Kurz vor der 2018 Ziellinie habe ich noch mal drei richtig gute Bücher gelesen. Den Anfang heute macht Lisa Brennan-Jobs, deren Autobiografie „Beifang“ nicht zu Unrecht von der Kritik hochgelobt wurde.
Brennan-Jobs hat ein Buch aus der Perspektive eines Kindes geschrieben, das sich nach seinem Vater sehnt. Als sie drei Jahre alt ist, bringt ihre Mutter Jobs vor Gericht, da dieser sich weigert, Unterhalt zu zahlen. Er erkennt die Vaterschaft mit dem Hinweis auf seine vorgebliche Unfruchtbarkeit nicht an. Erst nach einem DNA Test ist er bereit, sie als seine Tochter anzuerkennen und er zahlt der Mutter Chrisann Brennan monatlich 500 $. Nur wenige Tage später geht Apple an die Börse und Jobs Vermögen schießt über Nacht auf über 200 Millionen Dollar.
In ihren Memoiren erzählt Brennan-Jobs nüchtern von ihrer Kindheit, ohne ihren Vater schlecht zu machen, aber auch ohne Entschuldigungen für ihn zu finden. Als Gründer von NeXT und Mitbegründer von Apple besaß Jobs zeitlebens jede Menge Macht, was ihn aber privat nicht weniger gehemmt agieren ließ.
In „Beifang“, Steve Jobs Spitzname für seine Tochter, geht es weder um Rache, noch darum um Sympathie für ihn zu werben. Lisa versucht, die Beziehung zu ihrem Vater zu ergründen, eine Beziehung, die von Unvorhersehbarkeit und Stimmungswechseln geprägt war. Brennan-Jobs beschreibt die weniger guten Charakterzüge ihres Vaters in karger, aber präziser Sprache. Man spürt ihre ständige Angst, die Liebe des Vaters zu verlieren, die flüchtig zu sein scheint und unberechenbar. Je schockierender die Geschichten sind, desto sparsamer werden ihre Beschreibungen aber man kann ihre Verletzungen und Ängste deutlich spüren.
Es hätte Steve Jobs wohl nicht gefallen, nicht das letzte Wort zu haben, doch in seiner Tochter Lisa hat er eine mehr als faire Biografin, die in der Tat eine Kindheit wie in einem Film erlebt hat.
Ich danke dem Berlin Verlag für das Rezensionsexemplar.
Eileen von Ottessa Moshfegh hatte ich mir extra für die Weihnachtszeit aufgehoben, auch wenn ich durch Kritiken schon darauf vorbereitet war, dass es sich hier alles andere als um einen Wohlfühlroman handeln würde.
Die Adventszeit bietet Eileen Dunlop, eine bescheidene, unauffällige aber etwas gestörte junge Frau, wenig Grund zu weihnachtlicher Vorfreude. Sie ist in einem unerfreulichen Alltag gefangen, in dem sie sich auf der einen Seite um ihren alkoholkranken Vater kümmern muss, mit dem sie in einem heruntergekommen Haus zusammenlebt und auf der anderen Seite ihren Job als Sekretärin in einem Gefängnis für kriminelle Jungs machen muss, der auch voller alltäglicher Horrorszenarios steckt.
I couldn’t be bothered to deal with fixing things. I preferred to wallow in the problem, dream of better days.
Eileen ist voller Verbitterung und Selbsthass und sie vertreibt sich ihren einsamen Alltag mit perversen Fantasien und Tagträumen, in denen sie in die große Stadt entkommt. Ihre Abende und Wochenenden verbringt sie mit kleinen Ladendiebstählen, dem Stalken ihres hübschen Arbeitskollegen Randy und versucht die Probleme zu beseitigen, die ihr zunehmend gestörterer Vater verursacht.
Als eines Tage die charismatische schöne Rebecca Saint John als neue Beraterin im Gefängnis auftaucht, ist Eileen vollkommen verzaubert von ihr und Randy von einer Minute zur nächsten überhaupt nicht mehr von Interesse. Sie ist völlig fasziniert von Rebecca und kann sich der wunderbarerweise entwickelnden Freundschaft nicht entziehen.
“You can see wealth in people no matter what they’re wearing. It’s in the cut of their chins, a certain gloss to the skin, a drag and pause to their responsiveness. When poor people hear a loud noise, they whip their heads around. Wealthy people finish their sentences, then just glance back.”
Doch ihre Zuneigung zu Rebecca zieht Eileen in ein Verbrechen hinein, das ihre wildesten Vorstellungen noch weit übertrifft….
Ein „Pageturner“ den ich kaum weglegen mochte. Das Ende hat mich nicht ganz überzeugt, aber definitiv ein Roman, der einem noch eine Weile nachgeht.
Auf deutsch ist der Roman unter dem gleichen Titel im Liebeskind Verlag erschienen.
Dieses kleine Büchlein war eine komplette Überraschung für mich. Eigentlich hätte ich es nur als Botin seiner rechtmässigen Besitzerin zurückgeben sollen, aber die Kurzbeschreibung auf dem Einband und die lobenden Worte der Freundin die es ausgeliehen hatte machten mich trotz Lesezeit-Knappheit immens neugierig auf die Geschichte.
„A poetic and passionate description of adolescence … shades of the Brontë sisters and of Poe“ schrieb die Times.
Dieser kurze Roman ist eine wunderbar geschriebene Coming-of-age Geschichte die im Norden Schottlands spielt. Anfangs dachte ich, es handelt sich um eine Art Thriller, aber auch wenn die Geschichte mit einem Mord beginnt, geht es viel mehr um die Lebensgeschichte von Janet von ihrer Geburt an bis zu ihrem verfrühten Tod mit 16.
„At night, when the moon is high it beams through the dying cockatoo and casts his blood drops in a chain of rubies on to the flastones of the hall. Here it was that Janet was found, oddly attired in her mother’s black lace evening dress, twisted and slumped in bloody, murderous death.
Janet ist ein wunderbar missverstandenes Mädchen in dem Bücher, Tiere, Latein und Griechisch ihre einzigen Freuden sind im Leben und Tiere wohl auch ihre einzigen Freunde. Die Erzählung ist episodenhaft, einzelne Sequenzen aus Janets Leben werden beleuchtet. Jede Ungerechtigkeit, die der übermäßig romantischen Janet zu teil wird, verstärkt ihre Merkwürdigkeit noch die wiederum ihre Familie immer stärker zur Verzweiflung bringt.
Überraschend, lebendig, magisch, spannend und wundervoll schaurig. Der perfekte Gothic-Roman für einen verregneten oder nebligen Sonntagabend, der mich von der Atmosphäre her an Shirley Jacksons „We have always lived in the castle“ erinnert hat.
„O Caledonia“ erschien unter dem gleichnamigen Titel im dtv Verlag.
Besonders die letzten 2 klingen, als müsste ich sie auch mal lesen…
Das freut mich 🙂
Nachdem ich „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ so gut und besonders fand, will ich unbedingt noch „Eileen“ lesen. Interessante Autorin! Guten Rutsch und ein glückliches neues Jahr!
Das Buch möchte ich von ihr auch unbedingt noch lesen, eine wirklich interessante Autorin. Dir auch einen guten Rutsch und ein tolles neues Jahr 🙂
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Sehr toll, ich setze sie alle drei auf meine Leseliste! Es gibt so viel spannende Literatur von Frauen, die viel mehr Beachtung verdient hätte – Danke für jede Beitrag dazu!
Das freut mich sehr 🙂
I´m so glad you loved O Caledonia. Actually, it´s Carrie´s fault – she recommended it ages ago!