Heute mogel ich euch nochmal ein Buch unter, das ich bereits vor einer ganzen Weile gehört und gelesen habe. Vor fast zwei Jahren um genauso zu sein. Ich weiß es noch einigermaßen genau, denn es war im ersten Lockdown als hier in München panzerartige Fahrzeuge durch die Straßen fuhren um die Leute aufzufordern in den Häusern zu bleiben. Da spazierte ich gerade mit dem Hörbuch auf den Ohren an der Isar entlang und machte mich eilenden Schrittes auf den Heimweg. Gruselig war das.
Das war auch deshalb so gruselig, weil es an dem Tag unfassbar grau war, die Wolken hingen tief und passte damit wunderbar zu der melancholisch-düsteren Stimmung im Buch. Ich habe selten so sehr das Gefühl gehabt mitten in einem Buch zu sein, wie bei der Kombi aus Lockdown und Buch. Daher auch meine Warnung. Das ist kein heiteres Buch – aber ein poetisch-melancholisch-düsteres. Wer aber das Gefühl hat schon tief genug im molasseartigen Pandemie-Schlick zu stecken, der sollte sich das Buch vielleicht für sonnigere Tage aufheben.
Worum geht es?
Auf einer namenlosen Insel vor einer namenlosen Küste verschwinden Gegenstände: zuerst Hüte, dann Bänder, Vögel, Rosen – bis die Dinge viel ernster werden. Die meisten Inselbewohner bemerken diese Veränderungen nicht, während die wenigen, die die Fähigkeit haben, sich an die verschwundenen Gegenstände zu erinnern, in Angst vor der drakonischen Gedächtnispolizei leben, die dafür sorgen will, dass das Verschwundene vergessen bleibt.
Als eine junge Frau, die um ihre Karriere als Schriftstellerin kämpft, erfährt, dass ihr Lektor von der Gedächtnispolizei bedroht ist, beschließt sie ihn unter ihren Fußbodendielen zu verstecken. Als Angst und die Sorge um weitere Verluste sie drohen einzuholen, bietet ihr das Schreiben die letzte und einzige Möglichkeit, die Vergangenheit zu bewahren.
Die Erinnerungspolizei ist eine surreale, provokante Fabel über die Macht der Erinnerung und das Trauma des Verlusts. Eine atemberaubende beklemmende poetische Atmosphäre haben bei mir dafür gesorgt, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte bzw jede Gelegenheit zum Spaziergang nutzte um weiterhören zu können.
Habt ihr schon etwas von Yoko Ogawa gelesen?
Auf deutsch erschien der Roman unter dem Titel „Insel der verlorenen Erinnerung“ im Liebeskind Verlag.
Hier kann ich nur zustimmen. Toller Roman, der echt noch lange nachwirkt.