Mit Heine durch den Winter

Ich habe selten eine Biografie gelesen, bei der ich so sehr das Gefühl hatte, mit bloßen Händen einen Fisch fangen zu wollen. Heinrich Heine ist eine ganz unglaublich spannende, vielseitige, widersprüchliche Person, den ich mir ganz wunderbar in unserer Zeit twitternd und instagrammend vorstellen kann,  hier und da immer mal wieder einen Shitstorm auslösend.

Schon auf eine Beschreibung seines Äußeren können sich seine Zeitgenossen nicht einigen. Er war gleichzeitig „der typisch jüdische, große, blonde Bursche mit blauen Augen, stechend schwarzem Blick und satirischen Mundwinkeln beim viereckigen Lächeln um die blassen, vollen, dünnen, dicken Lippen, ein Burschenschaftler im Jägerhemd …..“

Heine, als Sohn jüdischer Eltern geboren, hat sein Leben lang unter den Diskriminierungen gelitten, da Juden von nahezu allen öffentlichen Positionen ausgeschlossen waren. Stets auf der Suche nach bürgerlicher Sicherheit, die ihm verwehrt wurde, und diese gleichzeitig heftig ablehnend emigrierte er 1831 nach Paris, wo er für den Rest seines Lebens blieb.

Geboren wurde er 1797 oder doch 1800 (auch über sein Geburtstag gab er gerne unterschiedliche Auskünfte) und war als Dichter, Romanautor, Kritiker und Journalist tätig. Er war eine der führenden Figures der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus ein vielseitiger und brillianter Briefschreiber, der die europäische Kultur maßgeblich beeinflußt hat. Heine kam Zeit seines Lebens ziemlich herum. Er wuchs in Düsseldorf auf, studierte 1820 Jura in Göttingen, ging im folgenden Jahr nach Berlin, wo er Vorlesungen von Hegel hörte und sich in den Literatursalons der wunderbaren intellektuellen Kreise Berlins profilierte. 1825 schloß er sein Studium ab und trat zum Christentum über in der Hoffnung, dass das seine Chancen erhöhte, eine angemessene Position zu finden. Er geriet mit seinen Gedichten und Spöttereien immer wieder mit der Zensur aneinander. Durch die Juli-Revolution 1830 in Paris motiviert siedelte er im darauffolgenden Jahr dorthin über.

Er war ein echter Kosmopolit und schrieb Essays zu den unterschiedlichsten Themen wie Musik, Politik, Literatur und Kunst. Insbesondere die Musik war ihm neben der Literatur sehr wichtig. Er war mit Berlioz befreundet und war einer der ersten, der Chopins Genie erkannte.

Ende der 1840 Jahre wurde bei ihm eine besondere Art der Tuberkulose festgestellt, die ihn zwang, den Rest seines Lebens im Bett zu verbringen, zu letzt fast gänzlich unbeweglich. Er starb im Jahr 1956 – im gleichen Jahr wie Robert Schumann.

Heine verband eine tiefe Hassliebe zu Deutschland. In „Deutschland – Ein Wintermärchen“ schreibt er über seine Reise von Paris nach Hamburg über Aachen, Köln, Mühlheim, Hagen, Paderborn, Detmold, Minden und Hannover, die er im Jahr 1843 unternahm um seine Mutter zu besuchen. In diesem Reiseberericht erfährt man nicht nur viel über die schlammigen Straßen, die harten Betten und die lokalen Spezialitäten, hauptsächlich nimmt er darin satirisch Prinzen, Könige und Kaiser aufs Korn, genauso wie die deutsche Liebe zu Militär und Mittelalter, die Kirche bekommt genauso ihr Fett weg wie die verhassten Zensoren, die in Heines Augen die Hauptschuld daran trugen, dass er überhaupt nach Paris emigrieren musste. „Deutschland – ein Wintermärchen“ wurde natürlich ebenfalls zensiert und Heine sah sich gezwungen, so manches Feigenblatt über bestimmte Textstellen zu hängen, bevor die heilige Zensur den Abdruck erlaubte. Nichtsdestotrotz sind eine ganze Reihe Leute namentlich erwähnt, heute würde er damit wohl so manche Klage zu verkraften haben.

„Und viele Bücher trag ich im Kopf!

Ich darf es euch versichern,

Mein Kopf ist ein zwitscherndes Vogelnest

Von konfiszierlichen Büchern.“

„Kennst du die Hölle des Dante nicht,

Die schrecklichen Terzetten?

Wen da der Dichter hineingesperrt,

Den kann kein Gott mehr retten –

Kein Gott, kein Heiland erlöst ihn je

Aus diesen singenden Flammen!

Nimm dich in acht, daß wir dich nicht

Zu solcher Hölle verdammen.“

Die Sprache und die die Form der Reime wirken, meiner Meinung nach recht einfach. Aber es ist eine recht ausgefeilte Einfachheit, die sicherlich beabsichtigt ist. Man kann Heines Bitterkeit fast spüren in diesen Zeilen.

Mir ist Heine während meiner gesamten Schulzeit nicht begegnet und es war tatsächlich meine erste Begegnung mit ihm, mit Sicherheit aber nicht meine Letzte. Mir hat das „Wintermärchen“ Lust auf mehr gemacht. Die Biografie von Raddatz kann ich euch ebenfalls sehr ans Herz legen. Das Heine sich nicht wirklich fassen lässt, macht diese Biografie nicht weniger lesenswert und man erfährt unglaublich viel über Deutschland zu Heines Zeiten, und dessen Versuche eine Brücke zwischen Deutschland und Frankreich zu schlagen.

Welche weiteren Werke von Heine würdet ihr mir empfehlen?

3 Kommentare zu “Mit Heine durch den Winter

  1. Pingback: [Die Sonntagsleserin] Januar 2019 - Phantásienreisen

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  3. Liebe Sabine,
    vielen Dank für diese Einführung und Heranführung an die Person und den Autor Heinrich Heine. Was habe ich eigentlich in der Schule gelernt? Fairerweise viel. Aber nicht viel über Heinrich Heine, was mich gerade selber etwas schockt. Du hast gefragt, was von Heine wir empfehlen können … ich muss feststellen: ich habe nichts von ihm gelesen und finde das gerade sehr schlimm. Umso mehr danke für deinen Artikel, der einen Punkt meiner Leseliste hinzufügt und eine Wissenslücke offenlegt. Und vermutlich sogar ein Stück weit schließt. 🙂

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