Hirngymnastik – Astrophysik

Astrophysik

Mir hat es schon lange nicht mehr so das Hirn zerschossen, wie bei dieser Hirngymnastik.  Ob Hawking, Lisa Randall oder auch meine Annäherungsversuche an die Quantenphysik, mir wurde traurig bewusst, wie beschränkt mein Hirn ist und wie oft man Sätze lesen kann, ohne sie wirklich zu verstehen. Die eine oder andere Synapse ist heiß gelaufen, dennoch würde ich diese Hirngymnastik nicht komplett gescheitert nennen.

Das eine oder andere ist hängengeblieben und als echter Sci-Fi Fan und Trekkie alter Schule muss man sich durchbeißen, wenn man sich Hoffnungen auf die Starfleet Academy macht, wobei ich hier definitiv eine Nachhilfe-Stunde bei Data oder Spock bräuchte, um mich durch die Aufnahmeprüfung zu pauken.

Die Fragen, um die es geht in der Astrophysik (oder Astronomie) sind die richtig großen und da es nicht sicher ist, ob wir jemals Antworten bekommen, ist es ein Fach, dem eine Menge Leute liebend gern den Geldhahn zudrehen würden, da das ja alles nicht praktisch genug ist. Aber die Fragen sind immens wichtig:

  • Wie funktioniert das Universum? Wie ist es entstanden, woraus besteht es, was hat es mit den schwarzen Löchern oder schwarzer Materie auf sich?
  • Wo kommen wir her ? Wie entstehen und entwickeln sich Galaxien, Sterne und Planeten aus denen unser Universum besteht?
  • Sind wir alleine? Gibt es da draußen möglicherweise Planeten, auf denen Leben existieren könnte?

Der richtige Einstieg ins Abenteuer Astrophysik bietet der Wissenschaftsjournalist Alexander Mäder, der in der Reclam „100 Seiten“ Reihe Lust macht auf das Thema. Er selbst, ähnlich durch Star Trek sozialisiert, interessiert sich von klein auf für die Welt der Sterne und lädt mit dem Büchlein auf eine Reise durch Raum und Zeit ein. Er erklärt gängige Begriffe wie Quasar, dunkle Materie, Urknall, Supernova usw. Für Einsteiger klasse, Fortgeschrittene werden hier nicht viel Neues finden.

Ich habe aber gemerkt, mir hilft es immer wieder, Einsteiger-Bücher bei bestimmten Themen zu lesen, damit sich nach und nach schwierigere Zusammenhänge doch erschließen und etwas mehr hängen bleibt. Wer es derber und eine Spur lustiger mag, dem rate ich zum Einsteig ins Thema zu „Das Universum ist eine Scheißgegend“ der Science Busters Oberhummer / Puntigam / Gruber, die hauen aber auch schon mal ordentlich zu, empfindliche Gemüter sind bei Mäder auf der sichereren Seite.

Stephen Hawkings „Eine kurze Geschichte der Zeit“ ist da schon ein ganz anders Kaliber. Der Einstieg geht, er führt uns sachte an die Big Bang Theory heran, erklärt wie die enorm hohe Gravität in schwarzen Löchern dazu führt, dass nicht einmal Licht entkommen kann und wie Entropie funktioniert. Entropie bedeutet im Grunde genommen, dass das Universum stets von einem stark geordneten Status in einen weniger geordneten Status übergeht. Wie zum Beispiel bei einer Flasche Parfum. Wenn man den Verschluß abnimmt und die Flasche ein paar Tage offen stehen lässt, wandelt sich das Parfum von einem stark geordneten Status (der Duft in der Flasche)  in einen stark ungeordneten Status (der Duft verflogen im Zimmer).

“The increase of disorder or entropy is what distinguishes the past from the future, giving a direction to time.”

Dieses Beispiel nutzt Hawking um zu erklären, warum Zeitreisen seiner Meinung nach unmöglich sind. Man braucht nur wenig Energie um ein Glas umzuwerfen und es kaputt zu machen, aber jede Menge Energie um das Glas wieder auf den Tisch hochzubefördern und das Glas so zusammen zu setzen, wie es war, bevor es vom Tisch geflogen ist. Es wäre unmöglich, und diese Unmöglichkeit ist, was der Zeit ihre klare Richtung gibt.

Was mich unendlich fasziniert ist die Tatsache, wieviel seltsamer die Realität als alles ist, was sich Science Fiction Autoren so ausdenken. Insbesondere die Relativitätskonzepte oder die Quantenmechanik sind krass und es ist unglaublich schwer, die wirklich zu begreifen.

Ich glaube schon, dass Hawking versucht hat, ein Buch für Laien zu schreiben, aber für jemanden, dem Mathematik und Physik so derart leicht fällt, ist es glaube ich einfach verdammt schwer zu erkennen, wann etwas tatsächlich klar verständlich ist und wann nicht. Sein Konzept der „imaginären Zeit“ muss ich glaube ich noch ein paar Mal lesen oder schauen, ob es irgendwo eine etwas einfachere Erklärung gibt. Dieses ganze time/space quanitifiability Dingens tut meinem Hirn weh, aber ich will das knacken.

“Ever since the dawn of civilisation, people have not been content to see events as unconnected and inexplicable. They have craved an understanding of the underlying order in the world. Today we still yearn to know why we are here and where we came from. Humanity’s deepest desire for knowledge is justification enough for our continuing quest. And our goal is nothing less than a complete description of the universe we live in.”

Aber auch in seiner teilweisen Unverständlichkeit ist „Eine kurze Geschichte der Zeit“ absolut faszinierend. Wer vor dem Buch zurückschreckt, hat vielleicht aber Lust, sich mit dem Hirn dahinter ein wenig zu beschäftigen, daher lasse ich hier mal den Trailer zu „The Theory of Everything“ mit Eddie Redmayne.

“Any physical theory is always provisional, in the sense that it is only a hypothesis: you can never prove it. No matter how many times the results of experiments agree with some theory, you can never be sure that the next time the result will not contradict the theory.”

Meine Hoffnung, Lisa Randall würde es mir mit „Knocking on Heavens Door“ in irgendeiner Weise einfach machen, flog schon nach den ersten paar Kapiteln fröhlich aus dem Fenster. Die Harvard-Dozentin ist mittlerweile ein ziemlicher Star unter den theoretischen Physikern, insbesondere für ihre Forschung im Bereich Hochenergie Physik. Sie hat einen unglaublichen Enthusiasmus für ihr Feld und man möchte ihr einfach folgen und sich mit ihr an Themen wie dem Large Hadron Collider, der Suche nach dem Higgs Boson, bis hin zur  Theorie um das Geheimnis fehlender Antimaterie abzuarbeiten. Ihre Begeisterung kombiniert mit einem sehr angenehmen Schreibstil helfen enorm, wenn man sich auf das schwierige Terrain der Teilchenphysik begeben will.

“Despite my resistance to hyperbole, the LHC belongs to a world that can only be described with superlatives. It is not merely large: the LHC is the biggest machine ever built. It is not merely cold: the 1.9 kelvin (1.9 degrees Celsius above absolute zero) temperature necessary for the LHC’s supercomputing magnets to operate is the coldest extended region that we know of in the universe—even colder than outer space. The magnetic field is not merely big: the superconducting dipole magnets generating a magnetic field more than 100,000 times stronger than the Earth’s are the strongest magnets in industrial production ever made.“

And the extremes don’t end there. The vacuum inside the proton-containing tubes, a 10 trillionth of an atmosphere, is the most complete vacuum over the largest region ever produced. The energy of the collisions are the highest ever generated on Earth, allowing us to study the interactions that occurred in the early universe the furthest back in time.”

Mir gefiel das Kapitel, in dem sich sich ausgiebig mit der Skalierung beschäftigt – vom Universum zu den kleineren Atomen, zu den noch kleineren Protonen bis hin zu den Quarks. Ich fand es spannend, ich habe mich tapfer durchgekämpft, aber ehrlich gesagt hat Ms Randall mein Hirn mit einem derart hohen Datenstrom beschossen, dass die Teilchenphysik teilweise doch zur Antimaterie wurde und mein Hirn irgendwann einem schwarzen Loch glich.

Ich habe eine Menge gelernt, dass Neutrinos sich nicht den physikalischen Gesetzen unterwerfen und sich zumindest für kurze Zeit schneller als das Licht bewegen können, dass auf künftige Zeitreisen hoffende noch immer keinen Grund zum Jubeln haben und auch das Wissenschaftler jede Theorie – und sei es die eigene – immer wieder versuchen zu widerlegen, alles zu hinterfragen, bis eine Theorie nicht länger nur Theorie ist.

Aber ganz ehrlich „Knocking on Heaven’s Door“ war eine Spur zu heftig für mich – zu viel Physik, die ich mit meinem Erbsenhirn nicht meistern konnte. Das ist aber auf gar keinen Fall ein Grund dieses Buch nicht zu lesen. Wenn es jemand schaffen kann, Menschen für Physik zu begeistern und diese besser zu erklären, dann Lisa Randall und selbst wenn man nicht alles versteht, man wird definitiv mehr über die Welt und das Universum wissen als vorher. Ms Randall ist im Übrigen nicht nur wahnsinnig intelligent, witzig und ausgesprochen attraktiv, in ihrer Freizeit schreibt sie dann eben auch noch mal Opern. Nee, ist klar 😉

Das Buch „Unser Mond“ von Heinz Haber habe ich dieser Hirngymnastik zu Ehren wieder vorgekramt. Es gehörte meinem Opa, der mich zum Trekkie machte und mir die Sehnsucht nach den Sternen vererbt hat. Es hat einen ganz wichtigen Platz in meiner Bibliothek. Haber war in den 50er Jahren Chief Science Consultant bei Walt Disney und moderierte in den 60er und 70er Jahren Wissenschaftssendungen im Fernsehen. Falls es euch mal über den Weg läuft, nehmt es mit, es ist durchaus interessant, vielleicht etwas trocken geschrieben, aber danach wollt ihr garantiert auch unbedingt zum Mond fliegen 😉

Keine Empfehlung gibt es von mir für das Buch „Binärcode“ von Christian Gude aus der Zeit Wissenschaftskrimi-Reihe. Der hatte den Charme eines billigen Lokalkrimis und nach knapp 60 Seiten flog der in die Ecke. Dämliche Protagonisten, Astronomie-Thriller aus Darmstadt – nope, das ging gar nicht.

Viel lieber empfehle ich dann noch die spannende Serie „Cosmos“ von Neil deGrasse Tyson, die mich bestens durch mein Hirngymnastik Abenteuer „Astrophysik“ begleitet hat. Spannend, unterhaltsam und gigantische Bilder. Müsst ihr euch unbedingt ansehen:

Hier die Bücher nochmal im Überblick die mich bei dieser Hirngymnastik begleitet haben:

Alexander Mäder – Astrophysik, Reclam Verlag (ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar)
Lisa Randall – Knocking on Heavens Door „Die Vermessung des Universums„, Fischer Verlag
Stephen Hawking – Eine kurze Geschichte der Zeit, Rowohlt Verlag
Heinz Haber – Unser Mond dva Verlag (nur noch gebraucht erhältlich)
Oberhummer/Puntigam/Gruber – Das Universum ist eine Scheißgegend, Hanser Verlag

So – jetzt lasse ich das Hirn erstmal wieder etwas auf normale Betriebstemperatur runterfahren und dann gehts an die nächste Hirngymnastik – bis dahin 🙂

12 Kommentare zu “Hirngymnastik – Astrophysik

  1. Ich finde es schon überaus cool, dass Du dich an diese ganze Materie herantraust – den Hawking habe ich schon ewig hier, aber ich habe einfach Muffensausen, dass ich da gar nichts kapiere. Zugleich ärgere ich mich über mich selber: Mit meiner Abneigung, mich mit Naturwissenschaften zu beschäftigen, erfülle ich so ein klassisches weibliches Klischee.

  2. Musste sehr lachen bei deinem Anfangssatz. Mir geht es bei diesen Themen genauso, aber es fasziniert einfach und deinen Ansatz es wenigstens zu versuchen finde ich klasse. Ich hoffe auch immer noch, dass irgendwas schon hängenbleibt, wenn ich die Sätze mehrmals wiederlese
    Sich Lisa Randall dann auch noch auf englisch zu geben…für mich klare Hybris. Chapeau

  3. Mir geht es ähnlich wie dir, ich lese immer wieder gern Bücher zur Astrophysik und Quantenphysik, verstehe aber nur einen Bruchteil. Aber weil ich die Materie (und Antimaterie 😉) total spannend finde, versuche ich es immer aufs Neue. Lisa Randalls Buch fand ich auch ziemlich anspruchsvoll, bin aber bis zum Schluss drangeblieben. Ich bin sicher, dass jedes Mal etwas hängenbleibt.
    Einen tollen Überblick bietet auch Carlo Rovellis „Sieben kurze Lektionen über Physik“. Gute Einsteiger-Bücher kann man gar nicht genug lesen. Daher kommt mir das Buch von Alexander Mäder gerade recht! Danke für den Tipp!

  4. Ich habe „Das Universum ist eine Scheißgegend“ als Hörbuch gehört und möchte mit dem Hawking weitermachen, bisher habe ich mich aber noch nicht getraut 😉 Ich habe über die Jahre viele Artikel zum Thema im Geo Magazin gelesen, einiges blieb auch im Gedächtnis, aber Quantenphysik oder die Dimensionen und die Gestalt des Weltalls – da stoße ich an meine Grenzen.

  5. Schreibt nebenbei Opern XD Oh man … was mache ich eigentlich? Warum habe ich solche Hobbys nicht??
    Ich finde es klasse wie du dich da durchboxt. Mich verlässt ja sehr schnell die Lust mich nach Feierabend hinzusetzen und mich durch Wissenschaftsthemen zu kämpfen. Desto knapper die Zeit, desto weniger Bereitschaft habe ich meistens etwas zu lernen, was ich nicht oder schwer verstehe. Dabei ist es so wichtig, um nicht stehen zu bleiben. Deswegen … Respekt!
    Im Absatz über dem Video hast du dich glaube ich vertippt, der Mann heißt Neil deGrasse Tyson, oder?

  6. Eine sehr schöne Übersicht. Den Hawking muss ich mir langsam wirklich mal zu Gemüte führen. Vor Jahren habe ich mal ein Buch von Kip Thorne gelesen (Titel weiß ich leider nicht mehr), der sehr bildlich die Relativitätstheorie und die Astrophysik schilderte. Diesem Thema muss ich mich mal wieder widmen und die grauen Zellen auf Vordermann bringen-Ereignishorizont, ich komme!

  7. > … wie oft man Sätze lesen kann, ohne sie wirklich zu verstehen.<

    Es könnte da ein wenig Studier-Methodik helfen. In dem Satz den man nicht begreifen kann muss es mindestens ein Wort geben dessen Definition einem unbekannt ist. Man muss die vorhergehenden Sätze und den Satz den man nicht begreift nach dem Wort oder den Worten durchsuchen deren Bedeutung man nicht kennt. Man schlägt dann einfach, wenn man das Wort, das man wahrscheinlich nicht versteht, im Duden nach und liest die Bedeutungsangabe. Versteht man diese wird einem der Satz dann keine Schwierigkeiten mehr machen.

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