Im Cafe der verlorenen Jugend – Patrick Modiano

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Der zweite Versuch, mich dem Literaturnobelpreisträger 2014 zu nähern, denn mein erster Versuch mit „Der Stammbaum“ war nicht recht gelungen. Modiano hat einen sehr speziellen Stil, seine Bücher sind kleine Wunderwerke, die das Paris der 60er Jahre wieder auferstehen lassen und sie wirken wie schwarz-weiß-Aufnahmen, entzückend melancholische, bittersüße nostalgische Träumereien.

Es passiert gar nicht viel in diesem Buch über eine junge mysteriöse Frau. Sie sucht häufig ein Cafe auf, das Stammlokal einer Clique junger Leute, immer mit einem Buch in der Hand. Sie ist schön und mysteriös und scheint sich für obskure esoterische astronomische Theorien zu interessieren. Die Stimmen von vier unterschiedlichen Männern erzählen von der jungen Frau Louki, von ihrem Leben und ihrer Liebe. Aber nicht das, was sie erzählen, macht Louki aus, sondern was sie nicht über sie erzählen. Was man erahnt, die Schatten der Vergangenheit, die Unzuverlässigkeit von Erinnerungen, Gefühle und Liebe, die mal war und gerne noch wäre. Modiano erzählt mit unwiderstehlicher Eleganz,  ein Ton, der sich wie ein Ohrwurm festsetzt.

Der Leser liest zwischen den Zeilen, versucht selbst zusammen zu basteln, was eigentlich passiert ist. Der Autor leistet da nur wenig Hilfe. Verstreute Erinnerungen, ob wahr oder nicht, schweben durch die Straßen und schaffen dabei eine Atmosphäre, die einen unverzüglich die Nachtzug-Fahrpläne nach Paris checken lassen.

„Man will eben Bindungen schaffen, verstehen Sie…
Natürlich verstand ich das. In diesem Leben, das uns manchmal vorkommt wie eine große Brachfläche ohne Wegweiser, inmitten all dieser Fluchtlinien und verlorenen Horizonte, würde man gern Bezugspunkte finden, eine Art von Kataster anlegen, um nicht länger das Gefühl zu haben, dass man sich ziellos treiben lässt. Also knüpft man Beziehungen, versucht, ungewissen Zufallsbekanntschaften zu festigen.“

Modianos Bücher haben einen ganz bestimmten Rhythmus, ein langsames Schlingern wie ein Boot auf einem nebligen See. Einfach die Atmosphäre geniessen und damit leben können, dass man seine kleinen literarischen Detektivgeschichten nicht wirklich lösen kann. Als Modiano erfuhr, den Literaturnobelpreis gewonnen zu haben sagte er: „“I always have the impression that I write the same book, which means it’s already 45 years that I’ve been writing the same book,” – von daher können wir uns mit dem Lösen seiner Rätsel auch noch etwas Zeit lassen.

Einfach ins Cafe gehen mit einem seiner Bücher und eintauchen in den schwarz-weiß Nebel seiner Geschichten.

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