Pünktlich zur Eröffnung der fabelhaften Zweig Ausstellung im Literaturhaus in München, wollte ich endlich die „Meistererzählungen“ von Stefan Zweig in Angriff nehmen, die schon seit ein paar Jahren in meinem Bücherregal stehen, ich aber aus irgendeinem Grund bislang noch nicht gelesen habe. Auch in der Schule bin ich ihm leider nicht begegnet und um es gleich vorweg zu nehmen, da ist mir in wirklich eine Menge durch die Lappen gegangen. Ich habe mich sofort in Stefan Zweigs Sprache verliebt. Die Geschichten haben mich wirklich vollkommen aus den Schuhen gehauen. Jetzt möchte ich alles von ihm lesen und erfreulicherweise habe ich zumindest seinen einzigen zu Lebzeiten veröffentlichten Roman „Ungeduld des Herzens“ noch hier stehen, bevor ich wieder die Buchhändler beglücke.
Die Schachnovelle hat mich am tiefsten beeindruckt. Zweig’s finales Werk – beendet im Brasilianischen Exil, nur Tage vor seinem Selbstmord an seinen Verleger verschickt ist ein beklemmendes beeindruckendes Werk. Es ist die einzige Geschichte in der sich Zweig mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzt.
Die Geschichte handelt von einem Reisenden auf einem Schiff das auf dem Weg ist von New York nach Buenos Aires. An Bord befindet sich auch der amtierende Schachweltmeister ein dumpfer, unfreundlicher arroganter Typ. Unser Reisender lässt sich zusammen mit einem anderen Passagier auf eine Schachpartie mit dem Weltmeister ein, die dieser sich recht teuer zahlen lässt. Natürlich werden sie umgehend und unprätentiös besiegt, entschliessen sich aber, sich auf eine weitere Partie einzulassen. Es sieht wieder nicht gut für sie aus als ein mysteriöser Passagier ihnen Ratschläge gibt die dazu führen, dass sie den Weltmeister tatsächlich besiegen können.
Wie der unbekannte geheimnisvolle Fremde zu seinem unglaublichen Schachwissen gekommen ist, ist das Herzstück der Schachnovelle. Ob das Schachspiel den Machtkampf zwischen Hitler und dem Rest der Welt darstellen soll, ich weiß es nicht genau. Zweig hat den ungewissen Ausgang des Schachspiels auf jeden Fall nicht ausgehalten. Er hat sich der Verzweiflung hingegeben, sich in seiner „Zelle“ Brasilien aufgegeben. Hätte er doch nur durchgehalten. Ein paar Jahre später war Hitler schachmatt.
Besonders beeindruckt hat mich neben der Schachnovelle auch der „Amokläufer“. Wieder eine Geschichte die auf einem Ozeandampfer spielt, wieder ein Mensch der unbedingt eine Beichte ablegen möchte. Überhaupt spielen Geständnisse in Zweig’s als psychologische Studien angelegte Geschichten eine große Rolle. Auch in „Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“ und „Brief einer Unbekannten“ zum Beispiel – immer die große Lebensbeichte und diese immer wieder in einer Sprache die einen fast dazu bringt, nie wieder etwas schreiben zu wollen, denn nichts wird jemals so gelungen klingen wie ein Satz von Zweig. Mich beschäftigt insbesondere die Frage warum ein weltberühmter, reicher Mann wie Stefan Zweig in den USA kein Visum bekommen konnte. Er war einer der ersten die 1933 ins Exil gingen, zunächst nach London wo er sich eine Wohnung gekauft hatte. Als sechs Jahre später Krieg erklärt wird zwischen Deutschland und England, flüchtet er weiter nach New York. Er wäre gerne dort geblieben, konnte allerdings kein Visum bekommen. Seltsam wenn man bedenkt, dass er zu dieser Zeit der wohl berühmteste und am meisten übersetzte deutschsprachige Autor war.
Glücklicherweise konnte er ein Visum für Brasilien bekommen und er hat sich dort auch sehr wohl gefühlt. Ihm war wichtig, dass sein Selbstmord nichts damit zu tun hat, dass er sich in Brasilien nicht wohl gefühlt hat. Ich glaube er war einfach müde, depressiv, hat seine Sprache und seine Heimat vermisst und nur wenige Tage vor seinem Selbstmord war ein brasilianisches Schiff von den Deutschen torpediert worden, vielleicht hatte er das Gefühl einfach nie mehr in Sicherheit zu sein, Angst die Nazis könnten auch nach Brasilien kommen. Ich bin auf jeden Fall froh, Stefan Zweig für mich entdeckt zu haben und kann nur jedem die Ausstellung des Münchner Literaturhauses ans Herz legen und lest Stefan Zweig!
WIR BRAUCHEN EINEN ANDEREN MUT !
das gute ist ja, dass man durch die lappen gegangene literatur jederzeit nachholen kann. meine zweig-zeit liegt schon geschätzte 167 jahre zurück, aber ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, dass ich ihn – ebenso wie du – verschlungen habe. manche titel klingen allerdings so furchtbar (ungeduld des herzens – spitzenroman), dass man gar nicht ahnt, was da dahintersteckt. don’t judge a book by its titel, hat ja schon archimedes gesagt oder irgendein kumpel von ihm. und weil ich jetzt einfach auch noch ein bisschen rumklugscheißern muss, kommt hier noch eine zweig-empfehlung von der alten, weisen schachtel: „die welt von gestern“, die erinnerungen von ihm an diese irrsinnszeit, in der alles von den füßen auf den kopf gestellt wurde.
vielen dank jedenfalls dafür, dass du an diesen tollen schriftsteller erinnert hast und noch mehr danke für deinen hinweis auf diese ausstellung, die wiederum mir durch die lappen gegangen wäre und die ich dank deiner nun nicht versäumen muss.
susanne
Danke Susanne, dann werde ich „Die Welt von Gestern“ mal in Augenschein nehmen 🙂
Pingback: Sonntagsleserin März 2015 | buchpost
Ich finde es auch toll, dass du, liebe Susanne, uns Stephan Zweig wieder in Erinnerung rufst! Ich kann mich noch recht gut an „Ungeduld des Herzens erinnern. Vielen Dank und eine gute Woche.:) L.G.
ich liebe zweig seit jahren, entdecke ihn aber vermehrt
und neu in 2015. – sehr zu empfehlen sind seine
biographischen arbeiten! – die oliver matuschek biographie
über ihn ent-tarnt den geheimnisumwitterten.
danke für deine immer wieder starken artikel hier. 😉
„…in einer Sprache, die einen fast dazu bringt, nie wieder etwas schreiben zu wollen, denn nichts wird jemals so gelungen klingen wie ein Satz von Zweig.“
Das sind auch meine Gedanken! Habe gerade „Der Kampf mit dem Dämon“ gelesen. Vor seiner meisterhaften Sprache kann man sich nur verneigen. Für mich einer der Größten der Literatur. Danke für diesen Beitrag und liebe Grüße!
Pingback: 2015 – The Year in Books | Binge Reading & More
Pingback: Stefan Zweig – Die Welt von Gestern | Binge Reading & More
Pingback: Stefan Zweig | Binge Reading & More