Mit Siri Hustvedt kommt die große literarische Welt nach München. Wenn man es nicht besser wüßte, man könnte sich an diesem Abend im vollbesetzten Haus der Kunst locker in Brooklyn wähnen. Neben Margaret Atwood ist Siri Hustvedt eine meiner absoluten Lieblingsschriftstellerinnen und ich war entsprechend gespannt und wahnsinnig nervös.
Es ist keine Lesung ihres neuen und überaus erfolgreichen neuen Romans „The Blazing World“, dennoch wird an diesem Abend viel Bezug auf die Protagonistin des Romans genommen, die viel mehr Ähnlichkeit mit Louise Bourgeois hat, als selbst Frau Hustvedt beim Schreiben des Romans ahnte.
„My Louise Bourgeois“ ist der Titel des Vortrages, den Siri Hustvedt anlässlich der bislang größten Ausstellung ihrer späten Installationen. Bourgeois zählt zu den größten Künstlern des 20. Jahrhunderts, eine Französin, die als junge Frau nach New York ging und jahrzehntelang kompromisslos an ihren Werken arbeitete, unabhängig von kommerziellem Erfolg, der sich für Bourgeois erst spät, dafür dann gepaart mit wahrem Weltrum einstellen sollte.
Foto Frédéric Delpech
Hustvedt beschäftigt sich in ihrem Vortrag damit, wie wir Kunst wahrnehmen. Wie das, was wir wahrnehmen, entsteht durch erlernte Muster, wir nur sehen, was wir erwarten. Wir müssen uns unserer Vorurteile und unserer Vorlieben entledigen, wenn wir zum Kern des Kunstwerkes vordringen wollen. Und Wahrnehmung kann nur durch Erinnerung gelingen.
Gute Kunst schafft es, uns zu überraschen und bringt uns dazu, Dinge auf andere Art zu sehen und wahrzunehmen und trägt immer Spuren aus dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein mit sich.
Bourgeois, als auch Hustvedt haben sich in ihrer Arbeit stark von der Psychoanalyse beeinflussen lassen. Insbesondere für Bourgeois war die Psychoanalye fast schon ein eigener Lebensstil.
Siri Hustvedt im Gespräch mit Okwui Enwezor
Ähnlich wie die Roman-Protagonistin Harriet Burden hat auch Bourgeois große Schwierigkeiten, sich als Frau in der Kunstszene durchzusetzen. Im Roman gelingt es Harriet Burden nicht, ihren oft fehlgeleiteten Zorn nachhaltig positiv zu nutzen, sie zerbricht, auch und obwohl sie am Ende Recht behält.
Siri Hustvedt hat definitiv Lust gemacht, sich intensiv mit Louise Bourgeois zu beschäftigen. Ich freue mich schon auf den Ausstellungsbesuch nächstes Wochenende.
Sehr geduldig hat sie bei einem Glas Wein noch Unmengen von Büchern signiert und viele Fragen beantwortet. Sie ist eine unglaublich kluge, warmherzige, humorvolle und verdammt gutaussehende Autorin. In der Goldenen Bar haben wir zwar umsonst auf sie gewartet, aber es war ein so schöner, inspirierender spannender Abend.
Draußen war es dann vorbei mit dem Brooklyn-Gefühl, aber die Eisbachsurfer sind auch ziemlich cool und die gibts nur in München.
Hier gehts zu meiner Rezension von Siri Hustvedt’s Roman „The Blazing World“ – kann ich nicht nur Kunstinteressierten wärmstens ans Herz legen:
https://bingereader.org/2014/09/09/the-blazing-world-siri-hustvedt/
siri ❤
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