„Die Entblößung der Gefühle ist viel anstößiger, als die des Körpers.“ Das Buch als Magazin ist klasse – was für eine großartige Idee Klassiker mit gutem, coolen Design unters Volk zu bringen und frische Leser an Stoffe zu führen, um die sie sonst vielleicht instinktiv einen Bogen gemacht hätten. In blau gedruckt sind am Textrand zusätzliche interessante Informationen zu Autor und Geschichte zu finden.
Schnitzler’s Traumnovelle hat ja dank der phantastischen Kubrick-Verfilmung „Eyes wide shut“ vor einigen Jahren ziemliche Aufmerksamkeit bekommen, aber obwohl ich die Traumnovelle seit ich den Film damals im Kino sah, lesen wollte, bin ich nie dazu gekommen. Das hat sich jetzt dank Buch als Magazin geändert.
Fridolin, ein junger Arzt, und seine Frau Albertine führen eine glückliche Ehe. Sie sind schon länger verheiratet, haben eine kleine Tochter und urplötzlich entdecken sie, das beide Partner zumindest in Träumen und Gedanken durchaus an anderen Interesse haben. Sie erzählen sich recht offen davon, offener, als es ihnen im ersten Moment gut zu tun scheint. Fridolin verlässt verstört das Haus und gerät in der Nacht in Strudel der Gefühle und Abenteuer. Einerseits will er Albertine betrügen, um sie für ihre Phantasien zu bestrafen, andererseits geht er den sich bietenden Gelegenheiten dann doch aus dem Weg.
„Sie hörte kaum, was er sagte. Ihre Augen wurden feucht, große Tränen liefen ihr über die Wangen herab und wieder verbarg sie ihr Gesicht in den Händen. Unwillkürlich legte er seine Hand auf ihren Scheitel und strich ihr über die Stirn. Er fühlte, wie ihr Körper zu zittern begann, sie schluchzte in sich hinein, kaum hörbar zuerst, allmählich lauter, endlich ganz ungehemmt. Mit einem Mal war sie vom Sessel herabgeglitten, lag Fridolin zu Füßen, umschlang seine Knie mit den Armen und presste ihr Antlitz daran. Dann sah sie zu ihm auf mit weit offenen, schmerzlich-wilden Augen und flüsterte heiß: „ich will nicht fort von hier. Auch wenn Sie niemals wiederkommen, wenn ich Sie niemals mehr sehen soll; ich will in Ihrer Nähe leben.“
Weder die sich ihm zu Füßen werfende Patienten-Tochter noch die Prostituierte, der er auf der Straße dann in die Arme läuft und die ihn mit in ihr Zimmer nimmt, können ihn zum Seitensprung bewegen.
Als er anschließend einen alten Bekannten trifft, der ihn verbotenerweise auf eine geheimnisvolle Orgie mitnimmt, gerät das Leben des braven Doktor endgültig in gefährliche Bahnen. Er ist fasziniert von einer schönen maskierten Unbekannten, die ihn mehrfach warnt, den Ball zu verlassen, doch er bleibt, wird erwischt und bevor man ihm etwas antun kann, opfert sie sich für ihn.
Am nächsten Tag versucht er Nachforschungen anzustellen, um herauszufinden, was mit der schönen Unbekannten passiert ist, aber er erhält nur eine weitere Warnung:
„Geben Sie Ihre Nachforschungen auf, die völlig nutzlos sind, und betrachten Sie diese Worte als zweite Warnung. Wir hoffen in Ihrem Interesse, dass keine weitere nötig sein wird.“
Die Geschichte ist geprägt von einer wunderbar melancholischen dunklen surrealen Atmosphäre. Man spürt Schnitzlers Interesse für Psychologie und Freuds „Traumdeutung“ hat die Geschichte stark geprägt.
Auch die anderen Geschichten „aus der Gegenwart die dazu passen“ haben mir ganz gut gefallen. Besonders klasse: Das Cover leuchtet im Dunkeln, wenn man es vorher kurz unter eine Lampe gehalten hat:
Novelle fertig, jetzt mag ich den Film mal wieder sehen!