Ein Buch, das sich speziell mit Ingeborg Bachmanns Zeit in Wien beschäftigt, setzt vermutlich eigentlich voraus, das man sich mit der Person I.B. auskennt und sich diesen Jahren ausgiebiger widmen möchte. Das war bei mir nicht der Fall. Ich kenne bislang nur die Gedichte von ihr und einige Fragmente ihres Lebens waren mir geläufig, eine Kennerin bin ich bei Weitem nicht und dennoch hat mir dieses Buch sehr gefallen. Es ist definitiv kein Werk für reine Hardcore-Fans, sondern eines, das durchaus neugierig macht diese große Persönlichkeit der Nachkriegsliteratur näher kennenzulernen.
Ingeborg Bachmann macht sich 1946 aus Kärnten auf den Weg nach Wien, um ihren Weg in die Literatur zu finden. Sie studiert Philosophie, Germanistik und Psychologie, veröffentlicht erste Gedichte und lernt kurze Zeit später den Kritiker Hans Weigel kennen, der sie in den Kreis österreichischer Nachwuchsschriftsteller aufnimmt. Männer, die Bachmann fördern und fordern, werden oft zu ihren Geliebten. Nach einer kurzen Beziehung mit Weigel trifft sie 1948 Paul Celan in Wien, mit dem sie eine lange, komplizierte Liebe verband, aber auch Ilse Aichinger, mit der sie sich anfreundet.
Neben dem Studium arbeitet sie unter anderem auch als Model, versucht aber vor allem mit dem Schreiben Geld zu verdienen. Sie schreibt für Zeitungen, Filmkritiken, macht Übersetzungen, für das Radio und entwirft erste Roman-Manuskripte.
Foto: visitklagenfurt
1952 wird sie durch Hans Werner Richter zum Mitglied der Gruppe 47, deren Preis sie ein Jahr später gewinnt. Die Hinwendung zur Gruppe ist ihr Schritt heraus aus dem konservativen Österreich und auch eine Befreiung von ihrem früheren Mentor Weigel. Noch im gleichen Jahr wandert sie auf Einladung ihres Freundes Hans Werner Hernze nach Italien aus. Diese frühen Wiener Jahre sind für ihre Entwicklung als Schriftstellerin entscheidend, es wird sie eine lebenslange Hass-Liebe mit Wien verbinden.
Im angloamerikanischen Raum ist Ingeborg Bachmann zwar weniger bekannt, doch wenn von ihr die Rede war, dann stets bewundernd und als eine der wichtigsten Vertreterinnen, die sich kritisch mit der Nazi-Vergangenheit auseinandergesetzt hatte, klar Position bezog und in der Kunst eine der wenigen Möglichkeiten sah, wie man die durch Kriege und Hass verursachten seelischen Leiden lindern kann.
„Selten verpasst Bachmann Frankls öffentliche Vorträge. Sein dritter Weg der Psychoanalyse, die Logotherapie und Existenzanalyse, die den Sinn des Lebens in nichtbiologischen Faktoren sucht, hatte zum Ziel „die Krankheit des Jahrhunderts, nämlich das Sinnlosigkeitsgefühl“ zu heilen. Frankls Theorie stellt die Verantwortung des Individuums in den Mittelpunkt existenzieller Sinngebung. Aus dem Entschluss des Menschen, für sein eigenes Handeln verantwortlich zu sein, ergebe sich dieser Sinn. Das Sein des Menschen sei – hier entlehnt Frankl einen Begriff aus der Existenzphilosophie Karl Jaspers – ein „entscheidendes Sein“.
Sie setzt sich intensiv mit der Schuldfrage auseinander, nicht zuletzt auch durch ihre persönliche Erfahrung einen Vater zu lieben, der als Nazi klar zu den Schuldigen gehörte. Auch wenn ihre Resignation gelegentlich in ihren Texten spürbar ist, ist sie eine von der ich den Eindruck habe, sie würde nie aufgeben. Die anschreibt gegen die Sinnlosigkeit und aus tiefstem Herzen davon überzeugt ist, dass nur die Kunst ihre Generation retten und ihr die verloren gegangene Stimme zurückgeben kann.
McVeighs macht mit seiner Biografie große Lust, mehr von Ingeborg Bachmann zu lesen, sie weiter zu entdecken. Mir haben es insbesondere ihre Gedichte angetan, die unglaublich einfach und eloquent sind und voll dunkler Schönheit:
„Wo Deutschlands Himmel die Erde schwärzt,
sucht sein enthaupteter Engel ein Grab für den Haß
und reicht mir die Schüssel des Herzens.
Eine Handvoll Schmerz verliert sich über den Hügel.“
(aus „Früher Mittag“)
Ich danke dem Insel-Verlag für das Rezensionsexemplar.
Das will ich haben … entging mir glatt, klingt spannend. Und irgendwann will ich eh mal wieder nach Wien. Danke für den Tipp.
Ich finde, dass das Buch eigentlich relativ wenig über Ingeborg Bachmann selbst erzählt – es geht eigentlich eher um Wien in der Nachkriegszeit.