Mister Aufziehvogel – Haruki Murakami

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Der Titel des Buches „Mister Aufziehvogel“ bezieht sich auf einen merkwürdigen Vogel, den nie jemand tatsächlich zu Gesicht bekommt und dessen Ruf irgendwie ein Überbringer schlechter Nachrichten zu sein scheint. Die Geschichte ist nicht einfach wiederzugeben. Man wird von Anfang an in eine Art hypnotischen Strudel hineingezogen, in dem sich das Suchen nach verschwundenen Katzen, Menschen, Gegenständen im Zentrum befindet.

Toru Okada, ein Mann in Tokio Anfang 30, hat keinen Job, keinerlei Ambitionen und eine Ehe, die langsam aber sicher zerbröselt. Als ihre Katze verschwindet, sucht er auf Anraten seiner Frau Hilfe bei dem merkwürdigen Geschwisterpaar Malta und Kreta Kano, die ihm ab da weder im echten Leben, noch im Traum,  von der Seite weichen.

Seine Frau verlässt ihn plötzlich und ohne jegliche Erklärung, er hängt viel mit einer pupertierenden Schulabbrecherin ab, die sich unaufhörlich mit dem Tod beschäftigt und die für eine Perückenfabrik arbeitet.

„Neugier kann manchmal den Mumm aus seinem Versteck hervorlocken, ihm vielleicht sogar einen richtigen Schubs geben. Aber Neugier verfliegt in der Regel bald. Mumm braucht Durchhaltevermögen.“

Toru versucht seine Frau zu finden, versucht all die verschiedenen Sachen zu verstehen, die ihm in letzter Zeit so passiert sind und um besser nachdenken zu können, begibt er sich auf den Boden eines Brunnens in der Nachbarschaft. Dort unten in der absoluten Einsamkeit macht er bizarre Erfahrungen, die wirklich sind oder auch nicht. Er wird irgendwann von Kreta Kano gerettet und im Laufe der Geschichte verbringt Toru mehr und mehr Zeit im Hotel oder in einem mysteriösen Hotelzimmer, das vermutlich nur in seiner Phantasie existiert. Es wird immer schwieriger zu unterscheiden, was wirklich ist und was nicht.

„Die Zeit entzieht in der Regel den meisten Dingen ihr Gift und macht sie harmlos“

Murakami versteht es meisterhaft Flashbacks, Träume, Zeitungsartikel, Internet Chats, Briefe und Berichte in seine Geschichte einzubauen. Bei keinem anderen seiner Bücher die ich bisher gelesen habe (eine ganze Reihe!) habe ich mich so sehr an Kafka erinnert gefühlt.

Sehr viele meiner ähnlich Murakami-besessenen Freunde haben mir immer wieder prophezeit, das Mister Aufziehvogel auch mein Lieblings-Murakami werden wird. Ist er nicht geworden. Ich finde den Roman phantastisch, werde ihn sicherlich auch irgendwann noch einmal lesen, aber sei es aus unbewusster Rebellion oder aus welchen Gründen auch immer, aber mein Lieblings-Murakami ist nach wie vor „Kafka am Strand“ wenngleich ich unmöglich wirkliche eine nachhaltige Platzierung vornehmen könnte, die Positionen würden je nach Tagesform ständig wechseln, da bin ich mir sicher.

Die Frauen in seinen Büchern sind immer die stärkeren, geheimnisvolleren die regelmässig verschwinden und auf deren Suche der meist recht antriebslose Protagonist gehen muss.

Murakami lesen und ganz besonders auch den Aufziehvogel ist, als würde man sich auf eine Achterbahnfahrt durch die Träume eines anderen Menschen bewegen. Das mag man oder eben auch nicht. Einige dieser Bilder lassen mich gar nicht mehr los. Einige sind wiederkehrende Motive seiner Bücher und ich bekomme die verwinkelten labyrinthartigen Hotelflure nicht mehr aus dem Kopf, den trockenen Brunnen, den Vogel in der merkwürdigen Gasse, die keinen Durchgang hat, der Rossini pfeifende Kellner, das Teenager-Mädchen beim ewigen Sonnenbad in den verwunschen anmutenden Gärten und leider vergesse ich auch das Hautabziehen am lebendigen Leib nicht mehr.

„Je beschränkter der geistige Horizont eines Mannes ist, desto mehr Macht kann er in einem Land gewinnen.“

Hier ist noch eine weitere sehr schöne Rezension des Buches.

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Foto: Designtaxi

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