher sind dunkel, das ist mehr oder weniger ihre Essenz. Wenn schwarze Löcher miteinander kollidieren, passiert das in kompletter Dunkelheit. Doch wenn diese miteinander kollidieren, ist das ein Ereignis, das mehr Kraft freisetzt, als alles seit der Geburt unseres Universums. Der Überschuss an Energie der dabei entsteht, zeigt sich in der Form von Raumzeit: als Gravitationswellen.

Alles, was wir bisher über unser Universum wissen, kommt daher, dass wir seit Jahrtausenden den Himmel beobachten, erst mit unseren Augen, später mit immer besser werdenden Teleskopen. Neben der Erforschung über das Auge kommt jetzt die Erforschung des Alls über die Ohren hinzu. Die Entdeckung der Gravitationswellen ist eine der wichtigsten Entdeckungen in der gesamten Geschichte der Physik.

„Astronomy promises a score to accompany the silent movie humanity has compiled of the history of the universe from still images of the sky, a series of frozen snapshots captured over the past four hundred years since Galileo first pointed a crude telescope at the Sun.”

Gravitationswellen konnten bisher noch von keinem Teleskop aufgenommen werden, der einzige Hinweis auf ihre Existenz ist das Klingen der Raumzeit. Einstein sagte 1916 die Existenz von Gravitationswellen voraus und es war seine größte Priorität sie nachzuweisen, da sie seine Theorie der gekrümmten Raumzeit beweisen würden.

Ein Jahrhundert später gibt es Aufnahmen von den ersten Klängen aus dem Universum, sozusagen der Soundtrack, der den Stummfilm der Astronomie begleitet.

In „Black Holes and Other Songs from Outer Space“ gibt Janna Levin die faszinierende Geschichte der besessenen Suche der Wissenschaftler wieder, die sich auf die mehr als 50 Jahre dauernde Jagd nach den schwer fassbaren Wellen machten. Es war anfangs nur ein ambitioniertes Gedankenexperiment, das zu einer fixen Idee wurde für die Astronomen Rai Weiss, Kip Thorne und Ron Drever. Um ihre wilde Idee umzusetzen, sammelten sie im Laufe der Zeit ein internationales Team von über Hundert Wissenschaftlern und Technikern um sich.

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Das Herz der Geschichte liegt für Levin nicht so sehr in der Astronomie, sondern in den Wissenschaftlern, in ihrem Background, ihrer Art zu denken, ihre Arbeitsumgebung und wie sie mit anderen zusammenarbeiten. Sie schafft damit einen sehr faszinierenden, fast schon psychologischen Bericht des astronomischen Wissenschaftsbetriebs nach dem zweiten Weltkrieg.

Die Tatsache, dass man große astronomische Events wie die Kollision zweier Galaxien hören kann, war fast genau 100 Jahre lang das Hauptthema der theoretischen Physik, bis Ende 2015 dann zum ersten Mal eine offizielle Aufnahme im LIGO gelang. LIGO ist die Abkürzung für Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory. Man kann sich vorstellen, dass solche riesigen Projekte eine ganze Menge Drama erzeugen.

Levins Buch hat mir noch einmal mehr verdeutlicht, wie sehr auch die Wissenschaft von Ellbogen- und Haifischmentalität bestimmt ist und auch, dass man sich eigentlich immer darüber klar sein sollte, dass wenn man an dem Nachweis einer bahnbrechenden Theorie arbeitet, man das in der Regel nicht alleine tut. Irgendwo auf der Welt wird jemand an genau dem gleichen Nachweis arbeiten und eigentlich hoffen, dass das Labor der Konkurrenz in Flammen aufgeht und man selbst in Ruhe den Preis einheimsen kann.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass Jana Levin sich bei einigen nicht gerade beliebt gemacht hat, als sie auch über die ganzen unschönen Konflikte am LIGO geschrieben hat.

Aber abgesehen von pikantem Wissenschaftstratsch ist das Buch voll spannender Informationen zum Thema Gravitationswellen, es ist in einer sehr zugänglichen Sprache geschrieben und es liest sich teilweise wie eine Soap Opera mit seinen Abteilungsstreitereien, den politischen Winkelzügen, den schwierigen Persönlichkeiten oder wenn es wieder einmal so aussah, als würde es keine Finanzierung mehr geben.

Ich finde es nach wie vor sehr beeindruckend, dass Levin das Buch schrieb, bevor die Gravitationswellen tatsächlich entdeckt wurde. Sie startete das Buch also weniger als Beschreibung eines Triumphes, als über den mühseligen Aufstieg, während der Gipfel noch unerreicht in nebeliger weiter Ferne liegt. Das macht das Ganze noch einmal mehr zu einem bedeutenden Zeugnis, wozu der menschliche Geist fähig ist, wie hartnäckig der Mensch sein kann und warum es immer wieder Menschen gibt, die ihr gesamtes Leben einer Sache widmen, von der sie weder sicher sein können, dass sie jemals oder zumindest zu ihren Lebzeiten erfolgreich sein wird und die für diese Sache gegen unglaubliche Widerstände und Rückschläge kämpfen.

Wer das Buch liest weiß, dass sich die nervenaufreibende hoffnungsvolle, oft enttäuschende Suche gelohnt hat. Aber während des Lesens erlebt man deutlich die Unsicherheit, ob es wirklich gelingen wird, Gravitationswellen zu finden, oder ob man nach dem heiligen Gral sucht? Die Suche war riskant, kontrovers und aus technologischer Sicht eigentlich unmöglich.

Scientists are like those levers or knobs or those boulders helpfully screwed into a climbing wall. Like the wall is some cemented material made by mixing knowledge, which is a purely human construct, with reality, which we can only access through the filter of our minds. There’s an important pursuit of objectivity in science and nature and mathematics, but still the only way up the wall is through the individual people, and they come in specifics… So the climb is personal, a truly human endeavor, and the real expedition pixelates into individuals, not Platonic forms.

Als Laie braucht man keine Angst vor dem Buch zu haben, es gibt keine Formeln oder umständlichen physikalischen Erläuterungen, nur das Thema an sich – die Gravitationswellen – sind per se nicht ganz einfach zu verstehen und klingen irgendwie nach Star Trek.

Gravitational waves explained. image: the guardian

Foto: Guardian

Das Buch ist leider bisher noch nicht auf deutsch erschienen.

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