The Paris Wife – Paula McLain

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Unsere Juni Bookclub Lektüre beamt uns ins Paris der frühen 20 Jahre und beleuchtet die Zeit, die Hemingway in „A moveable Feast“ beschrieben hat, hier aus der weiblichen Perspektive seiner ersten Frau Hedley. Der blutjunge, gerade von seinen Verletzungen aus dem 1. Weltkrieg genesene Hemingway trifft in St. Louis die ein paar Jahre ältere, schüchterne Hadley Richardson.

Nach einer kurzen aber intensiven Werbe- und Balzphase heiraten die beiden und segeln schon kurze Zeit später nach Paris, wo sie nach anfänglichen Schwierigkeiten mitten ins dekadent lebendige Jazz Paris der explosiv sprunghaften trinkfesten „Lost Generation“ rund um Gertrude Stein, Alice Toklas, Ezra Pound, Scott und Zelda Fitzgerald und anderen geraten.

Die Hemingways scheinen lange die sesshaftesten und „normalsten“ zwischen all den wunderschönen Menschen, konkurrierenden Egos und leidenschaftlich Liebenden in ihrem Künstler-Freundeskreis zu sein.

McLain erzählt die bekannte Geschichte des sich quälenden unbekannten Künstlers, der eine ihn umsorgende, sich aufopfernde, ebenfalls unbekannte Frau heiratet und diese verlässt, als irgendwann aus dem unbekannten Künstler ein bekannter wird und sie nicht mehr interessant genug ist.

Auch wenn das nach Herzschmerz und Liebesschmonzette klingt und das Cover des Buches auch gefährlich danach aussieht, McLain schafft es mit ihrer ausgesprochen schönen Sprache, ein sich verfestigendes Bild zu zeichnen einer Beziehung, die nicht andauern konnte und gerade diesen Untergang der Beziehung beschreibt sie schneidend aber doch zärtlich, mit all seinen unschönen und schwierigen Phasen stets auf der Suche nach der absoluten Wahrheit.

Mir hat besonders gefallen, dass das hier eben keine Hemingway Biografie ist, sondern es sich um Hadley’s Geschichte handelt. Man spürt die tiefe Traurigkeit und auch ihre Hilflosigkeit.

“It gave me a sharp kind of sadness to think that no matter how much I loved him and tried to put him back together again, he might stay broken forever.”

Hemingway war schon bei seiner ersten Frau, wie auch bei allen anderen, stets auf der Suche nach einer vertrauensvollen Stütze, einem Menschen, der ihm die Kraft gibt, sich voll und ganz auf die Literatur zu stürzen. Als Hadley sein bis dahin komplettes literarisches Werk auf einer Zugfahrt verliert, beginnen sich für ihn erste Risse in seinem Vertrauen ihr gegenüber zu zeigen. Er brauchte uneingeschränkte Aufmerksamkeit und vollstes Vertrauen, beim geringsten Zweifel begann er sich nach der nächsten Frau umzuschauen, die ihm das bieten konnte und wollte.

“Sometimes I wish we could rub out all of our mistakes and start fresh, from the beginning,‘ I said. ‚And sometimes I think there isn’t anything to us but our mistakes.”

Hier ein Audio Clip in dem Hadley selbst über die verlorenen Manuskripte spricht:

Ich glaube, dass das einfach der Preis war, den Hemingway bereit war für seinen schriftstellerischen Erfolg zu zahlen und hat dafür die Frauen geopfert, wenn sie ihn nicht mehr unterstützen konnten oder wollten. Ich glaube nicht, dass er das böswillig getan hat, er war großzügig, insbesondere auch Hadley gegenüber, die sich nach der Scheidung nie mehr wiedergesehen haben, aber zumindest telefonisch in Kontakt blieben.

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Hemingway hat letzendlich einen hohen Preis gezahlt für seinen Erfolg, unglückliche Beziehungen, Süchte, Selbstmorde findet man ohne Ende in seiner Familie. Wer Hemingway und das Paris der 20er Jahre etwas besser verstehen will, dem kann ich „The Paris Wife“ nur empfehlen.

“He was such an enigma, really – fierce and strong and weak and cruel. An incomparable friend and a son of a bitch. In the end, there wasn’t one thing about him that was truer than the rest. It was all true.”

“Not everyone out in a storm wants to be saved”

Habe das Buch vor ein paar Jahren bereits als Hörbuch auf unserem Rucksack-Trip durch Laos gehört, Carrington MacDuffie war großartig und es war ein seltsames, aber spanenndes Gefühl gleichzeitig in Paris und in Luang Prabang zu sein.

Noch mehr 20er Jahre Feeling beschert im Übrigen Woody Allen’s „Midnight in Paris“, den man sich begleitend zum Buch unbedingt anschauen sollte.

Das Buch erschien auf deutsch unter dem Titel „Madame Hemingway“ im Aufbau Verlag.

Ein Abend mit Siri Hustvedt

IMG_2225Mit Siri Hustvedt kommt die große literarische Welt nach München. Wenn man es nicht besser wüßte, man könnte sich an diesem Abend im vollbesetzten Haus der Kunst locker in Brooklyn wähnen. Neben Margaret Atwood ist Siri Hustvedt eine meiner absoluten Lieblingsschriftstellerinnen und ich war entsprechend gespannt und wahnsinnig nervös.

Es ist keine Lesung ihres neuen und überaus erfolgreichen neuen Romans „The Blazing World“, dennoch wird an diesem Abend viel Bezug auf die Protagonistin des Romans genommen, die viel mehr Ähnlichkeit mit Louise Bourgeois hat, als selbst Frau Hustvedt beim Schreiben des Romans ahnte. 

„My Louise Bourgeois“ ist der Titel des Vortrages, den Siri Hustvedt anlässlich der bislang größten Ausstellung ihrer späten Installationen. Bourgeois zählt zu den größten Künstlern des 20. Jahrhunderts, eine Französin, die als junge Frau nach New York ging und jahrzehntelang kompromisslos an ihren Werken arbeitete, unabhängig von kommerziellem Erfolg, der sich für Bourgeois erst spät, dafür dann gepaart mit wahrem Weltrum einstellen sollte.

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Foto Frédéric Delpech

Hustvedt beschäftigt sich in ihrem Vortrag damit, wie wir Kunst wahrnehmen. Wie das, was wir wahrnehmen, entsteht durch erlernte Muster, wir nur sehen, was wir erwarten. Wir müssen uns unserer Vorurteile und unserer Vorlieben entledigen, wenn wir zum Kern des Kunstwerkes vordringen wollen. Und Wahrnehmung kann nur durch Erinnerung gelingen.

Gute Kunst schafft es, uns zu überraschen und bringt uns dazu, Dinge auf andere Art zu sehen und wahrzunehmen und trägt immer Spuren aus dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein mit sich.

Bourgeois, als auch Hustvedt haben sich in ihrer Arbeit stark von der Psychoanalyse beeinflussen lassen. Insbesondere für Bourgeois war die Psychoanalye fast schon ein eigener Lebensstil.

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Siri Hustvedt im Gespräch mit Okwui Enwezor

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Ähnlich wie die Roman-Protagonistin Harriet Burden hat auch Bourgeois große Schwierigkeiten, sich als Frau in der Kunstszene durchzusetzen. Im Roman gelingt es Harriet Burden nicht, ihren oft fehlgeleiteten Zorn nachhaltig positiv zu nutzen, sie zerbricht, auch und obwohl sie am Ende Recht behält.

Siri Hustvedt hat definitiv Lust gemacht, sich intensiv mit Louise Bourgeois zu beschäftigen. Ich freue mich schon auf den Ausstellungsbesuch nächstes Wochenende.

Sehr geduldig hat sie bei einem Glas Wein noch Unmengen von Büchern signiert und viele Fragen beantwortet. Sie ist eine unglaublich kluge, warmherzige, humorvolle und verdammt gutaussehende Autorin. In der Goldenen Bar haben wir zwar umsonst auf sie gewartet, aber es war ein so schöner, inspirierender spannender Abend.

Draußen war es dann vorbei mit dem Brooklyn-Gefühl, aber die Eisbachsurfer sind auch ziemlich cool und die gibts nur in München.

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Hier gehts zu meiner Rezension von Siri Hustvedt’s Roman „The Blazing World“ – kann ich nicht nur Kunstinteressierten wärmstens ans Herz legen:

The Blazing World – Siri Hustvedt

The Haunting of Hill House – Shirley Jackson

 

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Shirley Jackson ist sowas wie die Urmutter des finsteren Horror/Gruselromans, was einem irgendwie ulkig vorkommt, wenn man bedenkt, dass sie eine Mittelklasse-Hausfrau aus Vermont war, deren erster Roman 1948 erschien. Besonders bekannt wurde sie mit ihre Kurzgeschichte „The Lottery“, die erstmals in der New York Times erschien und bergeweise Leserpost bescherte, die die Bedeutung der Geschichte zu erfassen versuchten. Sie hat nach wie vor großen Einfluss in diesem Genre, die „Tribute von Panem“-Trilogie zeigt beispielsweise große Parallelen zu der Kurzgeschichte auf.

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„The Haunting of Hill House“, 1959 erschienen, wurde von Stephen King zu Recht als eine der bedeutensten Horrorgeschichten des 20. Jahrhunderts bezeichnet.

Dr. Montague, ein Anthropologe, der sich leidenschaftlich für Übernatürliches interessiert, mietet Hill House für ein paar Wochen an, um vor Ort die Existenz übernatürlicher Phänomene zu untersuchen. Er lädt dazu Gäste ein, die ihn bei diesen Untersuchungen unterstützen sollen. Dies sind Luke, ein bohemehafter Künstler und Erbe des Hauses und zwei Frauen, Theodora, die nach einem Streit mit dem Mitbewohner/in? mit sich ins Reine kommen muß und Eleanor, eine zurückgezogen lebende junge Frau, die ihr Leben mit der Pflege ihrer kürzlich verstorbenen Mutter verbrachte. Die beiden Frauen haben früher bereits paranormale Erfahrungen gemacht und sind aufgrund dessen von Dr. Montague ausgesucht.

“Am I walking toward something I should be running away from?”

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Die vier verstehen sich wunderbar, aber schnell beginnen Ängste erste Risse entstehen zu lassen. Die Geschichte wird aus der Sicht Eleanors geschildert und dem Leser fallen ihre kleinen subtilen Lügen auf, die sie den anderen über sich erzählt. Ist das Haus tatsächlich böse und spukt es darin? Verändert das Haus die Gruppendynamik und beginnt die Persönlichkeiten der Bewohner zu verändern?

Es gibt da einiges an unterschwelligen Äußerungen, die man meines Erachtens nicht zweifelsfrei interpretieren kann. Gibt es da „romantische Schwingungen“ zwischen Theodora und Eleanor oder ist mein Gaydar ein bißchen zu sensibel eingestellt? Und ist dieser „flatmate“, mit dem Theodora sich gestritten hat, ein Mann oder eine Frau? Ist Luke an beiden Frauen gleichermassen interessiert oder an gar keiner?

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Ich bin gespannt, ob die Verfilmung da näheren Aufschluss gibt, ansonsten empfehle ich dieses Buch unbedingt für Buchclubs, man kann wunderbar darüber diskutieren.

“Within, walls continued upright, bricks met neatly, floors were firm, and doors were sensibly shut; silence lay steadily against the wood and stone of Hill House, and whatever walked there, walked alone.”

„The Haunting of Hill House“ ist ein erstklassiger Horror-Roman. Natürlich sind wir heute abgehärteter und bei „Ring“ von Koji Suzuki oder „The House of Leaves“ von Mark Z. Danielewski habe ich mich schon nochmal mehr gefürchtet, aber Jackson schreibt einfach richtig gut, die Charaktere sind vielschichtig , die Dialoge erstklassig. Der eigentliche Horror im Buch ist nicht so sehr im Haus zu finden oder in dem was im Haus passiert, sondern was in den dunklen unerforschten Schlupfwinkeln des Geistes passiert. In den Hirnwindungen der Hausbewohner und der Leser.

Gibt es im Deutschen eigentlich den wunderbar passenden Ausdruck des „unreliable Narrators“ des unzuverlässigen Erzählers? Traut der Erzählerin auf keinen Fall, denn sie kann nicht einmal sich selbst trauen. Dieses plötzliche Schaudern das einen manchmal ohne Grund überkommt, von dem meine Oma immer sagte, es komme daher, dass gerade ein Verstorbener an einen denkt oder durch den Raum geht, sowas verursacht der Roman. And I like it 😉

„The Haunting of Hill House“ ist für mich die ultimative Spukhaus-Geschichte (die ich ohnehin sehr liebe). Also besorgt Euch diesen Roman, packt euch an einem dunkelen stürmisch-verregneten Abend aufs Sofa, zündet ein paar Kerzen an, den guten Rotwein rausholen und dann rein ins schauderhaft-schöne Lesevergnügen. Und immer schön aufpassen, denn wir wissen, der Erzählerin kann man nicht trauen.

Ich weiß noch nicht welche der beiden Verfilmungen ich mir anschauen möchte, hat jemand eine Empfehlung? Oder gleich beide?

Die Verfilmung aus dem Jahr 1963 von Robert Wise

oder die aus dem Jahr 1999 mit Catherine Zeeta-Jones ?

Das Buch ist auf deutsch unter dem Titel „Spuk in Hill House“ erschienen.

Übers Wasser – Sylvia Plath

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Es fällt mir schwer, Sylvia Plath zu lesen, ohne immer wieder an ihren Selbstmord zu denken und ich hoffe, dass das nicht bedeutet, dass ich irgendwie überdurchschnittlich morbid bin oder so. Ich habe bisher nur „The Bell Jar“ gelesen und fand den Roman großartig und bei der kürzlich krankheitsbedingt in unserer Wohnung stattfindenden Buchmesse habe ich unter anderem diesen Gedichtband von Sylvia Plath vorgefunden.

Schon allein optisch macht der Band aus dem Luxbooks Verlag eine ganze Menge her, einfach wunderschön. Die Gedichte in dieser bewegenden Sammlung sind unerbittlich, schmerzhaft, roh, wunderschön aber auch messerscharf. Genial finde ich, dass die Gedichte in diesem Band in Deutsch und Englisch enthalten sind und ein riesengroßes Lob geht an Judith Zander für die grandiose Übersetzung.

Aber jetzt zu den Gedichten selbst: Ich mag Plaths brutale durchgeknallte Emotionalität. Jedes ihrer Gedichte hat seine ganz eigene Geschichte, die stets die Grenzen auszuloten scheinen zwischen hell und dunkel.

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Gewinnt ihr Werk durch das Wissen um ihre Biografie oder ist es viel mehr eher störend? Sicherlich sollte man sich davor hüten, jeden Satz und jedes Gedicht mit ihrem Leben zu verknüpfen, denn diese Gedichte sind kleine Juwelen für sich. Ich glaube, am besten man versucht zu vergessen, was man über die Autorin weiß, denn  Gedichte müssen frei sein. Aber es gelingt mir zu selten.

Auch wenn ich gelegentlich nicht den leisesten Schimmer hatte, worum es in dem jeweiligen Gedicht genau geht, ich habe mich einfach vom Rhythmus und der Stimmung mitreissen lassen.  Einfach drauf einlassen und geniessen.

Meine liebsten Gedichte waren „Crossing the Water“ und „Insomniac“.

Crossing the Water

Black lake, black boat, two black, cut-paper people.
Where do the black trees go that drink here ?
Their shadows must cover Canada.

A little light is filtering from the water flowers.
Their leaves do not wish us to hurry:
They are round and flat and full of dark advice.

Cold worlds shake from the oar.
The spirit of blackness is in us, it is in the fishes.
A snag is lifting a valedictory, pale hand;

Stars open among the lilies.
Are you not blinded by such expressionless sirens?
This is the silence of astounded souls.

Ich nähere mich noch dem Genre „Poetry“ – vorsichtig und zaghaft denn nirgendwo liegt für mich das Wow so nah neben dem „What the fuck“ 😉

Hier eine seltene BBC Aufnahme von Sylvia Plath die ihr Gedicht „A birthday present“ liest:

The Night Circus – Erin Morgenstern

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Ein Reading Weekend in Barcelona ist eine maximal wunderbare Sache. Man fährt mit gleichfalls lesebegeisterten Menschen in eine der schönsten Städte der Welt, in der es auch Ende Oktober noch wunderbar warm ist. Man packe Unmengen an Bücher ein, miete sich eine schöne Wohnung an und dann gehts einfach los. Lesen, über Bücher diskutieren, Barcelona unsicher machen, jede Menge Tapas, Cava und Vino Tinto testen und eine literarische Stadtführung gab es auch.

Öhm ok, aber was hat ein Reading Weekend in Barcelona mit Frau Morgenstern’s „The Night Circus“ zu tun? Alles und nichts würde ich sagen. Eigentlich war es nur das Buch, das ich gerade am Start hatte, als wir nach Barcelona geflogen sind, es hatte nicht wirklich eine nähere Verbindung zu Barcelona oder zum Reading Weekend, entpuppte sich dann aber doch als richtig Wahl.

Es geht um zwei Zauberer, die anscheinend unsterblich sind, zumindest verdammt alt werden können. Prospero the Enchanter (Hector Bowen), und Mr. A. H. „the man in the grey suit“, die einen über Generationen ausgetragenen Wettstreit miteinander ausfechten, ausgetragen über ihre jeweiligen Schüler. Ende des 19. Jahrhunderts wählt Prospero seine 6jährige Tochter Celia als Schülerin, während A. H. einen 9jährigen Waisenjungen namens Marco Alisdair als seinen Schüler auswählt. Die beiden sind dadurch in einen lebenslangen Wettkampf verwoben, dessen genaue Ausmasse und Parameter ihnen nie wirklich erklärt werden und jahrelang wissen die beiden nicht einmal, dass sie überhaupt in einem Wettkampf miteinander stehen und wer eigentlich ihr Gegner ist.

The circus arrives without warning. No announcements precede it, no paper notices on downtown posts and billboards, no mentions or advertisements in local newspapers. It is simply there, when yesterday it was not. The towering tents are striped in white and black, no golds and crimsons to be seen. No color at all, save for the neighboring trees and the grass of the surrounding fields. Black-and-white stripes on grey sky; countless tents of varying shapes and sizes, with an elaborate wrought-iron fence encasing them in a colorless world. Even what little ground is visible from outside is black or white, painted or powdered, or treated with some other circus trick.

Der Nachtzirkus, der über Nacht plötzlich auftaucht, auch als Le Cirque des Rêves bekannt, ist ein Ort, der sich ständig ändert und durch die leidenschaftlichen Aufführungen und Wettkämpfe von Marco und Celia beeinflusst wird. Diese Leidenschaft überträgt sich (natürlich) auch irgendwann auf die beiden und sie werden von Rivalen zu leidenschaftlichen Liebenden. Der Wettkampf wird zum Kampf um ihre Liebe, der sie gegenseitig und den Zirkus zerstören könnte – oder wird es ihnen möglich sein ihrem Schicksal zu entkommen?

Der Roman hat eine wundervolle melancholisch dunkle Atmosphäre bevölkert mit exzentrischen Protagonisten, wie z.B. Friedrich Thiessen, der deutsche Uhrmacher, Zirkus-Groupie Tsukiko, eine Schlangenfrau, oder die rothaarigen Zwillinge, die in der Eröffnungsnacht des Zirkus geboren wurden und noch viele viele mehr.

Selbst für Leute die keine großen Zirkusfans sind, dieses Buch zieht einen so hinein in die Farben und Gerüche. Alles ist Illusion und es lohnt sich, die Neugierde einfach manchmal zu unterdrücken und nicht hinter den Spiegel zu schauen.

“The finest of pleasures are always the unexpected ones.”

Das Zitat passt wie die Faust aufs Auge. Denn genauso überraschend wie der Night Circus im Buch auftaucht, genauso überraschend ist in Barcelona plötzlich ein Zirkus vor mir aufgetaucht, der dem Night Circus meiner Phantasie fast haargenau entsprach. Ich dachte ich spinne.

Die anderen Reading Weekendler wollten gerne zur Sagrada Familia, da ich sie aber kannte und keine Lust auf lange Schlangen hatte, hab ich mich alleine am Hafen an der Barceloneta rumgetrieben und da war er der Zirkus.  Hab mich um die Umzäunung reingeschlichen, mir die Wagen angeschaut, ins Zelt geguckt, er war fast komplett leer an diesem sonnigen Sonntagmorgen, hab ein paar Bilder gemacht, ein kleiner Artisten-Junge mit dem süßesten Hund der Welt hat sogar versucht, mir das Jonglieren beizubringen. Ja, da war ich nun leider nicht sehr begabt.  Schade, das ich mein Night Circus Buch nicht dabei hatte,  das wäre sonst das perfekte Bild geworden. Wären wir nicht am Abend abgereist, ich wäre auf jeden Fall in den Zirkus gegangen – aber irgendwann taucht der schon noch mal auf in meiner Nähe – und dann ….

“You may tell a tale that takes up residence in someone’s soul, becomes their blood and self and purpose. That tale will move them and drive them and who knows that they might do because of it, because of your words. That is your role, your gift.”

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Wahrscheinlich hat mich auch der Film „Prestige“ an das Buch erinnert, den ich diese Woche gesehen habe. Die Verfilmung von „The Night Circus“ ist aktuell in Produktion, der Trailer hier ist anscheinend von einem Fan erstellt und daher nicht offiziell, sieht aber schon mal ganz gut aus:

https://www.youtube.com/watch?v=vz5QbKHAYXk

Mein nächstes Reading Weekend kommt bestimmt – watch out !

Das Buch ist auf deutsch unter dem Titel „Der Nachtzirkus“ im Ullstein Verlag erschienen.

Verschämte Lektüren (16): Dramen unter Damen mit Lesegelage

Ganz lieben Dank an Birgit von Sätze und Schätze das ich bei Verschämte Lektüren mitmachen durfte 🙂

https://saetzeundschaetze.com/2014/12/12/verschamte-lekturen-patricia-highsmith/

Sabine zeigt sich auf ihrem Blog „Binge Reading & More“ als wahre Bücherverschlingerin. Die Lesegelage werden von ihr frech, fröhlich, frei, aber eben nicht fromm und brav präsentiert. Amüsierfaktor beim Lesen inklusive. Worauf ich ein wenig neidisch bin: Sie liest amerikanische und englische Literatur nicht nur im Original, sondern schreibt darüber auch in eloquentestem Englisch. Und das, obwohl sie in Bayern lebt – was da die Sprachpolizei der CSU wohl dazu zu sagen hätte?
Mit ihrem Beitrag zu #VerschämteLektüren bringt Sabine nochmals einen weiteren Gesichtspunkt in die ganze Reihe:
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„Also, meine gelegentliche heimliche Leidenschaft: Liebesschmonzetten und zwar – Dramen unter Damen. Da ist der Begriff coming-out doppelt treffend. Ist schon eine Weile her, aber schon der Kauf der Lektüre hatte es in sich, das Herumstreichen um die Bücherregale mit den gefährlich interessanten Titeln. Das Schauen, ob die Luft rein ist und dann, wenn keiner guckt: Buch schnappen, halb unter der Jacke versteckt zur Kasse schleppen, abwarten, bis niemand in der Nähe ist und dann zack Patricia Highsmith‘ „The Price of Salt /Carol“ auf die Theke geschuppst und inständig gehofft, die knallrote Rübe fällt nicht weiter auf, Kommentare und Blicke bleiben weg und die Tür kann im Stechschritt und ohne Hindernisse erreicht werden.
Jaaaa, das nenne ich doch dann mal Lektüre, die die Herzen höher schlagen lässt. „Carol“ war dann aber auch einfach wirklich wunderbar. Kein Krimi, wie man es sonst von Frau Highsmith gewohnt ist, sondern eine wunderbare Liebesgeschichte und dann auch noch – ganz unglaublich MIT Happy End!
Ganz und gar nicht selbstverständlich. Üblicherweise und lange Zeit endeten solche Romane damit, dass eine der Damen einen Mann heiratet und die andere daraufhin vom Dach springt oder Schlaftabletten nimmt oder ins Kloster geht. Da war das schon sehr fortschrittlich. Es war auf jeden Fall der Beginn einer gelegentlich heftig brennenden Schmonzetten-Leidenschaft und Frau Highsmith ist Schuld. So schaut`s aus.
Sag ich mir, wenn ich mal wieder auf jeglichen literarischen Vollwert-Gehalt pfeife und auf dem Sofa liegend einem Happy End entgegenfiebere.
Frau Highsmith hat den Roman in den 50ern unter dem Pseudonym Claire Morgan veröffentlicht und erst in den 1990er Jahren ist er unter ihrem Namen erschienen. Mein Carol-Exemplar hab ich natürlich noch immer, es darf jetzt auch ganz munter und offen im Regal herumstehen, aber den verräterischen Schutzumschlag, den hab ich damals gleich vor der Buchhandlung entsorgt.
Verfilmt wird er jetzt gerade, der Roman, mit Cate Blanchett und ich freue mich schon sehr auf den Kinoabend.
Hier noch ein Link zu meiner bislang einzigen Schmonzetten-Rezension auf meinem blog:  Landing – Emma Donoghue.

Lichtjahre – James Salter

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Lichtjahre ist unser September-Buch im Bookclub. Eigentlich lese ich nicht so gerne Übersetzungen, aber es hat sich bei diesem Buch einfach so ergeben.

Ich habe das Gefühl, ich habe das Buch deutlich mehr bewundert, als das ich es wirklich gemocht habe. Es ist nahezu perfekt. Die Sprache ist schön, soviel Leichtigkeit und Poesie. Es geht um Auflösung, um den Zerfall einer recht priviligiert lebenden Gruppe von Familie und Freunden in Westchester County und insbesondere um die Familie Hampton.

Alle sind sehr gut erzogen und charmant und dabei so unglücklich trotz ihrer cleveren Unterhaltungen über Bücher, Kunst, sie kennen natürlich ihre guten Weine, das Reisen und die besten Schneider. Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und auch durchaus lebendig, aber irgendwie bin ich ihnen nicht wirklich näher gekommen. Mir war das alles teilweise zu manieriert. Mich hat das Schicksal der einzelnen Personen nicht wirklich mitgenommen.

Das ich dem Buch bei Goodreads dennoch 4 Sterne gegeben habe, liegt hauptsächlich an einigen von Salters Sätzen, die ich so genossen habe und dann nochmal gelesen habe und nochmal.

Es ist ein Buch, das man am besten in 2-3 größeren Lese-Marathons liest, das ist keins für jeden Abend 2-3 Seiten, das muß am Stück gelesen werden, sonst wird das nichts. Das habe ich ziemlich am Anfang des Buches gemerkt, als ich nicht wirklich wiedergeben konnte, worum es bisher ging und mir auch alle Personen noch gänzlich fremd waren und dann gab es einen Satz da dachte ich, Herr Salter nimm weniger, was immer du nimmst, einfach weniger: „Seine Frau war eine einsame Stute auf einer Weide. Sie wartete auf den Wahnsinn und graste ihr Leben dahin.“

Salter hat eine sehr lyrische bildhafte Sprache, die Spaß macht und da verzeiht man ihm dann auch mal das eine oder andere vollkommen schiefe Bild oder wenn es gelegentlich dann doch mal etwas klebrig wird. Die Ehe von Viri und Nedra hat zu Anfang Vorzeige-Charakter und ruft Bewunderung und Neid im Freundeskreis hervor. Sie haben zwei hübsche intelligente Töchter und sie leben sich im Laufe ihres Lebens einfach so auseinander. Ohne Streit, ohne Boshaftigkeiten, einfach so, wie im Herbst die Blätter vom Baum fallen und im Frühling neue wachsen. Leben auf Nulllinie. Wenige Ausschläge nach oben und unten, selbst wenn jemand stirbt oder schwer verletzt wird, so wirklich wird davon die Sonntagsruhe im Buch nicht gestört. Beide haben Affären, aber auch diese führen nicht wirklich zu erhöhter Emotionalität. Die Geschichte beginnt in den 50er Jahren und endet Mitte der 70er.

Die Natur, die ausgiebig beschrieben wird im Buch, ist ihr dramatischeres Spiegelbild. In der zweiten Hälfte des Buches nimmt die Geschichte etwas Fahrt an. Nidra entwickelt sich, wird selbständiger und interessanter. Sie kämpft um sich und für ihre Rechte, aber nie wütend, immer mit leiser Eleganz.

Ganz friedlich grasen sie ihre Hirnwiesen ab, werden älter, leben sich auseinander, lassen sich scheiden und am Ende sterben sie auch ganz leise und wohl erzogen stets auf die Etiquette achtend.

Bye bye Viri und Nedra. Es war ein schöner poetischer Nebelspaziergang mit Euch – nun ruht in Frieden und ich erfreue mich einfach hin und wieder an diesen schönen Sätzen.

„Denn was wir auch tun, selbst das was wir nicht tun, hindert uns daran, das Gegenteil zu tun. Taten zerstören ihre Alternativen, das ist das Paradox. So daß das Leben aus Entscheidungen besteht, jede einzelne endgültig und von geringer Bedeutung, so wie Steine, die man ins Meer fallen läßt.“

„Sie saßen am Kaminfeuer, während Viri vorlas. Eine Kinderweihnacht in Wales, ein Meer von Worten, das seinen Mund benetzte, ein endloses Meer. Sie waren hingerissen, die bloßen Laute machten sie benommen. Seine ruhige Erzählerstimme floß dahin. Der Kopf des Hundes lag dreieckig wie der einer Schlange auf seinem Knie. Der letzte Satz. In der Stille, die folgte, träumten sie, vom Holz fielen Flecken weißer Glut leise in die Asche, die Kälte lag vor den Fenstern, das Haus war angefüllt mit brillianten Überraschungen.“

„Sie hatte ihr Interesse an der Ehe verloren. Mehr war darüber nicht zu sagen. Sie war ein Gefängnis. Nein, ich sag Dir was es ist, sagte sie. Mir ist sie gleichgültig. Glückliche Paare langweilen mich. Ich glaube nicht an sie. Sie sind verlogen. Sie machen sich was vor.“

„Obwohl der Himmel klar, obwohl es sogar warm war, tobte der Wind den ganzen Tag, riß an den Läden, wühlte in den Bäumen. Der wilde Wein richtete sich vor Entsetzen kerzengerade auf, schrie und wurde fortgerissen. Im Gewächshaus zersprangen die Scheiben mit musikalischem Klang. Es war ein Wind ohne Schärfe, ein riesiger, fressender Wind, der nicht aufhören wollte.“

„Die Kraft, sein Leben zu verändern, kann sich aus einer Passage ergeben, einer Bemerkung. Die Zeilen, die uns treffen, sind schlank wie die Egel, die im Flußwasser leben und sich am Körper von Schwimmenden festsaugen. Sie war erregt, voller Kraft. Die Sätze waren, wie es schien, genau zur richtigen Zeit gekommen wie so viele andere Dinge. Wie können wir uns unser zukünftiges Leben vorstellen ohne die Inspiration durch das Leben anderer Menschen?“

Doctor Sleep – Stephen King

 

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The King of Horror is back! Aber die hohen Erwartungen, die man an den „Shining“-Nachfolger hat, erfüllt er aus meiner Sicht nur teilweise. Bei „Shining“ habe ich mich auch beim zweiten Lesen stellenweise ganz schön gegruselt , in diesem 700 Seiten Schinken eigentlich nur bei der Vorstellung, mal als Alkoholiker bei den AA zu enden. Dabei hat mich weniger die Darstellung der Alkoholsucht verstört, sondern die bestimmt 1/3 ausmachende Info-Flut zum AA. Meine Fresse, man mag die Sucht mit denen bestimmt loswerden und das ist sicher eine Menge wert, aber eine Sekte ist ja nix gegen die Indoktrination. Mir ging es im Buch einfach viel zu viel um Dan’s Suchtprobleme.

Den Raum hätte man besser nutzen können. Versteht mich nicht falsch. Kein schlechtes Buch, ich hab mich unterhalten gefühlt und insbesondere das erste Drittel war sehr sehr interessant und spannend. Zwischendrin hatte das Buch für mich ziemliche Längen. Bis er endlich auf Abra trifft. Die fand ich klasse. Ein cooles, mutiges Mädchen das nochmal ne ganze Ecke mehr Shining besitzt als es Dan je hatte.

Die durchs Land reisende Sekte „Der wahre Knoten“, die Kinder mit dem Shining sucht und fängt und diese tötet, um ihnen während ihres Todeskampfes den „Steam“ zu entziehen um so zu überleben, sind viel zu kurz gekommen. Da hätte man viel mehr draus machen können. Da fehlte mir mehr Hintergrund-Info was die so getrieben haben über die Jahrhunderte.

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Zur Spannung: Ich bin eigentlich eher Schissbüx dachte ich bislang, aber von „Vorsicht – extrem hoher Gruselfaktor“ wie die Lübecker Zeitung zum Beispiel schreibt, habe ich wirklich nichts gemerkt. Ich habe mich nicht eine Minute lang gegruselt. Vielleicht ganz ganz am Anfang einmal, als der kleine Dan noch einmal Besuch von den Geistern aus dem Overlook Hotel bekommt.

Fazit: Es ist interessant zu lesen wie die Geschichte um Dan Torrance weitergeht und was aus den Figuren wird, wer Atmosphäre und echten Gruselfaktor erleben möchte, sollte zu „Shining“ greifen. Und zwar zum Buch. Von Stanley Kubrick’s Verfilmung hält Herr King nix. Anschauen werde ich mir den Film bei Gelegenheit aber wohl doch mal.

Edit: Film geguckt – rasant gut, unbedingt anschauen, sorry Herr King 😉

Mein liebstes Zitat:

FEAR = Fuck Everything and Run !

Doctor Sleep ist bei Heyne erschienen.

Shining – Stephen King

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Kein Buch für Kindheits-Nostalgiker. Auch beim zweiten Lesen, fast 20 Jahre später, noch immer ein Buch das mich ganz schön in Atem gehalten hat. Habe es über Ostern nachts unter dem Dach im Haus meiner wunderbaren Schwiegerfamilie gelesen. Das der Sturm ums Haus gepfiffen hat wie verrückt und ich mit der kleinen Nachtischlampe als einziger Lichtquelle bei jedem Klappern und Geheule fast einen Herzinfarkt bekommen habe, hat meinem Blutdruck nicht wirklich geholfen. Habe das Pippi-Gehen jede Nacht bis zum Gehtnichtmehr herausgezögert.

Shining ist ein Buch, bei dem die Horrorelemente ganz leise und schleichend kommen.  Fast schon mehr ein Familiendrama, eine Soziologie-Studie einer amerikanischen Familie die um ihre Existenz kämpft, als ein Horror-Thriller, obwohl, wenn der Horror kommt, dann kommt er! Der Vater ein jähzorniger Trinker, der genau wie seine Frau aus einem unglücklichen Elternhaus entkommen ist. Er ist ein erfolgloser Schriftsteller, der seinen Job als Lehrer verloren hat und der dem Alkohol mehr und mehr verfällt. Der kleine Sohn Danny hat das SHINING, dem die Eltern eher hilflos gegenüber stehen.

Im Hotel, in dem Danny’s Vater Jack als Hausmeister anheuert, kommen all die unterdrückten inneren Dämonen zum Vorschein. Die Geister, die das Hotel bewohnen bringen das Schlimmste in Danny’s Vater zum Vorschein. All die Bluttaten, die im Hotel seit seinem Bestehen von Politikern, Wirtschaftsbossen und Mafiosis begangen wurden, haben eine Brutstätte des Bösen geschaffen. Und der kleine Danny versucht mit aller Macht und der Hilfe seines Freundes, dem Koch des Hotels, seine Familie vor dem Bösen zu schützen.

Ich glaube das Buch ist sogar gerade etwas für Leute, die eigentlich keine Horror-Literatur lesen. Es ist richtig gut geschrieben, ganz tolle Unterhaltungsliteratur die durchaus zum Nachdenken anregt.
Empfindlicheren Gemütern würde ich allerdings empfehlen, das Buch eher tagsüber und nicht nachts bei Gewitter oder Sturm zu lesen, denn der Weg zum Klo kann arg weit sein.

Hier der Trailer zur wirklich grandiosen Verfilmung:

Das Buch ist auf deutsch unter dem gleichen Titel bei Lübbe erschienen.