Read around the world: Japan

Im Jahr 2016 reisten wir für drei unvergessliche Wochen durch Japan – ein Land, das uns immer wieder überrascht und manchmal auch vor Herausforderungen gestellt hat. Taxifahren war zum Beispiel jedes Mal ein kleines Abenteuer. Aus irgendeinem Grund schien es, als wären sämtliche Taxifahrer mindestens 80 Jahre alt. Sie trugen stets makellose weiße Handschuhe, und die Autos waren mit weißen Häkeldeckchen auf den Sitzen dekoriert. Schon das Einsteigen war besonders, da die Türen automatisch öffneten – ein Detail, das uns jedes Mal aufs Neue verblüffte.

Was die Navigation anging, wurde es allerdings kurios: Statt moderner Navigationssysteme griffen die Fahrer zu Papierkarten und teilweise riesigen Lupen, um die Adressen zu finden. In Kyoto erlebten wir gleich zwei skurrile Taxifahrten hintereinander: Der erste Fahrer war so verloren, dass er uns höflich wieder aus dem Auto bat. Der zweite machte sich immerhin auf den Weg, hielt aber nach kurzer Zeit bei einer Polizeistation an, um sich den Weg zu unserem AirBnB erklären zu lassen. Dieser Mischung aus Höflichkeit, Improvisation und Entschlossenheit begegneten wir des Öfteren auf unserer Reise

Kulinarisch gesehen war Japan eine Offenbarung. Wir haben durchweg gut gegessen – von Sushi, Kobe Rind und Ramen bis hin zu weniger bekannten lokalen Spezialitäten. Allerdings mögen die Japaner ihr Essen offensichtlich sehr frisch. So frisch, dass es uns manchmal die Sprache verschlug.

Ein Erlebnis, das wir nicht so schnell vergessen werden, war in einem Restaurant, in dem am Nachbartisch ein noch lebender Fisch serviert wurde. Der Fisch war in einer speziellen Halterung fixiert und zappelte noch, während ihm bei lebendigem Leib Sushi-Stücke herausgeschnitten wurden. Wir saßen mit offenem Mund da und mussten uns wirklich zusammenreißen, nicht ohnmächtig zu werden. Es war ein Moment, der uns tief verstörte – kulturelle Unterschiede hin oder her.

Auch die Auswahl an Snacks war… eigenwillig. Das rosafarbene Zeug, das auf einem Bild oben zu sehen ist, waren vermutlich dünn geschnittene und getrocknete Quallen, die in Bars oft als kleine Häppchen auf der Theke standen. Der Geschmack? Fischig-würzig, nicht schlecht, aber definitiv gewöhnungsbedürftig.

Die Bars in Japan sind oft winzig – manche kaum größer als ein Handtuch – und haben eine unverwechselbare Atmosphäre. Besonders beeindruckt hat uns die Auswahl an hochwertigen lokalen Whiskys, die an vielen Orten serviert wurde. Einzig der ständig dudelnde Jazz, der oft recht chaotisch klang, ging mir manchmal ein bisschen auf den Zwirn. Es war, als ob die Musik das Gegenteil der japanischen Perfektion widerspiegelte, die wir in anderen Bereichen des Lebens erlebten.

Eine weitere Entdeckung, die uns faszinierte, waren die Buchläden. Egal, welche Stadt wir besuchten – Tokio, Kyoto oder Kobe – Buchhandlungen waren allgegenwärtig, und noch beeindruckender war die schiere Größe der Manga-Abteilungen. Mangas sind in Japan ein Massenphänomen, das sich durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten zieht. Manche Manga-Bände waren so dick wie Telefonbücher, und in der U-Bahn konnte man leicht einen Blick über die Schulter der anderen Passagiere werfen, die in ihre Geschichten vertieft waren.

Allerdings waren wir überrascht, wie brutal und explizit viele der Mangas sind – sowohl was Gewalt als auch Sexualität betrifft. Manche Inhalte hätten bei uns wahrscheinlich ganze Debatten ausgelöst, in Japan gehören sie jedoch zum Alltag.

Ein Highlight der Reise war eine mehrtägige Wanderung im Hinterland von Kyoto. Die üppige Natur, die uralten Wälder und die ruhige Atmosphäre entlang der Wege boten einen faszinierenden Kontrast zu den pulsierenden Städten. Übernachtet haben wir in traditionellen Ryokans, den japanischen Herbergen, die einen tiefen Einblick in die Kultur des Landes geben. Der Aufenthalt in einem Ryokan folgt einem festen Ritual: Nach der Ankunft nimmt man ein heißes Bad in einem Onsen, legt anschließend den bereitgelegten Yukata (eine Art leichter Kimono) an und genießt das Abendessen zusammen mit anderen Gästen. Dabei sitzt man auf den klassischen niedrigen Tatami-Matten, die zunächst ungewohnt, aber erstaunlich bequem sind. Die Mahlzeiten, ein Kunstwerk aus regionalen Spezialitäten, waren durchweg köstlich – bis auf das rohe Pferdefleisch, auf das wir rückblickend gerne verzichtet hätten. 😉

Was uns besonders überraschte, war die Tatsache, dass selbst in einer kosmopolitischen Stadt wie Tokio nur wenige Menschen Englisch sprechen. Außerhalb der Hauptstadt war es fast unmöglich, sich verbal zu verständigen. Und doch klappte alles erstaunlich gut, denn in Japan scheint alles darauf ausgelegt zu sein, intuitiv verstanden zu werden. Das U-Bahn-Netz in Tokio ist beispielsweise so gut durchdacht, dass man sich mit etwas Orientierungssinn selbst ohne Sprachkenntnisse zurechtfindet. Auch die Plastikmodelle der Gerichte vor den Restaurants waren ein wahrer Segen: Man wusste immer, was man bestellte – zumindest, wie es aussehen würde!

Ein unerwartetes kulturelles Hindernis stellten Tätowierungen dar. In Japan sind sie nach wie vor stark stigmatisiert, da sie traditionell mit der Yakuza (japanische Mafia) assoziiert werden. Viele Onsen verweigern daher den Zutritt, wenn man sichtbare Tätowierungen trägt. Auch wenn es nachvollziehbar ist, dass diese Regel tief in der Geschichte verwurzelt ist, fanden wir es dennoch etwas befremdlich, dass keinerlei Unterschiede zwischen harmlosen Touristen und Mitgliedern der Unterwelt gemacht werden. Aber gut – andere Länder, andere Sitten.

Eine Sache, die uns nachhaltig beeindruckt hat, war der unglaubliche Perfektionismus, der in so vielen Aspekten des japanischen Alltags sichtbar wird. Der Shinkansen, der Hochgeschwindigkeitszug, fährt buchstäblich auf die Sekunde genau ab und bringt einen in Windeseile von Tokio nach Kyoto. Dabei ist er nicht nur effizient, sondern auch durchdacht: Die Sitze lassen sich drehen, sodass man stets in Fahrtrichtung sitzt, und der Service an Bord ist makellos. Auch der Umgang mit Müll war bemerkenswert: Die Menschen nehmen ihren Abfall überall selbstverständlich mit nach Hause oder händigen ihn auf dem Bahnsteig dem warttenden Personal aus.

Japan fasziniert durch seine Gegensätze: die pulsierende Hektik in Tokio und die meditative Ruhe eines Ryokans; die futuristische Technologie des Shinkansen und die zeitlose Tradition der Teezeremonie. Es ist ein Land, das uns nicht nur zum Staunen brachte, sondern auch eine Lektion darin lehrte, wie harmonisch Gegensätze miteinander koexistieren können.

Japan besteht aus insgesamt 6.852 Inseln, von denen die vier größten – Honshu, Hokkaido, Kyushu und Shikoku – etwa 97% der Gesamtfläche ausmachen. Eine Besonderheit Japans ist seine Gebirgslandschaft: Rund 75% der Landesfläche sind von Bergen oder Wäldern bedeckt. Der höchste Gipfel, der ikonische Mount Fuji, ragt 3.776 Meter in die Höhe und wird von Einheimischen und Besuchern gleichermaßen verehrt.

Mit einer Bevölkerung von etwa 126 Millionen Menschen (Stand 2023) ist Japan das 11. bevölkerungsreichste Land der Welt. Die Bevölkerungsdichte liegt bei etwa 333 Einwohnern pro Quadratkilometer, was deutlich über der Dichte Deutschlands liegt, die bei etwa 232 Einwohnern pro Quadratkilometer liegt. Japan ist allerdings auch von einem demografischen Wandel geprägt: Die Bevölkerung schrumpft und altert rapide, was Herausforderungen für die Wirtschaft und das soziale Gefüge des Landes mit sich bringt.

Japan blickt auf eine über 2.000-jährige Geschichte zurück, die von Kaiserdynastien, Samurai-Traditionen und einer außergewöhnlichen Mischung aus Isolation und Offenheit geprägt ist. Im 19. Jahrhundert gelang Japan mit der Meiji-Restauration ein beispielloser Modernisierungssprung, der das Land zu einer der führenden Industrienationen der Welt machte.

Traditionen spielen trotz des technologischen Fortschritts eine zentrale Rolle. Rituale wie die Teezeremonie oder das Hanami (Betrachten der Kirschblüte) sind tief in der japanischen Kultur verwurzelt. Auch die japanische Religion, eine Mischung aus Shintoismus und Buddhismus, prägt den Alltag vieler Japaner.

Japan gehört zu den größten Volkswirtschaften der Welt und ist insbesondere für seine Technologie- und Automobilindustrie bekannt. Marken wie Toyota, Sony und Nintendo haben das Land zu einem Synonym für Innovation gemacht. Trotz dieser Modernität bewahrt Japan eine starke Verbindung zu seinen handwerklichen Traditionen, sei es in der Herstellung von Katana-Schwertern, Keramik oder Seide.

Trotz seiner dichten Besiedlung hat Japan atemberaubende Naturlandschaften zu bieten. Neben dem Mount Fuji sind die heißen Quellen (Onsen), die Wälder von Yakushima und die malerischen Dörfer in den japanischen Alpen besonders sehenswert. Japan ist auch ein Land der Extreme: Es liegt am sogenannten Pazifischen Feuerring und ist regelmäßig von Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Tsunamis betroffen.

Japan ist ein Land der Gegensätze und Harmonie: Moderne Megastädte wie Tokio und Osaka stehen im Kontrast zu den stillen Schreinen und Tempeln, während die Hightech-Wirtschaft durch tiefe Traditionen ergänzt wird. Mit seiner reichen Kultur, faszinierenden Geschichte und beeindruckenden Natur ist Japan nicht nur ein beliebtes Reiseziel, sondern auch ein Land, das in vielerlei Hinsicht einzigartig ist.

Hier noch ein paar Fakten:

  • Fläche: Japan (377.975 km²) ist etwas größer als Deutschland (357.022 km²).
  • Bevölkerung: Japan hat etwa 125 Millionen Einwohner, während Deutschland rund 84 Millionen zählt.
  • Bevölkerungsdichte: Japan (334 Personen/km²) ist dichter besiedelt als Deutschland (233 Personen/km²).
  • Wirtschaft: Japan ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt (nach den USA und China), während Deutschland auf Platz 4 folgt.

Die japanische Literaturszene ist vielfältig und reich an Stimmen, die weltweit Anerkennung finden. Ich lese wahnsinnig gerne Literatur aus Japan und sie ist auch weit verbreitet in deutschen Buchläden. Ich würde sagen Literatur aus Japan erlebt einen wahnsinnigen Boom (neben Südkorea) und Autor*innen wie Haruki Murakami, Banana Yoshimoto, Yogo Ogawa, Syaka Murate, Fuminori Nakamura um nur ein paar zu nennen, sind auch aus der deutschen Literaturlandschaft nicht mehr wegzudenken. Literatur hat in Japan einen hohen Stellenwert; Buchhandlungen und Lesekultur sind tief in der Gesellschaft verankert, und Autoren genießen großes Ansehen, insbesondere für ihre Fähigkeit, die menschliche Erfahrung in poetischer Klarheit darzustellen.

Da ich ein Buch vorstellen wollte, das ich bisher noch nicht gelesen habe, entschied ich mich für Butter von Asako Yuzuki.

Butter – Asako Yuzki erschienen im Blumenbar Verlag, übersetzt von Ursula Gräfe

Ich habe Butter von Asako Yuzuki fast in einem Rutsch gelesen – was irgendwie passend ist, wenn man bedenkt, wie sehr Essen und Genuss im Mittelpunkt dieses Romans stehen. Die Geschichte kombiniert Elemente eines Krimis mit tiefgehender Sozialkritik und ich bewundere jeden, der es schafft diesen Roman zu lesen ohne permanent hungrig zu sei. Ich mußte sogar die Lektüre unterbrechen um mir Reis mit Butter zu kochen.

Die Handlung dreht sich um Rika Machida, eine ehrgeizige Journalistin, die sich an einem spektakulären Fall die Zähne ausbeißt: die mysteriöse Manako Kajii, die mehrere Männer umgebracht haben soll. Kajii ist eine faszinierende Figur – talentierte Köchin, Femme fatale und zugleich Ziel von unerbittlicher medialer Hetze wegen ihres Aussehens und ihrer Lebensweise.

Was mich besonders an Butter beeindruckt hat, ist, wie Yuzuki den Fokus auf die Themen Misogynie, Körperbild und gesellschaftliche Erwartungen richtet. Während Rika Kajii immer wieder im Gefängnis besucht, verschwimmen die Grenzen zwischen Recherche und persönlicher Obsession. Die Gespräche der beiden Frauen sind mal provokativ, mal tiefsinnig, und sie zeigen, wie Essgewohnheiten und Selbstwahrnehmung oft von Kindheitstraumata und gesellschaftlichen Zwängen geprägt sind.

Essen war ein zutiefst persönliches und egoistisches Verlangen. Gourmets waren im Prinzip Suchende. Sie waren Tag für Tag mit ihren Bedürfnissen beschäftigt und auf Entdeckungsreise. Je aufwändiger sie kochten, desto besser gelang es ihnen, die Außenwelt auszuschließen und eine innere Festung zu errichten. Mit Klingen und Flammen rückten sie den Zutaten zu Leibe, um sie nach ihrem Willen zu formen.

Die Parallelen zwischen Rika und Kajii fand ich dabei spannend, aber auch beklemmend. Während Rika immer tiefer in die Welt von Kajii eintaucht, wird sie selbst zur Zielscheibe ähnlicher Kritik: Ihr wachsender Appetit und die Gewichtszunahme werden von ihrem Umfeld kommentiert und abgewertet – ein Spiegel dessen, was Kajii erlebt hat. Das macht die Geschichte nicht nur persönlich, sondern auch universell, denn es geht um viel mehr als einen Mordfall: Es geht darum, wie Frauen in Japan (und weltweit) zwischen widersprüchlichen Erwartungen zerrieben werden. Ich konnte es gar nicht fassen, dass die Protagonistin mehrfach als unfassbar fett betitelt wird und dabei kaum 60kg auf die Waage bringt.

Asako Yuzuki, geboren 1981 in Tokio, ist eine recht bekannte japanische Autorin, die sich durch ihre scharfsinnigen gesellschaftlichen Analysen einen Namen gemacht hat. Bevor sie ihre Karriere als Schriftstellerin begann, arbeitete sie selbst als Journalistin, was man in Butter spürt: Die Recherche, die Tiefe und die Präzision in ihrer Darstellung von Medien und Gesellschaft wirken authentisch und fundiert. Butter wurde in Japan zu einem Bestseller und zeigt, wie Yuzuki mit feministischen Themen auf leise, aber eindringliche Weise umgeht.

Mir hat der Roman gefallen, er hätte aber gut und gerne 1/3 kürzer sein können, er war stellenweise etwas repetitiv.

Mein Filmtipp für Japan dürfte wenig überraschend sein für alle, die mich ein bißchen kennen, denn ich habe diesen Film schon massig empfohlen und hochgelobt: „Perfect Days“ von Wim Wenders – einer meiner absoluten Lieblingsfilme 2024:

Perfect Days von Wim Wenders ist ein ruhiges, poetisches Porträt eines introvertierten Toilettenreinigers in Tokio, der durch die kleinen Momente des Alltags und seine Liebe zu Büchern und Musik die Schönheit des Lebens feiert.

Musikalisch kann es für mich nur eine Band aus Japan geben: MONO – eine ikonische Post-Rock-Band bekannt für ihre epischen, emotionalen Klanglandschaften. Seit ihrer Gründung im Jahr 1999 haben sie zahlreiche Alben veröffentlicht und ich hatte auch schon das Glück sie live zu erleben. Alben wie Hymn to the Immortal Wind (2009), eine Mischung aus orchestralen Arrangements und intensiven Gitarrenwänden, und You Are There (2006), ein Meisterwerk voller melancholischer Schönheit, gehören zu ihren wichtigsten Werken. Ihre Musik ist introspektiv, dramatisch und zeitlos – ein Erlebnis, das unter die Haut geht.

Habt ihr jetzt vielleicht Lust bekommen, euch noch mal auf die anderen Stationen der Weltreise zu begeben? Dann bitte hier entlang:

Großen Applaus für alle, die bis hier hin durchgehalten haben. Ich hoffe euch hat der Ausflug nach Japan Spaß gemacht – ich habe auf jeden Fall riesige Lust mal wieder hinzufahren. Eines meiner aufregensten Reiseerlebnisse bisher.

Möchtet ihr noch ein bißchen in Japan bleiben? Hier sind weitere japanische Bücher die ich hier rezensiert habe: Tatsuki Fujimoto – Goodbye Eri, Waka Hirako – My broken Mariko, Yasushi Inoue – Der Tod des Teemeisters, Natsu Miyashita – Der Klang der Wälder, Lucy Fricke – Takeshis Haut, Haruki Murakami – Mr. Aufziehvogel, Erste Person Singular, Von Beruf Schriftsteller, Sayaka Murata – Convenience Store Woman, Fuminori Nakamura – The Thief, Die Maske, Sosuke Natsukawa – The cat who saved books, Yoko Ogawa – The Memory Police, Marion Poschmann – Die Kieferninseln, Franka Potente – Zehn, Natsume Soseki – Der Bergmann, Rin Usami – Idol Burning, Edmund de Waal – Der Hase mit den Bernsteinaugen, Banana Yoshimoto – NP, Ein seltsamer Ort

Seid ihr schon mal nach Japan gereist? Wie hat es euch gefallen? Welche japanischen Autor*innen / Bands / Filme könnt ihr empfehlen? Ich freue mich sehr von euch zu hören.

Der nächste Stopp ist etwa 8000km entfernt – kommt ihr wieder mit?

Meine Woche

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Gesehen: „Cléo from 5 to 7“ (1962) von Agnès Varda mit Corinne Marchand. 2 Std im Leben einer Frau die auf eine Diagnose wartet im Paris der 60er Jahre. Großartig.

First Girl I loved“ (2016) von Kerem Sanga. Liebenswerte Coming-out High School Geschichte.

Blue Ruin“ (2013) von Jeremy Saulnier. Ein Film in dem es um Rache geht der intelligenteren Art.

Song to Song“ (2017) von Terence Malick mit Rooney Mara, Ryan Gosling, Natalie Portman. Ich liebe Malick Filme aber in den bin ich nicht wirklich reingekommen. Aber wie immer tolle Bilder, gute Musik.

Gehört: „Supermassive Black Hole“ – Muse, „The Sandman“ – Gillian Anderson & PJ Harvey, „Sanctuary“ – Chris Heron, „Fade to Grey“ – A strangely isolated place, „Postmodern Therapy“ – Moaan Exis, „Flower Duet“ – Lakme, „Saying Goodbye“ – J. S. Ondara

Gelesen: über das erste Bild von einem schwarzen Loch, wie deutsche Unternehmen ihre Vorstände rekrutieren, The problem of putting a price to the end of the world, The secret history of women in coding, Intellektuelle Frauen um 1800 und diese Studie zur Gleichstellung

Getan: mit Freunden sehr gute Cocktails auf einer privaten Cocktailparty getrunken und mit einem jungen Mann sehr spannende Gespräche beim Dinner über Quantenphysik geführt

Geplant: Stockholm erkunden

Gegessen: Fatteh

Gefreut: über meinen Leseknochen und mit Katie Bouman über ihr Foto vom schwarzen Loch

Geweint: über das Pressefoto des Jahres

Geklickt: auf den Ted Talk von Katie Bouman, auf die Bilder der fast vergessenen Bauhaus Frauen, auf den Roboter der schwitzen kann

Gelacht: show us on the doll

Gewünscht: dieses Wandbild, dieses Outfit, dieses Regal, dieses Haus

Gestaunt: natürlich über das Foto vom schwarzen Loch und Tokyos cavernous, creepy totally Sci-Fi drainage Tunnels

Gefunden: wieder ein paar tolle Bücher im Bücherschrank

Gekauft: nix

Gedacht: „One of the painful things about our time is that those who feel certainty are stupid, and those with any imagination and understanding are filled with doubt and indecision“ (Bertrand Russell)

Meine Woche

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Gesehen: „The Drop“ (2014) von Michael Roskam mit Tom Hardy und Noomi Rapace. Atmosphärische Krimi Verfilmung von Dennis Lehane.

Hitchcock“ (2012) von Sacha Gervasi mit Anthony Hopkins, Helen Mirren und Scarlett Johansson. Hitch hatte diese Woche Geburtstag daher hatte ich Lust auf dieses BioPic. Da hat er besseres verdient. Hopkins spielt einfach nur eine Karikatur.

Babylon Berlin“ 2. Staffel von Tom Tykwer. Dauer-Drama und viel Action, keine Sekunde Ruhe. War nicht schlecht, aber ich bin froh, dass die Serie jetzt vorbei ist. Falls es eine 3. Staffel geben sollte bin ich raus.

Debbie Harry – Atomic Blonde“ (2017) von Pascal Forneri. Spannende Doku über eine sehr coole Musikerin.

Gehört: „Respect“ – Aretha Franklin,  „Bullet“ – Stasney Mav, „Evoking Paradise“ – Summer Effect, „Desert Bloom“ – Gargle, „Heal“ – Soap & Skin, „Heart of Glass“ – Blondie

Gelesen: Yuval Noah Harari darüber was 2050 uns bringen wird, Katharina Herrmans grandioser Text „Alles super in der Abstiegsgesellschaft„, über den berühmten Wikingerkrieger der eine Frau war, how to edit a human, David Graeber on bullshit jobs und über die Geschichte hinter diesem seltsamen Skulpturenpark

Getan: den indischen Unabhängigkeitstag mit indischem Essen gefeiert, aus Dortmund mit einer fetten Erkältung zurückgekommen und seitdem liege ich flach

Geplant: einen Workshop geben und den Bookclub besuchen

Gegessen: Zucchini Pasta

Getrunken: Becks Blue

Gelacht: Sometimes I feel useless but then I remember that I breathe out carbondioxide for plants.

Geweint: über den Tod von Aretha Franklin und Kofi Annan

Gefreut: über die guten Nachrichten beim Telefonat mit Michelle

Geklickt: auf die Gewinner des iphone Photography Awards und 60 times Madonna changed our culture

Gewünscht: diese Lampe, dieser Arbeitsplatz und so stelle ich mir meinen idealen Feierabend vor 😉

Gekauft: zwei zusätzliche Bücherregale

Gestaunt: über diese futuristischen Tokyo Fotos

Gefunden: nix

Gedacht: Having a word for something helps spread awareness of it (Nassim N Taleb)

The Thief – Fuminori Nakamura

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„Was the young man’s fate really controlled entirely but the nobleman? Or was being controlled by the nobleman the young man’s fate?“

Während unseres Urlaubs in Japan hatte ich zeitweise Panik, nicht genug Bücher dabei zu haben und obwohl Japan ein absolutes Buch-Mekka ist, musste ich nach einem Laden, der auch englischsprache Bücher führt, ganz schön Ausschau halten. Als ich dann einen fand, war der gigantisch und ich hätte mich ohne Probleme tagelang darin verirren können.

Murakami und Yoshimoto hatte ich natürlich reichlich dabei, es musste also etwas anderes frisches japanisches her und da stolperte ich über Fuminori Nakamura, dessen Bücher mir in zahllosen japanischen Läden aufgefallen waren und den ich dort auch in englischer Ausgabe fand. Letztlich hatte ich doch genug zu lesen dabei, Nakamura flog also ungelesen mit mir zurück und da gleich nach meiner Rückkehr unsere jährliche Bücherwahl im Bookclub anstand, schlug ich Nakamura vor und er wurde auch prompt gewählt, allerdings musste ich jetzt fast ein Jahr warten, bis er endlich dran war.

Aber gleich vorneweg – das Warten hat sich gelohnt: Nakamura beschert uns mit dem Tokioer Taschendieb Nishimura einen Anti-Helden par excellence und beschäftigt sich darüberhinaus auf interessante Weise mit den Themen Schicksal und Manipulation.

In diesem Noir-Thriller hat die Unterwelt wenig von dem düsteren Glamour, der sonst häufig in der Anti-Helden Welt zu finden ist. Hier werden sowohl die Kriminellen als auch deren Opfer vom Schicksal ordentlich in die Mangel genommen. Nakamura zeichnet ein emphatisches Porträt eines einsamen Mannes, dessen Lebenswille erzwungenermaßen im letzten Moment wieder rausgekitzelt wird.

Der Dieb ist ein Künstler seines Faches und dabei ein heimlicher Robin Hood. Er stiehlt nur von den Reichen, ohne Gewalt anwenden zu müssen und schickt die gestohlenen Brieftaschen per Post zurück, nachdem er das Geld heraus genommen hat. Für den besonderen Kitzel nimmt er manchmal auch nur einen Teil des Geldes raus und steckt die Brieftasche zurück, ohne dass das Opfer merkt bestohlen worden zu sein.

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Nishimura hat seine Prinzipien und eines davon ist seine Unabhängigkeit. So wenige persönliche Bindungen wie möglich. Seine verheiratete Liebhaberin hat ihn gerade verlassen, als er auf eine junge Mutter mit ihrem Sohn trifft. Er überrascht die beiden beim Ladendiebstahl und hilft ihnen, den Detektiv loszuwerden. Der kleine Sohn ist einigermassen talentiert und zöglichlich nimmt er den Jungen unter seine Fittiche. Wenn er ihn nicht dazu bringen kann aufzuhören mit dem Stehlen, dann will er ihn zumindest vernünftig ausbilden.

„If you can’t stop the light from shining in your eyes, it’s best to head back down in the opposite direction“

Als Nishimura mit den Yakuza, der japanischen Mafia, in Kontakt kommt (meine Interpretation, die Organisation wird nicht explizit genannt) gerät er in eine Spirale der Gewalt und der Düsterkeit.

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Man erfährt meist nur Bruchstücke und der unzuverlässige Erzähler der Geschichte bleibt durch die Geschichte hindurch distanziert. Die Sprache ist kühl und einfach, die Geschichte düster, streckenweise liest es sich wie ein Filmscript und ich hoffe auch sehr auf eine Verfilmung.

Eine verstörender Einblick in eine einsame, sich teilweise selbstverleugnende Persönlichkeit. Das Buch wollte mich gar nicht mehr loslassen. Dies wird nicht mein letzter Nakumara bleiben. Ich freue mich, dass bereits 4-5 weitere Bücher von ihm übersetzt wurden.

Im deutschen ist das Buch unter dem Titel „Der Dieb“ im Diogenes Verlag erschienen.

Die Toten – Christian Kracht

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We are all so afraid, we are all so alone, we all
so need from the outside the assurance
of our own worthiness to exist. But these things
pass away; inevitably the pass away as the
shadows pass across sundials. It is sad, but it is so.
(Ford Maddox Ford)

Dank des Druckfrisch-Interviews mit dem Autor weiß ich, dass der Roman wie ein dreiaktikges No-Theaterstück aufgebaut ist. Es fängt geisterhaft schleichend an, in der Mitte ist Action und am Ende sind möglichst viele tot. Das hätte mir sehr gefallen, intellektuell genug zu sein, den Bezug zum japanischen No-Theater allein durch die Lektüre zu erkennen, aber so schlau bin ich leider nicht. Das wäre an mir vorbei gegangen, vermutlich hätte ich die Lektüre dennoch genossen.

Der Roman beginnt aus meiner Sicht gar nicht so geisterhaft schleichend, sondern recht fulminant mit der Selbstentleibung eines japanischen Offiziers, der ihm bewußt oder unbewußt bei seiner Tat gefilmt wird.  Nach diesem Einstieg geht es erst einmal in die Schweiz, wo wir den Filmregisseur Emil Nägeli kennenlernen, der mit den Geistern seiner Vergangenheit kämpft.

Anfang der 30er Jahre  reist er nach Japan, um dort einen Schauerfilm zu drehen. Man denkt an den Selbstmord am Anfang, erwartet irgendwie eine Art „Snuff“-Film, aber so wirklich wird auf den Film nicht eingegangen. Vielmehr gibt es das Ziel, eine „zulluloide Achse“ zu bauen zwischen Deutschland und Japan, um dem dekadenten Hollywood etwas entgegenzusetzen.

Vor der Kulisse eines wunderbar geheimnisvoll-düsteren Japans, dem pulsierenden Berlin der Weimarer Republik, einem Luxusdampfer und einer Prise Los Angeles tauchen eine ganze Reihe historischer Persönlichkeiten auf: Fritz Lang, Kracauer, neben einem zwielichten Heinz Rühmann, auch Hitler Kumpan Putzi Hanfstaengl und Charlie Chaplin . Japan hat sich lange dem Tonfilm widersetzt und Chaplin hatte eine große Anhängerschaft dort. Im Roman – wie auch in der Realität – wird auf Chaplin und den japanischen Thronfolger ein Attentat verübt.

„Ida antwortete ungeniert, daß es ein Vergessen allen Daseins gebe, ein Verstummen unseres Wesens, wo uns sei, als hätten wir alles gefunden – sie sah ihm dabei direkt in die Augen, und Amakasu, dessen Fuß unter dem Tischchen langsam höher wanderte, war sich sicher, exakt diesen Ausstausch schon einmal erlebt zu haben, er vermochte sich aber nicht mehr zu erinnern, wo und wann. 

Ein kurzes Buch mit vielen spannenden Gedanken, das mir aufgrund seiner dunklen Melancholie, seiner Atmosphäre und der  Sprache Krachts sehr gut gefallen hat. Etwas enttäuscht war ich dennoch, vermutlich weil ich erwartet oder gehofft hatte, das Filme einer größere Rolle spielen. Die Handlungsfäden verlaufen häufiger im Nirgendwo und es war nicht einfach, den Überblick zu behalten wohin die Reise jetzt eigentlich geht.

„Er spürte eine allumfassende Erschlaffung, eine Phlegmatisierung des Körpers, eine stetig anwachsende, sprachlose Melancholie angesichts jener Zumutung der Vergänglichkeit“

Ida von Üxküll war für mich die heimliche Heldin des Romans, der für meinen Geschmack gerne noch etwas mehr Raum hätte eingeräumt werden dürfen. Ein Roman, der sich oft wie ein Drehbuch liest, viele wiederkehrende Motive (jede Menge Leuten kauen an den Fingern) vielleicht hätte ich noch mehr aus dem Roman herausgezogen, wenn ich mich besser auskennen würde in der (Film)Geschichte der Weimarer Republik und der japanischen Kultur, aber wie gesagt die wundervolle Weltschmerz-Atmosphäre und die poetische Sprache Krachts haben da einiges wett gemacht für mich.

Ich kenne von ihm bislang nur „1979“ möchte aber unbedingt noch Faserland lesen. Habt ihr noch andere Empfehlungen oder ist Kracht gar nicht Euer Ding ?

Überaus symphatisch finde ich ihn nicht, wobei das Interview mit Denis Scheck ging ja (bis auf den Kaiser-Wilhelm-Bart – jesses). Da habe ich ihn vor ein paar Jahren in einem Interview mit Harald Schmidt glaube ich noch deutlich arroganter erlebt. Aber Schriftsteller müssen ja auch nicht unbedingt symphatisch sein, sie sollen hauptsächlich gute Bücher schreiben, die ich lesen möchte.

Hier besagtes Interview mit Herrn Scheck:

https://www.youtube.com/watch?v=Y3036n9hTXU

Vielen Dank an den Kiepenheuer & Witsch Verlag für das Rezensionsexemplar.

Japan by the Book – Teil 2

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Welcome back. Nach Bergen, Natur und Hinterland wurde es Zeit, sich wieder den urbanen Ecken Japans zu nähern. Natur ist schön und gut, allzulange halte ich es jedoch ohne Stadt und Menschen nicht aus. Unser nächstes Ziel war Kyoto, die ehemalige Hauptstadt. Eine Stadt die überall als die hübschere kleine Schwester Tokyos gehandelt wird und auf die wir sehr gespannt waren. Begrüßt wurden wir allerdings mit strömendem Regen und unfreiwilligen Abenteuern mit Taxi-Fahrern, der kompliziertesten Spezies der wir in Japan begegnet sind 😉

Alle Taxifahrer die wir gesehen haben, waren ausnahmslos alte Männer, weiß behandschuht in blitzsauberen Taxis, die mit weißen Häkeldeckchen verziert waren. Ein Schild weist meist auf „foreign friendly english speaking Taxi“ hin, davon haben wir nur leider nichts gemerkt. Keiner der Taxifahrer sprach auch nur ein Wort Englisch. Der erste Fahrer in Kyoto (wie erwähnt sehr sehr alt) dem wir unsere Ziel-Adresse (extra in japanisch) hinhielten, schüttelte den Kopf, griff zu einer riesigen Lupe, um dann endlos in einem Stadtplan nach der Adresse zu suchen, während er pausenlos auf japanisch auf uns einplauderte um uns dann nach etwa 10 min resigniert aus dem Taxi zu schicken.

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Nächster Versuch. Wieder zurück in die Taxischlange und die Hoffnung, der nächste würde die Adresse lokalisieren können. Es war nicht einmal sehr weit weg vom Bahnhof Kyoto, nur die Sturzbäche, die runtergingen, ließen uns weiterhin auf ein Taxi hoffen. Der nächste wieder alt und weiß behandschuht, schüttelt den Kopf, plaudert japanisch mit uns, aber dann fährt er doch irgendwann los – juhu – bis zur nächsten Polizeistation, wo wir schon befürchteten, verhaftet zu werden für Irreführung von Taxifahrern oder Verweigerung der japanischen Sprache, aber nein, er liess sich nur den Weg erklären und zack ging es endlich ins angemietete AirBnB.

Ein Wort noch zur unglaublichen Ehrlichkeit der Japaner. Es scheint nahezu keine Kriminalität zu geben (abgesehen ggf. von der Yakuza (japanische Mafia) von der wir im Alltag allerdings nichts mitbekommen haben. Der Taxifahrer schaltete auf halber Strecke den Meter aus, damit wir nicht für seine Orientierungslosigkeit zahlen müssen, uns wurden T-Shirts kilometerweit nachgefahren, die wir in einem der Ryokans haben liegen lassen. Nicht eine Sekunde kommt einem die Idee, in den überfüllten U-Bahnen könnte einem jemand den Geldbeutel stehlen – ein wirklich unglaublich sicheres und ehrliches Land.

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Literarisch habe ich mich in Kyoto von Banana Yoshimoto begleiten lassen. „Amrita“ ist die Geschichte einer jungen Japanerin, die trotz diverser Schicksalsschläge nicht aufgibt, weiterhin sehr offen ist und ein großes Herz hat. Sakumi, die Protagonistin hat bei Beginn des Buches nicht nur ihren Vater, sondern auch ihre Schwester, eine Schauspielerin, verloren, sie selbst erleidet Hirnverletzungen bei einem Unfall. Das alles ist aber weniger tief und dramatisch, als man vielleicht befürchtet. Sakumi lebt mit und in ihrer ungewöhnlichen Familie zu der ihre Mutter, ihr kleiner Bruder und eine Freundin der Mutter gehören und mit ihnen begibt sie sich auf eine Reise durch Trauer und Leiden, verlorenen und weidergefundenen Erinnerungen, verbotene Liebe und erlebt auf einer einsamen kleinen Insel im Pazifik eine intensive Zeit.

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Nach ein paar spannenden Tagen in Kyoto brachte uns der Shinkansen nach Kobe. Eine wunderschöne kleine Hafenstadt und zugleich der Geburtsort von Haruki Murakami. Wir haben uns dort so wohl gefühlt, dass wir unsere Pläne umwarfen und dort unser Basislager aufschlugen, um von dort Ausflüge zu machen, aber nicht mehr alle 2-3 Tage die Unterkunft zu wechseln.

Mir ist erst in Japan klar geworden, wie außergewöhnlich Murakami und auch Yoshimoto sind, wie sehr ihre Protagonisten und vermutlich auch sie selber als Individuen unterwegs sind, in einer Gesellschaft, die so viel Wert auf Konformität legt.
Man sieht das bespielsweise daran, dass es in den Städten überall dort voll ist, wo es Geschäfte gibt, oder Restaurants oder an designierten Sehenswürdigkeiten, ist etwas nicht als Sehenswürdigkeit deklariert, dann ist da auch niemand. Niemand und ich meine niemand. Wir haben in Tokyo in der „Golden Week“ das Rathaus anschauen wollen, in der Ecke ist einiges an wirklich beeindruckender Architektur zu sehen, zwei Straßen weiter ist man von den Menschenmassen erdrückt worden, aber Rathaus und die anderen Gebäude gelten nicht wirklich als „Sehenswürdigkeit“ und zack waren wir komplett alleine da, das fühlte sich richtig seltsam an 😉

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Von William Gibsons „Idoru“ habe ich mich in der letzten Woche begleiten lassen. Sein „Blade Runner“ ist ja fast schon synonym mit dem Cyper-Tokyo der Zukunft. Aber auch „Idoru“ spielt im Tokyo der Zukunft nach dem katastrophalen Riesen-Erdbeben. Nano-Technologie führt dazu, dass die Gebäude sich selbst errichten, ein melancholischer Protagonist fegt durch das neonfarbene japanische Wunderland auf der Suche nach Arbeit. Colin Laney ist ein Datenfischer, einer der Muster in den Daten erkennt, die Individuen in der Datenwelt hinterlassen. „Idoru“ beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, inwieweit Prominente natürliche Ressourcen sind, die man anzapfen kann und darf, ein Gemeingut sozusagen.

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Die Menschen in der Geschichte sind alle auf der Suche nach etwas das „echt“ ist, mit dem sie sich wirklich verbunden fühlen können und gleichzeitig ist es die Geschichte von Rez, einem Rock Star, der sein Management und seine Fans mit der Nachricht schockt, eine softwarebasierte Lebensform namens Rei Toei – ein Idoru – heiraten zu wollen.

Film-Fans werden insbesondere in Tokyo immer wieder auf Orte stoßen, die man aus Filmen kennt. Sei es der Moment, wenn man auf die Autobahntrasse fährt, die man aus Tarkovskys „Solaris“ kennt:

oder ob man sich in der Lost in Translation Hotel-Bar einen Cocktail oder zwei gönnt:

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Godzilla begegnet man natürlich auch auf Schritt und Tritt:

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Unser leztes großes Abenteuer in Japan war der Besuch des Universal Pictures Themepark. Ich war mehr als skeptisch und hätte mir nie träumen lassen, wieviel Spaß ich dort haben würde. Spätestens als wir auf einmal in Hogsmeade standen, war ich wieder 9 und konnte vor Aufregung kaum gerade aus laufen. Zum Glück hatten wir uns Speed Tickets gegönnt, denn selbst Harry Potter zuliebe hätte ich mich wohl nicht 160 Minuten irgendwo angestellt. Aber der 3D-Ride war unglaublich und das abgefahrenste, beste und aufregenste was ich jemals gefahren bin.

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Sayonara Japan es war wunderschön. Es war einer der außergewöhnlichsten und aufregendsten, aber auch teuersten Urlaube meines Lebens und ich bin froh, dass ich durch die Literatur wenigstens im Geiste auch weiterhin ab und an eine Stipvisite machen kann.

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Banana Yoshimoto – „Amrita“ ist im Diogenes Verlag erschienen
William Gibson „Idoru“ ist auf deutsch unter dem gleichen Titel bei Heyne erschienen

Japan by the Book

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Japan ist ein Bücherland. In keinem der asiatischen Länder, die wir bislang bereisten, waren Bücher so allgegenwärtig wie in Japan. Die Menschen schlafen in der U-Bahn nicht nur in den verrücktesten Positionen, sie lesen auch im größten Gedränge und, wenn die Bücher häufig eher kleinformatig sind, so werden doch immer wieder auch Mangas in der Größe des früheren Quelle-Kataloges mitgeschleppt.

Mangas sind natürlich etwas, das wohl jeder mit Japan assoziiert. Und sie sind tatsächlich auch überall. In der Ubahn werden auch Romane gelesen, aber doch überwiegend Mangas und das vom Schulkind über schicke Business-Menschen bis hin zu älteren Damen.

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Schaut man seinen Mitfahrern in der U-Bahn über die Schulter, kann man auch schnell mal schamviolett werden. Die haben es teilweise wirklich in sich. Da wird geschnackselt was das Zeug hält, hetero und homosexuell, auf freiwilliger Basis, aber Vergewaltigungen z.B. kommen durchaus auch vor, alles recht explizit. Neben den sexuell freizügigen, gibt es auch einige, die recht düster sind, aber im Grunde genommen ist hier für wohl für jeden Geschmack etwas dabei. Man könnte sicherlich ganze Abhandlungen schreiben, möchte hier aber nur einen kurzen Einblick in den japanischen Manga-Alltag geben, den wir erlebt haben. Eine wunderbare Facette sind natürlich auch die vielen Cosplayer, die in einen spannenden Kontrast bieten, zu den monochromen Business-Menschen.

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Japan nimmt wenig Rücksicht auf nicht-japanische Besucher. Das ist deutlich weniger negtiv gemeint, als das jetzt klingt. Ob im Alltag, oder wenn es um den Tourismus geht, das Angebot richtet sich eben in der Regel an die einheimische Bevölkerung und ausländische Gäste werden höflich und sehr sehr freundlich inkludiert, aber es wird keine Extrawurscht gebraten. Uns hat das weniger gestört, da man so deutlich mehr vom alltäglichen Leben in einem Land mitbekommt, aber natürlich kann es einem das Leben auch mal schwerer machen.

Ich hatte damit gerechnet, mir im Urlaub Bücher kaufen zu können und bin ziemlich in Panik geraten, als ich in Tokyo die ersten 3-4 riesigen Buchläden abgeklappert hatte und keiner davon eine Abteilung mit englischsprachigen Büchern hatte. Ich bin dann in Kyoto fündig geworden und das war dann auch ein wundervoller Laden, bestens sortiert mit einer riesigen Auswahl, aber man muss schon ein wenig danach suchen. Zeitungen, Zeitschriften habe ich gar nicht gefunden, wobei die normalen Tageszeitungen ab und an 1-2 englischsprachige Seiten enthielten.

In Vietnam, Laos, Thailand und Kambodscha waren an jeder Ecke Läden in denen man gebrauchte englische Bücher kaufen konnte, das findet man in Japan eigentlich überhaupt nicht. Um so glücklicher war ich, in einer kleinen Straße in Kobe ziemlich ab vom Schuss, einen winzig kleinen entzückenden Second-Hand-Bookshop „Wantage“zu entdecken. Der Besitzer, ein sehr herzlicher, älterer Engländer öffnet seinen Laden nur am Wochenende. Ich hätte da gut und gerne ein paar Stunden drin verloren gehen können.

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Meine Urlaubslektüre bestand natürlich unter anderem aus einem Haruki Murakami. Geht ja gar nicht ohne und nach Japan reisen ohne ein Buch von ihm – völlig undenkbar. Ich hatte mich für „Hard-Boiled Wonderland“ entschieden, einer der Romane, die ich bisher noch nicht gelesen hatte und der seit dem Haidhausener Flohmarkt auf seinen Auftritt wartet.

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„Hard-Boiled Wonderland“ ist ein ziemlich komplexer Roman, den ich sehr langsam lesen musste, manche Kapitel benötigten gar eine zweite Runde, bis ich mich wieder zurechtgefunden habe. Die Geschichte spielt im Tokyo der nahen Zukunft. Dank wundersamer fortschrittlicher Technologien wird einem schüchternen, intelligenten Datenanalysten etwas ins Hirn implantiert, das es ihm ermöglicht, geheime Daten zu „waschen“ und zu „shuffeln“.

Ein verrückter Wissenschaftler, die Datenmafia und die Semiotecs, eine rivalisierende Intelligence Unit, sind ihm auf den Fersen und dabei, in sein Unterbewusstsein eine komplett andere Welt zu implantieren. Nach und nach verwischen die Grenzen der beiden Welten und es entbrennt eine Jagd um dem Ende der Welt zu entkommen, oder nicht ?

Einer der abgefahreneren Murakamis, der einen an Kafka und Orwell denken läßt. Keine einfache Lektüre, aber eine lohnende, die perfekt nach Tokyo passt. Die perfekte Überschrift für eigentlich fast jeden seiner Romane könnte dieses Zitat sein:

„Everyone may be ordinary but they’re not normal“

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Mit Yasushi Inoues „Der Tod des Teemeisters“ begab ich mich auf unsere Wanderung und gleichzeitig ein paar Jahrhunderte zurück in das Japan der Samurais. Unser Weg führte uns drei Tage lang auf dem Nakasendo Trail entlang, ein über 500km langer uralter Handelsweg, der von den Shoguns zum Reisen genutzt wurde. Es gibt 69 Stationen, die zumeist aus winzig kleinen Örtchen bestehen. Unsere Wanderung führte uns damit drei Tage lang durch die japanischen Alpen. Wir haben uns allerdings mehr als einmal verlaufen, da wir die ganze Zeit über wirklich niemanden getroffen haben auf den Wanderung und sämtliche Schilder natürlich in japanisch waren. Am zweiten Tag haben wir daher einen ordentlichen Umweg eingebaut und statt der geplanten 18km waren wir 25km unterwegs. Puh, da hing uns doch die Zunge auf Halbmast und wir wurden irgendwann etwas panisch. Aber am Ende haben wir unser Ryokan doch noch gefunden.

Übernachtet haben wir in Ryokans, den traditionellen Herbergen der Edo-Periode. Die Zimmer bestehen aus den am Boden liegenden Tatami Matten und den mit Washi bespannten Schiebetüren.

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Abendessen und Frühstück sind im Übernachtungspreis enthalten und werden im Gemeinschaftsraum eingenommen, man trägt Yukata und faltet die Beine irgendwie unter den niedrigen Tisch. Serviert wird in der Regel ein einheitliches, typisches sehr reichhaltiges Abendessen, das aus sehr vielen gleichzeitig servierten kleineren Portionen besteht. Miso-Suppe, eingelegtes Gemüse, geräucherter Fisch gehören eigentlich zu jeder Mahlzeit. Das Essen ist wahnsinnig gut, sehr frisch, aber teilweise auch gewöhnungsbedürftig. Sashimi, roher Fisch in dünne Scheiben geschnitten, kennt man und mag ich auch sehr gerne, lebt der Fisch allerdings noch und man schneidet ihm bei Bewußtsein Scheiben raus, das ist dann noch mal eine andere Geschichte. Auch Fleisch wird gern roh gegessen, wie Sushi und so haben wir uns dann auch rohem Pferd gegenüber gesehen, die gegrillten Grashüpfer waren für mich da die einfachere Herausforderung.

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Nach dem Abendessen macht man üblicherweise einen Abstecher ins Gemeinschaftsbad Onsen. Wir haben diesen Abstecher nur zweimal geschafft, denn auf Tattoos ist man in Japan gar nicht gut zu sprechen, sind diese doch so untrennbar mit der japanischen Mafia der Yakuzi verbunden. Schafft man es hinein in ein Onsen, ist das schon ein phantastisches Erlebnis. Nach ausgiebiger gründlicher Reinigung gehts dann ins große Becken, in dem meist auch andere Leute schon vor sich hin kochen. Seit dem Onsen habe ich eine ungefähre Idee, wie sich Hummer fühlen mögen, wenn sie ins heiße Wasser fliegen. Krass war das heiß. Japan hat Unmengen heißer Quellen und es tut schon gut so ein Bad, nach einer langen Wanderung.

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Seitenschläfer haben es auf den Tatami Matten nicht leicht. Ich mußte mich morgens origamimäßig erst einmal wieder auseinanderfalten und hab ein paar blaue Flecken davon getragen, wer üblicherweise auf dem Rücken schläft und es hart mag, dem dürften Tatami Matten gut gefallen.

Nun aber zu „Der Tod des Teemeisters“ – es war die perfekte Wahl für die Wanderung und unsere Übernachtung im Ryokan, die ganze Stimmung und der Inhalt der Erzählung haben einfach wunderbar gepasst.

Die Geschichte handelt davon, was aus der Kunst der Teezeremonie wird, wenn sein Meister verschwindet. Es ist nicht wirklich ein Thriller, wie der Umschlagtext vermuten ließ, sondern eher eine Suche nach Antworten darauf, warum der Master of Tea „Rikyu“ seinen angeordneten ritualen Suizid ohne Kampf akzeptierte. Sein letzter Schüler, Honkakubo versucht die Umstände, die zum Tod seines Meisters führen, zu verstehen und nachzuvollziehen.

Die Sprache ist karg und spröde, aber auch poetisch fein. Könnte man ein Buch schmecken, so wäre dieses ganz eindeutig ein Matcha-Tee. Ein kleines Wunderwerk, das aber sicherlich nicht jedermanns Geschmack treffen wird.

Dieses Zitat trifft die Essenz des Buches für mich, ohne das es aus diesem Buch ist. Woher ich es habe, weiß ich leider nicht mehr:

„…we find beauty not in the thing itself but in the patterns of shadows, the light and the darkness, that one thing against another creates.“

Vom Rest unserer Reise und der dazugehörigen Lektüre berichte ich im zweiten Teil. So stay tuned for more adventures …

Haruki Murakami „Hard-boiled Wonderland“ ist im Dumont Verlag erschienen
Yasushi Inoue „Der Tod des Teemeisters“ ist im Suhrkamp Verlag erschienen